Ärger im Ennepetaler Paradies

Viele Bewohner Oberbauers waren zur Informationsveranstaltung  "Albert-Schweitzer-Schule wird Flüchtlingsheim" gekommen  Foto: (c) Linde Arndt

Viele Bewohner Oberbauers waren zur Informationsveranstaltung „Albert-Schweitzer-Schule wird Flüchtlingsheim“ gekommen Foto: (c) Linde Arndt

[jpg] Ennepetal bekommt ein neues Übergangswohnheim für Flüchtlinge in Oberbauer.

 

Es ist eine Schande wie die Stadtverwaltung unter Bürgermeister Wilhelm Wiggenhagen die Ennepetaler behandelt. Da werden die Ennepetaler Stadträte im nichtöffentlichen Teil über das Vorhaben in Oberbauer informiert, was dazu führt, dass diese Stadträte in ihren Wahlbezirken nicht tätig werden dürfen. Am nächsten Tag wird das Vorhaben auf der Ennepetaler Stadtseite im Internet veröffentlicht, wobei die Stadträte mit ihrem Nichtwissen durch die Bezirke gingen. Die Wähler klären ihre politischen Vertreter über die Internetseite der Stadtverwaltung auf. Peinlich.

Es folgt eine Einladung zu einem Bürgertreff in die Albert-Schweitzer-Förderschule in Oberbauer die, schon beschlossen, zu einem Übergangswohnheim oder Auffanglager umgebaut werden soll. Nach dem Prinzip, „Friss oder stirb“ wurde den rund 150 Besuchern, überwiegend aus Oberbauer, dies von ihrer Stadtverwaltung mitgeteilt.

Christiane Rüsing-Werth von den Stadtbetrieben (SBE) erklärt die Pläne  Foto: (c)

Christiane Rüsing-Werth von den Stadtbetrieben (SBE) erklärt die Pläne Foto: (c)

Wiggenhagen sprach von einer demnächst leeren Schule, die mit wenig Geld als Übergangswohnheim hergerichtet werden soll. Die Pläne für den Umbau hingen auch schon an der Wand. Michael Schmidt vom Fachbereich 3 der Stadt berichtete, dass man diese Entwicklung im Hinblick der Flüchtlinge nicht vorher sehen konnte. Schmidt hatte mit dem Rat und der Stadtverwaltung gedacht, dass der Zustrom von Flüchtlingen abebben würde, jedoch wurden und werden es immer mehr. Oha. Damit sind die beiden Häuser in der Hagenerstraße und die Häuser in der Heimstraße absehbar voll belegt. Neuer Wohnraum musste her, den die Stadt jetzt in der demnächst leerstehenden Förderschule sieht. Somit hätte Ennepetal jetzt vier Standorte für Flüchtlinge in der Stadt.

Ca. 15 m² Wohnraum für eine Unterbringung mit Bett und Schrank wird es für die Flüchtlinge nach dem Umbau in Oberbauer geben und 5 Duschen werden sich die angedachten 57 Flüchtlinge teilen müssen. Und wie lange die Flüchtlinge bleiben werden, so eine Frage. Maximal 15 Monate strebt die Stadt Ennepetal an, danach werden die Flüchtlinge entweder eine eigene Wohnung bekommen oder abgeschoben. Wunschdenken? 205 Flüchtlinge befinden sich jetzt, Stand: 16.6.2015, in den Stadtgrenzen von Ennepetal. Keine Zuschüsse für die Flüchtlinge bekommt Ennepetal vom Land NRW, gem. der Aussage von Michael Schmidt und Wilhelm Wiggenhagen, so dass die Stadt Ennepetal die Last der Flüchtlingszuweisung alleine stemmen muss. 4 MitarbeiterInnen sind mit der Betreuung der Flüchtlinge befasst. Ärger im Paradies.

Ungehalten ist der richtige Begriff der sich durch die Aussage eines Ennepetalers manifestierte: Wir sind nicht nach Oberbauer gezogen um jetzt mit Flüchtlingen zusammen zu leben. Uns werden die Flüchtlinge einfach vor die Nase gesetzt, wir haben keine Chance gestaltend einzugreifen. Wenn wir vorher informiert worden wären, hätten wir anders gehandelt.

Bürgermeister Wilhelm Wiggenhagen und  Michael  Schmidt  Foto: (c) Linde Arndt

Bürgermeister Wilhelm Wiggenhagen und Michael Schmidt Foto: (c) Linde Arndt

Damit wurde die Stimmung der Anwesenden auf den Punkt gebracht. Wiggenhagen wich diesem Angriff recht ungeschickt aus.Was sollte er noch dazu sagen?

Überhaupt konnte man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass diese Veranstaltung nach einer bestimmten Dramaturgie inszeniert wurde.

Informationen wurden unterschlagen oder verbogen. So ist seit der Katastrophe vor Lampedusa im Jahre 2013, wonach 390 Menschen ertranken, allen Beteiligten klar, es werden weitere Flüchtlingen in Europa auftauchen.

Danach gingen die Bilder von Melilla und Ceuta, den spanischen Exklaven um die ganze Welt. Hunderte kletterten über die meterhohen Stacheldrahtzäune um in den Schengenraum zu kommen.

Trotz oder gerade wegen der im Oktober 2013 beginnenden italienischen Rettungsoperation „Mare Nostrum“ wurden es immer mehr Flüchtlinge. Da will Stadt und Politik nicht von einem Anschwellen der Flüchtlingsströme gewusst haben? Was wird eigentlich von Stadtverwaltung und Politik gelesen, gesehen oder gehört? Soviel Uninformiertheit kann wohl nicht sein!

Auch die Aussage, Ennepetal bekäme kein Geld für die Flüchtlinge, entspricht nicht den Tatsachen. Denn auf dem Flüchtlingsgipfel mit den Ministerpräsidenten sagte die Bundesregierung eine Verdoppelung der Länderzuwendung von 500 Millionen Euro auf 1 Milliarde zu. Ministerpräsidentin Kraft reagierte schnell, so dass Ennepetal eine weitere Zuweisung von 184.000,– Euro bekommt. Damit erhöht sich der Zuschuss von Bund/Land für Ennepetal auf 645.000,– Euro. Auch hier wäre es nett, wenn Stadt und Stadtrat nicht nur die Heimatzeitung lesen würden.

Überhaupt, es wurde eine nicht übereinstimmende Kommunikationslinie sichtbar, Michael Schmidt, Wilhelm Wiggenhagen von der Stadtverwaltung, Bernd Tigges, Angelika Bremicker vom Stadtrat sowie Waldemar Guderian, Anja Martin aus Oberbauer, versuchten die Anwesenden in eine positive Richtung zu bringen. Einige verließen die Veranstaltung vor dem Ende und andere merkten, es machte keinen Sinn in dieser Veranstaltung etwas zu sagen. Das Paradies sollte wieder eröffnet werden. Na ja, Kommunikation war noch nie eine Stärke von Stadt und Politik.

Damit haben die Verantwortlichen einmal mehr ihre mangelnde Kritikfähigkeit bewiesen.

Was aber hat Ennepetal jetzt erreicht? Nun, es wurden bis jetzt die gesetzlichen vorgegebenen Anforderungen des SGB XII umgesetzt. Kurz, Ennepetal hat seine gesetzliche Pflicht getan, mehr nicht. Traumatisierte Flüchtlinge, meinetwegen aus den syrischen Kriegsgebieten, werden danach nicht versorgt. Hier wäre der Kreis zuständig, so Wilhelm Wiggenhagen.

Es wurde mit dieser Veranstaltung jedoch eine große Chance vertan. Die Flüchtlinge werden kommen und sie werden letztendlich die gesamte Schule belegen. Denn im Moment hat Brüssel noch kein Konzept um dem Flüchtlingsproblem Herr zu werden. Die Fischerboote zu beschießen scheint nun vom Tisch, denn es wäre nicht sicher ob sich nicht doch Menschen in den Booten befinden. Dimitris Avramopoulos, der EU-Flüchtlingskommissar, befasst sich zur Zeit mit der Verteilung von Flüchtlingen auf die gesamte EU, wie er auf einer Anfang des Monats abgehaltenen Pressekonferenz mitteilte. Während sich die Flüchtlinge aus den diversen Flüchtlingsauffanglagern in Südeuropa auf den Weg in den Norden machen, auf der Straße können sie wohl überall kampieren. Wenn Brüssel die Südeuropäer mit dem Flüchtlingsproblem alleine lässt, sehen diese sich auch nicht mehr nach Dublin III Vertrag in der Pflicht.

Was Ennepetal nicht gemacht hat, ein Umfeld zu schaffen, wonach eine positive Grundstimmung vorherrscht um den Flüchtlingen demnächst adäquat entgegenzutreten. Was bleibt ist ein bitterer Geschmack und viele Schatten im Paradies Ennepetals.



Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Ennepetal