Hagen will Kunst nach Kassenlage betreiben

Die Prokuristen der gGmbH theaterhagen Florian Ludwig und Norbert Hilchenbach Foto: (c) Linde Arndt

Die Prokuristen der gGmbH theaterhagen Florian Ludwig und Norbert Hilchenbach Foto: (c) Linde Arndt

[jpg] Es ist zum Verzweifeln. Hagen hat ein Theater mit hervorragender Reputation, leistet Jahr für Jahr anerkennenswerte Arbeiten in allen Sparten und diese Leistungen will man kürzen. Wie soll das gehen, fragt sich der Kunstinteressierte? Kann ein (e) TänzerIn den Schwanensee ohne ein  Corps de ballet tanzen? Ja klar. Man stellt mehrere Schilder hin mit der Aufschrift Schwan und fertig ist das Corps de ballet. Vor diesen Schildern wird der allen bekannte Pas de deux „hin gelegt“ und gut ist? Ausgebildete Tänzer, meine Güte, da nimmt man aus der nächsten Diskothek ein Paar, die diesen Tanz ehrenamtlich hinlegen.
Oder die Oper. Muss ein(e) SängerIn mehr als eine Oktave beherrschen? Reicht hier nicht auch die übliche Badewannengesangsfertigkeit eines jeden Bürgers? Auch hier könnte das Ehrenamt wunderbare Dienste leisten.Und fertig ist die Einsparung von 1,5 Millionen.
Sie haben Recht, werter Leser, auf solch einem Niveau sollte man nicht diskutieren. Und es ist der Lage von Stadt und Theater Hagen nicht angemessen.
Aber auf welchem Niveau diskutiert der Stadtrat und die Stadtverwaltung denn über das über die Grenzen bekannte Theater Hagen? Da wird davon gesprochen, dass sich die Kunst dem Geldbeutel der Stadt Hagen unterzuordnen hat. Da wird davon gesprochen, dass  das Personal abgebaut werden sollte indem man Angestellte wie in einem Verschiebebahnhof evtl. in die Arbeitslosigkeit entlässt. Betriebswirtschaftlich wird das nicht begründet. Über Qualität wird nicht mehr gesprochen – es zeichnet sich ein Imageschaden für den Standort Hagen ab. Ich höre es schon: Die Hagener wollten ein Theater und brachten nur ein Laienspiel auf die Bühne.
Seit Monaten ziehen sich die Verhandlungen zwischen der Theaterleitung und der Stadt über das Budget hin und es ist keine Einigung in Sicht, wobei das Verständnis der Stadt für die Belange des Theaters sich in Grenzen hält. Wie also kann ein Theater mit einer Stadt Hagen verhandeln, wenn das Hintergrundwissen über den Betrieb eines Theaters nur rudimentär vorhanden ist. Es gibt keine halbe Arie im Gesang eines guten Sängers, und gut sollte der Sänger schon sein da das Theater nicht mit dem nächstgelegenen Möbelhaus konkurriert.
Hagen ist verschuldet –  hoch verschuldet, aber hat das Theater Hagen diese Schulden zu vertreten? Es ist ja wohl die Politik und die Verwaltung welche die Stadt in die Schulden getrieben hat. Das Theater Hagen hat nicht nur ihren künstlerischen Auftrag umgesetzt, vielmehr hat es auch mit den Geldern seriös und solide im Sinne der Steuerzahler gewirtschaftet. Das das Theater als Standortfaktor noch vor den Steuern (Gewerbesteuer) kommt, sollte sich auch in der Politik herum gesprochen haben.

In diesem Zusammenhang erreicht uns ein „offener Brief“ des Betriebsratsvorsitzenden Alexander Schwab der es nicht mehr aushält, wenn die Belange des Theater im nicht öffentlichen Bereich entschieden werden sollen. Den wir hier ungekürzt veröffentlichen:

An den Oberbürgermeister
der Stadt Hagen
Herrn Erik O.Schulz
Rathausstraße 13
58095 Hagen

Offener Brief des Betriebsrates der Theater Hagen eGmbH 15.Juni 2016

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

bisher war es für den Betriebsrat der Theater Hagen gGmbh selbstverständlich, interne Debatten zwischen Stadtverwaltung und Theater in dem Rahmen zu besprechen, der ihm gebührt, nämlich nichtöffentlich. Durch den Zeitungsartikel von Martin Weiske in der WP / WR / derwesten.de vom 11.06. „Konsolidierungsziel prägt Theaterzukunft“ und den Erfahrungen, dass Schreiben des Betriebsrats an Sie nicht beantwortet bzw. ignoriert werden, sehen wir uns veranlasst, in einem offenen Brief Stellung zu beziehen.

Ihren Schlusssatz in oben genanntem Artikel, dass das Theater Hagen ein hochattraktives Haus bleibt und auch bleiben muss, unterstreichen wir vorbehaltlos. Die Vorstellungen darüber lassen in der nichtöffentlichen Verwaltungsvorlage, die – von Ihnen unkommentiert – den Weg über die Zeitung in die Öffentlichkeit gefunden hat, aber nicht auf konstruktive Zukunftsgestaltung schließen. Wenn sich die künstlerischen Aspekte dem Konsolidierungsziel unterzuordnen haben, gleichzeitig betriebsbedingte Kündigungen hoffähig gemacht werden sollen und die deutliche Reduzierung in den einzelnen Sparten in Erwägung gezogen wird, dann bedeutet dies, dass das Theater den Fortbestand seines aktuell hohen Niveaus durch Reduzierung bzw. Abschaffung der Theaterschaffenden sichern soll.

Die Mitarbeiter/innen des Theaters, die bis vor eineinhalb Jahren Angestellte der Stadt waren, wurden für die Stadtspitze innerhalb kürzester Zeit zu Angestellten zweiter Klasse. Es wird mit der (immer noch) nichtöffentlichen Verwaltungsvorlage der Versuch gestartet, den geltenden Ratsbeschluss über den Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen bei der Stadt aufzuweichen, der durch den Überleitungsvertrag auch weiterhin für die am Theater Beschäftigten gilt. Die Rückführung zur Stadt, die im gleichen Atemzug genannt wird, ist aber nur für den Fall einer Insolvenz oder der Auflösung der gGmbH vorgesehen und hat mit betriebsbedingten Kündigungen nichts zu tun.

Deutlicher als in der Beschlussvorlage beschrieben, die unter Ihrer Verantwortung entstanden ist, lässt sich die fehlende Wertschätzung für die Arbeit der Theaterschaffenden kaum ausdrücken. Als Teil einer 100%igen Stadttochter geben sie jeden Tag ihr Bestes, um den kulturell bisher hervorragenden Ruf Hagens nach außen würdig zu vertreten. Solch eine Behandlung haben unsere Kolleginnen und Kollegen nicht verdient!

In der Vorlage wird die mangelnde Wertschätzung u.a. dadurch ausgedrückt, dass sich jeder künstlerische Aspekt der Konsolidierung unterzuordnen hat. Verantwortungsbewusstes Handeln eines Gesellschafters sieht anders aus!

Das Theater Hagen hat in der neuen Rechtsform bewiesen, dass es wirtschaftlich verantwortungsbewusst und erfolgreich agieren kann, was von den Wirtschaftsprüfern eindeutig bestätigt wurde und das trotz zusätzlicher Schwierigkeiten, die die Stadtverwaltung dem Theater ohne Not auferlegt hat wie der Umgang mit Rückstellungen oder unvollständige Einnahmeverbuchungen.

Die sich in dem Artikel vom 11.06. wiederholenden verbalen Provokationen gegen Personen des Theaters sind auch weiterhin kein Mittel für eine sachliche Diskussion. Deshalb rufen wir Sie als Vertreter des Gesellschafters auf, Ihrer Verantwortung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum Wohl der Theater gGmbH nachzukommen, wie es auch im Gesellschaftsvertrag vorgesehen ist, damit die Theater Hagen gGmbH weiterhin die Aufgaben wahrnehmen kann, die in der Präambel des Gesellschaftsvertrags beschrieben sind, nämlich kulturelle, bildungspolitische und soziale.

Das Theater der Stadt Hagen und die Kultur haben keine Krise, die Stadt Hagen hat eine Krise!

Mit freundlichen Grüßen

Alexander Schwalb

Update 17.Juni 2016

Danke für den Artikel! Seit heute Nacht ist die Petition beendet. Stimmen gesamt: 12.789 – aus Hagen: 4975. Es wäre schön, wenn Sie darauf hinweisen würden, und ebenfalls auf den Theater-Marsch am 23. Juni ab 14 Uhr.

Christoph Rösner

 

 

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Hagen