Ennepetaler Haushalt 2013 – wir haben alle keine Ahnung

 


v.l.:Bürgermeister Wilhelm Wiggenhagen und Kämmerer  Dieter Kaltenbach                             Foto:  © Linde Arndt
   [jpg] Was haben wir doch für einen klugen Kämmerer. Wie immer musste er uns mehrfach sagen, dass alles so schwierig wäre, er aber versucht uns das einmal zu erklären. Er kann es nicht lassen dem Rat als auch seinem kompletten Umfeld die Kompetenz abzusprechen. Nur, die Stadt und der Rat hatten 2006 beschlossen am Kapitalmarkt zu „zocken“, der dusselige Wähler und auch die Presse nicht. Sieht man sich den rund 800 Seiten Haushalt an, bemerkt man rund 200 Seiten nur mit Nullen bedruckt, die man bei etwas Gehirnschmalz auch im Druck hätte unterdrücken können. Das sind immerhin fast 10.000 Seiten Papier die man einsparen konnte. Und überhaupt, das Sparen ist seit Jahren ein Thema in der Ennepetaler Stadtverwaltung. Wie eine Monstranz trägt man ein Sparschild vor sich her, damit auch ja keiner auf den Gedanken kommt von der Stadt etwas zu verlangen.

Musikschule, Kultur, Spielplätze, Kitas oder womit auch immer wir nicht breitenwirksam Imagewerbung machen können, da heißt es  "wir müssen sparen". Und damit sind wir jetzt bei den Inhalten des Ennepetaler Haushaltes. Dieser Haushalt ist eine Fortschreibung der Prioritätenliste aus irgendeiner grauen Vorzeit. Das sich die Zeiten total, und zwar Jahr für Jahr, geändert haben scheint man im Rat oder in der Stadtverwaltung nicht mit bekommen zu haben. Was wie immer fehlt, ist eine politische Handschrift, die eine Zielvorstellung für die Kommune aufzeigt. Es ist ein Haushalt der wie  von einem Buchhalter vorgelegt wurde, den die gesellschaftlichen Probleme wenig oder auch gar nicht interessieren.

Als 2008/2009 die Steuereinnahmen auch in Ennepetal wegbrachen, mussten die Ausgaben den Einnahmen angepasst werden. Da dies jedoch „nur“ bei den freiwilligen Ausgaben möglich war, musste entweder nach der „Rasenmähermethode“ (lineare Kürzung) oder nach einer intelligenteren Lösung von „Kürzungen“ gesucht werden. Die Stadt Ennepetal entschied sich für eine Mischung aus „Rasenmähermethode“ und vermeintlich intelligenter Lösung. Bestimmte Bereich wurden überproportional gekürzt, andere nicht angetastet und einige sogar erhöht. Die Prioritäten der frewilligen Leistungen zu verändern, darauf kam niemand.

Fatal war auch, dass sich die Stadt gegen ein HSK stemmte obwohl die Bedingungen schon längst eingetreten waren. Der derzeitige Kämmerer Kaltenbach musste denn auch mit einem nicht genehmigten Haushalt leben und darüber hinaus musste er fachlich und sachlich sehr teure Berater einkaufen um das Desaster des nicht genehmigungsfähigen Haushaltes wieder in geordnete Bahnen zu bringen.

Dass dadurch sehr hohe und nicht genannte Verwaltungskosten (fremde und eigene), sowohl bei der Stadt  Ennepetal als auch beim Kreis entstanden, muss man nicht weiter erwähnen. Den Rat der Stadt kümmerte es damals nicht, es war ja nicht das eigene Geld oder anders gesagt: Demokratie ist eben eine teuere Angelegenheit, wie Volker Rauleff (SPD) immer so „nett“ sagt.

 
Volker Rauleff (SPD)     Foto:  © Linde Arndt

 Kommen wir zu der dramatischen Inszenierung dieses Haushaltes 2013 in der Ratssitzung vom 27. September 2012, dem die politischen Grundlagen fehlen. Es sind weder Elemente einer konservativen, noch einer liberalen oder gar progressiven Politik zu erkennen. Und so überschrieb der Kämmerer seine Haushaltsrede mit:


Kämmerer Dieter Kaltenbach            Foto:  © Linde Arndt
 

Haushalt 2013 – Chancen, Perspektiven und Risiken“

Vorab wurde uns ein Script der Rede überlassen, von dem der Kämmerer oft, zu oft, abwich. Es gilt zwar das gesprochene Wort, wenn aber das gesprochene Wort das geschriebene Wort dominiert, so ist das Script etwas zweifelhaft.
Die Chancen dieses Haushalts sind, gem. Aussage des Kämmerers, die Stadt Ennepetal kann das Haushaltssicherungskonzept mit den bekannten Einschränkungen, wie Duldungen und dergleichen, 2014 vergessen. Aber, so der Kämmerer, die Stadt Ennepetal hat weiter die bekannten finanziellen und strukturellen Probleme. Also keine Chance? Und so geht es weiter mit den Chancen, wir haben welche, aber vielleicht auch nicht. Der Kämmerer nennt das die positiven Aspekte und Perspektiven der Haushaltsplanung.

 

 Dann entschuldigte sich der Kämmerer für die Steuererhöhungen die er vorschlägt, den Hebesatz von 411 auf 450 Prozentpunkte zu erhöhen. Begründet wird diese Steuererhöhung mit den 64 Mio. Euro an Mehrausgaben. Und warum diese Mehrausgaben von 64 Mio. Euro entstanden sind, klar, es sind die gezahlten Kreisumlagen oder andere Umlagen, die das Land NRW festlegt. Der Kämmerer zweifelt an der Gerechtigkeit dieser durch das Parlament aufgegebenen Umlagesysteme, die der Stadt Ennepetal teurer zu stehen kommen, und zwar Jahr für Jahr. Er geht sogar soweit, die Berechnungen, die zu diesem Ergebnis führen in ihrem Wesen anzuzweifeln. Letzendlich möchte die Stadt Ennepetal diese Umlagesysteme durch einen Rechtsbeistand prüfen lassen und gegebenenfalls klagen. Die Schulden der Stadt Ennepetal sind also auf die ungerechten Umlagen zurückzuführen? Nicht nur das, in seinen Aussichten versteigt sich der Kämmerer,  indem er den „Stärkungspakt“ Stadtfinanzen der NRW Landesregierung für Ennepetal nicht nur als schädlich ansieht, sondern ist auch der Auffassung, dass damit die Stadt in die Schulden getrieben wird.

Im Grunde sieht der Kämmerer sich von allen umliegenden Städten ,Kreisen aber auch den Parlamenten falsch behandelt. Alle wollen das Geld von Ennepetal, nur weil man reicher ist als alle anderen Kommunen  (bis auf weitere 4 Kommunen). Mir wären, wenn ich es nicht besser wüsste, manchmal die Tränen gekommen.

Wir leben in einem Sozialstaat, indem der Stärkere für den Schwächeren einsteht. Was haben sich der parlamentarische Rat, also die Gründungsväter und -mütter der Bundesrepublik Deutschland, bei diesem Sozialstaatsprinzip gedacht? Die Ennepetaler Arbeitnehmer bei Dorma, Febi u.a. kommen in der Mehrzahl aus anderen Städten. Andere Städte müssen für diese Arbeitnehmer Infrastrukturen vorhalten, wobei die Ennepetaler Unternehmen ihre Gewerbesteuer in Ennepetal abführen. Damit auch morgen diese Arbeitnehmer in beiden vorgenannten Firmen produzieren können, hilft der Kreis den anderen Städten bei der Bewältigung ihrer Aufgaben. Dieses System geht aber noch viel tiefer. Um es mal salopp zu formulieren, die Umlagen gehen immer von einer Leistungsfähigkeit einer Kommune aus. Eine einfache Formel: Kann die Kommune mit ihren Einnahmen nichts anfangen, so wird ihr ein gehöriger Teil durch eine Umlage abgenommen. Die Aussichten sind denn wie auch immer. Wenn alles klappt, wird nach dem Haushaltssicherungskonzept die Stadt Ennepetal wieder alle Überschüsse in den Sparstrumpf stecken. Und diese Rede endete indem der Kämmerer weitere Ausgaben die durch andere entstehen aufzählte. Armes Ennepetal, wenn die Anderen nicht wären – tz,tz,tz.

Als die Rede endete war es zuerst ein Sozialdemokrat, Herr Rauleff, der dieses Sozialstaatsprinzip als für Ennepetal belastend einordnete. Rolf Hüttebräucker von den Freien, fiel denn auch in das Lamento des SPD Fraktionsführers mit ein.

Hätten diese Herren 2006 als sie die Zockerei beschlossen hatten einmal nachgedacht, wäre Ennepetal vieles erspart geblieben.

Hätten diese Herren bei den Aufstellung des Haushaltes 2010 nicht so herum geeiert, hätte Ennepetal sicher sehr viel Geld gespart. Es sind so viele Dinge die in Ennepetal bei den Finanzen schief laufen, mit recht kann man sagen: Die sind es selber Schuld.

 
Rolf-Dieter Hüttebräucker (FWE) Foto:  © Linde Arndt

Es ist in fast allen Städten guter Brauch und Tradition, den Haushalt vom Bürgermeister und vom Kämmerer vorzulegen. Dabei bemerke ich immer wieder eine gewissen Rollenverteilung. Der Bürgermeister gibt seiner Stadt Bestätigung und Mut einen Weg zu gehen der seiner Stadt gut anstehen wird. Er zählt die schon getätigten Leistungen in der Vorzeit auf und zeigt auf zukünftige Projekte, die man gemeinsam in Angriff nehmen sollte. Der Kämmerer erbringt die dafür notwendigen finanziellen Mitteln indem er mit seinem Bürgermeister sich vorher abspricht. Er unterlegt seinen Haushalt mit anschaulichen Grafiken, die einen unbefangenen Dritten in die Lage versetzen die Materie zu verstehen. Was der gute Kämmerer nicht macht, er spricht seinen Zuhörern nicht die Kompetenz ab. Es ist schon gut wenn man sich in anderen Kommunen und Kreisen ein alternatives Bild machen kann. Als Ennepetaler Lokalreporter würde ich sicher den mir vorgesetzten Einheitsbrei glauben. Als Journalist kann ich über solch eine Inszenierung nur den Kopf schütteln. Und das Schweigen der Politischen Instanz nach dieser Rede sprach für mich Bände.

 

 

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Ennepetal