Wenn es doch so einfach wäre
[jpg] Rund 400 Freunde des Schwelmer Bieres hatten sich vor den Toren der Schwelmer Brauerei eingefunden um für den Erhalt ihres Bieres zu demonstrieren. Es war so eine Mischung von liebenswürdiger Jahrmarktstimmung und aufgesetzter Ernsthaftigkeit bei den Teilnehmern auszumachen, als sie mit „Kind und Kegel“ zum Märkischen Platz aufbrachen. Man schien sich einig zu sein, es brauchte nur jemand Geld auf den Tresen zu legen und schon geht das Brauen weiter. Einig waren sich die Demonstranten auch, dass die Politik wieder mal nichts tut und durch Abwesenheit glänzen würde.
Na ja, die Teilnehmer hatten recht und auch wieder nicht recht. Von der SPD kam überraschender Weise Bürgermeister Jochen Stobbe mit seiner Frau Carina Stobbe, beide wähnte man im Urlaub. Dann kam noch der Fraktionsvorsitzende der SPD Gerd Philipp und Heike Weidner, von den anderen Parteien haben wir nur Ernst Walter Siepmann von der BfS noch ausgemacht. Die CDU als auch die FDP vertrauen sicher wie immer auf die Mechanismen der Marktwirtschaft und sehen das Brauerei Problem durch ein kräftiges Aussitzen schon erledigt.
Dass das „Brauerei Schwelm“-Problem jenseits der Farbenlehre relevant ist, scheint nur ein paar Leuten bewusst zu sein.
Verliert Schwelm die Brauerei, verliert die Stadt damit auch einen Imageträger erster Güte.
Nun machte der Demonstrationszug sich auf den Weg durch die Brauereigasse zum Märkischen Platz wo er Halt machte. Es wurden ein paar Fotos gemacht und weiter ging es durch die Hauptstrasse bis vor das Verwaltungsgebäude der Schwelmer Brauerei. Man zeigte sich nochmals jöhlend und teilweise plöppend, wobei aber nicht auszumachen war was denn nun gefordert wurde. Die Informationen müssten doch auch bis zu den Demonstratoren vorgedrungen sein – es ist vorbei. Denn der Insolvenzverwalter, der nicht anwesend war, hat aufgegeben. Nichts geht mehr. Oder doch?
Klar, da geht noch immer was. Wenn die Demonstranten ein klares Konzept, einschließlich einer Finanzierung hätten, würden ihnen alle derzeitigen Verhandlungspartner zur Seite stehen. Nur dieses Konzept müsste konkret und auch belastbar sein.
Wie uns seit Mitte Juli bekannt ist wurden sehr intensive Gespräche mit den Investoren geführt. Am Verhandlungstisch waren die Stadt mit Bürgermeister Stobbe als auch eine Gruppe hochrangiger Schwelmer Unternehmer. Alle waren bereit sehr viel für die Brauerei Schwelm zu tun und das schloss nicht unerhebliche Anschubfinanzierungen ein. Die Gespräche scheiterten jedoch an mehreren Punkten.
Ein wesentlicher Punkt, aber nicht der alleinige Punkt, waren die Geschäftsmodelle der Investoren. Diese Geschäftsmodelle waren nicht langfristig angelegt und nicht darstellbar. Fakt war, die Schwelmer Verhandlungsgruppe wollte die Brauerei langfristig aufgestellt sehen, sie wollten nicht in zwei oder drei Jahren wieder an den Verhandlungstisch geholt werden.
Wenn nun die Demonstranten sich über Facebook vereinigen und sich dort in einer virtuellen Welt mit einem anderen nicht herbei zu führenden realen Bezug abgeben, ist das in der realen Welt nur für die dadurch entstehende Drohkulisse von Belang.
Ob das zur Zeit von Nutzen ist sei erst einmal dahin gestellt; denn es entsteht dadurch eine recht diffuse Situation.
Jeder will irgendwie mitreden. Ob das Ganze jedoch betriebswirtschaftlichen Sinn macht interessiert niemand. Da werden zuhauf die städtischen Leitungen blockiert um den Mitarbeitern mal so richtig die Meinung zu sagen. Ob das Sinn macht?
Als ich mich mit dem Strom der Demonstranten treiben ließ erfuhr ich folgendes: Die Einen sehen, wenn auch verhalten, noch Chancen, die Anderen haben die Brauerei jedoch schon abgeschrieben.
Die [nach eigenen Angaben] Beraterin des Betriebsrates Yvonne Daniel versuchte dem Bürgermeister mit indirekten Unterstellungen eine Untätigkeit zu provozieren. Meine Güte, so geht es aber nicht. Die gleiche Frau Daniel kam danach im Interview mit mir ins schwimmen. "Der Betriebsrat denkt über eine Genossenschaft nach." Ja, mein Gott warum ist der Betriebsrat denn dann nicht während der Demo an die Öffentlichkeit gegangen. Nach Frau Daniels Angaben besteht der Betriebsrat aus 4 Personen, für die Gründung einer Genossenschaft ist das ausreichend.
Das wäre eine andere rechtliche Situation als die derzeitige. Auf die Frage ob es denn andere Anträge beim Insolvenzgericht gebe, wusste Frau Daniel nichts zu sagen.
Die Demo löste sich mit großem Hallo dann auch wieder auf. Und als die meisten in den Eissalon Conti zum Eisessen entschwanden, machten wir uns auch über ein Eis her. Nur, wie gesagt, eines ist klar: So einfach ist das Ganze nicht. Einmal in Facebook eine bunte Traumwelt auf zu bauen und das alles eins zu eins in die Realität zu übertragen? Leute versucht auch einmal den PC abzuschalten und in der Realität die vorhandenen Regeln zu erfassen. Es bestehen gewisse Chancen in Eigenregie solch einen Betrieb zu führen, nur, dann muss etwas mehr kommen als ein Plöpp. |
Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Schwelm
[Fotos: © Linde Arndt]
s. auch unseren Bericht " Wenn es doch so einfach wäre" von der 2. Demo am 20.08.2011