Nur noch Verwaltung von Menschen?

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Sozialpädagogikprofessorin der FH Jena verabschiedet sich mit Tagung in  Berlin
 
Prof.Dr.Mechthild SeitheZum Ende des aktuellen Sommersemesters wird sich Prof. Dr. Mechthild
Seithe nach 36 Arbeitsjahren von der Fachhochschule Jena und ihrem
 Berufsleben verabschieden. Nach 18 Jahren in der Praxis der Jugendhilfe
 und weiteren 18 Jahren in der Lehre am Fachbereich Sozialwesen der FH
 Jena, wird sie am 17. und 18. Juni noch einmal eine Tagung ausrichten.
 
 Die Botschaft dieser Berliner Tagung zum Thema „aufstehen-widersprechen-
 einmischen“ möchte Prof. Seithe den Studierenden und den Praktiker/innen
 der Sozialen Arbeit gern mit auf den Weg geben:
 „Soziale Arbeit hat sich in den letzten zehn bis 15 Jahren gewaltig
 verändert. Diese Veränderungen gehen immer weiter. Soziale Arbeit, die immer für soziale Gerechtigkeit, für Parteilichkeit mit in dieser Gesellschaft sozial Benachteiligten und für wissenschaftliche geleitete Professionalität stand, ist heute in vielen Arbeitsfeldern kaum noch
wiederzuerkennen.
 
 Der allgegenwärtige Zwang zur Effizienz und Rationalisierung sozialer Dienstleistungen führt dazu, dass sie nur noch beschränkt in der Lage ist,  wirklich pädagogische Arbeit zu leisten. Immer mehr reduziert man sie auf  bloße Verwaltung von Menschen. Für mehr fehlt die notwendige Zeit, fehlt die erforderliche Kontinuität und nicht zuletzt die Freiheit, sich
 wirklich um die Bedarfe und Bedürfnisse der Menschen und nicht nur um ihre  „Employability“ kümmern zu dürfen. Die Praktiker/innen stehen diesen Veränderungen meist ohnmächtig gegenüber. Sie haben Angst um ihre Arbeitsplätze und versuchen, sich anzupassen. Studierende ahnen, was auf  sie zukommt und befürchten, dass auch sie diesen Anpassungsprozessen  erliegen werden.“, so Mechthild Seithe.
 
 Nach der Veröffentlichung ihres kritischen Buches „Schwarzbuch Soziale Arbeit“ (VS 2010) nahmen viele Leser/innen zu Frau Seithe Kontakt auf und ermutigten sie, weiter zu machen. Eine der Leserinnen gab den Anstoß zur Tagung in dieser Woche in Berlin. Wie der Titel der Tagung verrät, geht es  darum, sich nicht länger stillschweigend dem Mainstream anzupassen. In
 neun Workshops wird analysiert, diskutiert und nach gemeinsamen Wegen der Gegenwehr gesucht.
 
 Das Einstiegsreferat hält Frau Prof. Dr. Seithe. Weitere Referenten der Tagung sind Prof. Dr. Hans Thiersch aus Tübingen, Frau Dr. Conen und Frau Prof. Dr. Karges aus Berlin. Die wissenschaftlich und praktisch versierten Workshopleiter/innen kommen aus der ganzen Bundesrepublik und aus Österreich.

Alle arbeiten für diese Tagung zum Nulltarif.

 
 „Als ich mich 1993 aus der Praxis verabschiedet habe, um nach Jena an die FH zu gehen, versprach ich den Kolleg/innen meines Jugendamtes, mich in  der Lehre für die Erstarkung, Anerkennung und Qualifizierung unserer  Profession einzusetzen. Heute geht es mir immer noch darum, Soziale Arbeit als das zu erhalten, was sie sein kann: eine wirklich am Menschen
 orientierte Unterstützung zur Bewältigung des Lebens.“, kommentiert Prof. Seithe ihren Schritt.

 

Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen. Die Losung: "aufstehen-widersprechen-einmischen"

sollte für jeden in unserer Gesellschaft die Aufforderung sein, sich immer und überall nicht anzupassen. Prof.Dr.med.Horst-Eberhardt Richter hatte seinerzeit eine etwas sanftere Losung 1995 herausgegeben: "Bedenken gegen die Anpassung". Sanfte Losungen hört unsere Gesellschaft nicht.