Wo Demokratie draufsteht muss nicht Demokratie drin sein

Panel 12. Debatte TTIP  Foto: Linde Arndt

Panel 12. Debatte TTIP Foto: Linde Arndt

[jpg] In Brüssel muss man differenzieren. Und zwar immer. Es geht um die demokratisch legitimierten Kräfte oder Institutionen. Demokratisch in Brüssel legitimiert heißt, es fand europaweit eine demokratische legitimierte Wahl statt. Wichtig ist das dann, wenn man wissen will, für wen Die- oder Derjenige spricht und auch handelt. Für seinen Staat, für Europa, für seine Wirtschaft oder gar für eine übergeordnete Macht.

So ist der Rat der europäischen Union (Rat), also die 28 Regierungschefs, die oberste Instanz in der EU,  nichts geht gegen ihn. Die Regierungschefs der zur Zeit 28 Länder treffen sich regelmäßig und entscheiden über Gesetze, Richtlinien, Verordnungen, die von dem Parlament und der Kommission erarbeitet wurden. Fast die Hälfte aller Arbeiten wandern durch den Rat in den Papierkorb.  Nur ein Land braucht gegen eine Vorlage zu stimmen um die Vorlage zu Fall zu bringen. Das wesentliche am Rat, die Teilnehmer, wenn es sich um einen Regierungschef handelt, werden von ihren nationalen Parlamenten gewählt, nicht von ihrem Volk und schon gar nicht vom europäischen Volk. Der Rat ist also weit davon entfernt demokratisch legitimiert zu sein.

Kommen wir zu der zweiten Institution, der Europäischen Kommission (Kommission). Die Kommission besteht aus ihrem Präsidenten und zur Zeit aus 27 Kommissaren. Das sind 28 Personen, die vom Rat vorgeschlagen werden und vom Parlament „abgesegnet“ werden. Die Kommission wird zwar vom europäischen Parlament gewählt, das Parlament hat jedoch nur indirekt Einfluss auf die qualifizierte Zusammensetzung der Kommission. Auch hier, die Kommission ist weit weg von einer demokratischen Legitimation. Rat und Kommission stellen den immer wieder reklamierten größten Bürokratieaufwand dar. Dieser Bürokratieaufwand ist jedoch alleine von den Regierungschefs des Rates zu vertreten. eu-grafik


Entfernung von der demokratischen Legitimation.

  Und zum letzten gibt es noch eine Besonderheit, „Der Ausschuss der Regionen“ (ADR) oder ​“The Committee of the Regions“ (CoR). Mitglieder sind die Bürgermeister, Landräte oder Mitglieder einer Gebietskörperschaft (Stadtrat oder Regionalverbände). Dieser ADR hat ein Mitwirkungsrecht und wird bei Vorlagen zu Rate gezogen. Er empfiehlt, schlägt vor oder nimmt Stellung, gegenüber den Ausschüssen oder der Kommission zu den Vorhaben der EU. Seine Legitimation ist die Wahl seiner Mitglieder in ihren Gebietskörperschaften. Sie sollen aus der lokalen Sicht die vorgelegten Arbeiten betrachten. Da die 353 Mitglieder in ihren Regionen direkt oder auch indirekt gewählt wurden, haben sie eine hohe demokratische Legitimation. Die Kommission führt zur Zeit Verhandlungen mit den USA über TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership), TISA (Trade in Services Agreement) und das ISDS (Investor-State Dispute Settlement). TTIP ist der freie Handelsbereich, TISA ist der freie Dienstleistungsbereich und ISDS ist der Bereich des Investorenschutzes. Das mit Kanada verhandelte CETA Abkommen (Comprehensive Economic and Trade Agreement)  steht vor der Ratifizierung bis Ende 2014.

Plenar-Sitzung  Foto: Linde Arndt

Plenar-Sitzung Foto: © Linde Arndt

Nun hatte die Kommission zwar das Parlament und die Ausschüsse über TTIP und ISDS informiert, nicht jedoch den ADR/COR. Die Mitwirkung des Ausschusses wurde schlicht vergessen. Das der Ausschuss sich dies nicht gefallen ließ war vorprogrammiert. Denn die vorgenannten Abkommen gelten als „Geheimabkommen“. Selbst in den USA dürfen die beiden Häuser, Kongress und Senat, den Stand dieser Abkommen nur einsehen und dürfen sich keine Aufzeichnungen machen. Für eine Demokratie wie die USA, die als Führungsnation dastehen will, unhaltbar. Und in Brüssel? Auch hier sind die Verhandlungsprotokolle nicht einsehbar. Was bis heute über die Verhandlungsdelegationen herauskam, war für die europäischen Abgeordneten erschreckend. Denn es kann doch nicht sein, so der Tenor, dass Europa seine  Standarts einem nicht beweisbaren Wachstums- und Arbeitsplatzversprechen opfert. Denn das NAFTA (North American Free Trade Agreement) hat in seiner Umsetzung nur eines gezeigt, die Kleinen verlieren und die Großen gewinnen.  Für Mexiko kam zum Beispiel nur ein Sterben kleiner landwirtschaftlicher Betriebe heraus, tausende Arbeitsplätze waren davon betroffen. Es kam heraus, dass die diversen Studien zu diesem Abkommen geschönt wurden. Tatsächlich kam nur ein Wachstum von 0,05 pro Jahr heraus, als sich jemand mal die Mühe machte die Studien zu überprüfen. Unterm Strich kommen in den neuerlichen Berechnungen ein paar tausend Arbeitsplätze heraus. Warum also, wurde der ADR übergangen? Warum sind die Verhandlungen geheim? Der ADR/COR bat aus diesem Grund EU-Handels-Kommissar Karel de Gucht und den amerikanischen Botschafter bei der EU Anthony L. Gardner zur Sitzung, um die drängenden Fragen zu klären. Der neue ADR/COR Präsident Michel Lebrun betonte zu Beginn der Sitzung im Charlemagne-Gebäude, ein Gebäude der Kommission, die Bedeutsamkeit dieses Abkommens für Wachstum und Arbeitsplätze. Kommissar Karel de Gucht zeichnete ein allgemein positives Bild von diesem Abkommen – Handelshemmnisse, wie die Teilnahme an den Ausschreibungen, Abbau von Regulierungen oder aber auch die noch bestehenden Zölle bei Textilien. Hindernisse zwar abbauen aber den bestehenden Schutz der Bürger in der EU nicht beseitigen. In den Sektoren Pharma oder Automobil könnten die Standards angeglichen werden. In Punkto Investitionsschutz, also ISDS (Investor-State Dispute Settlement befindet man sich mit den USA noch in einer Streitpause. Die Pause will man jedoch in den nächsten Monaten beenden und mit weiteren Diskussionen beginnen. Warum dieses Abkommen nicht mit der WTO in der stockenden DOHA Runde umgesetzt wird, kein Wort darüber. Überhaupt waren nur allgemeine Argumente zu vernehmen, die nichts klärten.

Auch von US Botschafter Anthony L. Gardner war nichts Konkretes zu erfahren, außer dass er sich auf die weiteren Verhandlungen mit der neuen Handels-Kommissarin Cecilia Malmström aus der neuen Junker Kommission freue. Diese hatte sich ausdrücklich bei einer Parlamentsanhörung für dieses Abkommen ausgesprochen. Bei TTIP gehe es nicht ausschließlich um Profit, vielmehr will die USA Mitglied des bestehenden EU-Binnenmarktes werden, dadurch würden die USA attraktiver in Europa. Gleichzeitig würden die KMUs gefördert, sprich der Mittelstand.(Und jetzt kommt es) 4,2 Millionen Arbeitsplätze werden geschaffen! (Das sind schon wieder die bekannten Studien, die ja bereits widerlegt sind) Die Botschaft von US Botschafter Anthony L. Gardner – es ist alles gut. Und wir (USA) werden die Öffentlichkeit mit ins Boot holen. Allerdings schränkte er ein: Nicht alle Dokumente können zugänglich gemacht werden. (Warum?) Weil wir darüber noch verhandeln und die Veröffentlichungen zu Unsicherheiten führen würden. (Wer es glaubt.)

Markus Töns (SPD) aus NRW will TTIP nicht zu jedem Preis und stellt die Frage, ob TTIP nur den Konzernen nutzt. ISDS lehnt er ab; denn die EU ist für ihn eine Wertegemeinschaft und keine Wirtschaftsgemeinschaft.
Markku Markkula (EVP/FI) will das Abkommen nochmals überprüfen, da der ADR nicht zu den Gesprächen der Kommission eingeladen war. Was ist bei den öffentlichen Anhörungen heraus gekommen, 150.000 Einwände sind zu ISDS eingegangen? Was passiert wenn ISDS aus dem Abkommen heraus genommen wird?
Karl-Heinz Lambertz (SPE) will nicht den Kopf für etwas hinhalten, ohne zu wissen worum es geht. Solche Abkommen lassen sich nicht so einfach bei der Bevölkerung durchsetzen.
Anthony Gerard Buchanan (EK/EA) reklamiert die mangelnde Transparenz. Wachstum ja, aber nicht um jeden Preis. Eine Privatisierung des Gesundheitssystems lehnt er vollkommen ab. Und so ging es im Tenor weiter.

 

Markus Töns (SPD) ist demnach der Berichterstatter für TTIP. Nachdem die Mitglieder des ADR/COR ihre Positionen vor dem Ausschuss dargelegt hatten, nahmen Kommissar Karel de Gucht und US Botschafter Anthony L. Gardner noch einmal Stellung. Karel de Gucht wollte schon früher das Abkommen offen legen, wurde aber durch den Rat daran gehindert, namentlich nannte er die deutsche Bundeskanzlerin, die die Zustimmung zur Offenlegung des Abkommens verweigerte. Auch sieht er es als unmöglich an, eine Offenlegung anzustreben, wenn die USA alles geheim behandelt, so Karel de Gucht.

US Botschafter Anthony L. Gardner unterstellt den Mitgliedern und den Kritikern eine falsche Wahrnehmung, denn bei den Stakeholder (Teilnehmer) Versammlungen haben wir alle Informationen heraus gegeben. (Besser kann man es nicht machen?) Und im übrigen wird die Schwelle der ISDS sehr hoch sein um ein Schiedsgericht anrufen zu können, so Gardner.

Im Grunde wollten oder konnten beide nichts Konkretes von sich geben, deshalb auch nur die Worthülsen und einige Sprachregelungen, die kaum etwas zur Aufklärung taten. Auf den Fluren waren die Mitglieder des ADR auch etwas enttäuscht, man wird sehen welche Informationen der Berichterstatter bekommt. Aber wie gesagt, der ADR/COR hat nur! ein Mitwirkungsrecht. Mit Demokratie hatte das nichts zu tun.

Jürgen Gerhardt für european-mosaic und EN-Mosaik aus Brüssel.