Was ist ein normaler Mensch in der Politik?

[jpg] Eigentlich wollte Petra Vogt (CDU) über die Schulpolitik in Ennepetal sprechen. Die CDU Fraktion hatte Frau Vogt ins Zorbas geladen, um über weitere Möglichkeiten für Ennepetal zu sprechen. Es kam jedoch ganz anders; denn Frau Vogt schilderte Probleme die man in Ennepetal vergeblich suchte.

So hat Ennepetal  gegenüber dem Landestrend mit der Sekundarschule einen zu guten Lauf. Die Ennepetaler Sekundarschule ist zu 100% belegt und ein weiterer Zug kann nicht gelingen, weil dafür die Kinder fehlen. Deshalb müssen weitere Anmeldungen abgewiesen werden. Grundschule? Keine Probleme, die andere Städte eben haben. Gymnasium? Das Ennepetaler Reichenbach Gymnasium hat eine hohe Reputation und genießt bei den Eltern einen guten Ruf. Förderschule?

Abgeordnete des Landtags NRW Petra Vogt (CDU) bei ihrem Vortrag  Foto: (c) Linde Arndt

Abgeordnete des Landtags NRW Petra Vogt (CDU) bei ihrem Vortrag Foto: (c) Linde Arndt

Auch hier hat Ennepetal durch das Abkommen mit der Stadt Gevelsberg kein Problem. Die Förderschülerinnen und Förderschüler werden an der Hasenkleverschule in Gevelsberg unterrichtet. Was blieb für diesen Abend? Es entspann sich ein Gespräch über die Inklusion im Bildungsbereich. Für eine schulpolitische Sprecherin der CDU Landtagsfraktion war es eine schwache Vorstellung die Petra Vogt hier ablieferte. Das Credo dieses Gesprächs war, lasst die armen „normalen“ Kinder doch arbeiten und überfordert doch die Lehrkräfte nicht mit diesem Thema. Eine 50 Jahre alte politische Position zur Inklusion in der heutigen Zeit kann man nur mit Unverständnis wahrnehmen. Im Gespräch traten, trotz kompetenter Gesprächsrunde aus Politik und Schule, erhebliche Wissenslücken zu Tage. Bis auf eine Lehrerin hatten fast alle Teilnehmer teilweise erhebliche Ressentiments vorzubringen. Am 24. Februar 2009 ist Deutschland der UN Behinderten Konvention (Convention on the Rights of Persons with Disabilities) beigetreten. Eine ausreichende Zeit, sich mit der Thematik Inklusion auseinander zu setzen.

Diskussion Schule  Foto: (c) Linde Arndt

Diskussion Schule Foto: (c) Linde Arndt

 

Die Debatte müsste also lauten:
Welche inhaltlichen, organisatorischen, finanziellen und personellen Voraussetzungen müssen wir schaffen der Inklusion (in allen Bereichen) zum Erfolg zu verhelfen? Denn, es geht um nichts geringeres als um die Teilhabe von rund 10 Millionen Deutschen (Quelle: Statistisches Bundesamt, Stand: 2013) an unserer Gesellschaft.

Zur Erinnerung: 2006 definierte die UNO folgende Grundsätze als verbindliche Forderungen für die von allen akzeptierten Menschenrechte im Zusammenhang mit der Behindertenkonvention.
Die Grundsätze der Konvention enthält Artikel 3:

  • die Achtung der dem Menschen innewohnenden Würde, seiner  individuellen Autonomie, einschließlich der Freiheit, eigene Entscheidungen zu treffen, sowie seiner Unabhängigkeit;
  • die Nichtdiskriminierung;
  • die volle und wirksame Teilhabe an der Gesellschaft und Einbeziehung in die Gesellschaft;
  • die Achtung vor der Unterschiedlichkeit von Menschen mit Behinderungen und die Akzeptanz dieser Menschen als Teil der menschlichen Vielfalt und der Menschheit;
  • die Chancengleichheit;
  • die Zugänglichkeit;
  • die Gleichberechtigung von Mann und Frau;
  • die Achtung vor den sich entwickelnden Fähigkeiten von Kindern mit Behinderungen und die Achtung ihres Rechts auf Wahrung ihrer Identität.

Dies ist der Rahmen auf den wir uns geeinigt haben. 154 Staaten haben inzwischen ratifiziert, wobei die EU dieser Konvention ohne Diskussion beigetreten ist. Was also eine Diskussion prägen sollte, welche Voraussetzung müssen wir schaffen um Menschen mit Behinderung nicht weiter auszugrenzen oder besser zu separieren? Es muss eine Bewusstseinsänderung bei allen Beteiligten geschaffen werden. Weg von der Separierung hin zu einem Zugewinn für alle Beteiligten. Stichwort: Soziale Kompetenz im Bildungsbereich. Die Bereicherung durch die Vielfalt menschlichen Lebens. Bereicherung deshalb, weil es in einer globalisierten Welt  keine genormten Kulturen, Menschen oder Regeln gibt. Je eher der einzelne sich auf die Vielfalt menschlicher Erscheinungsformen einstellt, desto besser kann er später in einem vermeintlich fremdem Umfeld agieren. Der sozialer Wert der menschlichen Beziehung in seiner Unterschiedlichkeit und das Verständnis dafür, führt im späteren Fall vielleicht zu einem milliardenschweren Auftrag. Die Arroganz einzelner Staaten des Westens wird sich im Laufe der Zeit erschöpft haben, so dass der Begriff der Normalität menschlicher Erscheinung neu definiert werden muss. Thomas Quasthoff, ein behinderter, herausragender Bassbariton und Professor für Gesang an der Hochschule für Musik in Berlin oder Felix Klieser, ein leidenschaftlicher Ausnahmehornist, der keine Arme hat, dies sind Menschen, die keine Ausnahme sein dürften und nicht auf ihre Behinderung reduziert werden sollten. Wir können es uns aus einer menschlichen Perspektive nicht leisten behinderte Kinder nicht auszubilden, sie (Die Kinder) gehören nicht mit dem Sozialgesetzbuch alimentiert, sie gehören voll ausgebildet und dann mitten in die Gesellschaft. Wenn es den skandinavischen Ländern gelingt die Inklusionspolitik zu fahren, wird es doch uns Deutschen auch gelingen. Deshalb sollte die Diskussion anders laufen. Nicht wie können wir die Behinderten separieren, sondern wie können wir die Behinderten inkludieren.

 

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Ennepetal