No education and adults only

 

[jpg] In The Wall von Pink Floyd gibt es einen Titel „We don’t need no education“ der unmissverständlich das Gefühl vieler junger Erwachsener ausdrückt. Dagegen grenzt sich die Welt der sogenannten Erwachsenen ab mit „Adults only“. Unversöhnlich stehen sich diese beiden Welten in unserer Gesellschaft gegenüber. Gibt es denn noch eine Möglichkeit des Brückenbaus zwischen diesen Welten? Agressionen und Gewaltausübungen sind die erste Wahl der Erwachsenenwelt um eine Unter- oder Einordnung in die „Adults only“ Welt zu erreichen. Schien es Ende der sechsziger Jahre mir Riesenschritten nach vorne in eine gemeinsame gewaltfreie Welt zu gehen, konstatieren wir heute Rückschritte die gesellschaftlich sogar toleriert werden. Es sind die einzelnen Steine die wieder diese Mauern für Kinder entstehen lassen. Wobei jeder Stein eben nur ein Stein sein soll und nicht so schlimm sein kann – so sagt man.

 Was soll das?

Nun, uns geht dieser Artikel in der Westfälischen Rundschau vom 21. September 2012 nicht aus dem Kopf, nachdem ein Kind in Ennepetal Urlaub bis Weihnachten von der Prügelei seines Vaters bekommt. Nun hat die Stadt Ennepetal eine etwas eigenwillige und konservative Einstellung zu Kindern, Jugendlichen oder Heranwachsenden. Was heißt Einstellung? Sie müssen nur das machen was man ihnen sagt. Mehr nicht.

Da mutet es doch etwas komisch an, wenn man sich ein paar Kilometer weiter im Zusammenhang mit der Ruhrtriennale 2012 mit dem Projekt „no education“ befasst. Es faszinierte schon ungemein, wie die Intendanz der Ruhrtriennale mit Heranwachsenden umging. So hatte sich die Intendanz entschieden, Jugendliche als offizielle Festivaljury einzusetzen und sie zu anmieren im Rahmen des „The Children’s Choice Awards“ Preise in unterschiedlichen Klassen zu vergeben. Die Jugendliche der Gesamtschule Gelsenkirchen Ückendorf, der Herbert Grillo-Gesamtschule Duisburg und der Erich-Kästner Gesamtschule Bochum reisten von Stadt zu Stadt und von Aufführung zu Aufführung um unvoreingenommen und mit kritischem Blick die Aufführungen zu prüfen.

Und das lief dann so ab: Der rote Teppich lag schon vom Eingang bis zur ersten Reihe. Die Gäste mit der Presse setzten sich. Eine Musikeinspielung ertönte und die Jury wurde angekündigt. Die Jugendlichen kamen herein und setzten sich wie selbstverständlich in die erste Reihe. Die Aufführung begann. Zum ersten mal war das Folkwang Museum in Essen Spielstätte mit dem Stück „12 Rooms“ einer Live Art Gruppenschau.

   

Auch hier der rote Teppich, Aufregung, die Jugendlichen wurden angekündigt und kamen herein, hier konnten wir einzelne Jugendliche interviewen.

Am 30. September 2012 war es dann soweit, die 72 Jugendlichen, die zur Festivaljury gehörten, kamen mit Musik, tanzend herein um die 31 Preise zu verleihen. Preise die sie selber benannt hatten und dazu auch noch gestaltet hatten. Während des gesamten Zeitraumes hatten sie Darren O´Donnel als künstlerischen Leiter und keinen geringeren als Dr. Gerard Alfons August Mortier, den Gründungsindendanten der Ruhrtriennale, als Schirmherrn an ihrer Seite. Mortier kam extra aus Madrid, wo er Leiter des Theadro Real ist.

Die Preise der Jugendlichen hatten es in sich, da gab es Preise für

 

  • das peinlichste Kostüm

  • die beste Geschichte

  • die meiste Phantasie

  • die Show in der ich eingeschlafen bin

  • die schlechtesten Sitze

  • die kreativste Show

  • die perverseste Pose

  • der beste Schnurrbart

  • die witzigeste Stimme

  • und, und, und

 

Hinter allem stehen Menschen, die sich Gedanken machen über das Verhältnis von Macht und Ohnmacht und sich Fragen zu Fairness, Ausgrenzung und der Würde des Kindes stellen.

Gemeint ist die Mammalian Diving Reflex Forschungs- und Performancegruppe aus Toronto unter der Leitung von Darren O´Donnel, Eva Verity und Jenna Winter. Es entstand das Mammalian Protokoll für die Zusammenarbeit mit Kindern die einen anderen Blick auf Kinder ermöglichen soll und letztendlich eine utopische Situation schaffen soll wo die gegenseitigen Erwartungen aneinander angeglichen werden. Im Endstadium soll sich die Erwachsenen- und Kinderwelt  emanzipieren und auf Augenhöhe begegnen. Dieses von einander lernen wird ein neuer Weg sein der nicht nur zwischen Erwachsenen und Kindern  eine neue Qualität des Zusammenlebens ermöglicht, vielmehr entsteht  auch unter Erwachsenen eine neue Akzeptanz des Zusammenlebens.

EN-Mosaik hat erlebt wie 72 Kinder/Jugendliche die Erwachsenenwelt durchdrang und zumindest einen positiven Effekt des Nachdenkens erreichte.

Warum dies alles? Es ist beschämend und stimmt traurig wenn in der Stadt in der ich meinen Wohnort habe Kinder wie im vorigen Jahrhundert verprügelt werden. Diese Stadt es aber nicht interessiert,  den Vater zu einer Therapie zu bewegen. Auf der anderen Seite diese Stadt sich über den Kauf einer Tribüne in Millionenhöhe in einem Fußballstadion erregt, jedoch kein Geld für die Maßnahmen übrig hat, die den Kindern in ihrer Stadt ermöglicht  zumindest ein würdevolles Leben zu führen.

Ennepetal hat sich damit seiner Verantwortung gegenüber seinen Kindern nicht gestellt und lässt diese mit ihrem Schmerz alleine. Dies in unserer heutigen Zeit und mit den materiellen Mitteln die uns zur Verfügung stehen. Die Stadt sollte sich schämen. Es bleibt zu hoffen die Stadt würde sich der Verantwortung gegenüber den Kindern und Jugendlichen in ihren Stadtmauern stellen und die finanziellen Prioritäten so verändern, dass diese Gruppe ein würde-und angstfreies Leben in Ennepetal führen kann.

 

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Ennepetal und Bochum.