Winterschlussverkauf bei den Kultureinrichtungen

Die Zeit der Buchhalter

Nun das Jahr der Kulturhauptstadt ist gerade ein Jahr herum, die Arbeit der RUHR.2010 GmbH wurde vor wenigen Tagen an die Nachfolger übergeben und befindet sich nun in der vorbestimmten Liquidation, da geht ein kräftiger Ruck durch den Kulturwald. Vielen von uns ist die Mahnung von Fritz Pleitgen noch im Ohr, „ …nach dem Ende der RUHR.2010, die wieder an geformte Einheit der gesamten Kulturszene im Ruhrgebiet nicht zu filetieren“. Doch diese  dunkle Ahnung wird jetzt um ein vielfaches übertroffen!

Einsparen um jeden Preis?

v.l.n.r.: Prof. Dr. Kurt Wettengl (Museum Ostwall im Dortmunder U); Dr. Hartwig Fischer (Museum Folkwang, Essen); Jutta Laurinat (Flottmann-Hallen Herne); Dr. Hans Günter Golinski (Kunstmuseum Bochum); Leane Schäfer (Kunstmuseum Gelsenkirchen); Prof. Dr. Ferdinand Ullrich (Kunsthalle  Recklinghausen); Dr. Christine Vogt (LUDWIGGALERIE Schloss Oberhausen)

Die kurzfristige Einladung der Ruhrkunstmuseen zu einem Pressegespräch mit dem Thema „Schließung von ganzen Häusern“ erwischte viele von uns recht kalt. Das die 53 Städte und Gemeinden alle nicht ein dickes Kapitalpolster haben, weil sie in den letzten Jahren oftmals zuviel gezockt oder einfach Investitions- und Betriebskosten nicht als Einheit gesehen haben, ist hinlänglich bekannt. Auch die Folgekosten der ehemals blühenden Kohle- und Stahlindustrie müssen von den Städten verdaut werden. Das man jedoch nunmehr auf allen Entscheidungsebenen, sei es in den Kommunen, den Regierungsbezirken, den Landschaftsverbänden und dem Land darüber nachdenkt, dem Ruhrgebiet und dem Land NRW einen irreparablen Schaden zuzufügen, ist absolut unverständlich. An einem oder mehreren nicht ganz so klaren Schreibtischen hat man darüber nach gedacht, das eine oder andere Museum der insgesamt 20 Ruhrkunstmuseen ganz zu schließen. Hier waren es natürlich zuerst die kleineren Häuser wie Hagen oder Mülheim, doch jetzt denkt man laut über die Schließung eines mittleren Hauses wie Bochum nach.

Gleich über welches Haus da nachgedacht wird, es ist für das Land Nordrhein-Westfalen mehr als nur ein Armutszeugnis! Wir haben im Ruhrgebiet den Niedergang der Montanindustrie erlebt und die Kultur in dieser Region war und ist ein Teil dieser Bewältigung. Durch die IBA-Emscherpark und die Kulturhauptstadt 2010 haben die Menschen in der Region wieder den Mut geschöpft, der notwendig ist um den Begriff „Metropole Ruhr“ mit Leben zu füllen! Die Kulturlandschaft im Ruhrgebiet ist so vielfältig und breit gefächert wie sonst nirgendwo in  Europa. Wir wollen einmal von rechtlichen Konsequenzen und den damit verbundenen finanziellen Folgen gegenüber der EU absehen, denn hier könnten Schadensersatzforderungen im Nachgang zur Kulturhauptstadt auf das Land und die Kommunen zukommen.

Standhafte Leuchttürme?

Aber welchen Geldbetrag könnte man wirklich einsparen, wenn man nur eins oder gleich alle zwanzig Museen schließen und die Sammlungen auf dem freien Markt verramschen würde? Kein  einziger „Roter Heller“ könnte eingespart werden! Es würden eher noch größere Lasten auf die Kommunen zukommen. Die Museen haben je nach Größe zwischen 20 und 80 eigene Mitarbeiter die dem freien Markt dann zur Verfügung stünden. Hierzu kommen noch eine Vielzahl von kleinen und mittleren Handwerks- und Dienstleistungsbetrieben, die den Museen als Leuchttürme der Kulturlandschaft zuarbeiten. In diesen Betrieben wäre auch der eine oder andere Mitarbeiter nicht mehr notwendig und dies beträfe auch einige Redaktionen in den unterschiedlichen Medien. Die Arbeitslosenzahl bekäme also eine gute Zuwachsrate. Der Imageverlust einer ganzen Region wäre auf Generationen  hin dauerhaft geschädigt. Doch dieses wilde Szenarium hätte noch weitergehende Folgen. Der gerade aufblühende Wirtschaftsbereich Tourismus würde in direkter Talfahrt in der Versenkung verschwinden. Der Einwohnerverlust einiger Kommunen bekäme noch einen zusätzlichen Schub, denn die mangelhafte Attraktivität der Region würde viele junge Familien zum Weggang bewegen. Die Leuchttürme werden sich als sehr standhaft erweisen können, auch wenn an ihrem Fuße jemand kratzt oder das Bein hebt. Es ist also eher anzunehmen, diese Manöver sollen nur von den eigentlichen Zielen ablenken. Neben den Leuchttürmen gibt es eine Vielzahl an kleinen Initiativen, die eine solch öffentliche Aufmerksamkeit für sich nicht in Anspruch nehmen können und genau die lässt man ganz einfach vom Wagen fallen. Aber sehr geehrte Entscheidungsgremien hier ist es wie im Fußball, ohne Jugendarbeit gibt es keine Spitzenvereine.

Bei diesem Ansinnen bekommt der Schäferwitz No. 9 eine neue Qualität:

"Es war einmal ein Schäfer, der einsam seine Schafe hütete. Plötzlich hielt neben ihm ein Hummer-Jeep. Der Fahrer, ein junger Mann im feinsten Zwirn und edlen Schuhen, er stieg aus und sagte zum Schäfer: Wenn ich errate, wie viele Schafe Sie haben, bekomme ich dann eins? Der Schäfer überlegte kurz und sagte: „In Ordnung“. Der junge Mann nahm sein Notebook aus dem Jeep, ging via UMTS ins Internet auf eine NASA-Seite, scannte die Gegend mit dem GPS-Satellitennavigationssystem ein und öffnete eine 60 seitige Exel-Tabelle. Dann spukte sein Minidrucker einen langen Bericht aus, den er durchlas. „Sie haben 1.586 Schafe!“ Der Schäfer antworte: „Das ist richtig, suchen Sie sich ein Schaf aus“. Der junge Mann suchte sich ein Tier und lud es in seinen Jeep. Als er sich verabschieden wollte, sagte der Schäfer zu ihm: „ Wenn ich ihren Beruf errate, geben Sie mir dann das Schaf zurück?“ „Abgemacht“, meinte der sportliche junge Mann. Der Schäfer sagte: „Sie sind Mc-Kinsey-Unternehmensberater!“ – „Das ist richtig, wie haben Sie das so schnell raus bekommen?“ – „Ganz einfach“, erwiderte der Schäfer, „erstens kommen Sie hierher obwohl Sie niemand gerufen hat, zweitens wollen Sie ein Schaf als Bezahlung dafür, daß Sie mir etwas sagen was ich ohnehin schon weiß und drittens haben Sie keine Ahnung von dem was ich hier mache, denn Sie haben sich meinen Hund geschnappt.“ (Quelle taz 26.02.2004)

Fazit: Die Förderung von Kunst und Kultur ist Wirtschaftsförderung in reinster Form, denn ohne bildende und darstellende Kunst wird es keine Wirtschaft, gleich welcher Art geben. Seit Jahrtausenden sind die Beiden untrennbar miteinander verbunden. So können die Florentiner  heute noch von den Investitionen der Medicis in die Kunst vor 500 Jahren zehren.

Ein Gastbeitrag von Clodwig Francon für EN-Mosaik

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