Die Affäre „copy and paste“ hat doch noch ein Ende gefunden

[jpg] Es war lange, viel zu lange, wie diese Affäre geköchelt hatte. Trotz allem haben die Verantwortlichen noch die Kurve gekriegt. Nur keiner hat sich dabei mit Ruhm bekleckert.

Wenn man bedenkt wie Politiker aller Farben ihrem anvertrauten Volk immer mal wieder sagen wo es lang geht, so schienen bei dieser Affäre sämtliche moralischen Kompassnadeln abhanden gekommen zu sein.

Als ich im zarten Alter von 11 Jahren auf das Gymnasium gegangen bin, hatte ich mir in den vorherigen Jahren auf der Volksschule  Tricks erlernt die nicht so ganz in Ordnung waren.
Dazu gehörte auch, wie ich meiner Meinung nach vollkommen unauffällig von meinem Nachbarn abschreiben konnte oder wie ich mittels eines besonders präparierten Spickzettel Informationen für eine Arbeit mitbrachte. Ich war meiner Meinung nach gut, vielleicht sogar sehr gut, nur der damalige Dozent am Gymnasium war besser. Ich wurde bei einer Arbeit erwischt. Ich durfte nach 10 Minuten meine unfertige Arbeit wieder abgeben und mich bis zum Ende der Klassenarbeit auf meinen Platz setzen. Der Dozent sprach kein Wort mit mir. Als die Arbeiten alle abgegeben waren, musste ich mit dem  Dozenten ins Rektorenzimmer zum Rektor. Der Dozent schilderte dem Rektor kurz den Vorfall, wonach sowohl der Rektor als auch der Dozent sich mir zuwandten und mich fragten, was ich dazu zu sagen hätte. Also, mir war damals an einem kalten Wintermonat ziemlich heiß, sicher hatte ich auch einen glühenden Kopf. Und wie das so ist, versuchte  ich mich zu verteidigen. Ich fand, auch für mich staunenswerter weise, Argumente ohne Ende die zu meiner Verteidigung herhalten sollten.  Die beiden hörten auch gespannt und geduldig zu. Nur ich weiß es noch heute, ich habe mich damals mit jedem Wort um Kopf und Kragen geredet. Nach dieser Stunde bedeutete mir der Rektor, dass er meinen Vater zu sehen wünscht. Bis mein Vater nicht erschienen wäre, brauchte ich nicht mehr in die Schule zu kommen. Toll, dachte ich. Ich hatte eben Ferien, denn mein Vater hatte sehr wenig Zeit. Als ich nach Hause kam, schilderte ich abends meinen Eltern was passiert war.
Ich betonte dabei, dass diese Handlung für meine Begriffe doch nicht zu solch einer Entscheidung hätte führen müssen. Vielmehr dachte ich an eine Ermahnung des Dozenten.

Meine Eltern schwiegen, was für mich sehr bedrückend war. Langsam dämmerte mir etwas. Nur was, ich verstand das nicht so recht. Nun meine Mutter erklärte mir das Ganze. Nicht das Betrügen, ja sie sagte ausdrücklich "Betrügen", war so schlimm, sondern dieses feige herumreden, nicht zu dem stehen was ich gemacht habe. Warum hast Du nicht sofort gesagt, ja, ich habe das und das gemacht, warum hast du für sowas eine Entschuldigung gesucht?, so fragte meine Mutter. Die Traurigkeit meiner Mutter traf mich zu tiefst. Wobei, das war noch schlimmer, sie mich noch nicht einmal bei diesem Gespräch anschaute. Ich merkte da, dass ich anscheinend etwas fürchterliches getan hatte. Komischerweise hatte mein Vater am nächste Tag sofort frei und ging mit mir zur Schule. Ich war dabei etwas zerknirscht und niedergedrückt aber auch irgendwie wütend und ging dabei an der Hand meines Vaters der mich immer unwirsch zog.
In der Schule angekommen mussten wir einige Zeit warten bis wir zum Rektor vorgelassen wurden. Mein Vater durfte sich setzen und ich musste stehen. Und was hat ihr Sohn ihnen erzählt?, fragte der Rektor.

Ohne zu zögern, entschuldigte sich mein Vater für mich und erzählte das ich zu Hause alles zugegeben hätte. Nur die Angst hätte mich nach der Klassenarbeit zu solchen Geschichten getrieben obwohl ich genau wusste, dass ich unrecht getan hätte. Mein Vater meinte, mit meinen jungen Jahren könne sein Sohn die Konsequenz seines Tuns offensichtlich noch nicht richtig einschätzen.Die beiden Herren einigten sich auf eine sechs und auf einen Eintrag: Die Versetzung war gefährdet.

Ich will diese Erzählung nicht weiter führen. Um die Spannung rauszunehmen, ich habe die Versetzung noch geschafft. Ich hatte auch meine Lektion gelernt.

Und heute? Nun ich bin keine 11 Jahre mehr und bin erwachsen geworden. Und zum erwachsen sein gehört nun einmal, dass man zu dem steht was man gemacht hat und das mit allen Konsequenzen. Ich habe gelernt mit meinen Fehlern offensiv umzugehen. Das heißt wenn ich sie einmal erkannt habe, bekenne ich mich auch sofort dazu und versuche umgehend mich um einen dementsprechenden Ausgleich zu bemühen. Das spart Zeit und lässt auch vielen negativen Gefühlen keinen Raum. Mit den Jahren wurden, bedingt durch die gesammelten Erfahrungen, die Fehler immer weniger. Man nennt das auch Lernprozesse durchmachen.

Was soll das?  Nun, vielleicht hätte Herr zu Guttenberg früher auch solche Lehrer und Eltern  haben sollen, dann wäre so was nicht passiert. Ich habe mit Entsetzen eine Stelle in seiner Arbeit gesehen, wo er bewusst den Urheber am Ende der rein kopierten Zeilen gelöscht haben musste. Denn im Original war der Urheber vorhanden. Das ist schlicht und einfach Betrug. Betrug wird im BGB, mein Lieblingsgesetzbuch, als "ungerechtfertige Bereicherung" aufgeführt. Er hat etwas erlangt (den Doktortitel) was ihm  so nicht zustand (Jure naturae aequum est neminem cum alterius detrimento et iniuria fieri locupletiorem). Die alten Griechen aber auch die Römer hätten ihn auf das schwerste bestraft.

Wie gesagt, er hätte das alles mildern können, wenn er offensiv sich sofort zu seiner Schuld bekannt hätte.

Aber es geht ja noch weiter. Jeder Prüfling der sich ab heute einer Prüfung aussetzen muss wird sich auf diesen Fall berufen wollen. Und nicht nur das, vielmehr wird heute die Frage erlaubt sein, welche Prüfungskontrollen sind auf unseren Bildungseinrichtungen vorhanden?
Nach der drezeitigen Analyse der Guttenberg Doktorarbeit sind 8061 von 16325 Zeilen, das sind 49% der Doktorarbeit (jeweils inkl. Fußnoten) als Plagiate identifiziert worden (Quelle: Guttenplag Wiki)

Eine weitere Frage muss hier gestellt werden: Wieso sind unsere Universitäten nicht in der Lage die einschlägigen Internetsuchprogramme zu nutzen? Innerhalb von drei Tagen wurden die wesentlichen Zeilen sichtbar. Dann die Frage, wieso viele Dokumente noch nicht digitalisiert worden sind?

Im Grund ist diese Affäre ein Affront gegen jeden Menschen der sich schon einmal unter Schweiß Prüfungen gestellt hatte. Auch ist es eine Herabsetzung der universitären Ausbildung, wenn die Kanzlerin erklärt sie habe keinen wissenschaftlichen Mitarbeiter gesucht sondern einen Verteidigungsminister. Ist ein wissenschaftlich ausgebildeter Mensch weniger wert als ein Verteidigungsminister? Da stellt sich doch gleich die provozierende Frage: Brauchen wir noch die universitäre Ausbildung? Brauchen wir überhaupt noch Leistung? Genügt es nicht das wir clever genug sind uns in dem System zurecht zu finden um unseren Vorteil zu erlangen? Und das koste es was es wolle?

Weiter sollte endlich einmal die Führungsfrage gestellt werden. Die Kanzlerin hat als konservative Kanzlerin einen eklatanten Verlust an Werten erkennen lassen. Wir sollten nicht nur anderen Menschen die gemeinsamen Werte unter die Nase reiben, die dann allerdings nach Bedarf nicht belastbar sind und leicht zur Disposition gestellt werden können.
Der ganze Vorfall zeigt schon eine gewisse moralische Desorientiertheit unserer politischen Kaste, die allerdings durch viele Doktoranten so nicht hingenommen wird. Eine rühmlich Ausnahme bilden die CDU Politiker Biedenkopf, Lammert und Schavan, die vollkommen unaufgeregt das sagten was gesagt werden musste. Und zwar jenseits der politischen Farbenlehre.

Und wieder zeigt sich das Medium Internet an vorderster Aufklärungsfront. Die Sueddeutsche Zeitung hat zwar den Anfang gemacht, jedoch der Blogger Raphael Wimmer hatte das wichtige Einleitungsplagiat aus  der FAZ  entdeckt.

Und das Geschrei, die Medien haben alles versaut? Quatsch! Haben die Medien etwa die Doktorarbeit geschrieben?
 
Halten wir fest: Das Internet kann inzwischen Minister zum Rücktritt treiben und es kann Despoten ins Exil expedieren. Es muss nur richtig genutzt werden.

Update 05.März 2011

Hier habe ich ein Audiofile im Internet gefunden. Es gibt noch Journalisten (@Holgi)  die klar sagen, was gesagt werden sollte und die nicht wollen, dass unser Land zu einer Bananenrepublik á la Berlusconi verkommt. Komischerweise sucht man diese Journalisten in den etablierten Medien fast vergebens. Wogegen man diese kritischen Journalisten im Online Bereich sehr viel findet. Wir wollen keine Postdemokratische Verhältnisse wie in Italien.

 


Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus dem Net.