Man kann die Ennepetaler Politik fast nur mit Mitleid betrachten

[jpg] "Handlungskonzept Wohnen" wurde diese Veranstaltung genannt. Wilhelm Wiggenhagen nannte es eine Auftaktveranstaltung auf der Grundlage des demografischen Wandels und der erarbeiteten "Vision 2025" und übergab direkt an Ulrich Höhl von der Stadtentwicklung.

Der hatte eine wunderschöne Powerpointvorlage erarbeitet auf welcher man die Daten aus dem Flächennutzungsplan, dem Einzelhandelskonzept als auch der Vision 2025 des Cosimo Palomba nochmals variiert hatte um dem versammelten Publikum diese neu zu servieren.

Angereichert wurde das Ganze mit allseits Bekannten aus dem statistischen Landesamt oder dem Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung. Wer die nationale Presse regelmäßig liest fand in diesem Referat viele Argumente und Weisheiten aus der Presse, auch von EN-Mosaik, wieder.

Selbstverständlichkeiten wie "die Lebensqualität hängt von der Wohnqualität ab", "einem Wohnraumumfeld" oder "einer höheren Anforderung an das Wohnen", wurden als eigene Einsicht dargelegt. Es war schon bemitleidenswert wie hier etwas vorgetragen wurde, was normalerweise heute schon zur Allgemeinbildung gehört. Aber das ist nicht das Wesentliche, was einen in eine Mitleidskrise treiben könnte.

Wesentlich ist, dass diese statische Betrachtung (Handlungskonzept kann man das nicht nennen)  in einer hoch dynamischen Gesellschaft angestellt wird. Aber in Ennepetal hat man halt einen gefühlten 60 Stunden Tag,heißt, die Uhren gehen hier etwas langsamer. Hat man in der Politik Jahre gebraucht um den demografischen Wandel zu erkennen, so kommt heute die Reaktion viel zu spät. Bis die Politik die Anforderungen in Handlungen umsetzt, hat sich der demografische Wandel erledigt. Und wie setzt sie im Moment das Problem um? Die Alten werden selektiert, es werden Strukturen geschaffen, die wir in 15 Jahren nicht mehr brauchen. Da sind die Alten unter der Erde. Was bleibt? Ein Bestand an Seniorenheimen oder ähnlichem bleibt, die unser System belasten, die wir aber nicht mehr brauchen. Die Überkapazitäten an Krankenhäusern die durch die Politik im Gesundheitssysetm geschaffen wurden, sprechen eine eindeutige Sprache.

Stichwörter:

Patchworkfamilien:
Immer mehr Partner, teilweise mit jeweils eigenen Kindern, finden sich zusammen und wollen keine langfristige Bindung eingehen. Wollen jeweils ihre eigene Wohnung behalten.

Singlehaushalte:
Auch diese Gruppe steigt immer mehr und ist eine ernstzunehmende Gruppe.
Der Raumbedarf ist aber der gleiche wie bei einer ehemals 3 köpfigen Familie

Alleinerziehende:
Überwiegend Frauen. Benötigen dementsprechenden Raum, aber auch eine funktionierende soziale Infrastruktur.

ALG II Empfänger:
Auf Dauer gesehen wird diese Gruppe steigen, die Einkommen werden jedoch sinken. Der Bund streicht gerade den Heizkostenzuschuss. Die vom Bundesverfassungsgericht geforderten neuen Sätze sind noch nicht bekannt, werden jedoch niedriger sein. Dies bedingt eine Nachfrage nach billigem Wohnraum, billiger als bisher bekannt. Denn wenn der Bund die Zuschüsse streicht, muss die Kommune wieder mal einspringen. Hier kann man nur kostengünstig arbeiten, indem man diese Gruppe in Stadtteilen zusammenfasst und andere Wohneinheiten zu schaffen, deren Versorgung zentral gesteuert werden.

Senioren:
Die Kosten für die Unterbringung in Heimen werden steigen, aber auch das betreute Wohnen ist für diese Gruppe zu teuer. Denn die Renten und Pensionen werden in den nächsten Jahren sinken. Konsequenz: Es müssen andere Wohnformen her.

Arbeitskräftemangel:
Hier zeichnet sich eine riesengroße Lücke in den nächsten 15 Jahren ab. Headhunter werden auf Jagd nach Fachkräften abgestellt. Und diese Fachkräfte fragen einen dementsprechenden qualitativen und quantitativen Wohnraum nach.

Das sind nur 6 Punkte die in eine Betrachtung einfließen müssten. Diese sind aber nur beispielhaft. Dazu kommen noch die Infrastrukturmaßnahmen die eine moderne Stadt bereitzustellen hat, die ich hier unerwähnt lassen möchte. Und diese 6 Punkte gehören in eine gründliche Analyse. Und erst aus der Analyse leitet man ein Handlungskonzept ab und stellt dieses zur Diskussion.

Es nützt auch nichts,  wenn das Wissen um die mangelnde Attraktivität vorhanden ist, wenn jeder Attraktivität anders definiert.

Attraktiviät heißt für Ennepetal, wir haben eine Höhle, eine Fußgängerzone und einen grünen Gürtel. Und gut ist. Können die Verantwortlich aus der Politik sich nicht vorstellen, dass Andere das anders sehen?

Wir leben zwar auf einer "Insel der Glückseligen" aber manchmal sollte man doch hinter die B7 gehen um zu sehen wie es andere machen. Wobei so weit ist das eigentlich gar nicht.

Wann wird Ennepetal begreifen, dass Kommunen in einem Konkurrenzkampf leben?

 

Und dann musste die Politik wieder mit ein paar Statements auftrumpfen, die in der Forderung gipfelten, einen Arbeitskreis zu eröffnen oder ein Gutachten erstellen zu lassen. Die Herren Rauleff und Steinbrink von der SPD und Frau Hofmann von den Bündnisgrünen spielten sich hierbei die Karten zu. Es sind immer wieder die gleichen Sprachülsen und Textbausteine die aus den parteipolitischen Setzkästen stammen. Einmal durchatmen, Vernunft und das Denken aktivieren fällt der Politik sichtlich schwer. Aber wir wollten ja schon immer mal was sagen.
   
                   
Herr Frey von der FDP wollte die Marktwirtschaft umgesetzt haben, die es ja richten sollte. Nur das die Marktwirtschaft aus der Politik Impulse und Eckpunkte haben muss, dass ist dem Oberliberalen Frey offensichtlich nicht geläufig. Marktwirtschaft ist kein liberales Dogma, es ist ein System liebe liberale FDP. Und Marktwirtschaft braucht Akteure, die diesem ganzen System eine Richtung geben. Die eingeforderten Wortmeldungen durch Herrn Höhl brachten keine weiteren Erkenntnisse. Warum auch, es ist doch bis heute für jeden der Anwesenden gut gegangen. Nur für die Stadt Ennepetal ist vieles daneben gegangen. Herr Braselmann sah indirekt mal wieder nur seine und andere Interessen gewahrt, wenn endlich die Fußgängerzone wieder für den Durchgangsverkehr geöffnet werde. War klar. Nur das Herr Braselmann seine Häuser vielleicht in einen besseren und anderen zeitgemäßen Zustand versetzen sollte, dass steht auf einem anderen Blatt.

Wilhelm Wiggenhagen fand dann noch, dass dieses Thema die letzten 20 – 30 Jahren vernachlässigt worden war. Recht hat er. Nur er saß doch in dem Fachbereich der dieses Thema bearbeitete. Warum hat er es nicht früher auf die Agenda gesetzt? Und weiter meinte Wilhelm Wiggenhagen, das kann es doch nicht gewesen sein.  Doch das war es, mehr ist nicht drin. Als Frau Hofmann die Frage stellte: Was können wir tun? war schon alles gelaufen.

Klar kann Ennepetal was tun. Sich endlich der Realität stellen und eine schonungslose Analyse anfertigen. Nicht die Sachverhalte so herbeireden wie sie eben nicht sind, damit es für die "Insel der Glückseligen" passt.

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Ennepetal

 

alle Fotos ©2010 EN-Mosaik

9 Kommentare
  1. Avatar
    Anna Brux sagte:

    Herzlichen Glückwunsch zum Bild am Anfang des Artikels (Höhl/Wiggenhagen): „One Look is Worth A Thousand Words“
    (dt.: Ein Bild sagt mehr als tausend Worte; erstmals in „Printers’ Ink“ vom 08.12.1921, Werbeanzeige von Fred R. Barnard)

    Gestik und Mimik machen deutlich, was die Ennepetaler vom «Handlungskonzept „Wohnen“» erwarten dürfen: Der Wortlaut des Arbeitstitels lenkt Assoziationen des Lesers zunächst in Richtung Aufbruch, Ärmelaufkrämpeln, strukturiertes Vorgehen. Vom Bild strömt anschließend fröhliche Hilflosigkeit, Ernüchterung und oberlehrerhafter gestischer Nachdruck herüber.

    „Und dann musste die Politik wieder mit ein paar Statements auftrumpfen, die in der Forderung gipfelten, einen Arbeitskreis zu eröffnen oder ein Gutachten erstellen zu lassen.“ – das übliche Verschiebungs-Prozedere! Irgendwann liegt das Gutachten dann vor und verschwindet auf Nimmerwiedersehen in einer Schublade, in der man es reifen lässt. Wie Sie schon sagten, sind alle Entwicklungs-Daten, die man für Entscheidungen braucht, in der Verwaltung vorhanden. Wer seine Kompetenz als politischer Entscheider auf- bzw. ausbauen möchte, kann das tun – vorausgesetzt, er will diese Arbeit auf sich nehmen.

    Kommunikation ohne abgelutschte „Sprachülsen und Textbausteine […] aus den parteipolitischen Setzkästen“? – in diesem Leben vermutlich nicht mehr, es wird unserem Kopfkino vorbehalten bleiben! „Wilhelm Wiggenhagen fand dann noch, dass dieses Thema die letzten 20 – 30 Jahren vernachlässigt worden war.“ – hier frage ich mich allerdings, wie er das herausgefunden hat – so als freihändiges, selbständiges Denkergebnis, erstaunlich! Hatte er einen Spickzettel?

  2. Avatar
    Leserkritik sagte:

    Also diese Veranstaltung ist an Peinlichkeit ja kaum zu überbieten. Scheinbar weiß Herr Rauleff nicht mehr, was in seinem eigenen Antrag stand. Denn: Die Idee zu dieser ja unbestritten wichtigen Thematik kam von der SPD. Die SPD beantragte zwar einen Masterplan Wohnen – gut, das hat Wiggenhagen dann in Handlungskonzept Wohnen umformuliert. Klar, wenn man fremde Federn nimmt, muss man halt dafür sorgen, dass niemand es bemerkt.
    Aber wenn man sich anschaut, was von der eigentlichen Aussage und erhofften Wirkung des ungewöhnlich langen SPD-Antrags übrig geblieben ist, da kann man nur mit dem Kopf schütteln. Arbeitskreis und Gutachter sind in meinen Augen völlig überflüssig. Die im damaligen Antrag gestellten Fragen gilt es – von der Verwaltung – zu beantworten. Nicht mehr und nicht weniger. Aber die Verwaltung sieht sich ganz offensichtlich mal wieder nicht in der Lage diese Dinge anzugehen. Ein Trauerspiel!

    Wenn Wiggenhagen meint, dass das Thema 20-30 Jahre vernachlässigt wurde… nun, er war doch schon lange zuständig für diesen Bereich… hallo?! Und… er ist ja jetzt nicht mal auf die Idee gekommen, sondern dafür brauchte er wieder einmal die SPD. Genau, jene SPD, die ja keine Sachpolitik betreibt. Der Antrag wurde übrigens in Zeiten des Wahlkampfes gestellt – ist also schon über ein Jahr alt. Und: Eigentlich hätte man die Ergebnisse in den FNP-Prozess einfließen lassen müssen. Ist doch ganz logisch… im FNP werden im Wesentlichen Wohnbauflächen ausgewiesen (zumindest traut man in Ennepetal dem FNP nicht mehr zu…). Also muss ich doch vor der Ausweisung neuer Flächen genau wissen, welche Ergebnisse der Masterplan Wohnen bringt. Nein, nicht so unter Wiggenhagen. Der ignoriert Anträge so lange, bis der FNP weitgehend durch ist. Wiggenhagen muss genialer sein als wir alle denken. Er trickst die Logik einfach aus! *ironie*

  3. Avatar
    Änne P. Thaler sagte:

    Verkürzt formuliert:
    Die CDU nimmt der SPD die Wurst vom Brot und die SPD hält still?
    SPD: „Unser Stadtplanungsexperte Dipl.-Ing. Tobias Berg hat diesen Antrag [vom 05.06.2009] entwickelt.“
    Wo war denn Herr Berg … ?

  4. Redaktion
    Redaktion sagte:

    Die SPD, welche meinen Sie denn? Meiner Beobachtung gibt es drei SPD´s. Es gibt eine Rauleff SPD, eine junge SPD und eine Zink SPD. Was dieser SPD fehlt, ist das Selbstbewusstsein um der Stadtverwaltung Paroli zu bieten.

    Die Stadtverwaltung kostet den Steuerzahler rund €40.000,– Tag und sie ist nicht in der Lage eine formulierte Anfrage aufzunehmen und umzusetzen. Vielmehr nimmt sie die Anfrage und formuliert sie um, um sie dann in einer Frage dem Publikum vorzulegen. Das ist großes Theater.

  5. Avatar
    Änne P. Thaler sagte:

    Eine Frage zur SPD:
    Gibt es in den beiden Altherrenabteilungen (Rauleff, Zink) – zumindest vereinzelte – „Stimmen“, die sich kritisch mit der Verwaltung auseinandersetzen?

  6. Redaktion
    Redaktion sagte:

    Klare Antwort: Jein
    In Einzelgesprächen hört man allgemeine Kritik,meinetwegen die Verwaltung bekommt nichts auf die Beine. Das führt aber zu nichts.

    Wenn man aber z.Bsp. die hohen Personalkosten thematisiert, stellt sich das so dar In Einzelgesprächen will man schon etwas machen, zumindest Herr Zink. Geht es aber jetzt an eine konkrete Anfrage, kneifen beide. Es gab schon kritische Stimmen zu Beginn der Periode, die sind aber jetzt verstummt. Offensichtlich fand in der SPD ein Disziplinierungsprozess statt.

  7. Avatar
    Änne P. Thaler sagte:

    NKF (Neues kommunales Finanzmanagement) und darauf aufbauend IKVS (Interkommunales Kennzahlen-Vergleichs-System; Antrag der SPD-Fraktion vom 26.04.2010) wecken Hoffnungen auf mehr Kosten-Transparenz in der Verwaltung.
    (1) Halten Sie diese Hoffnungen aus betriebswirtschaftlicher Sicht für realistisch?
    (2) Können wir davon ausgehen, dass die vereinzelten verwaltungskritischen Stimmen in der SPD durch NKF bzw. IKS gestärkt werden – gegen den “ Disziplinierungsprozess“?
    Der SPD-Antrag wurde in der Sitzung des Hauptausschusses am 01.06.2010 behandelt. Das Protokoll vermerkt u.a.: „Auf Nachfrage von Herrn Bürgermeister Wiggenhagen erklärt sich der Hauptausschuss damit einverstanden, nicht über den Antrag abzustimmen, sondern diesen nur zu Kenntnis zu nehmen.“
    (3) Will der BM es auf die lange Bank schieben?

  8. Redaktion
    Redaktion sagte:

    Zu (1)
    Im Hinblick auf Ennepetal halte ich eine Kostentransparenz für unabdingbar. Beim äußeren Vergleich fällt sofort auf, dass Ennepetal rund 50% mehr an Kosten verbucht als vergleichbare Städte. Auch fällt sofort auf, dass Ennepetal rund 40% mehr an Personalkosten verbucht.Die ist zwar auffällig wurde aber durch den Rat der Stadt nicht einmal im Ansatz thematisiert. Es sollte aber weitergehend die Forderung nach einer, ähnlich wie in der Industrie, konsolidierten Bilanz gefordert werden. Denn wie offensichtlich werden hinter den Betrieben, demnächst noch die AÖR, Kosten quasi verschleiert.
    zu (2)
    Nein, in der SPD ist der Bereich Wirtschaft und Finanzen nur schwach ausgeprägt. Im Moment erkenne ich nur eine Person die bei weiterer Einarbeitung diesen Bereich ausfüllen könnte. Die Abstimmung wurde deshalb vertagt, weil der Kreis den Haushalt nicht genehmigt hatte. Im Grund genommen „dummes Zeug“.Denn es wäre ein leichtes mittels eines Hilfsprogrammes die derzeitigen Zahlen auch anders darzustellen. Die deutsche Industrie hatte mehrfach in der Nachkriegszeit sowohl den Kontenrahmen als auch die Bilanzen umstellen müssen. Und es wurden am Anfang immer ohne Probleme Parallelläufe gefahren.
    zu (3)
    Klar, aber nicht nur der BM hat ein Interesse die „lange Bank“ zu bemühen.

  9. Avatar
    Änne P. Thaler sagte:

    Ich bedanke mich für Ihre Ausführungen! Auf eine „Münchhausen-Lösung“, nach der man sich ohne Hilfe von außen durch eigene Kraft aus seiner eigenen Notlage befreit, werden wir wohl vorerst vergeblich warten müssen …

Dein Kommentar

An Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns Deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.