Finale des Kulturhauptstadtjahres, mit einem Wermutstropfen

[jpg] Erinnern, wiederholen und verarbeiten so könnte man das Finale der Kulturhauptstadt 2010, Ruhr.2010, überschreiben. Es war Daisy die uns Anfang des Jahres in ihre eisigen Arme nahm und die Eröffnungsveranstaltung mit gestaltete. Eine Eröffnungsveranstaltung bei der Gil Mehmert die Regie führte. Hochrangige Gäste, wie Bundespräsident Horst Köhler, der Präsident der Europäischen Kommission José Manuel Barroso oder Minsterpräsident des Landes NRW Jürgen Rüttgers, saßen im Rund von Zollverein bei Wind und Schneeregen und schauten gebannt der Show zu. Eine Show, die das unverfälschte der Metropole Ruhr zeigte, anders, kantig, sympathisch und direkt. Die Bühne musste mehrmals mit Salz abgestreut werden, so dass die TänzerInnen ihren Tanz aufführen konnten. Es war eine Alternativkunst, so könnte man sagen, die es so noch nicht auf der ganzen Welt gab. Die Weltpresse war erstaunt und begeistert, von dieser erfrischenden andersartigen Show.

Und jetzt? Das Tief Petra brachte riesige Schneemengen und eisige Temperaturen, so als wenn die Ruhris geprüft werden sollten. Und sie kamen in Gelsenkirchen auf Nordstern, Essen auf Zollverein, Dortmund zum Dortmunder U und in den Duisburger Innenhafen an die Küppersmühle.

Und wieder war es Gil Mehmert der Regie führte, diesmal ein Finale, wohlgemerkt, keine Abschlussfeier. Und es sollte wieder eine Veranstaltung werden, die ihresgleichen noch erst einmal suchen muss.

In der Woche wurde schon das neue Wahrzeichen, der 18 Meter hohe Herkules, eine Skulptur von Markus Lüpertz, auf dem THS Dach der Zeche Nordstern mit seinen blauen  Haaren montiert.

Auf zwei Videoleinwänden mit 128 m² und 400 m² über die gesamte Gebäudebreite von 86 m wurde ein Schiff, Namens "Ruhrtopia" skizziert.

Technisch war alles vorhanden, was heute machbar ist.

Da war von Moving-Lights über moderne Verfolger bis hin zu LED-Sticks alles da, gesamt ergab dies eine Lichtleistung von 250.000 Watt. Aber nicht nur das, vielmehr entstand im Verbund mit den anderen drei Finalveranstaltungen in Essen, Dortmund und Duisburg erst der Eindruck der Metropole Ruhr.
                 
Durch Zuschaltungen wurde aber auch die Identität der anderen Städte gewahrt, niemals hatte man den Eindruck, dass die anderen Städte untergingen. Die Bedeutung des neudeutschen Wortes Polyzentrizität wurde hier umgesetzt.

                 

Das Schiff "Ruhrtopia" wurde erst sichtbar als der  schwarz/weiß Einspieler von  Christoph Maria Herbst, der einen Kulturdezernenten spielte, beendet war. Kurzweilig zeigte Herbst den Bewerbungsweg über den die Kulturhauptstadt 2010 gehen musste um sodann 2006 den Zuschlag zu erhalten.

Das Schiff setzte sich dann in Bewegung und zeigte Grönemeyer mit seiner Ruhr-Hymne und schlug einen großen Bogen über die vielen Projekte, wie die Helden-Ausstellungen, die Tanztriennale, LiteratuRe-Ruhr und dann kam auch schon das Projekt Schachtzeichen. Noch einmal stiegen die gelben Helium gefüllten Ballons in Bildern in die Luft unter denen sich tausende versammelten um ihre Metropole Ruhr zu feiern. Und so war es auch auf dem Finale indem nochmals Ballons mit Wünschen in die Luft gelassen wurden. Der Traum und Wunsch für die Metropole Ruhr. Ein Traum der sich verliert?

Und weiter ging es: Die Schattenkultur Ausstellung oder das Projekt Twins flogen als Erinnerung vorbei. Der bekannte Jazzsänger Theo Bleckmann stimmte in das Projekt Sing! Day of Song ein. Die Chöre der Metropole Ruhr probten tagelang für diesen einen Tag in der Schalke Arena in Gelsenkirchen. Aber nicht nur das, um 12:10 Uhr sangen alle in allen 53 Städten das Glück auf Lied. Es waren in den Städten rund 300.000 Sänger aufgeboten. In der Schalke Arena wurde ein Ruhrgebietschor 53.500 Sänger etabliert. Wer dabei war, weiß wie unvergesslich dieser Tag war.

Weiter ging die Reise: Die Orgellandschaften, Wohnkultur, Ruhrkunst, Nacht der Gotteshäuser oder die Local Heroes, dies als Haltepunkte in der Reise durchs Kulturhauptstadtjahr.
Die Stilleben Tische wurden auf der Höhenbühne zu einem Xylophon umfunktioniert und es erklang Südseemusik a la Steel Bands, jetzt die Wood Drummer. Ja, das Stilleben am 18.Juli – 3,5 Mio Menschen gingen oder fuhren auf ihrer Lebensader der 60 Km langen A40 und demonstrierten ein buntes, friedliches Nebeneinander der Alltagskulturen.Grau war gestern, bunt ist heute.

Viele, viele Projekte flogen an den Schiffsreisenden vorbei, begleitet von dem Marler "Junges Blasorchester e.V." Break Dancer vertraten die Straßenszene, Akrobaten der Urbanatix zeigten auf dem Gebäude ihre akrobatischen Einlagen. Dies alles perfekt inszeniert.

Die Live Einspielungen auf den Videoleinwänden aus Dortmund, Essen und Duisburg erbrachten das Wir-Gefühl der Metropole Ruhr. Ob das nun die Bewegtbilder des Dortmunder U von Professor Winkelmann waren, die 360° Lichtperformance am Essener Sanaa Gebäude oder die Ithaka Lesung im Duisburger Freihafen bei der Homer das Europa der Regionen beschwor, es war eine würdige aber auch moderne Inszenierung der Metropole Ruhr.

                

Und der Wermutstropfen? Ja, die Loveparade mit ihren 21 Toten und hunderten Verletzten, nein, sie sollten und sollen in der Metropole Ruhr nicht dem Vergessen ausgeliefert werden. Ob in Gelsenkirchen oder Duisburg, es waren Lichter die für die Toten in unseren Erinnerungen getragen werden sollten. Die reine Kultur will nicht vergessen oder verdrängen, sie wird sich immer moralisch verantwortlich zeigen. Insoweit unterscheidet sie sich von der politischen Kultur, die Verantwortung immer mit der Schuld vermengt um sich nicht zur Verantwortung zu bekennen.

Außergewöhnlich die Wechselgesänge in Sprech- und Gesangsform mit wechselnden Orten, die Technik macht so was möglich. Es ist unsere Stadt, es ist euere Stadt, so ein Credo der Sprechgesänge – wohl war.

Die Ruhrtopia auf dem Weg, Streetpiraten der Urbanatix entern das Nordsterngebäude. Diese ausgeflippten Ruhr Akrobaten mit ihren auswärtigen Freunden, wo man beim Zusehen schon blaue Flecke bekommt.

                

Die Volunteers kamen zu Wort, diese Gruppe die immer freundlich und frohgemut jedem hilfreich zur Seite stand wenn man nicht klar kam. Und die beim Helfen noch offensichtlich  Spaß hatten.

"Wir haben Kultur gelebt…wir haben es einfach gemacht… Die Erinnerung bleibt in unseren Herzen….Anderes Verständnis von Kunst, Kultur und dem Ruhrgebiet….Es muss weitergehen" so die Stimmen der Volunteers.

Und dann wandelte sich das Schiff in ein Raumschiff, welches abhebt in die Metropole Ruhr-Ruhrtopia. Das ganze endete in einem kurzen aber prägnanten Feuerwerk.
Diese fünf Akte wurden mit Szenenapplaus begleitet und mündete dann in einen großen Applaus.

Nun eines hatte das Tief Petra erreicht, zu der ausverkauften Vorstellung kamen nicht alle Besucher. Dies lag aber auch an den permanenten Katastrophenmeldungen mit gesperrten Autobahnen oder Staus auf der Autobahn.

Es war ein furioses Finale der Eröffnungsveranstaltung durchaus ebenbürtig. Und da die Erinnerung überwog herrschten Moll Töne vor die erst in Dur gewandelt wurden, als der fest verwurzelte Glaube an eine Metropole Ruhr artikuliert wurde.

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Gelsenkirchen

 


Hier noch unsere Gallery zur  Veranstaltung.

[Alle Fotos auf dieser Seite © Linde Arndt]