Gevelsberg und die Religionen der Bürger

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Teilnehmer „Dialog der Religionen“ Foto: © Linde Arndt

[jpg] Toleranz ist in Gevelsberg gelebtes Miteinander. Schaut man sich die Geschichte Gevelsbergs an, so stößt man unweigerlich auf Engelbert den I. Dieser wurde bekanntermaßen durch Friedrich von Isenberg aus Hattingen auf dem Boden der heutigen Stadt Gevelsberg ermordet. Um der schlechten Tat eine gute Tat entgegenzusetzen wurde denn auch ein Zisterzienserinnenkloster an dieser Stelle errichtet. Das war quasi die Keimzelle zur Gründung der Stadt. Wenn man sich die Literatur über Engelbert I anschaut, erfährt man im Kontext vom Deutschen Kaiser Friedrich II, dem Sultan al-Kamil und zu guter Letzt von Papst Innozenz III.

Papst Innozenz verlangte damals von Friedrich II, der übrigens seinen „Regierungssitz“ in Sizilien hatte, dass er einen Kreuzzug (Den 5. oder 6. je nach Zählweise) zusammenstellte um die Stadt Jerusalem zu befreien. Solch eine Befreiung mittels eines Kreuzzugheeres war damals eine recht blutige Angelegenheit. Finanziell machte man es sich damals einfach, indem die eingenommenen Städte zur Plünderung freigegeben wurden. Friedrich II hatte allerdings eine ganz andere Vorstellung, wie er die Stadt Jerusalem „befreien“ wollte. Er kam mit einem kleinen Heer an Land, ging nach Jerusalem und trat mit allem Prunk seinem Gegner dem Sultan al-Kamil entgegen. Beide verhandelten wie sie das Problem, die Rückgabe von Jerusalem an die Christen, lösen könnten. Relativ schnell kamen sie zu einer Einigung, der in den Frieden von Jaffa mündete. Inhalt des Vertrages, die Christen bekamen Jerusalem zurück, die Moslems und Juden hatten freien Zugang zu ihren Religionsstätten. Kein Blut, keine Tote und alle waren hoch zufrieden mit diesem Frieden. Friedrich II zog sich wieder zurück um auf seinem „Regierungssitz“ auf Sizilien wieder zu regieren.

Bürgermeister Jacobi  Foto: © Linde Arndt

Bürgermeister Jacobi Foto: © Linde Arndt

Was hat das jetzt mit Gevelsberg zu tun? Nun, der römisch-deutsche Kaiser Friedrich II hatte eine hohe Toleranzrate gegenüber anders Denkenden, auch verabscheute er Gewalt gegen Andersdenkende. Dies wollte er auch im Norden seines Reiches verwirklicht sehen. Und sein Stellvertreter im Norden und der damit für den Raum Gevelsberg zuständig war, war Engelbert I. Und wenn man so will, war der Mord an Engelbert I die Initialzündung für die Gründung der Stadt Gevelsberg. In der Folgezeit hat sich eines in Gevelsberg gehalten, eine tolerante Art des miteinander Umgehens. Nicht ausgrenzen war die erste Wahl sondern integrieren in allen Bereichen und brachte die Vorteile, die Gevelsberg auch die Prosperität brachten. Dies sind die Geschichten, die sich als Sekundärgeschichten einer Stadt ergeben, die letztendlich zu einer Gevelsberger Identität führten.

 

So ist und war es auch konsequent, gesellschaftliche Bereiche einem Dialog zu zuführen, um ein integratives Zusammenleben zu gewährleisten.

„Dialog der Relgionen“ sollte zu dem Anstoß und zu weitergehenden Gesprächen zwischen den Gevelsberger Mitgliedern der drei abrahamitischen Religionen, dem Judentum, dem Christentum und dem Islam, führen. Am 10. Februar 2014 war es soweit. Rund 200 Gevelsberger hatten sich im Ratssaal und auf den Rängen versammelt um dieser niveauvollen Veranstaltung beizuwohnen. Gekommen waren u.a. : Lale Arslanbenzer, Kommunales Integrationszentrum, Hubertus Kramer MdL, Kreisdirektorin Iris Pott, Annette Bußmann, stellvertr. Bürgermeisterin, Hagay Feldheim, 2. Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Hagen, der Imam der Gemeinde Gevelsberg, ein Vertreter der DITIB [(Diyanet İşleri Türk İslam Birliği) deutsch: Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e. V.] Essen, sowie ein Vertreter der Katholische Gemeinde Sankt Engelbert und Probst Norbert Dudek, Sankt Marien oder die Evangelische Gemeinde Gevelsberg, Isis Baeck (VHS-EN-Süd), Michael Pfleging (Stadt Gevelsberg).

Bürgermeister Claus Jacobi sprach in seiner Eröffnungsrede von den verschiedenen Ausprägungen eines Gottesbildes in den drei Weltreligionen. Die Unterschiede dieser Gottesbilder haben auch Einzug in die verschiedenen Kulturen gefunden und sie geprägt.

 Foto: © Linde Arndt

Roswitha Dasch Foto: © Linde Arndt

Es ist der Andere, der Respekt vor seinem Glauben einfordert; denn auch er will seinem Gegenüber den gleichen Respekt entgegen bringen. Ausdrücklich bedankte sich Jacobi bei Elisabeth Rex und Eberhard Wehberg, die Initiatoren dieser Veranstaltung. Auf Augenhöhe und tolerant soll es in unserer Gemeinde zugehen und von allen gelebt werden. Dies vor allen Dingen aus meinem gesellschaftlich politischen Verständnis heraus, so Claus Jacobi.

Für den jüdischen Glauben trug die Wuppertaler Gitarristin und Sängerin Roswitha Dasch Jüdische Lieder vor. In einem Lied passte der Text sehr gut zu der Veranstaltung, indem  „Wer wird bleiben….Gott wird bleiben. Ist das nicht genug?“ gesungen wurde.

 

Foto: © Linde Arndt

Der Imam Foto: © Linde Arndt

Der anwesende Imam trug dann aus dem Koran die Sure 49 (Vers 13) Al-Hujurat سُورَة الحُجُرَات  für den islamischen Glauben vor:

 [Sure 49.Vers 13] „O ihr Menschen, Wir haben euch von Mann und Weib erschaffen und euch zu Völkern und Stämmen

gemacht, daß ihr einander kennen möchtet. Wahrlich, der Angesehenste von euch ist vor Allah der, der unter euch der Gerechteste ist. Siehe, Allah ist allwissend, allkundig.“

Der islamische Glaube hat in seiner Religionsausübung die Derwische in vielfältiger Art hervor gebracht. So hatten die Moslems einen Derwisch des Mevlevi-Orden als Mittelpunkt vorzuweisen.

Derwische sind tief Gläubige Moslems die als Mittler zwischen dem irdischen und dem göttlichen Leben fungieren. Der sich im Kreis drehende Derwisch, neigte seinen Kopf, hielt einen Arm nach oben und den anderen Arm nach unten um somit die Anwesenden für Gott zu öffnen. Wer mochte konnte sich also öffnen; denn Gott ist in allen drei Religionen der Allmächtige.

Es war schon ein gewisser Zauber im Ratssaal.

So wusste auch der Vertreter der Ditib aus Essen den Tanz als eine Suche nach dem Weg der zu Gott führen könnte, zu interpretieren.

Die Bürgermeisterstellvertreterin Annette Bußmann plädierte für eine Gesellschaft der Zukunft in Gevelsberg, die sich ohne Vorurteile der Frage von Integration stellt. Zu dieser Frage gehört auch das religiöse Miteinander. Genau hier setzt das „KOMM-IN NRW – Innovation in der kommunalen Integrationsarbeit – eine

Michael Pfleging, Iris Baeck, Annette Bußmann    Foto: © Linde Arndt

Michael Pfleging, Iris Baeck, Annette Bußmann
Foto: © Linde Arndt

Förderung durch das Land Nordrhein-Westfalen“ Konzept der Landesregierung auf. Es geht um Migration und Integration, Angebote und Strukturen auf der kommunalen Ebene sollen dadurch effizienter und effektiver gestaltet werden, so Frau Bußmann.

Barbara Lützenbürger, die Vorsitzende des Gevelsberger Kinderschutzbundes, möchte den Umgang der religiös geprägten Menschen denn auch etwas harmonischer gestaltet sehen. Michael Pfleging von der Stadt Gevelsberg sieht die gesamte Aktion denn auch im Land NRW eingebettet und damit in einem größeren Rahmen.

bandDie Band „Max“ brachte aus ihrem Programm „Hoffnungsland“ einige christliche Lieder. Und zu guter Letzt formulierte die christliche Seite das Versöhnungsgebet der Nagelkreuzgemeinschaft von Coventry.

Im Ablauf des Abends merkte man schon wie reich die drei Religionen in ihren Riten und Übungen sind. Und, was noch wichtiger ist, wie viel Gemeinsamkeiten sie unabhängig voneinander entwickelt haben, die sicher eine Basis für gemeinsame Aktionen bilden könnten. Vielleicht wird es ja einmal neben den Friedensgebeten von Assisi, die 1986 durch die Neuorientierung der katholischen Kirche zu den nichtchristlichen Religionen möglich wurde, nachhaltige Friedensgebete in Gevelsberg geben. Unmöglich? Nein!

Halten wir uns alle an an die Eingangsworte des II vatikanischen Konzils „Nostra Aetate“ in der der exklusiv definierte Absolutheitsanspruch der römisch-katholischen Kirche aufgegeben wurde. Der Weg war frei zu einem interreligiösen Dialog. Den Zweiflern wurde damals (1965) entgegen gehalten:

„Nicht Diplomatie, nicht Taktik, nicht allzu große pastorale Klugheit, sondern Gerechtigkeit auf dem geraden Weg, ‚die Wahrheit wird euch frei machen‘ (Joh 8,32).“

Und was ist die Wahrheit die uns alle frei macht? Es ist die Akzeptanz der Menschenwürde, zwischen Mensch und Mensch und die daraus abgeleiteten Rechte die uns frei machen.

 

 

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Gevelsberg.

 

Weitere Fotos der Veranstaltung finden Sie in der GALERIE

Zahlreiche Besucher beim "Dialog der Religionen in Gevelsberg  Foto: Linde Arndt

Zahlreiche Besucher beim „Dialog der Religionen in Gevelsberg Foto: Linde Arndt