Wie der Nachbar von nebenan

[la] Sie entsprechen nicht dem Schönheitsideal einer Modelagentur, sind nicht schlank und ästhetisch, eher urwüchsig, ein wenig korpulent, mit drallen Hüften, wohlgerundeten Wohlstandsbäuchen, eben stabil und wertbeständig, aber immer mit einem gewissen Lächeln in den Gesichtszügen.

Ihre Haltung passt sich perfekt der umgebenden Landschaft, Szene oder Situation an und es sind nicht Wenige, die im ersten Augenblick diese lebensgroßen Skulpturen aus Beton für echte Bürger ansehen, eben so, wie den Nachbarn von nebenan.

Fährt man im Auto durch die Mittelstraße und kommt an einer Bank vorbei, wo zwei Typen sitzen und ihre Handtasche auf den Knien halten, so muss man schon für den kurzen Augenblick genau hin schauen um zu entdecken, wer von den beiden aus Fleisch und Blut oder Beton ist.

Es ist ein gelungenes Werk, das jetzt schon seit dem 21./22. Juni 2011  [und noch bis 16.10.2011] die Bürger Gevelsberg´s und viele Besucher dazu veranlasst, mit wildfremden Personen ins Gespräch zu kommen, um hierüber zu diskutieren und sich daran zu erfreuen.

Unendlich viele Fotos mit Handys, kleinen Diggys und großen Kameras sind inzwischen geschossen worden, denn jeder möchte "seine Beute" machen, an Freunde, Verwandte und Familie schicken und jeder entdeckt seine persönliche kleine Geschichte um und mit diesen Figuren.

Und obwohl wir schon einiges über diese Alltagsmenschen, die durchaus nicht alltäglich sind, geschrieben haben oder ihre Fotos dem world-wide-web einverleibt haben, so brenne ich von Anfang an darauf, meine Erfahrungen und Erlebnisse, die ich an einem ganzen Tag mit einem fantastischen Team in Gevelsberg sammeln konnte nun auch noch für die Nachwelt als Erinnerung festzusxchreiben.

So entstand die nachfolgende Präsentation, die auch bei Youtube eingestellt ist und die belegt, mit wie viel Gefühl, Perfektion, Teamgeist und Herzblut eine tolle Aktion auf die Beine gestellt werden kann. Trotz schlechten Wetters hatten alle einen diebischen Spass und freuten sich über das Gelingen.

 

 Video CC by  Linde Arndt

Bisher erschienen zu diesem Thema bei EN-Mosaik:
22. Juni 2011 :    Invasion der Alltagsmenschen in Gevelsberg
22. Juli 2011 :     Die Alltagsmenschen vom Lechnerhof – gucken, schmunzeln, drüber reden
28. Juli 2011 :     Die Alltagsmenschen in Gevelsberg – Die Eröffnung
30. Juli 2011 :     Neue Gallery: Alle Figuren der Alltagsmenschen in Gevelsberg

 

Linde Arndt für EN-Mosaik aus Gevelsberg

Die Alltagsmenschen vom Lechnerhof – gucken, schmunzeln, drüber reden

[la] Sie sind da – die Alltagsmenschen vom Lechnerhof – und Gevelsberg  ist rein aus dem Häuschen.

Es ist mal gerade einen Monat her, da waren wir auf dem Anwesen von Christel Lechner mit den Veranstaltern der außergewöhnlichen Aktion "Alltagsmenschen in Gevelsberg" zum 125jährigen Geburtstag der Stadt  Gevelsberg zu einer Pressekonferenz geladen. [Wir berichteten].

Wenn man nun sagen würde, die Gevelsberger sind sprachlos über diese Aktion, so hätte man gerade über das Gegenteil gesprochen, denn gestern wurden die lebensgroßen Figuren in die City und zum Ennepe-Bogen gekarrt und überall blieben Menschen stehen und redeten miteinander. Sie diskutierten, freuten sich gemeinsam, einige wenige hatten kein Verständnis dafür – aber es waren echt nur ganz "einige wenige". Die meisten sind begeistert, finden die Idee einfach toll, nun hätte man ausgiebig Gesprächsstoff und, wenn man sonst nur eilig und in Gedanken versunken seine Einkäufe getätigt hätte, nun würden die Bürger  – auch wenn sie sich bisher nicht kannten – beieinander stehen bleiben und darüber reden.

Ja, sie ist voll aufgegangen diese Idee und wenn es sich erst einmal in den Nachbarstädten herum gesprochen oder über das Internet und die Printmedien verbreitet hat, kann Gevelsberg bestimmt mit einem großen Besucherstrom von überall her rechnen.

Gestern um 7:20 fuhren die bereits am Vortag auf dem Lechnerhof pickepackevoll beladenen LKW`s von SIXT in die Mittelstraße ein und trotz strömendem Regen, der sich auch erst am Spätnachmittag etwas beruhigen sollte, nahm das Team von Christel Lechner ihre Arbeit auf. Die schweren Figuren wurden zu ihrem Standort gebracht, die aufwendige Sicherheitsvergurtung vorsichtig gelöst, die entsprechende Figur mit einer Ameise vorsichtig und mit ziemlichem Kraftaufwand um ein Gegengewicht zu halten von den drei Helfern die Rampe herunter transportiert. Dann wurde sie auf der dafür vorgesehenen Stelle zunächst abgestellt, bevor sie später von der Künstlerin "in Position und Blickrichtung", oder wie sie selbst es nennt "in Spannung" gebracht wird.
Ihre Werke sind stets mit dezenten Farben bemalt, damit das ihr eigentlich Wichtige, die Körpersprache, in den Fordergrund rückt. Und das hat sie wirklich drauf, die Werke sprechen für sich.

Auf einem kleineren Transporter befanden sich noch zwei besonders große Figuren.

Einmal die Frau mit der Einkaufstasche, die vor dem ehemaligen Kaufhaus Rupprecht positioniert wurde und durch ihre Haltung signalisierte, dass sie rasch in das Kaufhaus wollte, so wie man es meist vom Schlussverkauf her kennt.

Und dann ging es hinüber zur Sparkasse, vor der jetzt die ebenfalls über lebensgroße Figur des Fotografen steht.

 [Kleine Anmerkung der Red.:

Als wir am Mittwochnachmittag auf dem Lechnerhof waren, um die Vorbereitungen zum Transport der Alltagsmenschen fotografisch zu begleiten, sahen wir durch die Büsche von weitem nebenstehende Gestalten und ich rief überrascht aus "Oh, da fotografieren schon Kollegen" bis ich bemerkte, das es ja Figuren von Frau Lechner waren  :-))) ]

Ja, es sind schon  herausragende Werke, die  durch ihre Natürlichkeit bestechen und einen direkten Transfer zum Betrachter herstellen.

   

 Für 11:00 Uhr hatte sich der WDR angesagt, der von den fertig aufgestellten Alltagsmenschen eine Reportage machen wollte. Es war mal gerade 9:48, als sie eintrafen und natürlich war alles noch mit dem Aufbau beschäftigt. Kein Problem – die Mitarbeiter vom WDR disponierten um, begleiteten das Team zur Gevelsberger Halle, wo noch eine weitere Anzahl von Figuren gelagert war und begannen schon dort mit ihren Aufnahmen.

              

Dann folgten sie dem Team zur VHS, wo auch Klaus Fiukowski, Gevelsbergs Eventmanager und der Bürgermeister, Claus Jacobi zur Begrüßung von Frau Lechner und Team eintrafen. Ja, auch Gevelsbergs Bürgermeister ist nicht aus Zucker, kein noch so schlechtes Wetter hält ihn davon ab, persönlich dabei zu sein. Dann ging es die Mittelstraße hinunter bis zur Markthalle, wo bei Feinkost Hedtstück rechts und links auf dem Dachvorstand ebenfalls je eine Figur platziert wurde.

    

Es war ein Wahnsinnsspektakel und das alles, wie gesagt, bei strömendem Regen. Keine einfache Sache für das Kamerateam (und auch nicht für meine Nikon). Aber wir hielten alle durch und mit. Eine besondere Aktion verlangt auch besonderen Einsatz.

        

Ganz davon abgesehen, selbst das schlechte Wetter konnte die gute Laune nicht verdrängen und so war besonders die Aktion am Ennepe-Ufer, wo die Bade- und Picknickgruppe mit dem Kranwagen zu Wasser, bzw. Strand herunter gelassen wurde ein ganz besonderes Abenteuer.

Heute findet um 18:30 Uhr die große offizielle Eröffnung der Ausstellung Kunst im öffentlichen Raum "Alltagsmenschen" in Gevelsberg auf der  Sparkassenterasse am Ennepebogen statt. Ein Termin, den keiner versäumen sollte. Hier wird die Künstlerin Christel Lechner im Gespräch mit Moderator Jan Schulte ihre Werke vorstellen. Den musikalischen Rahmen gestalten die Jazzpiraten.

Ich werde heute Nachmittag noch einmal die City und das Ennepeufer aufsuchen um die endgültig positionierten Figuren im Bild fest zu halten und auch vom heutigen Abend Fotos machen, die ich dann am Wochenende in einem kleinen Nachspann unseren Usern vorstelle.

Für alle die es interessiert, werde ich noch eine Fotodokumentation von der Aufbauaktion am 21.07.2011 auf unseren Seiten zum oben erwähnten Nachspann einstellen.

Diese Fotos können Ihnen natürlich nicht Ihr LIVE-Erlebnis ersetzen. Besser Sie gehen selbst einmal dort hin. Gevelsberg lohnt sich auch als Einkaufsstadt für einen Besuch und die Alltagsmenschen machen diese Stadt noch liebenswerter.

Auf jeden Fall ist Gevelsberg " und der Lechnerhof im Gespräch" und es wird noch viel, viel zu erzählen geben.

Und da hat sich wieder einmal gezeigt, ein gutes Teamwork, so wie es hier zwischen der Stadt Gevelsberg, der Sparkasse Gevelsberg, dem Bauverein  und Christel Lechner mit ihrer Crew entstanden ist, ist ein Garant für eine tolle Sache.

Linde Arndt für EN-Mosaik aus Gevelsberg

[Alle Fotos © Linde Arndt]

 

Invasion der Alltagsmenschen in Gevelsberg

[jpg] Städte sollten ein unverwechselbares Gesicht haben, einen Platz, ein besonderes Wahrzeichen oder auch ein besonderes Viertel. Frankfurt hat den Römer, Hamburg die Köhlbrandbrücke, Darmstadt die Orangerie, Köln seinen Dom oder Wuppertal seine Lotte-Neumann-Siedlung. Sie alle dokumentieren ein unverwechselbares Kennzeichen ihrer Stadt. Und der Rest der Stadt? Zunehmend wurden die individuellen Züge der Städte  einem Standardzug ausgesetzt. Architektonisch baute man im Innenstadtbereich Gebäude die zwar zweckmäßig dem Handel oder der Dienstleistung zugeführt werden sollten, jedoch orientierten sich diese Gebäude an denen der Nachbarstädte. Es entstand ein Einheitsbrei von Gebäuden die sich sowohl in der einen als auch in der anderen Stadt wieder fanden. In den letzten Jahrzehnten fand jedoch ein Umdenken der Stadtplaner statt. Und man suchte städtebauliche Elemente, welche die Innenstädte attraktiver machen könnten. Ein anderer Weg war die Wiederbelebung der Innenstädte mit Mietgebäuden. Freiräume wurden nun definiert und auch geschaffen. Die Bürger sollten wieder das tun was sie früher immer gerne getan hatten, sich treffen und ihre Gespräche führen. Oder die alte Normaluhr, wo sich früher die Liebespaare trafen, hatte auch eine Funktion in der Innenstadt.

Treffen, sprechen, flanieren, einkaufen und vieles mehr, was unter dem Stichwort Kommunikation abläuft.

Gevelsberg hat nun mit ihrer Mittelstraße, der Harfe und dem Ennepebogen klare städtebauliche Akzente gesetzt. Die Events der Gevelsberger sind immer stark frequentiert. Mit all dem hat Gevelsberg ein junges Gesicht bekommen, welches die Tradition jedoch nicht vergessen macht. Der alte Häuserbestand mag hier als Beweis herhalten. Was fehlt sind sogenannte Hingucker. Wuppertal hat seine Pinguine die verschieden bemalt sind und Ennepetal seine Füchse. Die Idee die inzwischen ziemlich banalisiert wurde kam ursprünglich von Zürich.

Gevelsberg geht eigene Wege indem die Stadt mit der Künstlerin Christel Lechner aus Witten im Innenstadtbereich als auch auf dem Gelände des Ennepebogens 80 lebensgroße Figuren für 3 Monate ausstellt. Christel Lechner nennt ihre Figuren Alltagsmenschen. Alltagsmenschen deshalb, weil ihnen schon die Jahre anzusehen sind, man könnte sagen das dralle Leben. Bürgermeister Claus Jacobi sieht diese Ausstellung im Zusammenhang mit der 125 Jahr Feier der Stadt, dadurch wird der Sommer abgeschlossen. Mittelpunkt der Ausstellung wird der Ennepebogen sein. Am 22. Juli wird die Ausstellung im Beisein der Künstlerin eröffnet.

   
  Dieses Team bringt die Alltagsmenschen in die City von Gevelsberg  

Der Vorsitzende des Vorstandes der Stadtsparkasse Gevelsberg Thomas Biermann, wollte zum Jubiläumsjahr nicht zurück stehen. Mit diesen Figuren wird Gevelsberg eine besondere Ausstellung bieten, die sich in die Stadt liebenswürdig einfügt, so Thomas Biermann. Christel Lechner setzte noch eines drauf indem sie anregte zur Ausstellung Konzerte an dem Ennepebogen stattfinden zu lassen. Sie möchte mit ihren Figuren die Menschen berühren indem sie den Alltagsmenschen darstellt und nicht den jungen glatten Menschen. Christel Lechner könnte sich auch die Aktion vorstellen, wonach jede Woche eine Lieblingsfigur von den Bürgern gewählt wird. Die Figuren selber sollen aber auch zum Verweilen anregen und zu einem Gespräch mit dem Mitbürger animieren.

Günter Schwarzmann, der Vorstand vom Bauverein Gevelsberg eG findet, es passt zu uns; denn wir haben die Alltagsmenschen als Mitglieder. Mit dieser Ausstellung dokumentieren wir unsere Verbundenheit mit den Gevelsbergern. Und wenn im September der Bauverein in die neuen Räumlichkeiten einzieht, so blickt man auf den Ennepebogen und die Ausstellung. Dann wird ja das Dreieck Sparkasse, Bauverein und Ennepebogen als Mitte fertig sein.

Wie die Anordnung der Alltagsmenschen im Bereich Mittelstrasse und Ennepebogen sein wird, wollten die Veranstalter noch nicht sagen. Die Köpfe haben die Verantwortlichen  jedoch schon zusammen gesteckt. Zu erfahren war jedoch: Der 22. Juli soll ein Überraschungstag für Gevelsberg  werden. Und was noch zu erfahren war, es soll eine liebenswürdige Invasion werden mit Skulturen die dich und mich darstellen. Schmunzelnd,  charmant, lächelnd aber noch mittendrin im Leben – man muss sie liebhaben.

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Witten-Bommern/Gevelsberg

 

alle Fotos © Linde Arndt