Wie viel ist ein Grundrecht in Deutschland wert?

Manfred Zander und Bürgermeisterin Imke Heymann Foto: Linde Arndt

Manfred Zander und Bürgermeisterin Imke Heymann Foto: Linde Arndt

[jpg] In Ennepetal war ja die Bürgermeisterwahl noch nicht abschließend geklärt. Zur Erinnerung: Die Oberbürgermeister-, Landrats- und Bürgermeisterwahlen am 13. September 2015 verliefen in Ennepetal nicht fehlerfrei. Die Briefwahlzettel hätten, da Landrats- und Bürgermeisterwahl auf ein Datum fielen, in unterschiedlichen Farben dem Wähler zur Verfügung gestellt werden müssen. Tatsächlich hat die Stadt Ennepetal beide Zettel in einer Farbe zur Verfügung gestellt. Als der Fehler bemerkt wurde hatte der damalige Wahlleiter und Bürgermeister, nach Rücksprache mit dem Landrat, entschieden, die schon abgegebene Briefwahl für ungültig zu erklären und dem Wähler neue Briefwahlscheine zuzuschicken. Diesmal in unterschiedlichen Farben. Nun waren einige Wähler nach Abgabe ihrer Stimme in Urlaub gefahren und also nicht mehr zu erreichen, so dass sie ihre Stimme nicht mehr erneut abgeben konnten. Die Folge war, dass sie ihres demokratisch verbrieften Wahlrechtes durch die Stadt Ennepetal beraubt wurden.

 

Das Ergebnis dieser Wahl war denkbar knapp:

 

Anita Schöneberg (SPD)                5.089 Stimmen

Imke Heymann (CDU/GRÜNE/FDP/FWE)        5.380 Stimmen

 

Imke Heymann (CDU/GRÜNE/FDP/FWE)    hatte mit 291 Stimmen Vorsprung und einem Stimmenanteil von 51,4% damit die Wahl für sich entschieden.

 

Bei der Briefwahl waren 1.136 Stimmen falsch abgegeben worden, die Urne wurde versiegelt und eine neue Urne für die neu verschickten Briefwahlstimmen aufgestellt. Nach Öffnung der Urne am 13.Sept.2015 wurden 989 abgegebene Stimmen gezählt. Also 147 abgegebene Stimmen weniger als in der alten Urne vorhanden waren. Der Wahlausschuss erklärte die Wahl unter Berücksichtigung der vorgenannten Zahlen für gültig. 291 Stimmen hatte Frau Heymann (CDU/GRÜNE/FDP/FWE) gegenüber Frau Schöneberg (SPD) mehr bekommen, dagegen standen die 147 Stimmen die nicht beim zweiten Wahlgang abgegeben wurden oder werden konnten. Auch wenn jetzt alle 147 Stimmen auf Frau Schöneberg gefallen wären, wäre das Ergebnis 291-147=144 Stimmen mehr für Frau Heymann (CDU/GRÜNE/FDP/FWE). Frau Heymann (CDU/GRÜNE/FDP/FWE) wäre also immer noch die Siegerin des Wahlkampfes.

 

Ennepetaler Wahlinszenierung und -orchestrierung

Verwaltungsgericht Arnsbarg Foto: Linde Arndt

Verwaltungsgericht Arnsbarg Foto: Linde Arndt

Es waren einige Fans der Ennepetalerin Bürgermeisterinkandidatin Anita Schöneberg (SPD) die mit dem Ergebnis nicht einverstanden waren. Man suchte einen von dem Wahlfehler Betroffenen, um Klage beim Verwaltungsgericht anzufertigen. Gefunden hatte man einen Bürger aus Büttenberg. Klage wurde eingereicht und das Arnsberger Verwaltungsgericht terminierte den 26.Aug.2016.

EN-Mosaik wollte sich diesen Prozess nicht entgehen lassen, denn interessant wäre, was für eine Argumentation würde der Kläger und sein Anwalt benutzen und wie würden die Beklagten erwidern. Denn immerhin ging es ja um Artikel 28 und 38 des Grundgesetzes, die kommunalen Vorschriften und Regeln, wie Kommunalwahlgesetz oder Kommunalwahlordnung wollten wir beiseite lassen.

Im Gerichtssaal „trudelten“ aus Ennepetal ein: Hans Hermann Pöpsel, Historiker, Germanist und 20 Jahre Lokaljournalist der Westfälischen Rundschau, sowie Buchautor mehrerer Heimatbücher über Ennepetal; Hartmut Breyer der derzeitige Lokaljournalist der Westfälischen Rundschau; Anita Schöneberg (SPD), Jürgen Schöneberg (SPD), Schwägerin der Schönebergs, Cornelia Born (SPD), dies soweit der SPD affine Block. Dann der CDU Block mit Daniel Heymann (CDU), Gisela Werrn (CDU), Sebastian Christ (CDU). Zu guter Letzt der Stadtverwaltungsblock mit den Herren Langhardt, Otto, Strahtmann, Küpper und die Hauptverwaltungbeamtin (Wahlbeamtin) Bürgermeisterin Imke Heymann um die es ja letztendlich gegangen ist.
Da alle aus der Politik und Verwaltung kamen, fiel uns der Umweltschutz ein. Sicherlich wäre eine umweltverträglich Lösung, hinsichtlich der deutschen Co2 Verpflichtung Cop 21, möglich gewesen, wenn Ennepetal mit einem angemieteten Bus Arnsberg aufgesucht hätte. Aber was soll es.
Unter dem Aktenzeichen 12/K3712/15 wurde der Fall Manfred Zander ./. Stadt Ennepetal von der Vorsitzenden Richterin der 12. Kammer Silke Camen aufgerufen.

 

Und nun kam Herr Manfred Zander, der Kläger ins Spiel. Es war ein 84 Jahre (eigenen Angaben) alter Herr der etwas gebrechlich auftrat und mit seinem Sohn die Klägerseite vertrat.

Die Herren Otto, Langhardt und Frau Heymann vertraten mit der Anwältin Verena Dienst von der Kanzlei Wolter Hoppenberg Rechtsanwälte Partnerschaft mbB, Hamm und Münster, die Stadt Ennepetal.

Nach Vorlesung der Klageschrift durch das Gericht, folgte etwas was man nur als Schmierentheater bezeichnen kann. Denn der Kläger war sichtlich mit dem Inhalt der Klage überfordert. Die Befragung durch das Gericht ergab letztendlich, dass Manfred Zander (Kläger) nur den Fehler festgestellt haben wollte. Ihn hatte es irritiert (mehr nicht), dass bei dem  Fehler der Briefwahl, erst von einer Wiederholung der gesamten Wahl gesprochen wurde und dann „nur“ noch von einer Wiederholung der Briefwahl. Die Vorsitzende Richterin Silke Camen gab Herrn Manfred Zander denn auch recht. Hier hatte es bei der Bürgermeisterwahl an einer eindeutigen Kommunikation gefehlt.

Die Vorsitzende Richterin Silke Camen führte dann aber aus, es müssen zwei Einflussfaktoren zutreffen, a) Unregelmäßigkeit und b) Relevanz auf das Wahlergebnis. Die Unregelmäßigkeit hat es gegeben, sie wurde jedoch teilweise geheilt, nur die Relevanz auf das Wahlergebnis konnte die Richterin nicht feststellen. Denn die Differenz von 147 Stimmen hätten zwar einen Einfluss auf das Ergebnis gehabt, nur auf das Gesamtergebnis, also eine andere Bürgermeisterin hatte dies keinen Einfluss. Manfred Zander wollte denn auch nur den Fehler der Stadt festgestellt haben, was die Richterin ihm nochmals eindeutig bestätigte. Und nun? Die Vorsitzende Richterin Silke Camen schlug denn Herrn Manfred Zander die Rücknahme der Klage vor. Der Stadt Ennepetal regte sie die Kostenübernahme an. Nach einer kurzen Beratungspause erklärte sich die Stadt bereit die Gerichts- und die anwaltlichen Kosten zu übernehmen, wobei Herr Manfred Zander als Kläger keine Kosten geltend machen wollte.

Warum jetzt der Vorwurf des Schmierentheaters von unserer Seite? Nun, wir hatten klare Indizien für eine Instrumentalisierung des Klägers, was auch unserer Meinung nach zutraf. Das aber die Klägerseite so schlecht vorbereitet wurde und ihr niemand zur Seite stand war typisch für die Adressaten dieser Instrumentalisierung. Hier wurde auf ziemlich niedrigem intellektuellem Niveau argumentiert. Und was noch beschämender war, diese Klage wurde schon durch die Obergerichte abschließend geklärt, insofern hätte man sich eine Klage auf diesem Niveau sparen können.

Anders wäre eine Argumentationskette, die der Kläger auf einer verfassungsrechtlichen Ebene vorgetragen hätte, verlaufen. Was ist das Grundrecht Artikel 28 Abs.1 Satz 2 GG des Wählers wert?

Die Vorsitzende Richterin Silke Camen argumentierte mit den 147 Stimmen die ja das Endergebnis nicht beeinflusst hätte. Nur, heißt das im Umkehrschluss, dem Wähler seine Stimme ist bei vorherig absehbarer Konstellation obsolet? Man darf hier wohl annehmen, dass das Wahlrecht des einzelnen Wähler zu einfach interpretiert wird; denn immerhin ist dieses Recht ein Grundrecht in einer Demokratie die bei solch einer Auslegung die Bürgerrechte beschneidet. Zugespitzt würde das heißen, wir können die Wahlen auch von den Demoskopen abhalten lassen. Diese sind zwar mit eine Fehlerquote von 3% versehen, die aber bei dementsprechender Auslegung keine Relevanz auf das Gesamtergebnis haben. Die Ennepetaler Gruppe um den Kläger sind mit den demokratischen Regeln unserer Demokratie wohl etwas überfordert. Aber waren sie das nicht schon immer?

 

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Arnsberg