In Schwelm zerfleischen sich Rat und Stadtverwaltung
[jpg] Der Wahlkampf für die Kommunalwahl in NRW 2014 ist in Schwelm eröffnet worden. Bei der letzten Ratssitzung in diesem Jahr wurden die „Hunde von der Leine“ gelassen. Da SPD und CDU jeweils 12 Sitze im Rat haben ist es schon gut früh genug zu kläffen. Die SPD schaute da ziemlich verdrießlich bei dieser Kläfferei drein. Alle gegen den Bürgermeister, der ja bekanntermaßen das Parteibuch der SPD besitzt. Man zielt auf diese eine Person um die Gruppe zu treffen. Arme SPD, die das beißen und kläffen verlernt hat. Journalismus heißt aber nicht, dass man sich dieser Kampagne anschließen sollte um die Auflage zu steigern. Sondern man sollte die Übersicht behalten um zu erkennen worum es hier geht.
Und in dieser Ratssitzung kamen viele, viele Versäumnisse und Fehler ans Licht, die einerseits vom früheren Bürgermeister nicht abgestellt wurden und andererseits auf die verfehlte Politik des Rates zurück zu führen ist. In einem kann man dem Rat ein Zeugnis ausstellen, sie alle haben einen Award für herausragende schauspielerische Leistungen für diese fast 6 stündige Ratssitzung verdient.
Bröseln wir das Ganze doch mal ein bisschen auf:
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Es gibt jetzt ein Bürgerbegehren gegen die von Rat der Stadt gemeinsam beschlossene Schulreform. Warum? Der Rat in seiner Gesamtheit war nicht in der Lage die Bürger mitzunehmen. Selbst die Parteien Bürger für Schwelm (BfS) oder Schwelmer Wählergemeinschaft (SWG) fanden nicht zu den Schwelmer Bürgern. Nun müssen die Bürger auf einem anderen Weg zu ihren Politikern finden. Aber wie sagte einer der Ratsherren so schön: „Wir haben beschlossen und geben das jetzt an die Schulpflegschaftsvorsitzenden weiter.“ (Sollen die sich damit herumschlagen)
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Die Feuerwehr und die Sanitäter waren stark im Zuschauerraum vertreten, ging es doch um den Ausgleich ihrer Mehrarbeit die aufgelaufen war. Dieser Ausgleich wurde per Vergleich auf 208.000,– Euro angesetzt. Keine Diskussion im Rat. Der Vergleich wurde ohne Murren durch gewuncken, einstimmig. Merke: Wenn ich einen Vorteil habe, sollte ich nicht darüber reden.
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Herr Michael Schwunk (FDP) wollte nochmals seine gesammelten Gedankensplitter zum Haushalt 2014 zum Besten geben. Das dieser Antrag unseriös war und kein einziger Betrag irgendwie realisiert werden konnte, wusste anscheinend jeder im Rat. (EN-Mosaik berichtete darüber) Schwunk ist Jurist und versteht das Zahlenwerk eines Haushaltes nur rudimentär.
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Und dann kam der Auftritt von Oliver Flüshöh (CDU) zum Haushalt 2014. Er versteht den Haushalt nicht so recht und weil er ihn nicht versteht, wie soll denn der einzelne Bürger den Haushalt verstehen? Macht nichts, denn zwei Sätze weiter, empfahl er dem Bürger sich über den Haushalt bei den Parteien schlau zu machen. Toll! Trotz allem stimmte er dem Haushalt 2014 nunmehr zu.
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Nebenbei bemerkte niemand vom Rat, dass der Kämmerer Ralf Schweinsberg fehlte, ist es doch die vornehmste Aufgabe eines jeden Kämmerers „seinen“ Haushalt durch zu bringen und das ist nun einmal nur durch das Votum des Rates einer Stadt möglich. Ungewöhnlich; denn EN-Mosaik hat bei den Haushaltsverabschiedungen in anderen Städten immer den Kämmerer gesehen. Macht ja nichts, der Haushalt war wohl nicht so wichtig.
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Das Gelände der ehemaligen Brauerei kam zur Beratung. Hier ist inzwischen ein Zustand eingetreten, der nur Kopfschütteln zulässt. Der Investor Pass Invest hat einen Bauantrag gestellt. Inhalt Gebäude mit Wohnungen und Gewerbeeinheiten zu bauen. Der Rat der Stadt mit den Parteien CDU und FDP wollten die Gewerbeeinheiten nicht durch lassen und verlangten, es dürfe nur Einzelhandel genehmigt werden. Pass Invest wollte aber eine breitere Genehmigung haben um die Investition gesichert zu sehen. Nun meldet sich das Rechtsanwaltsbüro der Firma Pass Invest und droht mit Normenkontrollklage – zu Recht.
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Denn der Rat der Stadt hatte seinerzeit mit einem Federstrich aus den Gewerbeeinheiten Einzelhandel eingetragen und zwar ohne Begründung. Das war frech und dreist. Griff doch der Rat maßgeblich in die Eigentümerinteressen des Investors ein. Der Rat hätte diesen Eingriff vornehmen können, hätte diese Entscheidung aber dezidiert begründen müssen. Arrogant wie Räte nun einmal sind hatte er diese Begründung nicht gegeben. Gleichwohl hätte man diesen Antrag aber auch an den Ausschuss zurück überweisen können; denn offensichtlich lag dort der Schlüssel für diese mangelhafte Bearbeitung. Es musste aber noch ein Schuldiger gefunden werden für diesen fatalen Eingriff in das Eigentumsrecht des Investors. Der war schnell gefunden, es war der Bürgermeister. Das hier ein gemeinschaftliches Versagen des Rates vorlag wollte man nicht wahrnehmen. Das Gesprächsangebot des Rechtsanwalts wurde nach einer 30 minütigen Beratung der Fraktionsvorsitzenden mit dem Bürgermeister angenommen. Wobei über diesen Bauantrag kein Beschluss gefertigt wurde.
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Ein weiterer Bauantrag hatte teilweise tumultartige Auswirkungen. Es ging um die Ansiedlung der DHL am ehemaligen Bahnhof Loh. Hier waren im letzten Moment Informationen als Tischvorlagen nachgereicht worden, was durchaus in Ratssitzungen üblich ist. Der Tumult ist aber dem Umstand geschuldet, weil mehrere Bürger sich gegen die Ansiedlung wenden.Macht Sinn wenn Wahlkampf ist. Man schlägt sich bis zum Wahlkampf auf die Seite der Bürger um nach dem Wahlkampf doch alles zu beschließen. Auch hier konnte man auch alles wieder in den Auschuss zurück überweisen, der hier nachsitzen sollte. Aber wer hatte die Schuld? Klar der Bürgermeister. Nur, der Bürgermeister ist nicht für das fehlerhafte Arbeiten der Ausschüsse zuständig. Dafür ist der Rat zuständig. Alle drei Anträge wurden mit Mehrheit abgelehnt.
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ZOB oder Zentraler Omnibusbahnhof am Schwelmer Bahnhof kam noch auf den Tisch. Ein Mehrbedarf von 43.120,– Euro wurde signalisiert, ein durchaus normaler Vorgang. Und wieder sprang man auf um dem Bürgermeister die Meinung zu sagen.
Da war doch noch was. Klar, der Rat tagte in der Gustav-Heinemann-Schule und zwar weil nicht einmal im Ansatz eine Entscheidung bezüglich des Rathauses zu erwarten ist. Die Ratsmitglieder müssen dort etwas versetzt sitzen, so dass bei einer Abstimmung die Übersicht nicht gegeben ist. Mehrmals mussten deshalb die Ratsmitglieder aufstehen um ein ordnungsgemäßes Votum möglich zu machen. Das kommt davon wenn man die eigenen Gebäude, wie das Rathaus, verkommen lässt.
Hermann Grüntker (CDU) will keine Emails zugeschickt bekommen in der im Kopf alle Adressen des Rates stehen. Er befürchtet, dass seine Adresse dann in falsche Hände gelangt. Frank Nockemann (CDU) will keine „nicht-öffentliche“ Unterlagen per Email zugeschickt bekommen, weil er diesen Weg der Übermittlung als zu unsicher sieht. EN-Mosaik hat in der Stadt recherchiert ob eine der Ratsparteien einen Antrag hinsichtlich der digitalen Situation gestellt hat. Keine Partei interessiert sich für diesen Bereich. Herrn Grüntker sei gesagt, es gibt für den Emailverkehr sogenannte Formmailer oder Serienmailer und Herrn Nockemann sei gesagt für die sichere Übertragung von Emails gibt es die SSL (Secure Sockets Layer) oder TLS (Transport Layer Security) Verschlüsselung, dies gehört aber nun zur Allgemeinbildung eines normalen Bürgers mit geringen techn. Kenntnissen. Das diese Möglichkeiten in Schwelm nicht gegeben sind ist wohl dem niedrigen Verständnis für Kommunikation geschuldet. In diesem Zusammenhang sei der Internetauftritt der Stadt Schwelm erwähnt, der aus dem vorigen Jahrhundert stammen muss. In anderen Städten wurden Anträge gestellt um die eigenen Stadt nicht als von vorgestern da stehen zu lassen. Was mir bei der Recherche in der Stadt auffiel ist die geringe Personaldecke bei größerem Arbeitsaufwand durch Anforderungen des Rates. Man kann nicht auf der einen Seite das Personal ausdünnen auf Teufel komm raus und auf der anderen Seite Mehraufwendungen verlangen. Der Rat wäre gut bedient wenn er sich einmal den Krankenstand und die Fluktuation ansehen würden; denn die beiden Zahlen sind immer ein Indiz für zu hohen Arbeitsaufwand.
Eines kann man nach dieser Ratssitzung sagen, der Anfang für einen „schmutzigen“ Kommunalwahlkampf ist gemacht. CDU, FDP und die sogenannten Bürgerparteien wissen nicht was sie der Stadt Schwelm und ihren Bürgern versprechen sollen. Die SPD wäre gut beraten, wenn sie frühzeitig gegensteuern und nicht nach Berlin schauen würde. In dieser Ratssitzung wurde der Bürgermeister vom Rat „gegrillt“. Tatsächlich war aber die SPD gemeint, damit sollte ein negativer Transfer hergestellt werden. Es reicht nicht wenn Herr Hans-Werner Kick (SPD) nur seriös die Angriffe abwehrt. Bei der lauten Kläfferei ist das dann nicht mehr wahrnehmbar. CDU und FDP haben mit lautem Getöse den Wahlkampf eröffnet. Auffallend ist, die Lokalpresse der WAZ/Funkemediengruppe hat anscheinend vor, daraus eine Kampagne zu machen. Das bringt wieder Auflage die dringend benötigt wird. Bis zur Wahl im Mai 2014 ist von dem Schwelmer Rat nichts mehr politisch zu erwarten. Das Getöse und Gekläffe wird sicher jetzt öfter zu vernehmen sein. Nur sollte man nicht vergessen, irgendwann muss man wieder zusammen arbeiten.
Nun gilt es die Ärmel hochzukrempeln und den Wahlkampf etwas früher anzufangen. Und wenn Wadenbeißen angesagt ist, muss jemand diese Rolle übernehmen.
Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Schwelm.