„Merkel, Merkel über alles“

[jpg] Die CDU hat die Wahl zum Bundestag gewonnen. Gratulation. Gewonnen? Aber hatten wir ein Fußballspiel, bei dem es was zu gewinnen gab? Punkte oder einen Pokal?

Nein, es war die Wahl zum deutschen Bundestag 2013. Der Wähler sollte den Parteien sagen wie stark sie in dem Bundestag werden sollten. Er wollte aber auch sagen, welche Interessen er (Der Wähler) wie stark von welcher Partei  umgesetzt haben wollte.

Der vorausgegangene Wahlkampf war überwiegend ohne Themen geführt worden – Floskeln und Slogans waren überwiegend die erste Wahl. Obwohl Themen gab es zuhauf.

Angela Merkel  Foto: Linde Arndt

Angela Merkel Foto: Linde Arndt

So schalteten fast alle Parteien nach einiger Zeit auf Personenwahl um. Und besonders herausragend sah man die Person der derzeitigen Bundeskanzlerin Angela Merkel auf allen Plätzen. Mit ihrer Person, und nur damit, hat sie die CDU zu diesem Ergebnis geführt. Es sei ihr auch gegönnt. Allerdings hatte niemand eine Bundeskanzlerin gewählt, sondern wurden Parteien gewählt – obwohl es nicht danach aussah. Und diese Parteien müssen sich jetzt im Bundestag versammeln und den deutschen Kanzler oder die Kanzlerin wählen.

Das bedeutet, da die CDU nicht die absolute Mehrheit bekam, sie muss sich Mehrheiten beschaffen, wenn sie Frau Dr. Merkel als Kanzlerin haben will. Und damit hat Deutschland ein großes Problem, was sicherlich für Deutschland, nicht leicht, jedoch lösbar ist.

Deutschland nur den Deutschen? Nein, inzwischen sind die Deutschen mit Europa stark verflochten und sollten ihre Verantwortung für ganz Europa sehen und akzeptieren – sie sind Europäer.

60% unserer Exporte, immerhin rund 700 Mrd Euro, gehen in die europäischen Nachbarstaaten. Ist das nichts? Die europäischen Nachbarstaaten –  unsere besten Kunden! Und so war es nicht verwunderlich dass am Sonntag ganz Europa auf Deutschland geblickt hatte.

 

Merkel, Merkel über alles, so titelte die liberal, konservative spanische El Mundo und nennt Angela Merkel „Königin Angela I.“. Europa wird nach der Wiederwahl von Angela Merkel zum Merkelland ernannt. Zur „Königin der Austerität“ wird sie in Griechenland ernannt. Und in Deutschland titelt die Welt gemäß der liberalen ungarischen HVG ( Heti Világgazdaság ), „Angela Merkel – die Gottesanbeterin sucht nach neuen Opfern“

 

Es sind ambivalente Stimmungen die sich in Europa im Zusammenhang mit einer Bundeskanzlerin Merkel aufgebaut haben. Einesteils schätzen und bewundern alle das deutsche Volk. Nur verwundert reibt man sich die Augen wenn man Deutschlands Impulse oder Signale sieht.

Die Forderung nach einer abgestimmten Investitionspolitik wurde zwar von Deutschland begrüßt, nur weitere Ideen oder Handlungsansätze kamen nicht von Deutschland. Jürgen Habermas sagt im Spiegel: „Deutschland tanzt nicht, es döst auf dem Vulkan.“ Und das ist es, auf der einen Seite die harte gegen andere verordnete Sparpolitik und im eigenen Land die Hände in den Schoß legen.

Und so ist es nicht verwunderlich, wenn die Europäer sagen, Deutschland kann mehr. Deutschland sollte eine führende Position in Europa einnehmen und letztendlich einen starken Akzent im Hinblick Europas setzen. Führen heißt aber auch nicht diktieren, vielmehr sollten die außerordentlichen europäischen Ressourcen orchestriert werden. Wirtschaft, Finanzen, Bildung und die lange ver- und besprochene soziale Charta sollten zu einem guten Abschluss geführt werden.

„In Vielfalt geeint“ ist das europäische Motto, ein starkes Motto, stärker als das US-Amerikanische „E pluribus unum“ (Aus mehreren eines). Und diese europäische Vielfalt wartet auf klare und deutliche Signale aus Berlin. Kneifen oder die Hände in den Schoß legen, gilt hier nicht.

 

Nun ist es in Deutschland so wie es in den anderen 27 EU Staaten ist. Brüssel hat immer den „schwarzen Peter“ wenn etwas nicht in Europa passt. Und wenn es mal gut gegangen ist (Dank Brüsseler Hilfe) so wird das als Erfolg des einzelnen Staates verbucht. Letztendlich waren es aber immer wieder die Regierungschefs, auch Frau Dr. Merkel, die die letzte Entscheidung trafen.

 

Also, die europäischen Staaten erwarten, dass sich Deutschland mehr in die EU einbringt. Übrigens erwartet dies auch die Weltgemeinschaft, dass aber nur nebenbei.

Nach der Wahl am Sonntag dachte jeder halbwegs vernünftige Redakteur, dass der mediale Dauerbeschuss bezüglich der Kanzlerschaft von Angela Merkel zu ende wäre. Weit gefehlt. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, erst durch die Krönung von Angela Merkel ist der Spuk vorbei. Lustig wird Koalition spekuliert, rein rechnerisch, allerdings mit einem moralischen Unterton (sie als Partei können sich doch der staatspolitischen Verantwortung nicht entziehen). SPD und Grüne müssen ran um Merkel die Legitimation zu geben.

Egal welche Themen man übernehmen müsste. 2,5 Millionen Kinder in Armut? Kein Problem. Den geben wir mal schnell 10.– Euro, dann muss es aber auch gut sein.

Nein, ich will Frau Dr. Merkel den Sieg nicht madig machen, ja, ich gönne ihn ihr auch. Aber wenn ich mir die Rechnerei betrachte, so fehlt immer die Möglichkeit der Minderheitsregierung, die die CDU bilden könnte. Abgesehen davon, dass die Linken immer in eine Ecke von Schmuddelkindern gedrängt werden, so auch diesmal. Und dabei sind sie in Deutschland fest etabliert.

 

Was spricht also gegen eine deutsche Minderheitsregierung? Nichts. Denn die skandinavischen Staaten kommen damit gut zurecht. Man muss sich nur um einen politischen Konsens und damit um die Mehrheit mühen. Argumente müssen her um eine Entscheidung herbeizuführen. Eine große Koalition, die sogar mit einer 2/3 Mehrheit verbunden ist, kann doch jeder. Diese große Koalition würde das Unbehagen und das Misstrauen in unsere Demokratie vermehren. Denn trotz der medialen Dauerberieselung haben wir keinen wesentlichen Zugewinn in der Wahlbeteiligung erreicht – nur 0,7% plus. Befehl und Gehorsam, ja das verstehen die Deutschen. Immer noch? Die beiden Fraktionvorsitzenden müssten die im Kabinett gefassten Beschlüsse durchsetzten.

In vielen Gesprächen erfährt man immer wieder, die Deutschen fühlen sich politisch unterfordert, man traut ihnen nichts zu. Daraus entspringen die Widerstände gegen viele Vorhaben der politischen Entscheider. In Stuttgart hat die deutsche Politik gesehen wo dies hinführen kann, indem Rentner, Studenten und Kinder gegen Stuttgart 21 demonstrierten und zusammen geprügelt wurden. Das hätte man anders haben können, wenn man dem Gedanken des Befehl und Gehorsam nicht nach gehangen hätte. In Hamburg haben sich die Einwohner entschlossen ihre Netze gegen den Widerstand des Senats zurück zu holen. Die Politik wollte dies nicht, der Bürger wollte es schon.

 

Also was ist nun mit der Minderheitsregierung unter Frau Dr. Merkel? Mühen heißt das Zauberwort. Aber Mühen mochte sich bis jetzt keine deutsche Regierung.„Merkiavellismus“ nennt man die Art des Regierens von Frau Merkel in der italienischen La Repubblica, was soll eine Provokation mehr oder weniger. Es muss gelingen die Konstruktionsfehler der europäischen Währungsunion zu korrigieren und den nächsten Schritt hin zu einer politischen Union zu unternehmen, mit einer Frau Dr. Merkel als Regierungschefin oder als Oppositionsführerin in Europa. Vor den Deutschen hat man in Europa schon lange keine Angst, Angst hat man in den europäischen Hauptstädten eher vor der deutschen Untätigkeit.

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik