Die Ambivalenz der Stadt Schwelm
[jpg] Wenn man die Geschichte von Haus Martfeld liest, liest man eine Geschichte einer durchaus sozialen Stadt Schwelm. Man erfährt von Wilhelm Erfurt und seiner Stiftung, der ein ziemlich verrottetes Haus Martfeld mit Tatkraft und Mitstreitern wieder aufbaute. Später lässt er den Haferkasten restaurieren, der Bibliothek wird das Antiquariat erhalten. Man erfährt von Eduard Schwamborn, der mit seinem Verein die Friedhofskapelle restaurierte, die vorher noch nicht einmal mehr als Funkerbude genutzt werden konnte. Man erfährt von dem derzeitigen Schwelmer Bürgermeister Jochen Stobbe oder dem Fraktionsvorsitzenden der SPD Gerd Philipp, die mit noch weiteren Mitstreitern die Gräfte (Wassergraben) von Haus Martfeld von Unrat und Abfall beseitigten – Jahr für Jahr. Schüler des Märkischen Gymnasiums stellten sich hin und machten für Besucher den Sinn der Gräfte von Haus Martfeld sichtbar. Es sind nicht alle die wir hier aufzählen können, die das Schloss so herrichteten das man es heute für ein Kleinod der Stadt Schwelm sieht. Ein Wahrzeichen für das jede Stadt einstehen würde. Der Aufbau dieses Kleinods ist ein klassischer Aufbau im Sinne des Denkmalschutzes, getragen von der Mehrzahl der Bürger.
Nur was nutzt das Denkmal wenn es nicht einer sinnvollen Nutzung zu geführt wird. Hans Neveling, der Leiter der unteren Denkmalbehörde und Stadtkonservator in Wuppertal, prägte immer den Anspruch, ein Denkmal ist niemals tot, vielmehr lebt es mit seiner Nutzung. Dahinter steht, ein Denkmal sollte sich selber wirtschaftlich tragen.
Haus Martfeld könnte etwas mehr an Besucherverkehr vertragen als es sich heute darstellt. Und so war es ein Glücksfall, dass die biologische Station des EN-Kreises aus Ennepetal ein neues Zuhause suchte. Der Blick war auf die Kreisstadt gerichtet und letztendlich auf den Park um Haus Martfeld.
Wie gesagt, ein Glücksfall. Es entstand eine Win-Win Situation, die zwei zusammen brachte, die sich wunderbar ergänzen.
So wurde das 5. Schwelmer Stadtgespräch zum Anlass genommen, die Entscheidung der Ansiedlung der biologische Station vorzustellen. Es sollte ein Gespräch über die Inhalte und die Arbeit der Station werden. Und es sollte über die Lösung, wie die Stadtion sich in das Ensemble des Hauses Martfeld einfügt, gesprochen werden. Es kamen an die 100 Bürger der Stadt Schwelm. Änderungswünsche wollte man hören, ob man nicht was besser machen könnte.
Auf der Agenda standen noch mehr Themen, Martfeld war jedoch das Hauptthema. Und zu diesem Hauptthema hatte man den Leiter der Station Dirk Janzen eingeladen, der über die Station Auskunft geben wollte. Die Redaktion von EN-Mosaik war auch gespannt was es nach Ennepetal denn neues geben würde, ob sich die Inhalte oder Zielsetzungen verändern würden. Immerhin wollte man ja eine neue Station bauen.
Es kam jedoch ganz anders. Eine Gruppe von Anwesenden dominierte die Versammlung, indem sie Randthemen zu Hauptthemen orchestrierte. Die Brücke über die Bahnstrecke zum Haus Martfeld, die von der Westfalenpost als baufällig erachtet wurde, war ein Thema. Tatsächlich hält die Brücke noch 10 Jahre aus und müsste dann untersucht werden. Was sicher sehr wichtig ist, nur erst in 10 Jahren. Man wollte aber doch heute wissen wie man dann Martfeld mit dem Auto erreichen könnte. Dann wollte man wissen wie es mit den Parkplätzen bestellt war, die ja für jedes Gebäude nach dem Baurecht bereit gestellt werden müssten. Die Gruppe hatte sich gut vorbereitet, sie wusste es müssen 17 Plätze sein, so hörte man. Das diese Plätze nur virtuell bereit gestellt werden, wurde so nicht dargestellt. Man sah sich schon zwischen den 17 Autos zu geparkt. Logischerweise folgte jetzt die Frage nach dem erhöhten Verkehrsaufkommen, der Eindruck verstärkte sich, es geht rhetorisch nunmehr um die Gestaltung einer Hauptverkehrsstraße. Ängste machten sich angeblich breit, dass man zu-geparkte Garageneinfahrten oder auch einen erhöhten Publikumsverkehr ertragen müsste. Das die Planung aus 5 Vorplanungen favorisiert wurde, wollte man nicht hinnehmen ohne die restlich 4 Planungsvorschläge gesehen zu haben.
Und jetzt meldete sich ein Besucher, ob man nicht einmal über die Station sprechen könne. Na man wird doch noch mal über die Ausgleichsparkplätze reden dürfen, das wäre wichtig, so die dominierenden Fragesteller. Und weiter ging es mit Verkehr, Parkplätzen, Besuchern, Bussen und Zufahrten wenn die Brücke mal nicht mehr befahrbar wäre. Nach fast 100 Minuten also über 1 ½ Stunden Brücke, Parkplatz und Co. meldete sich eine weitere Besucherin „ungeduldig“ und wollte über die Station sprechen. Ein einsamer Applaus, war die Folge.Inzwischen waren schon an die 20 Besucher gegangen, sie hatten das Interesse an diesem Stadtgespräch verloren. 124 Minuten, also über 2 Stunden waren nunmehr vergangen, kaum ein Wort war über die biologische Station gesprochen worden, jetzt wollten die Schwelmer nach Hause. Bürgermeister Stobbe bedankte sich und wünschte noch einen guten Abend. Was folgte, waren noch einzelne Gespräche bei der noch Informationen ausgetauscht und die bereitgestellten Modelle besichtigt wurden.
Im Gespräch mit der dominierenden Gruppe erfuhr ich, diese Gruppe waren Anwohner und Besucher des Martfeld Parkes. Als helfende Hände waren sie sich zu schade; denn das, so sagte mir ein Paar, wäre ja wohl städtische Angelegenheit. Tolle Einstellung.
Unter den Anwesenden waren auch die Stiftungsmitglieder verschiedener Schwelmer Stiftungen, die sich durch den Gesprächsverlauf sicherlich geohrfeigt sehen konnten. Denn so viel Egoismus und Gleichgültigkeit wie in diesen Gesprächen auftrat, schadet dem Erhalt des Kleinodes Haus Martfeld. Denn der Erhalt von Haus Martfeld, so ist das nun mal bei Gebäuden, muss irgendwie finanziert werden. Und das geht nun nur über eine sinnvolle kulturelle Nutzung, die zahlende Besucher anzieht. Die Stadt Schwelm kann den Erhalt nicht sichern, aber zahlende Besucher können es sehr wohl. Die Wilhelm-Erfurt-Stiftung für Natur und Kultur, der Schwelmer Verschönerungsverein, der Verein für Heimatkunde oder die Arbeitsgemeinschaft Umweltschutz stehen nicht immer mit prall gefüllten Geldbeutel herum um die Kulturpflege von einigen egoistischen Schwelmer Bürgern zu übernehmen, wenn solch ein Kulturgut wie das Ensemble Haus Martfeld wieder dem Verfall ausgesetzt wird. Die Liebe zu einer Stadt wie Schwelm sollte doch über die virtuellen Parkplätze stehen und zwar hier und heute.
Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Schwelm