Ein kleines Land mit großem Ballett – NL-RUHR 2010

[jpg] Es war ein fulminanter Galaabend mit großen TänzerInnen, wobei der Programmablauf alles bot, was man sich beim Ballett nur wünschen darf.

Vom klassischen Ballett mit Giselle bis hin zum modernen Ausdruckstanz mit tué oder element x:bottom´s dream, eine beeindruckende Vielfalt.

Durch das Programm führte Hannes Brock unterhaltend und kurzweilig mit vielen Hintergrundinformationen, so dass auch ein Zuschauer der das erste mal einem Ballettabend beiwohnte ohne Schwierigkeiten dem Abend folgen konnte und seine helle Freude daran haben musste.

Zu Gast am Theater Dortmund waren die großen Häuser der Niederlande, das Het National Ballet und das Nederlands Dans Theater. Sie schickten ihre großen Solisten auf Einladung von Xin Peng Wang dem Dortmunder Ballettdirektor. Aber nicht nur das, denn mit Sue Jin Kang und Marijn Rademaker sowie Bridget Breiners und Howard Lopez Quintero waren vom Stuttgarter Ballett vier weitere herausragende Solisten eine Bereicherung des Galaabends.

Es war ein Wechselbad der Gefühle in die uns diese großen Tänzer tauchten und die Besucher in ihren Bann zogen. So tanzte Bridget Breiner und Howard Lopez Quintero die Giselle nach der Choreografie von Paul Chalme den Pas de Deux Bauerntanz in einer Anmut, dass man schon ins schwärmen über soviel Romantik kam. Dieselbe Bridget Breiner trat aber sodann in tué nach der Musik der unvergesslichen Barbara und der Choreografie von Marco Goeke in einem zeitgenössichen Tanz auf, der einen ob des vibrierenden Körpers in Erstaunen und Schrecken versetzte. Die Gegensätze konnten nicht größer sein. Aber das macht erst eine große Tänzerin und einen großen Tänzer aus. Es gelten nicht mehr die Einteilungen im heutigen Ballett. Und überhaupt die Breite des Dargebotenen war gewaltig.

Dann wieder komödienhaft mit "mozart:quartett", Choreografie Xin Peng Wang nach der Musik Mozarts. Es war schon eine Augenweide wie Rosa Ana Chanza Hernandez sich von den drei Herren Philip Woodman, Eugeniu Cilenco und Arsen Azatyan vom Dortmunder Ballett umgarnen lies, wobei sie alles unter Kontrolle hatte. Lachend spielte sie mit ihren Verehrern, die nicht von ihr lassen konnten. Es war ein Quartett das einem vor Lachen die Tränen in die Augen treiben konnte – herrlich.

              
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Rubinald Pronk und Drew Jacoby vom Nederlands Dans Theater tanzten "one" nach der Choreografie von Annabel Lopez Ochoa und der  Musik von Jacob Ter Veldhuis. Danach jedoch "softly as i leave you" nach der Choreografie von Lightfoot/Leon und der Musik J.S. Bach sowie Arvo Pärt. Absolute Körperbeherrschung bei den Sprüngen, den Hebefiguren der Gestik, eine Spannung ohne Gleichen. Gebannt folgte man den beiden Stücken.

Primaballerina Monica Fotescu-Uta und Mark Radjapov tanzten "element X:Bottom dream" nach der Choreografie von Xin Peng Wang und der Musik von Hans Werner Henze hochkonzenztriert in sich versammelt – excelent. Der Gitarrist Hans Werner Huppertz begleitete musikalisch. Ich fand diese Aufführung im Harenberg Center Dortmund allerdings etwas eindrucksvoller, was allerdings dem Gebäude geschuldet war.

Igone de Jongh und Alexander Zhembrowski vom Het National Ballet tanzten "vorbijgegaan" nach einer Choreografie von Rudi van Dantzig und der Musik Frédéric Chopin, sowie "frank bridge variations" nach der Choreografie von Hans van Manen und der Musik von Benjamin Britten.  Im Tanz der Beiden sah man die Formenstrenge die beide Choreografen auszeichnet. Beide Stücke erzählten Geschichten von Menschen die zueinander finden aber sich auch wieder trennen, das Glück des Findens aber auch der Schmerz der Trennung. Sehr eindrucksvoll tänzerisch umgesetzt.

Es waren insgesamt 18 Stücke die in dieser XII Ballettgala zur Aufführung gelangten, eine hervorragende Gala, die man nicht missen mag. Es war dem Namen nach ein Holland Panorama und diesem Namen wurde mehr als nur gerecht getan. Wahrlich, ein kleines Land mit einer Größe die beeindruckt und überzeugt.

Zu guter letzt möchte ich noch betonen, dass ich nicht alle Tänzer erwähnen konnte, ich habe die Leistung der Nicht Erwähnten in keinster Weise damit schmälern wollen – niemals. Es war ein wunderbarer Abend, der schon nach über 4 Stunden wie im Fluge zu Ende ging. Das Publikum dankte es auch mit stehendem Applaus und begeisterten Rufen.

Was aber auch einmal gesagt werden sollte und meiner Meinung immer wieder bei Kritiken untergeht, die Technik. Die Leistungen der Beleuchtungs- und der Tontechniker, die die Solisten immer ins rechte Licht setzten aber auch den rechten Ton brachten und damit den hervorragenden Tanz noch verstärkten, dies sollte wirklich einmal erwähnt werden. Denn die im Dunklen sieht man nicht, dieses Wort sollte einmal nicht gelten.

 

 

       
Photo by Bill Cooper

Drew Jacoby of Jacoby & Pronk,

   Oper Dortmund  

Lassen wir uns auf die XIII Ballettgala mit internationalen klassischen Traumpaaren freuen, wenn es am 24. Oktober im Dortmunder Opernhaus heißt: Vorhang auf.

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Dortmund.

 

Gute Nachbarn wollen sich näher kennen lernen – NL-Ruhr

[jpg] Der europäische Gedanke scheint allgemein zurzeit etwas müde zu wirken. Die Regierungschefs sind mit anderen Dingen beschäftigt. Europa muss erst einmal warten, so scheint es. Und wir? Wir nehmen derweil wie selbstverständlich die Segnungen, die Europa uns gebracht hat, jeden Tag wahr. Eine Währung, keine Grenzen und das in einem Raum wo sich rund 500 Millionen Menschen befinden. Nur, was wissen wir voneinander? Man kann ja verstehen, wenn der Spanier sehr wenig über die Letten weiß, es sind ja einige Kilometer zu bewältigen. Für eine weitergehende Beziehung ein bisschen weit. Aber der Nachbar, der nur ein paar Kilometer entfernt wohnt, zu dem sollte sich doch eine stärkere Bindung erzeugen lassen.

Nein, auch hier sind die Beziehungen nur auf einer offiziellen Ebene vorhanden. Ministerpräsidenten oder Bürgermeister,  ja die treffen sich ab und an um ein mehr oder weniger unverbindliches Gespräch zu führen. Und wir selber? Unser direkter Nachbar, die Niederlande, sind uns als Ziel für den preiswerten Einkauf bekannt. An den Grenzen haben die Niederländer für uns Deutsche Supermärkte aufgebaut, die keinen Wunsch offen lassen. 1 ½ Stunden rüber nach Arnheim oder einer sonstigen Stadt, 1 Stunde einkaufen und 1 ½ Stunden wieder zurück. Die Niederländer selber kommen gerne in das Sauerland um einen Kurzurlaub zu machen. Wie soll da etwas entstehen? Was wissen wir über die Niederländer oder umgekehrt. Fast  sind es alles nur Klischees, die über den Anderen kursieren.

                
   Gruppenfoto Pressekonferenz Oper Dortmund                                                             Foto: © Linde Arndt
 

Es finden sich jedoch Partner zusammen die mehr wollen, die das Kennenlernen als eine Bereicherung ansehen.
So hat das Theater Dortmund im Rahmen des Kulturhauptstadtjahres 2010 mit seinem Generalmusikdirektor Jac van Steen, einem Holländer, die Initiative mit anderen ergriffen um einmal die breite holländische Theatersparte den Deutschen näher zu bringen. Aber nicht nur das, die Initiatoren gingen noch einen Schritt weiter indem sie Holländer mit Deutschen zusammen bringen um sich gemeinsam einem Publikum zu zeigen. Da das Ruhrgebiet im Zusammenhang mit dem Kulturhauptstadtjahr ein umfangreiches Netz geknüpft hatte, brauchte man nur noch eine Klammer um das niederländische Netz anzuknüpfen. Herausgekommen ist das Projekt NL-RUHR. Dieses Projekt soll keine einmalige Sache sondern eine langfristige Kooperation werden. 300 kulturelle Aktivitäten mit den niederländischen Nachbarn wurden während der Ruhr 2010 gemeinsam entwickelt.
Das Angebot umspannt die gesamte Bandbreite von klassischer Musik, Jazz, Rock-und Popmusik, Schauspiel, Musiktheater, Tanz, Malerei, Fotografie Landschaftsgestaltung, Design, Mode oder auch Neue Medien. Eben  der ganze Reichtum der niederländischen Kultur.

           
          v.l.n.r.:  Nadin Deventer / Bettina Pesch / Michael Nieuwenhuizen                                 Foto: © Linde Arndt  

Der Generalmusikdirektor der Dortmunder Philharmonie, Jac van Steen entwickelte unter dem Projekt "Holland Panorama" einen Schwerpunkt der zeitgenössischen Musikszene Hollands. Die Comic Strip Oper "Affe besiegt Knochengeist" von Peter Schat oder das Familienkonzert "Die Nachtigall", von Theo Loevendie mit der "Hexe Hillary" wenden sich an ein modernes Publikum. Darüber hinaus wird es eine internationale Ballettgala unter dem Titel "Tanzszene Niederlande/Ruhr" geben. Hier treffen zwei Ballettkulturen mit dem Ballett Dortmund und dem Nederlands Dans Theater und Het Nationaal Ballet mit den Stücken der Meisterchoreographen Jiri Kylian und Hans van Manen aufeinander.

                                    

  Jac van Steen
Foto: © Linde Arndt
  Tobia Ehinger
Foto: © Linde Arndt
     

Nadin Deventer bringt unter dem Motto "Raus nach Europa" die Jazzszene des Ruhrgebietes mit der niederländischen Szene zusammen. Das Jazzplayseuropa-laboratory zwischen dem Jazzwerkruhr und TryTone aus Amsterdam werden  das Publikum begeistern. Hier werden wildfremde Musiker sich willkürlich zu einer Session zusammenfinden, nachdem sie vorher für ein paar Tage in einem Proberaum eingesperrt waren. TryTone schickt die Jazzsängerin Kristina Fuchs und Jazzwerkruhr den Pianisten Oliver Maas in den Ring.

Mit der "NL-RUHR Music Kitchen" treffen drei niederländische Bands aus Amsterdam auf drei Bands aus dem Ruhrgebiet aufeinander um ein Programm für 9 Abende zu erarbeiten. Man darf gespannt sein.

So wird es eine internationale Ballettgala XII – "Tanzszene Niederlande/Ruhr" am 16. Oktober 2010 geben, Balettdirektor Xin Peng Wang lädt zu seinem jährlich stattfindenden Tanz- und Ballettgalaabend ein. Es sind zwei große europäische Tanzkulturen die sich in Dortmund treffen. Es wird sicher ein herausragender Dialog der der Solisten des Nederlands Dans Theater (Den Haag), dem Het nationaal Ballet (Amsterdam) und vielen weiteren internationalen Tanzgrößen werden.
Die Webseiten www.nl-ruhr.de und www.mcn.nl sowie www.jazzplayseurope.eu und musickitchen.eu halten hierzu ein umfangreiches Programm bereit.

Die stärksten künstlerischen Persönlichkeiten werden wie in einem Teilchenbeschleuniger aufeinander treffen, ein Prozess der sicher enorme Mengen an künstlerischer Energie freisetzt.

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Dortmund