Man ist es manchmal so leid

[jpg] Ende eines Jahres ist Zeit für eine Rückbesinnung. Was hat das Jahr gebracht, was wird wohl das neue Jahr bringen? In diesem Zusammenhang fiel mir die Abwesenheit von Vernunft in vielen Bereichen der Gesellschaft auf. Da bricht die Decke des Rathauses zusammen. Und was macht man? Die politischen Parteien schieben die Verantwortung auf Gutachter. Und wenn das Gutachten nicht genehm ist, lamentiert man und macht noch ein Gutachten. 

 
Schwelmer Rathaus Front und Seitenansicht                                                                                                                Fotos:   © Linde Arndt
 

oben Rathaus Unna,
unten Rathaus Coesfeld    *)
  Das tausende Euro verbrannt werden, die für andere Dinge verwendet werden könnten, ist dabei ohne Belang. Und das Dach? Das wurde mit einer Plastikplane für einen geringen Betrag abgedeckt.  Jetzt kann es erst einmal zusammen-gebrochenes Dach bleiben.

Eine grundsätzliche Debatte, die zu einer für was auch immer Entscheidung führen konnte, die wurde natürlich nicht geführt. Schaut man das Rathaus einmal grundsätzlich an, so kann man das Gebäude keineswegs als Gebäude mit einem repräsentablen Charakter erkennen, vielmehr geht man sicherlich davon aus, eine relativ arme Stadt vor sich zu haben. Wie gesagt, wenn man das Rathaus ansieht.

Eine stolze Kreisstadt würde man sicher auch nicht hinter dieser Fassade vermuten. Wenn man mit dieser Stadt ein Geschäft machen würde, würde man erst eine Bankauskunft einholen, nur auf Grund dieses Gebäudes. Vernünftig ist diese politische Verhaltensweise nicht zu nennen.Die Rathäuser in den Kreisstädten Unna oder Coesfeld , um mal zwei Beispiele zu nennen, sind vorzeigbar und zeugen vom Stolz und der Würde  ihrer Städte als auch ihrer Bürger.

Aber was soll es, Hauptsache wir können uns auf Kosten der Schwelmer die uns gewählt haben profilieren. 2014 ist Kommunalwahl da kann man das sicher auch irgendwie verwenden.

Da wird eine Fußgängerzone für Millionen gebaut ohne ein begleitendes Konzept für die Innenstadtbelebung. Mit einem großen Lichtevent und einem Budenmarkt wird die Eröffnung  gefeiert. Als die Lichter aus und die Buden weg waren stellte man fest, mit der Fußgängerzone allein konnte man nichts reißen. Nachdem die sich marktwirtschaftlich selber zu organisierende Belebung ausbliebt, gibt man jetzt 10.000de von Euro aus um gute Tipps für diese so fehl geplante Fußgängerzone zu bekommen. Oder nehmen wir die Art und Weise wie sich kommunale Größen unbeliebt zu machen verstehen. Benehmen? Keine Spur. Da haben die Eltern irgendwie ihre Erziehungsfunktion nicht ausgeübt. Da wird die übergeordnete Behörde wegen einer Landstraße, die auf einer bekannten Prioritätenliste ganz unten steht, in der Öffentlichkeit vorgeführt. Eine Landesbehörde ist nicht der Büttel einer Kommune. Die Gastfreundschaft wird einfach nicht beachtet und das bei dem Leiter einer Aufsichtsbehörde. Ein Bürgermeister läuft mit dem Spruch „Küür nich, dau watt“ rum, der selber als das personifizierte Schwätzbäckchen herhalten kann – getan hat er bis jetzt nichts. Ein Glück sollte man vielleicht meinen. Da werden den Nachbarkommunen Neiddebatten angetragen und das öffentlich. Einer Oberbehörde wird Unredlichkeit unterstellt. Da werden Empfehlungen für Firmen ausgesprochen, die zwei Jahre später pleite sind. Eine Datenbank sollte es werden, wofür wusste so richtig keiner. Überhaupt haben viele Städte ein regelrechtes Wissensdefizit hinsichtlich der Anwendung der IT oder des Internet. In der Öffentlichkeitsarbeit werden in alter Gewohnheit die Printmedien als erste Wahl angesprochen, obwohl bekannt ist, dass die Altersstruktur der Leserschaft kaum eine Durchdringung von Botschaften erlaubt. Aber so ein lokaler Pressevertreter schreibt wenigstens  für die überalterte Bevölkerung politisch korrekten Schönschreibstil, wie das Rathaus es halt gerne sieht. Unabhängkeit der Presse, hm, da war doch was,

Und in Berlin? Die Berliner Politik kann man nur noch unter Verweigerung von Politik verstehen. Lautstark ruft Europa nach einer Führungsrolle der Berliner Regierung – vergebens. Seit zwei Jahren wird Griechenland, überwiegend von Deutschland, durch Europa getrieben. Griechenland hat rund 40% seiner Wirtschaftskraft aufgrund des dummen Geredes eingebüßt. Anstatt am Anfang kräftig anzupacken, versuchte Berlin immer wieder die Griechen aus der Eurozone zu treiben. Der Imageverlust, den Deutschland dadurch erlitten hatte und hat, war den Berlinern egal.

Das alles und noch viel mehr müssen wir 365 Tage im Jahr ertragen. Da braucht man einen seelischen Ausgleich, den wir auch immer wieder bekommen können.
Es ist die bei allen Kommunen so verschmähte Kultur, die uns hoffen, schwelgen oder auch vergessen lässt. Man sollte die derzeitig an der Macht befindliche Generation als verloren sehen und zwar auf allen Ebenen der Republik. Und wir hatten schöne Erlebnisse, die hoffen lassen, dass die nächste Generation es besser machen wird. Probleme, Konflikte erkennen und zivilisiert austragen, den Dialog pflegen, dass alles haben wir bei Kindern und Jugendlichen gesehen.

„Kinder zum Olymp“ –  eine Initiative der Kulturstiftung der Länder –  hat sich seit unserem ersten Artikel  gemausert. Diesmal wurde in Berlin sogar ein erster Preis vergeben. 80 Schülerinnen und Schüler aus drei Münsteraner Schulen haben das Thema der afrikanischen Flüchtlinge die auf der italienischen Insel Lampedusa landen, unter dem Titel „Third Class Titanic“ zu ihrem gemacht   
*)

Es war ein spektakuläres Stück, mit Musik, Tanz, Schauspiel, was die SchülerInnen uns allen im Berliner Konzerthaus am 10. September boten. Die Tanzperformance „Plankton“ des Ratsgymnasiums Minden erfreute alle im Konzerthaus. Es gab aber noch viel mehr zu sehen.

  Bei dem „Jugenddialog 2020“ , der drei Projektträger – die Stiftung Mercator, die Katholische Akademie „Die Wolfsburg“ und die Landeszentrale für politische Bildung NRW,  hatten 250 Jugendliche in 20 Projektgruppen drei Jahre diskutiert.

Wobei die 250 Jugendlichen in ihrer Herkunft nicht unterschiedlicher sein konnten.
[Jugenddialog 2020   Foto: © Linde Arndt]

“Politische Bildung macht junge Menschen kompetent, von ihrer individuellen Freiheit verantwortungsbewusst Gebrauch zu machen und mit ihren Wünschen, Träumen und Ängsten umzugehen“, so Minsterin Ute Schäfer auf der Abschlussveranstaltung in der Katholischen Akademie „Die Wolfsburg“ in Mülheim.

 Oder ganz am Anfang, als wir von der „Jungen Bühne Hagen“ das Stück „Zäune“  sahen, auch wieder Jugendliche unterschiedlicher Herkunft die ein wunderbares Theaterstück aufführten.

 
"Zäune"                                                                Foto: © Linde Arndt

Übrigens waren und teilweise sind das alles offene Projekte, an denen sich 38.000 Schüler beteiligten und die den Bundespräsidenten oder die Ministerpräsidentin als Schirmherrn oder Schirmherrin haben. Es scheint so, als wenn eine mehr offene politische Kultur vorhanden sein muss, damit die Anforderungen einer moderne Gesellschaft umgesetzt werden können. Interkommunaler Dialog ist eine Notwendigkeit und keine Floskel die man in Stammtischen auf den Tisch haut. Nur wie bringt man das den Politikern bei,  die nur auf den Machterhalt aber nicht auf die Entwicklung des Gemeinwesen Wert legen? Die Jugendlichen haben alle hart an der Sache gearbeitet und haben letztendlich auch überzeugt. „Die Ernsthaftigkeit der Jugendlichen, ihre authentische Darstellung und die hohe Konzentration der Aufführung…..“ so Ties Rabe, Hamburger Schulsenator und derzeitiger Präsident der Kultusministerkonferenz.
Wenn doch nur etwas Vernunft in die Politik rein käme, ich weiß, ein frommer Wunsch, würden endlich viele Probleme zumindest priorisiert und evtl. sogar erledigt. Die Kultur macht es immer wieder vor, sei es bei den Jugendlichen oder im Erwachsenenbreich – grundverschiedene Persönlichkeiten können gemeinsam Probleme lösen. Es kommt nur auf den Willen an.

Und wenn ich meine Artikel für das Feuilleton  geschrieben und abgesendet habe, kann ich wieder von neuem anfangen über die Abwesenheit von Vernunft in der Politik nach zu denken.

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik

Fotos *): © Archivmaterial der Städte Unna und Coesfeld und  Kulturstiftung der Länder