Erinnerungskoffer aktivieren Demenzkranke

Am Montag (09. November 2015) stellte Büchereileiterin Stephanie Kron (2.v.r) gemeinsam mit ihrer Mitarbeiterin Gabriele Linden die Demenzkoffer vor, die pflegenden Angehörigen dabei behilflich sein sollen,, über die Erinnerung mit einem Demenzkranken ins Gespräch zu kommen. Dank einer finanziellen Unterstützung der „Hans-Grünewald-Stiftung“, die bei diesem Termin durch Peter Erne (Kuratoriumsvorsitzender, links) und Gerd Westermann vertreten war, konnten diese Koffer angeschafft werden und stehen ab sofort in der Ausleihe. Foto: (c) André Sicks

Am Montag (09. November 2015) stellte Büchereileiterin Stephanie Kron (2.v.r) gemeinsam mit ihrer Mitarbeiterin Gabriele Linden die Demenzkoffer vor, die pflegenden Angehörigen dabei behilflich sein sollen,, über die Erinnerung mit einem Demenzkranken ins Gespräch zu kommen. Dank einer finanziellen Unterstützung der „Hans-Grünewald-Stiftung“, die bei diesem Termin durch Peter Erne (Kuratoriumsvorsitzender, links) und Gerd Westermann vertreten war, konnten diese Koffer angeschafft werden und stehen ab sofort in der Ausleihe. Foto: (c) André Sicks

 Neues Angebot der Stadtbücherei steckt voller Überraschungen

Gevelsberg: Als die Angestellten der Stadtbücherei erstmals die sechs neu angeschafften Erinnerungskoffer öffneten, konnten sie sich kaum davon lösen: So viele Dinge befanden sich darin, die sie an früher, an ihre Kindheit und an ihr Zuhause erinnerten. Genau das ist es auch, was die Koffer bei Demenzerkrankten bewirken sollen: Erinnerungen wecken und sie aktivieren. Die Stadtbücherei möchte damit der wachsenden Anzahl an Demenzerkrankten ihr Recht auf kulturelle Teilhabe ermöglichen und der steigenden Nachfrage nach Büchern zum Vorlesen und Beschäftigen für diese Bevölkerungsgruppe entgegenkommen.
Man kann sich vorstellen, dass die Anschaffungskosten – jeder Koffer kostet zwischen 140,- und 190,-  Euro – das jährliche Budget der Stadtbücherei bei weitem gesprengt hätte. Umso erfreulicher war es, das nun die „Hans-Grünewald-Stiftung“ 2.000,- Euro für das Projekt zur Verfügung stellte, damit es pflegenden Angehörigen in Zukunft gelingt, über die Erinnerung mit einem Demenzkranken ins Gespräch zu kommen.
Jeder Koffer ist eine kleine Reise in die Vergangenheit und hat ein anderes Thema: Neben Jahreszeiten oder Festen sind dies auch Oberbegriffe wie „Freundschaft“, „Im Haus“, „Musik und Tanz“, “ oder schlicht: „Männer“ und „Frauen“. Bücher zum Vorlesen, aber auch Singbücher (die sogenannte Sing-Liesel) sowie zahlreiche, thematisch passende Gegenstände, die Erinnerung über haptische Erfahrung anregen sollen, bestücken die einzelnen Koffer. Ein Rasierpinsel, ein kleiner Fußball und Schrauben liegen zum Beispiel in der Männerkiste, ein Wellensittich aus Plüsch im Koffer „Zu Hause“. – „In vielen Haushalten gehörte solch ein Vogel zum Inventar und weckt positive Erinnerungen.“, sagte Stephanie Kron, Leiterin der Stadtbücherei, bei der Vorstellung des neuen Büchereiangebotes. Dem fügte Gabriele Linden, die für die Anschaffung der Erinnerungskoffer sowie für eine aufgestockte umfangreiche Palette an Lesestoff – Kochen mit Demenzkranken, Ratgeber-Literatur zur Pflege und zu rechtlichen Fragen, aktuelle Romane, die sich mit dem Thema beschäftigen sowie Kinderbücher, Puzzle und Spiele – zum Thema Demenz verantwortlich ist, hinzu, dass auch Bilder aus den 50ern, CDs mit Alltagsgeräuschen oder Spiele von früher und heute darin zu finden sind. „Es geht nicht unbedingt darum, das Gedächtnis zu trainieren, denn das ist kaum möglich. Es geht darum, mit den Demenzerkrankten eine gute Zeit zu verbringen, sie sinnvoll zu beschäftigen und ihnen Freude zu machen“, Besonders pflegende Angehörige würden sich Anregungen für die Beschäftigung ihrer Lieben im Alltag wünschen.
Von den Erinnerungskoffern hatte Stephanie Kron erstmals auf einer Fortbildung erfahren. Eine junge Frau hatte berichtet, dass ihre an Demenz erkrankte Mutter nicht mehr sprechen würde und sich gänzlich in ihre eigene kleine Welt zurückgezogen hätte.  Stand sie dem Angebot des Erinnerungskoffers zunächst skeptisch gegenüber, konnte sie vier Wochen mit Tränen in den Augen berichten, dass ihre Mutter wieder sprechen würde und beide nun sogar gemeinsam alte Kochrezepte zu Papier bringen würden.
„Als ich diese bewegende Geschichte hörte, stand sehr schnell fest, diese Koffer brauchen wir unbedingt in der Stadtbücherei.“, erzählte Stephanie Kron. Daher dankte sie auch dem Kuratoriumsvorsitzenden der „Hans-Grünewald-Stiftung“ Peter Erne sowie Gerd Westermann für die großzügige Spende. „Allein schon diese Geschichte zeigt uns als Stiftung, dass hier das Geld sinnvoll angelegt ist.“, betonten die beiden Herren und wünschen sich für die Zukunft, dass viele pflegende Angehörige, aber auch heimische Pflegeeinrichtungen, das Angebot der Erinnerungskoffer nutzen. Denn keiner von uns ist vor der Krankheit Demenz resistent. Es kann einen jeden treffen – egal ob als Patient oder als pflegender Angehöriger.

 

André Sicks