Wieso macht der das?

       

[jpg] Es war das 4. Schwelmer Stadtgespräch, welches am 10. Oktober im Ratssaal bzw. ehemaligen Kreissaal des Schwelmer Rathauses geführt wurde. Die vorherigen Stadtgespräche fanden alle in den Räumen der Sparkasse Schwelm statt. So war der Ratssaal zu groß und durch die Struktur des Ratssaales kam auch keine Nähe auf, welche für solche Gespräche unabdingbar ist. Bürgermeister Jochen Stobbe saß da wo er immer sitzt wenn er eine Ratssitzung leitet und der Rest der Teilnehmer verteilte sich mit Abstand über die Räumlichkeiten. Im Laufe des Gespräches hatte man jedoch das diffuse Gefühl, als wenn ein Rechtfertigungsdruck über dem Bürgermeister lag.

 

   
Ralf Stoffels
              
Heinrich W. Maas

So kam einer Sitzposition, nämlich die von Ralf Stoffels von der Geschäftsführung der BIW Ennepetal (Unternehmergruppe), eine besondere Bedeutung zu, indem diese Position sich zu einer Art Anklageposition gegenüber dem Bürgermeister aufbaute. In dieser Reihe waren auch noch andere Unternehmerkollegen, wie der Rechtsanwalt und Vorsitzenden des Vereins "Haus & Grund Schwelm", Heinrich W. Maas anzutreffen. So wollte die Gruppe der anwesenden Unternehmer die politischen Gegebenheiten einer Kommune wie Schwelm nicht akzeptieren. Nur gute Argumente zählen im Hinblick z..B. der Rathausproblematik, so Ralf Stoffels. Richtig, wenn die Ratsparteien rationale Verhaltensweisen an den Tag legen würden!  Aber was ist denn wenn mit rationalen Argumenten den politischen Fraktionen diese Investition nicht zu vermitteln ist? Was ist denn wenn nur das richtige Parteibuch eine Entscheidung herbei führen kann? Wenn z..B. durch eine  falsche Entscheidung durch eine Mehrheit des Rates, der Bürgermeister vor dem Wähler diskreditiert werden soll, um eine bessere Position im Hinblick auf die Ablösung desselben für 2015 zu bekommen? Um in politischen Systemen eine Machtposition zu erlangen sind alle Mittel Recht und das gilt offensichtlich auch für Schwelm. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, die konservativ/liberale Ratsfraktion hat es noch immer nicht überwunden, dass es einen SPD Bürgermeister gibt. Die Demokratie ist schon ein schwieriges System, alles ist immer in Bewegung nichts ist von Dauer. Aber gibt es ein besseres System?

 

Ralf Stoffels erwähnte die Unternehmergespräche in Ennepetal, nur diese sind bisher nur als „Ball der Eitelkeiten“ am Buffet in Ennepetal durch Teilnehmer eingeordnet worden. Aus diesen Treffen sind bisher noch nicht einmal politische Positionen von einer Seite thematisiert worden. Einzig die bekannten steuertheoretischen Positionen der Herren Bilstein von der SIHK und Wilhelm Wiggenhagen von der Stadtverwaltung könnte man als Beitrag werten. Nur, mit der derzeitigen Gewerbesteuererhöhung der Stadt Ennepetal für 2013 um 39 Punkte hatte dieser Beitrag eine relative geringe Halbwertzeit.

Weiter sind die beiden Städte Schwelm und Ennepetal nur bedingt vergleichbar. Ennepetal ist eine fast reine Arbeits- und Wohnstadt ohne nennenswerte Einzelhandelsstrukturen oder kulturelle Aktivitäten und einem Image welches sicher nicht einladend wirkt, mit einer Wirtschaft die ganz andere Strukturen hat.

Die Kennzahlen Kauf- oder Steuerkraft Ennepetals sind ungleich größer als die in Schwelm, die auch letztendlich zu den Umlagen in Ennepetal führen und führten aber Ennepetal bei den Schlüsselzuweisungen leer ausgehen lässt.

Es ist reines Wunschdenken, wenn man Ennepetal einen Dialog zwischen Verwaltung und Unternehmertum unterstellt.

 

 

 Zur Investition Schwelmer Rathaus wurde nunmehr doch ein kostenpflichtiges Gutachten beauftragt, welches den tatsächlichen Raumbedarf feststellen soll. Dieses Gutachten wird in 15 Tagen auf dem Tisch liegen und in einer Klausurtagung am 25. Oktober 2012 diskutiert. Die Öffentlichkeit wird erst einmal außen vor bleiben um den schauspielerischen Leistungen einzelner Ratsmitglieder den Nährboden zu entziehen. So ist das eben in der sich abzeichenden Postdemokratie.

Allerdings muss man heute schon sagen, dieses Gutachten ist zuerst einmal für die Katz, wenn kein schlüssiges Nutzungskonzept vorliegt. Hier kneifen die Ratsmitglieder. Nur keine Visionen entwickeln. Also erst mal ein kostenpflichtiges Gutachten ( Es würde keinen verwundern wenn der Gutachter FDP Parteimitglied ist.) erstellen und dann sehen wir weiter. Hier hat Ralf Stoffels allerdings recht, diese „Gutachteritis“ ersetzt nicht den klaren Menschenverstand aber auch nicht die in Summe gemachte Lebenserfahrung. Der geballte Sachverstand der Stadtverwaltung wird bei solchen Handlungsweisen nicht abgerufen. Was für eine Verschwendung. Da nützt auch nicht der Einwand, die Ratsmitglieder wären doch nur ehrenamtlich im Rat der Stadt. Heißt das, die Ratsmitglieder wollten keine Verantwortung übernehmen und sind gezwungen worden ein Ratsmandat anzunehmen? Nein, es ist ja gewollt, wenn die Ratsmitglieder aufgrund ihrer Erfahrungen entscheiden. Dabei ist es unerheblich ob sie Bäcker, Metzger oder gar schlimmstenfalls Juristen sind. Auch ein Metzger oder Bäcker wird sich zuerst einmal fragen ob er zum Beispiel bei der Finanzierung eines Gebäudes nicht andere mit ins Boot holen sollte, was dann jedoch zu einem größeren Raumbedarf führt. Bäcker, Metzger und Gemüsehändler in einem gemeinsamen Haus, macht doch Sinn! Und solche Konstellationen senken den Finanzierungsbedarf des Einzelnen. Ein Rathaus mit weiteren Funktionen auch außerhalb des Verwaltungsbereiches bringt sicher eine Entlastung bei der Finanzierung.

 

       
Bürgermeister Jochen Stobbe beim 4. Stadtgespräch
 

Was war also noch besprochen worden?

Bürgermeister Jochen Stobbe zog eine durchaus positive Bilanz seiner fast zur Hälfte vergangenen Amtszeit, wobei er durch die Finanzkrise so manch eine Klippe umschiffen musste. Schwelm steht im Gegensatz zu dem vermeintlich reicheren Ennepetal  weitaus besser da.

Nachfolgend in Stichworten die angesprochenen Themen:

 

  • Bedingt durch den Stärkungspakt 2 ist es Schwelm gelungen nach 19 Jahre wieder einen genehmigten Haushalt zu bekommen.

  • Durch die z..Zt. erhöhten Steuereinnahmen müssen 6,3 Mio. Euro weniger an Schlüsselzuweisungen verkraftet werden. 2016 hätten wir einen Überschuss von 454 Tsd. Euro gehabt, der nun durch die fehlende Schlüsselzuweisung später kommen muss.

  • 78 Personen an Personal hat das Rathaus abgebaut, es zeichnet sich hier ein klares Ende ab. Weiterer Abbau kann nur nach Umschulungs- und Schulungsmaßnahmen erfolgen aber auch durch Einschränkungen von Leistungen.

  • Die Parteien sind aufgerufen, weitere Sparvorschläge einzureichen um einen ausgeglichenen Haushalt 2013 zu erreichen.

  • Wenn –  wie von den konservativ/liberalen Ratsmitglieder signalisiert –  nichts im Bereich des Rathauses passiert, müssen wir mit den erhöhten Kosten der Sicherheitsherstellung des Gebäudes leben. Die derzeitigen Maßnahmen, wie Dachabdeckungen mittels Plane können nicht der Weisheit letzter Schluss sein. Die nächste Ratssitzung muss wegen der Sicherheit deshalb in der Gustav-Heinemann-Schule abgehalten werden.

  • Der Kreisverkehr Ochsenkamp/Hauptstraße kann nun als erstes zu einem Stadttor umgebaut werden; denn 90% der veranschlagten Finanzierungssumme in Höhe von 55.000,– Euro wurden durch Spenden eingeworben.

  • Die Sparkasse Schwelm wird nach Umbau zu einem neuen Mittelpunkt der Stadt Schwelm werden.

  • Das Brauereigelände ist auf einem Weg mit der Sparkasse eine neue Mitte darzustellen.

  • Der Bundesbahnhof steht nunmehr auf „Standby“, wobei der Investor aus Wetter sein Vorkaufsrecht wegen Vertragsschwierigkeiten mit der Deutschen Bahn  nicht ausüben möchte. Anders sieht es bei dem geplanten Zentralen-Busbahnhof aus. Hier ist die Finanzierung gesichert. Ob dieser Bahnhof nun kommt hängt von einer Neuplanung ab. Bekanntlich war der Zentrale Busbahnhof abhängig von den Baumaßnahmen am DB Bahnhof.

  • Der von der CDU/FDP/BfS herbei geführte Beschluss die Bismarck- und Gartenstraße als Einbahnstraße umzukehren ist nunmehr umgesetzt worden. Hier kursieren Unterschriftenlisten der Schwelmer die dies alles rückgängig gemacht sehen wollen.  Es rächt sich das  der zweite Schritt vor dem ersten Schritt (Erstellung eines Verkehrskonzeptes) gemacht wurde.

     

  • Die nächste Ratssitzung werden wir in der Aula durchführen, weil sich Behinderte angesagt haben die wir in das Rathaus nicht hinein  bekommen!

     

so die Ausführungen von Bürgermeister Jochen Stobbe.

 

Auf die gemachten  Einwände, die Stadt befindet sich im Widerspruch indem  auf der einen Seite keine Gelder da sind und auf der anderen Seite Gutachten in sechsstelliger Höhe in Auftrag gegeben werden, antwortete einer der Teilnehmer: Der Widerspruch löst sich auf wenn man bedenkt, dass die Ratsmitglieder sich fach-/sachlich beraten lassen wollen. Das damit die Kompetenz der eigenen Verwaltung in Frage gestellt wird, sieht man dabei wohl nicht. Und wie zuvor schon erwähnt, dies in solcher Form nie vorgesehen war.

Zurück zum Haushalt 2013 dessen Enden nicht mehr zusammen passen.

Wenn im Moment nicht wesentliches passiert müssten wir einen Gewerbesteuerhebesatz im 4stelligen Bereich einführen um letztlich aus der Haushaltssicherung herauszukommen. Dies wird zwar nicht passieren, soll aber verdeutlichen  dass die Sparanstrengungen noch wesentlich zu steigern sind, so Bürgermeister Jochen Stobbe auf eine Einlassung der Teilnehmer.

Und damit kommen wir zum Schwelmer Freibad, der Rat der Stadt hat trotz des Haushaltssicherungskonzeptes und gegen alle Sparbemühungen dem Förderverein 50.000,– Euro bewilligt, obwohl laut Beschluss 2010, 2013 nur ein Betrag von 40.000,– Euro eingestellt werden sollte. Der Förderverein möchte nunmehr für 2013 einen weiteren Betrag von rund 30.000,– Euro um das gekaufte Blockheizkraftwerk einbauen zu können.

Es kann allerdings nicht sein, wenn Ernst-Walter Siepmann von der BfS für die freiwillige Leistung der Stadt „Schwelme Bad“ Gelder in den Haushalt eingestellt sehen will und auf der anderen Seite lauthals und gebetsmühlenartig der Verwaltung das Sparen verordnet. Das sollte mal anders laufen; denn privatrechtlich geführte Betriebe sollten doch wirtschaftlich besser laufen, so der damalige Tenor.

Kommen wir zu der Rechtsfertigungsposition die Bürgermeister Jochen Stobbe zeitweise in diesem Gespräch eingenommen hatte. Zu Unrecht wie wir meinen. Anfangs seiner Amtszeit hat Jochen Stobbe was wesentliches gesagt: Andere machen die Gesetze, die Auswirkungen dieser Gesetze hat ein kommunaler Bürgermeister dann auszuhalten. Die Bürger der Kommune machen ihren Bürgermeister für dies alles verantwortlich. Es ist halt eine alte Binsenweisheit in unserem föderalen System Bundesrepublik Deutschland. Nur warum sollte ein Bürgermeister sich für Düsseldorf, Berlin oder Brüssel rechtfertigen? Wenn Bayern wegen des föderalen Finanzausgleichs vor Gericht zieht nachdem sie jahrelang gemeckert haben, so ist das eine Maßnahme die über das übliche Rechtfertigungsgespräch hinaus geht. Auch eine Kommune hat Einfluss auf die höheren Ebenen, sei es über den Städte- und Gemeindetag, sei es über eine Solidarisierungsaktion oder aber über die Parteien die ja immer mal wieder Parteitage abhalten um zukünftige Politik zu definieren.

Unsere Redaktion hat sich immer wieder gewundert wenn auf solchen Großveranstaltungen die Entscheidungsträger der Kommunen kaum Tacheles mit den Landes- oder Bundesfürsten reden. Man tut sich nichts. Warum? Wir haben ein freiheitliches System, welches uns noch nie in der Geschichte so viel Freiheit zugestanden hat, nur man sollte die Freiheit auch nutzen.

Und deshalb sollte ein Bürgermeister Jochen Stobbe sich nicht in eine Rechtfertigungs- oder auch gar in eine Verteidigungsecke drängen lassen, wenn er auf seine Heimatstadt stolz sein will und ihr dient.

Er hat zum Schluss wohl recht gehabt, indem er sagte: Wenn ich mich für Schwelm durch die politische Konstellation ( Die SPD/Grünen haben im Rat nicht die Mehrheit) auch nicht in Gänze einsetzen kann wie ich möchte, so darf ich doch auf das was Schwelm darstellt stolz sein. Das ist doch eine große und souveräne Position.

Zum Schluss sei noch erwähnt, außer dem SPD Fraktionsvorsitzenden Gerd Philipp sah man kein Ratsmitglied der konservativ/liberalen Fraktionen. Es scheint nicht zum guten Ton der konservativ/liberalen Ratsmitglieder zu gehören über die Probleme der Stadt reden zu wollen. Eher scheinen sie die Hinterzimmergespräche einer Postdemokratie zu bevorzugen.

 

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Schwelm

[Fotos: © Linde Arndt]