Denn sie wissen was sie tun

Terroranschläge Paris (c) La préfecture de police, Paris

Terroranschläge Paris (c) La préfecture de police, Paris

[jpg] Es ist zum Verzweifeln. Da finden in Frankreich und Deutschland bestialische Morde statt und uns fällt nur als Reaktion das ein, was unser terroristischer Gegner sich wünscht – die Ausrufung des Religionskrieges. Mal von den berechtigten Ängsten und dem breiten Sicherheitsdenken der meisten Menschen abgesehen, finden seit Monaten nur Simplifizierungen des Geschehens statt. Politik und Medien verkünden unisono einen Religionskrieg, den es gar nicht geben kann. So möchte der Daesch (IS) den Westen in einem Religionskrieg vereinen um alle Muslime in einen heiligen Krieg (Djihad) zu führen. Und der französische Staatspräsident Hollande und sein Premier Valls, verkünden nach jedem Anschlag einen bestehenden Krieg. Denn Krieg ist immer etwas, wo am Ende ein Sieger und ein Verlierer stehen muss aber Kriege werden zwischen Staaten geführt. Und die Ausrufung eines Kalifats durch Abu Bakr al-Baghdadi im Irak, heißt doch nicht, die Ausrufung eines Staates. Die großen Wüstenflächen und die unzusammenhängenden Städte machen noch kein Stadtgebilde aus. Der Daesch (IS) wird nun mit einer Koalition unter Leitung der USA, die im Mittelmeer Flugzeugträger aufgefahren hat, mit mäßigem Erfolg bekämpft. Was für eine Ehre für einen zusammen gewürfeltem Haufen von jungen Männern aus unterschiedlichen Nationen. Besser kann es doch nicht laufen für den Daesch (IS).

Nur, was machen wenn unsere europäische mit der arabischen Jugend in diesen „Krieg“ zieht? Bis jetzt steht eines fest, alle Verbrechen wurden von dieser Jugend verübt. Ob nun die Morde an der Redaktion von Charlie Hebdo oder in Nizza auf der „Promenade des Anglais“ über die Morde in München, Würzburg, Reutlingen oder Ansbach, bis zu dem Mord an dem 85 jährigen Priester Jaques Hamel, die Mörder waren alle Staatsbürger in dem Land in dem die Anschläge verübt wurden. Und im Irak und Syrien kämpft die Jugend Europas einen barbarischen Krieg, der an die Massaker im Mittelalter erinnert. Und was noch auffiel, die Mörder waren jung, sehr jung.

Die Mörder: Adel Kermiche war 19 Jahre, sein Freund Abdel-Malik Nabil Petitjean war ebenfalls 19 Jahre alt, sie hatten dem 85 jährigen Priester Jaques Hamel aus Saint-Étienne-du-Rouvray während einer Messe die Kehle durchgeschnitten.

Der sofortige öffentliche Reflex der deutschen Medien: es waren Anhänger des Islam oder Islamisten, Salafisten und sind vom Daesch (IS) ausgebildet worden.

In Frankreich existiert seit den Novemberanschlägen mit 130 Toten der Ausnahmezustand, der immer wieder verlängert wurde. Patrouillierende Soldaten und Polizisten gehören in Frankreich zum alltäglichen Straßenbild, die Franzosen finden jetzt, dieser Spuck müsse endlich aufhören. Der Ausnahmezustand sollte nicht zur Normalität in Frankreich werden, zumal er offensichtlich keine weiteren Anschläge verhindern kann, wie Nizza und Saint-Étienne-du-Rouvray gezeigt haben. So langsam setzt sich die Erkenntnis durch, dass solche Anschläge zum allgemeinen Lebensrisiko gehören. In Deutschland diskutiert man die Bundeswehr neben der Polizei auf den Straßen einzusetzen. Im Osten des Landes sollen Bürger als Hilfspolizisten gegen den rechten Terror eingesetzt werden. Was für Signale der Angst und Hysterie werden ausgesendet? Der Daesch (IS) hat ein zitterndes Deutschland vor sich. Die Rechnung des Daesch (IS) geht anscheinend auf.

 

Den Terror gab es in der Vergangenheit immer wieder einmalig

Die 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts brachten die RAF in Deutschland oder die italienische Brigate Rosse hervor, sie mordeten aus dem Untergrund heraus. Oder in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts mordeten die konservativen Freicorps, die Nazis und sonstige Feinde der Demokratie. Alle hatten eines gemeinsam, die politische Motivation musste für ihr Tun herhalten.

Unsere Vorfahren gewöhnten sich an den Terror, der ja auch irgendwann aufhörte. Wir sollten also nicht so tun, als wenn der Terror etwas ganz neues wäre.

 

Warum Frankreich und Deutschland den Anschlägen besonders ausgesetzt sind?

 

Wuppertaler banlieue II Foto: Archiv EN-Mosaik

Wuppertaler banlieue II Foto: Archiv EN-Mosaik

Frankreich ist in den Augen von Daesch (IS) ein Land in welchem die gesellschaftlichen Freiheiten dieser Steinzeitislamisten besonders ins Auge stechen. Die Trennung von Staat und Religion, die Gleichberechtigung aller Bürger, die Rolle der Frau in der Gesellschaft, die überwiegend gelungene Integration der Moslems oder der große Zuspruch der Moslems zu ihrem Staat Frankreich. Selbst in Deutschland, wo es wahrlich keine großen Integrationsleistungen zu beobachten gibt, stehen die Moslems hinter dem deutschen Grundgesetz. Und die französischen Moslems gelten dem Daesch (IS) inzwischen als Ungläubige (kuffar) weil sie mit dem französischen Staat zurecht kommen. Die Strategie des Daesch (IS), die französische Gesellschaft zu spalten, ging nicht auf.

So äußerte sich Dalil Bu-Bakr, Rektor der Grande Mosquée de Paris entsetzt über den Anschlag in einer heiligen Stätte – einem französischem Gotteshaus. Der Islam solidarisierte sich mit den anderen Religionen, wie auch dem Staat und stellte sich hinter Frankreich. Hollande hatte Vertreter der Religionsgemeinschaften in den Elysée-Palast geladen. Er traf mit den führenden Vertretern von Katholiken, Orthodoxen, Protestanten, Muslimen, Juden und Buddhisten zu Gesprächen zusammen. Die Konsequenz: Der Erzbischof von Rouen, Dominique Lebrun, begrüßte die Präsenz von muslimischen und jüdischen Gläubigen nebst hohen geistliche Würdenträgern aller Religionen bei der Trauerfeier. Was für eine Demonstration von Solidarität aller Franzosen, die damit zusammen gerückt sind.

Wesentlich waren bei diesen Anschlägen junge Menschen und Inländer als Attentäter zu registrieren, die nicht in Syrien ausgebildet wurden. „Schlagt dort zu, wo ihr seid. Und kommt nicht nach Syrien“, so wurden die Botschaften des Daesch (IS) abgefangen. Der Daesch (IS) ist in den letzten Wochen unter militärischen Druck geraten und auf dem Rückzug. Die neue Strategie des Daesch (IS) ist brillant und teuflisch zugleich. Kirchen oder öffentliche Veranstaltungen werden von dem Daesch (IS) als mögliche Ziele über Peer to Peer Netzwerke im Internet definiert, welche von den jugendlichen Sympathisanten ausgesucht werden.

Deutschland gerät wegen der aufgenommenen Kriegsflüchtlinge in das Visier des Daesch (IS); denn dies bedeutet ein positives Image für das christliche Deutschland. Darüberhinaus kann man ein fast gleiches Wertesysstem wie in Frankreich beobachten.

Die Strategie: Deutschland soll provoziert werden gegen die Muslime vorzugehen. Deutschland mit seinen Millionen von Muslimen hat bis jetzt noch keinen ernstzunehmenden Dialog wie in Frankreich angestoßen. Was in Deutschland fehlt ist eine zentrale Initiative der Muslime die von allen Glaubensrichtungen akzeptiert wird. Aber auch hier ist die Lebensart der Deutschen und der Muslime in einem deutschen Staat äußerst suspekt und kann nicht vom Daesch (IS) hingenommen werden. Deutschland ist aber im Gegensatz zu Frankreich angreifbarer; denn die politischen Parteien sind zu sehr mit den Flüchtlingen beschäftigt. Die Deutschen lassen sich besser durch den Daesch (IS) provozieren. Anstatt zusammen zu stehen macht man sich gegenseitig Vorwürfe um einen politischen Vorteil herauszuschlagen. Eine Vielzahl von Vorschlägen sind auf dem Markt, die allesamt geeignet sind die politische Führung zu schwächen. Es scheint als wenn alle deutschen Politiker dem Daesch (IS) und der rechtspopulistischen Partei AfD in die Hände arbeiten.

 

Wer ist der Daesch (IS), Gläubige des Islam?

Alle obersten Lehrer des Islam, in der Regel sind dies Großmuftis, haben dem Daesch (IS) abgesprochen, im Namen des Islam zu sprechen. Gleichzeitig haben sie sich gegen die Gewaltausübung des Daesch (IS) gewandt und diese als Sünde und Verbrechen gebrandmarkt. Die Koranexegese des Daesch (IS) wurde als falsch, spekulativ und unvollständig bezeichnet. Auch die Ausrufung des Kalifat durch Abu Bakr al-Baghdadi wurde zurück gewiesen. Höhepunkt dieser Zurechtweisung war der offene Brief von 120 führenden Islamgelehrten, darunter die Großmuftis von Jerusalem und Kairo die Abu Bakr al-Baghdadi und der Organisation Daesch (IS) die Kompetenz absprachen im Namen des Islam zu handeln oder zu sprechen.

Insofern entsprechen diese Äußerungen der obersten Gelehrten als Rauswurf aus der Religionsgemeinschaft des Islam, ähnlich der Exkommunikation in der christlichen Kirche.

Mit diesen Aufrufen der obersten Gelehrten konnten die Daesch (IS) Leute sich nicht mehr auf den Islam berufen.

Trotz allem hat der Daesch (IS) besonders aus Europa regen Zulauf und zwar von jungen Menschen, sehr zum Entsetzen der europäischen Eliten.

Allerdings muss man dem Daesch (IS) eine geniale Propaganda zugestehen, die sie von Anfang an über die Internetmedien verbreiteten. Dies führte zu dem regen Zulauf von jungen Menschen die in Europa keine Perspektiven sahen und sehen. Junge Menschen ohne Halt, denen der Daesch (IS) einen vermeintlichen Halt bietet. Letztendlich muss man die todesbejahende und damit lebensverneinende Philosophie des Daesch (IS) hervorheben. Der Hass auf jedes menschliche Leben in allen seinen Facetten hält den Daesch (IS) zusammen. Und die Anhänger dieser Gruppe fasziniert das grausame „Spiel“ mit dem Tod, ja, sie zelebrieren und inszenieren den Tod vieler Menschen. All dies hat mit dem Islam als Religion nichts zu tun. Der Islam wird nur als Etikett durch die Daesch (IS) Bande benutzt.

 

Die Mainstreammedien als Helfer der Terrorgruppe Daesch (IS)

Mainstream erfordert Auflage oder Quote um in der Wirtschaft überleben zu können. Wirklich? Auch der indirekt staatlich gelenkte Bereich von ARD und ZDF benötigt Quote um mit seinen Werbeeinnahmen signifikante Erlöse zu generieren. Wirklich?

Wenn also über einen Anschlag zu berichten sein wird, so ist die grausame Ausmalung dieses Anschlags eine Sache von Quoten oder Auflage. Bewusst wird dann über einen Religionskrieg, manchmal sogar über einen Kreuzzug spekuliert und insistiert, um die Spannung ins Unerträgliche zu erhöhen, um Ängste zu schüren, die letztendlich den Konsumenten an den Sender oder den Verlag binden sollen.

Das der Daesch (IS) genau diese Zielvorstellung von Anfang an kommunizierte und die Medien diesem Anspruch des Daesch (IS) „treu“ gerecht werden, wird dabei anscheinend übersehen oder als Paradoxon der Medien hingestellt (Seht her, wir können nicht anders). In so fern machen sich die Medien zum Erfüllungsgehilfen dieser Mörderbande Daesch (IS).

Dabei hat der Westen mehr zu bieten als die menschenverachtende Einstellung dieser Terrorbande, nämlich, die Freiheit der Entscheidung für das Leben. Und das beinhaltet auch die freie Entscheidung über Inhalte eines Artikels.

Es ist nicht die „heile Welt“ die uns die Mainstreammedien im Westen immer wieder vorgauckeln, vielmehr ist es die gelebte Welt mit allen ihren Herausforderungen die jeder einzelne Tag für Tag zu bestehen hat, die dieses Leben aber auch lebenswert macht. Und dieser „heilen Welt“, mit all ihrer Verlogenheit, wird diese Mörderbandenwelt mit all ihren Facetten gegenübergestellt um den Leser zu verleiten: Sei zufrieden mit unserer Welt, keine Kritik bitte; denn willst Du die Daesch (IS) Welt? Das ist das Paradoxon. Während der Mainstream Systemkritik ersticken wil,l indem er den Daesch (IS) als Gegenpol aufbaut, baut er den Daesch (IS) als Faszinosum für eine Jugend auf, die unter dem System leidet. Segregation oder Parallelgesellschaft ist das Stichwort nach der unsere Jugend in die Perspektivlosigkeit getrieben wird und das seit Jahren.

Was den einzelnen dieser Tage umtreibt ist die Frage: „Müssen wir mit dem Terror in Zukunft leben oder was können wir dagegen tun?“ Und von dieser Fragestellung sind Politik und Maimstreammedien weit entfernt, da sie noch beschäftigt sind, dass Grauen dieses Terrors zu verwerten ohne es jedoch zu verarbeiten.

 

Wie konnte der Daesch (IS) unsere Jugend so leicht vereinnahmen?

Wuppertaler banlieue I Foto: Archiv EN-Mosaik

Wuppertaler banlieue I Foto: Archiv EN-Mosaik

Jeder von uns kennt die Geschichte vom Rattenfänger von Hameln, der mit einer Melodie die Kinder und Jugendlichen der Stadt Hameln entführte.

Schaut man sich unsere westliche Gesellschaft näher an, so sieht man, die Jugend hat keinen Platz in der Gesellschaft. Sie geht fleißig in die Schule, macht ihre Abschlüsse und landet später hinter dem Steuer eines Taxis, bestenfalls finden die Jugendlichen sich mit Bachelorabschluss in einer Backstube als Bäcker wieder. Die alten werden ihnen sagen: Man muss sich auch anpassen können. In einer Zeit der Minijobs, der Aufstocker oder des Zweitjobs um die Miete  bezahlen zu können, hat ein Jugendlicher keine Lebensperspektive. Mit dem Geld, was die Jugendlichen verdienen, sind keine großen Sprünge möglich. Die Bewerbungen gehen in die hunderte und werden in der Regel nicht einmal beantwortet. So drehen die Jugendlichen eine Runde nach der anderen bis sie frustriert aufgeben und sich mit dem schon von ihnen besetzten Job abfinden. Segregation oder Parallelgesellschaften tun sich in den sozialen Brennpunkten der Vorstädte auf. Ein Nährboden für die Botschaften des Daesch (IS) die von unseren Medien noch transportiert werden. Ein Dialog zwischen der Gesamtgesellschaft und der Jugend findet nicht statt, „Laissez-faire“ ist die Maxime, die Politik und Gesellschaft gegenüber der Jugend vorgibt. Die paar Sozialarbeiter in den Vorstädten sind überfordert und teilweise ausgebrannt um einen Dialog mit der Jugend zu führen. Dabei müsste dieser Dialog dringendst mit der Jugend geführt werden. Nur wie soll der Dialog aussehen und wer soll ihn führen? In Frankreich hat sich schon mal die Einsicht über solch einen Dialog durchgesetzt, in Deutschland weiß man allerdings nicht ob es eine Jugend außerhalb der „heilen Welt“ überhaupt gibt.

 

Fazit

Objektiv sollen wir Journalisten sein, so die Kollegen der etablierten Medien. Nur was ist das für eine Objektivität, die keine Emotionalität zulassen soll bei solchen grausamen Ereignissen. Wobei grausam ist da noch untertrieben, wenn der Westen so tut, als wenn er nichts mit dieser Entwicklung in Syrien oder im Irak zu tun hat. Nein, der Daesch (IS) ist ein ungewolltes Nebenprodukt der westlichen Politik im Orient. Und es ist keine Änderung dieser Politik in Sicht.

Solange die militärischen Aktivitäten des Westens auf den Orient beschränkt blieben war das in Ordnung. Nur, der Daesch (IS) hat diese Aktivitäten nach Europa getragen und denkt darüber nach,  diese – seine Art der Gewalt – auszuweiten. Die Türkei trägt im Moment ihre politischen Probleme nach Europa.

Es macht die Europäer wütend, Entsetzen breitet sich aus. Wie können diese Völker die Geopolitik des Westen nicht akzeptieren und dann auch noch eine eigene Politik machen?

Nur, aus Europa eine Festung zu machen, löst diese Probleme nicht. Dieses Problem wurde von den USA herbei geführt und wir Europäer sollten uns hüten blind hinter den USA herzumarschieren, wie wir es bisher getan haben. Europa kann mehr als diese USA Cowboys, die nur rumballern können.

Eine eigenständige Politik der Europäer ist gefragt, die auf einen Ausgleich aus ist. Und sofern die USA nicht will, sollten sich die Europäer zurück ziehen, ehe sie ihre Glaubwürdigkeit verlieren.

 

 

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik und europaen-mosaic


 

Aus einem Guss sieht anders aus

Flüchtlinge Foto: (c) UNHCR

Flüchtlinge Foto: (c) UNHCR

 

[jpg] Eigentlich ist es doch ganz einfach. Man denkt sich die Flüchtlinge als Gäste, plant was man so mit seinen Gästen alles machen sollte, man will ja ein guter Gastgeber sein, und rechnet dann aus welches finanziellen Mittel man von seinem Konto abheben sollte.

Nun kamen die Gäste spontan. Nicht so schlimm, improvisieren wir halt. Da die Gäste uns mitteilen, dass sie in Not sind, setzt nach der Improvisation eine normale Planung ein.

So auch bei den Flüchtlingen die nach Deutschland kamen – spontan versteht sich. Die Improvisationsphase war sehr chaotisch, nur irgendwann sollte man meinen, da muss die Improvisationsphase in einen normalen Modus übergehen. Die Verantwortlichkeiten sollten festgelegt werden und die Flüchtlinge vor den Rathäusern der Kommunen abgeladen werden.

Seht zu wie ihr klar kommt.

Dafür war jetzt der Gipfel der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten mit der Bundesregierung unter Kanzlerin Merkel am 24. September anberaumt worden.

Herausgekommen ist ein 10 seitiges Papier mit Handlungsanweisungen für Bund und Länder, Kommunen sind dabei außen vor.

  1. Eine Gesundheitskarte auf Länderebene, kann kommen
  2. Finanzhilfe für die Länder 2016 auf gut vier Milliarden Euro
  3. In 2015 Jahr sollen es zwei Milliarden Euro Finanzhilfe werden
  4. 500 Millionen Euro am sozialen Wohnungsbau durch den Bund
  5. 350 Millionen Euro für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge durch den Bund
  6. Albanien, Montenegro und der Kosovo werden zu „sicheren Herkunftsstaaten“ erklärt
  7. 3000 neue Mitarbeitern für das BAMSF sollen für schnellere Asylverfahren sorgen
  8. Ein Kopfgeld von monatl. 670,–Euro pro Flüchtling für die Länder pauschal vom Bund
  9. Eine Beschränkung von Geldleistungen und Ausgabe von Gutscheinen
  10. Bis zu sechs Monaten sollen die Flüchtlinge in den Erstaufnahmelagern ausharren müssen

Die Umsetzung der Punkte soll bis Ende Oktober 2015 erfolgt sein.

Eine Überprüfung der eingeleiteten Maßnahmen erfolgt zum 30. Juni 2016.

 

Kurz, Menschen werden wie Hütchen hin und her geschoben, Konzepte wie oder was mit den Menschen geschehen soll, kein Wort. Scheckbuch raus und gut ist. Kein Wort über Spracherlernung, kein Wort über einen Dialog der Kulturen, kein Wort über die Menschen, die sich aufopfernd ehrenamtlich einsetzen und die durch ihr Verhalten für ein positives Image unseres Landes sorgten. Kein Wort über die Ursachenbekämpfung oder kein Wort über die Kommunen, die über Kassenkredite alles vorfinanzieren müssen. Stattdessen ein Armutszeugnis gegenüber den Flüchtlingen die nur wie auf einem Spielbrett verteilt werden. Traumatische minderjährige Flüchtlinge aber auch erwachsene Flüchtlinge werden erst gar nicht angesprochen, sie gehen in der Menge unter und werden verteilt ohne Sinn und Verstand. Das viele Unterkünfte oder Lager aus vielerlei Gründen nicht menschenwürdig sind, kein Wort davon.

Die Gelder bekommen die Länder, die für ihre Erstaufnahme sich erst einmal bedienen und dann den Kommunen nach eigenem Gusto von diesen Mitteln was abgeben.

 

Die Frage stellt sich, was für ein eingeschränktes Menschenbild bei dieser Besprechung vorherrschte. Es sind soziale Wesen die zu uns mit großem Vertrauen gekommen sind. Die Erwartung, hier sind die Menschenrechte belastbar, hier könnten sie sich von der Last und Pein die sie in ihren Ländern erlebten erholen, scheint in der Besprechung keine Rolle gespielt zu haben.

 

Es kann kein Paket aus einem Guss gewesen sein, wie soll man denn die 31% der Flüchtlingszuteilung für NRW erklären? NRW sollte nach dem „Königsteiner Schlüssel“ doch nur 21% der Flüchtlinge zu gewiesen bekommen. Es ist ein dürftiges Ergebnis auf Kosten der Kommunen und der ehrenamtlichen Helfer.

„Bis  zu sechs Monaten sollen  die Flüchtlinge in  den Erstaufnahmelagern ausharren müssen“.

 

Hat sich jemand mal überlegt, was es bedeutet 6 Monate in einer Turnhalle auf einem Feldbett mit 2 Kindern zu leben oder als erwachsener Mann in dieser Turnhalle sein Dasein zu fristen? Jeder psychosoziale Dienst würde davor warnen; denn Angst, Wut, Verzweiflung, Überaktivität sowie depressive oder aggressive Zustände wären vorprogrammiert.

 

„Eine  Gesundheitskarte auf Länderebene, kann  kommen“

 

Wenn man einmal den Gesundheitscheck bei der Erstaufnahme beobachtet hat, sieht man keine Blutbilduntersuchung. Warum? Aus Kostengründen, und nur aus Kostengründen wird darauf verzichtet. Wie menschenverachtend.

 

Und die Ursachen, die Flüchtlingswanderung?

 

„Die Bundesregierung wird daher ihr Engagement für die Krisenbewältigung und -prävention und die Fluchtursachenbekämpfung ausbauen, die entsprechenden Mittel aufstocken. und auf die wichtigsten Herkunftsländer konzentrieren. Darüber hinaus wird der Bund prüfen, ob – wie in Niger – weitere Anlaufstellen und Einrichtungen in Nordafrika eingerichtet werden können.“

 

Die Türkei soll für die 4 Millionen Flüchtlinge 1 Milliarde Euro bekommen. Damit soll verhindert werden, dass die Flüchtlinge die türkischen Lager verlassen.

Der Krieg in Syrien? Deutschland, wie viele Länder auch, hat sich auch hier mit Waffen engagiert und das hört noch nicht auf, der Krieg wird weiter angeheizt.

Aber wir haben ja noch unsere Grenzschutzorganisation Frontex, die uns die Flüchtlinge vom Leib halten soll. 950 Bundeswehrsoldaten sollen uns zusätzlich mit Waffengewalt die Flüchtlinge fernhalten. „Hotspots“ sollen in Italien und Griechenland, vielleicht noch wo anders eingerichtet werden.

 

Was ist mit der Integration? Sprache und kultureller Austausch sind die Schlüssel für einen guten Weg in eine erfolgreiche Integration. Nur, wie soll dieser Weg beschritten werden, wenn die Flüchtlinge nur mit dem absolut notwendigsten ausgestattet werden. In Lagern unter menschenunwürdigen Bedingungen leben ohne Perspektiven für eine persönliche Zukunft. Die Euphorie der ehrenamtlichen Helfer hält noch an, was aber wenn die Zustände sich nicht verändern? Wenn die Helfer Energie einsetzen und keine Besserung der Lebenssituation in Sicht ist? Was haben der Staat und die Parteien vor, wird man  sich dann ganz von den Menschenrechten unter fadenscheinigen Gründen verabschieden? Heute schon arbeitet der Staat mit Absichtserklärungen, die er nicht einhält. So waren die zugesagten Gelder für die Flüchtlingslager nur zur Hälfte überwiesen.

Was ist denn mit den 21 Milliarden an Steuermehreinnahmen die der deutsche Steuerzahler 2015 eingezahlt hat? Hat unser Finanzminister sich damit einen schönen Tag gemacht oder gar sich seine schwarze Null vergolden lassen?

Deutschland sollte dringend nachbessern, der Menschenwürde wegen.

 

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik und european-mosaic aus Ennepetal

Deutschland und sein „Made in Germany“ unter Beschuss

VW in der Kritik Foto: (c) Linde Arndt

VW in der Kritik Foto: (c) Linde Arndt

[jpg] Volkswagen hat betrogen, Punkt. Es war ja abzusehen; denn die Marktwirtschaft zwingt die Produzenten geradezu zu den Betrügereien die jetzt mit VW sichtbar wurden. Aber das wäre jetzt zu leicht für die deutsche Firma Volkswagen. Der Volkswagenkonzern operiert weltweit mit unzähligen Marken. In China steht er, zum Leidwesen der amerikanischen Autobauer, mit beiden Beinen auf dem chinesischen Markt. Wachstum auf dem europäischen und US-amerikanischen Markt ist kaum mehr möglich. Überhaupt denkt man zunehmend an die „Grenzen des Wachstums“ die der Club of Rome schon 1972 in seinem Buch „Limits to Growth“ thematisiert hat.

Der VW Konzern scheint nun einen Weg gefunden zu haben, für sich die Grenzen dieses Wachstums überwinden zu können. VW wollte die Nummer 1 im Himmel der Autobauer werden und es fehlte nicht viel um Toyota von seinem Thron zu stoßen. Konnte doch der VW Konzern einen Bonus vorweisen; denn „Made in Germany“ war noch immer eine Empfehlung für erstklassige Arbeit und Qualität. Nur „Made in Germany“ mit Betrug erhalten zu wollen und das in millionenfacher Hinsicht, schadet nicht nur den Autobauern, vielmehr wird die gesamte Marke unter Beschuss gestellt. Stinknormale Arbeit ist die Folge, was einen stinknormalen Preis nach sich zieht.

Image beschädigt / Collage (c) Linde Arndt

Image beschädigt / Collage (c) Linde Arndt

Aber es war ja abzusehen. Magnetschwebebahn nur ein Laborzug im Emsland, der nur aus Mitleid von den Chinesen gekauft wurde – mit Verlust. Oder die ICE Züge die im Sommer Kreislaufprobleme der Fahrgäste und im Winter Unterkühlungen produzierten. Die Düsseldorfer Stadtbahn bekam Straßenbahnen, bei denen sich die Dächer wellten. Und unser neustes „Made in Germany“ Aushängeschild ist der internationale Flughafen der Bundeshauptstadt Berlin. Es sind so viele Vorfälle in der deutschen Wirtschaft die zunehmend auf diesen großen Bang zu liefen.

 

Wie ist es dazu gekommen?
Die US-Amerikaner wollten mit der US-Norm „Tier II Bin 5“ der amerikanischen „Environmental Protection Agency“ (EPA) eine Stickoxidnorm (NOX-Emissionen) die zwar sehr ambitioniert war aber umsetzbar war. Auch die EU Kommission wollte verschärfte Abgasnormen die den Deutschen schwer zu schaffen machten. Man hatte die Entwicklungen schlicht und einfach verpennt. Das EU Problem war für die Deutschen ziemlich einfach, ein Anruf von Bundeskanzlerin Merkel und die neue Richtlinie landete in der Tonne. Denn wenn Deutschland nicht für die Richtlinie war, kam keine Mehrheit zustande, Italien und Frankreich, die technisch mit ihren Autobaueren schon weiter waren, waren irritiert, um es einmal diplomatisch auszudrücken. Die USA waren da schon ein anderes Kaliber. Und es kam wie es kommen musste, der VW Konzern konnte die Norm nicht erfüllen. Es musste aber eine Lösung her, sonst würde man die nationale Zulassung in den USA nicht bekommen. Es ging um Diesel Fahrzeuge. Anstatt frühzeitig mit der Erfüllung dieser Norm anzufangen verlegte man sich über die deutsche Diplomatie aufs lamentieren. Was nichts nützte. Wertvolle Zeit war verloren, die Konkurrenten hatten inzwischen Techniken entwickelt die die Norm bei weitem erfüllten. VW konnte das damals nicht mehr schaffen, so waren sich alle einig. Verblüfft schauten alle auf die Werbung, als VW mit AdBlue seine Dieselfahrzeugflotte kurze Zeit später beworben hatte. Nun ist VW ja keine kleine „Klitsche“, also nahmen alle die Neuerungen hin. Das aber der VW Konzern diese Norm nur mit eine Manipulation der Prüfsoftware erfüllen konnte flog auf als die „Environmental Protection Agency“ (EPA) Straßenmessungen (Realbetrieb) anordnete. Und diese Messungen ergaben je nach Modell, einen bis zu 10 fach höheren Wert der in der Zulassung durch den Autobauer angegeben wurde. Aus die Maus. Und jetzt? Jetzt hat der VW Konzern mit einer Klage in den USA zu rechnen. Der US amerikanische Staatsanwalt Eric T. Schneiderman vom US-Justizministerium nimmt schon mal Maß und die Ermittlungen auf.

Man schätzt, dass eine Klage, nur in den USA, schon bis zu 20 Milliarden Dollar an Strafe bringen könnte. Die Börsen reagierten denn auch empfindlich, die VW Aktie verlor am ersten Tag der Meldung 27 Milliarden Euro an Wert.

Entschuldigung, sagte der Vorstandsvorsitzender der Volkswagen AG, Martin Winterkorn und machte sich auf den Weg einen Schuldigen zu präsentieren. In Deutschland sind immer die unteren Chargen die Schuldigen, nur zur Erklärung. Herr Winterkorn hat zwar die Verantwortung, zumal er ja aus der Technik kommt, aber er zieht nur das dementsprechende Gehalt aus dieser verantwortungsvollen Position.

Wie gesagt, wen es eine kleine „Klitsche“ wäre könnte man sich umdrehen, und gut wäre alles. Nur VW reißt hunderttausende von Arbeitnehmern, Zulieferern oder Handwerkern mit in einen Abwärtsstrudel, selbst die öffentliche Hand gerät durch fehlende Steuereinahmen in die Bredouille.

Und da soll es mit einer Entschuldigung erledigt sein? Da sind ganz andere Manager, die weit weniger angerichtet haben, zurück getreten. Der VW Konzern sollte ein Zeichen setzen: Martin Winterkorn ist nicht mehr tragbar und sollte zurück treten. Denn Betrug ist kriminell und als solches auch strafbar. Nur Firmen können in Deutschland nicht vor Gericht gebracht werden.

 

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Ennepetal


 

UPDATE:
18:00 Uhr – soeben erfuhren wir über das Radio aus Wolfsburg, das der Vorstandsvorsitzender der Volkswagen AG, Martin Winterkorn, zurückgetreten ist. Ein längst fälliger, nachvollziehbarer Schritt.

 

 


 

Alle staatlichen Institutionen von Brüssel bis auf die Regionen haben versagt!


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Hat der Staat sich verabschiedet?

 

[jpg] Keine Sorge, der Staat mit seinen Institutionen ist noch vorhanden. Aber, er, der Staat funktioniert nicht mehr zur Gänze. Sicherheit, Subsidiarität , Rechtsstaatlichkeit, Menschenwürde oder Menschenrechte sind die Werte die demokratische Staaten garantieren. Das Gleiche gilt für die Europäische Union, die, so steht es auf ihren Fahnen, eine Wertegemeinschaft sein will.

Nur was sind die Werte eines Staates oder einer Staatengemeinschaft wert, wenn sie nicht belastbar sind? Wenn die Werte belastet werden und die Verantwortlichen sich in die Büsche schlagen und dort erst wieder herauskommen, wenn keine Gefahr mehr droht? Denn die gewählten Vertreter und die Verantwortlichen sollen ja diese Werte mit der gesamten Staatsgewalt garantieren, so das Grundgesetz. Was nützt also die Rechtsstaatlichkeit, Menschenwürde oder was Menschenrechte wenn diese vom Staat nicht durchgesetzt werden können?

Es geht einmal mehr um die Flüchtlingspolitik, in der EU der 28 und damit auch in Deutschland.

2013 fand eine Zäsur statt, die das Flüchtlingsproblem in einen dringlichen Rahmen stellte. Vor Lampedusa ertranken hunderte Flüchtlinge die mit Booten über das Mittelmeer gekommen waren. Es folgten große Versprechungen der Entscheider in Brüssel und Berlin, doch nichts geschah. Dies sollte sich als eine sträfliche Vernachlässigung des Problem herausstellen.

Die Griechenland Finanzkrise kam auf die Agenda der 28 EU Staaten. Fast täglich gab es neue „Wasserstandsmeldungen“ und Treffen oder Gipfel unterschiedlicher Gremien in Brüssel. Dabei hatte die EU doch erst die Ukraine Krise, die in einen Krieg mündete der noch heute anhält, auf erträglicher Flamme verhandelt. Auch hier Treffen unterschiedlicher Qualität ohne Ende. Probleme gelöst? Nein, nur Probleme auf ein erträgliches Maß (Für wen auch immer) heruntergeredet (-verhandelt).

Parallel liefen die Kriege und bewaffneten Konflikte in Nordafrika mit Beteiligung des Westens, die Konflikte Libyen, Syrien oder auch Mali und Eritrea. Sie  schafften Flüchtlingsbewegungen in nie geahntem Ausmaß. Jordanien, Libanon, Türkei oder Kenia (Lager Dadaab) nahmen Millionen an Kriegsflüchtlingen auf. Versorgt wurden die Flüchtlinge von der UNO-Flüchtlings- und Kinderhilfe – UNHCR oder UNICEF.

Nochmals muss man darauf hinweisen, die bewaffneten Konflikte wurden allesamt vom Westen und damit auch von der EU der 28 befeuert.

Menschen auf der Flucht  Foto: (c) UNHCR / T.W. Monboe

Menschen auf der Flucht Foto: (c) UNHCR / T.W. Monboe

Um die Flüchtlinge aber von Europa fernzuhalten, schaffte man mittels der UNHCR riesige Flüchtlingscamps mittels Container oder Zelten. Anfangs bekam die UNO auskömmliche Gelder die die Grundversorgung mit Nahrung, Kleidern und Wasser auf niedrigem Niveau sicherstellte. Bildung oder Ausbildung war dabei nicht vorgesehen. Die finanziellen Zuwendungen der Staaten wurden jedoch 2014 massiv gekürzt, die Versorgung der Flüchtlinge war und ist bis heute nicht mehr gesichert. Teilweise, wurde die Wasserversorgung in den Lagern abgestellt. Dieser Zustand dauert noch heute an.

Wen wundert es wenn sich die Menschen auf den Weg machten, anstatt in die Camps zu gehen oder in diesen zu verbleiben.

 

Überleben war angesagt, nicht kläglich zu verenden.

Vor den „Segnungen“ der Nazis im vorigen Jahrhundert hatten sich auch Millionen Menschen als Flüchtlinge auf den Weg gemacht. Auch nach dem Weltkrieg machten sich Millionen auf den Weg. Die damaligen Flüchtlinge wurden aufgenommen und integriert.

 

Machen wir einen Zeitsprung von drei Jahren.

Die Wege oder Routen sind inzwischen bekannt, es gibt eine Westroute, eine Südroute, eine Ostroute und eine Balkanroute. Die ersten drei Routen gehen alle über das Mittelmeer, die Balkanroute benutzt den Landweg.

 

  1. Zwischenruf-Rechtliche Grundlagen

Es gibt die Erklärung der Menschenrechte, es gibt das Asylrecht und es gibt ein Flüchtlingsrecht. Alle Staaten der 28 EU Länder haben diese Rechte ratifiziert und die EU ist diesen Rechten beigetreten und die assoziierten Staaten haben diese Rechte akzeptiert und durch ihre Parlamente ratifiziert. Mehr noch, die Charta der Grundrechte der Europäischen Union ist ein klares und starkes Bekenntnis zu den Rechten der EU-Bürgerinnen und -Bürger.Diese Rechte gelten aber auch für alle BürgerInnen.

Mit Verordnungen und Gesetzen hat sich die EU mit  ihren 28 Staaten auf den Zustrom von Flüchtlingen vorbereiten können. Zu nennen ist der Vertrag von Lissabon, das Schengener Abkommen und das Dubliner Abkommen. Das Prozedere der Verordnungen und Richtlinien wäre demnach, dass die Flüchtlinge die die Mittelmeerrouten benutzen dort versorgt werden wo sie an Land gehen. Analog werden die Flüchtlinge der Landrouten dort versorgt, wo sie die Grenze des Schengenraumes übertreten. Die sogenannten Grenzländer sind nun zu einer umfangreichen Registrierungs- und Erfassungsmaßnahme verpflichtet. Danach werden sie in Auffang- oder Erstversorgungslager verbracht und müssen dort bleiben bis ihre Anträge abschließend bearbeitet sind.

Die Grenzen werden von der europäischen Grenzschutzorganisation „Frontex“ aus Warschau geschützt. Die Seegrenzen zu Italien durch die Operation „Triton“ und die Grenzen im östlichen Mittelmeer durch die „Poseidon Sea“ Operation. Davor wurden Rettungsmaßnahmen, nicht Grenzsicherung, von der italienischen Küstenwache mit der Operation „Mare Nostrum“ durchgeführt. Weil „Mare Nostrum“ zu teuer war, beauftragte die EU „Frontex“ mit einer reinen Grenzschutzoperation die nur ein Drittel der italienischen Operation kostete. Seenotrettung sollte demnach nicht mehr stattfinden, zumindest nicht mehr vordringlich.

 

  1. Zwischenruf: Schlepper
Boat-People auf einem überfüllten Boot. Photo: © UNHC

Boat-People auf einem überfüllten Boot. Photo: © UNHC

In Brüssel erfuhren wir zum ersten mal im Oktober 2013 von diesem Begriff. Fischer vor der italienischen Küste hatten Flüchtlinge aus dem Meer „gefischt“ und an Land gebracht. Die italienischen Behörden sahen dies als Beihilfe zu illegalen Grenzübertritt an. Gleichzeitig unterstellte man den italienischen Fischern den Flüchtlinge als Schlepper geholfen zu haben.

Es war schon ziemlich zynisch wenn ein Fischer einen Menschen vor dem Ertrinken gerettet hatte und ihm  dann der Prozess gemacht werden sollte. Sollten die Fischer die Flüchtlinge sehenden Auges ertrinken lassen?

 

Belastung der EU durch die Flüchtlinge

Die 28 Länder der EU als auch Brüssel wussten also mindestens seit 2013 was auf sie zukam. Flüchtlinge die sich auf den Weg machten, die in ihrer Quantität das Ausmaß einer Völkerwanderung annahm. Völkerwanderung deshalb, weil den Flüchtlingen die Lebensgrundlagen durch den Westen in vielerlei Weise entzogen wurden.

Deutschland wähnte sich auf der sicheren Seite, war es doch durch das Dublin Abkommen geschützt und konnte Flüchtlinge an seine Nachbarn zurück überweisen, da diese ja „sichere Herkunftsstaaten“ waren und sind.

Durch den langsam steigenden Ansturm der Flüchtlinge beginnend in 2013 war schon auszumachen, dass die Mittelmeerstaaten aber auch Ungarn überfordert werden, wenn die Menschen erst einmal ankommen.

Heute in 2015 ist die Menge der Flüchtlinge auf hunderttausende angewachsen und die Zuwachsraten nehmen nicht ab. Deutschland rechnete zuerst mit 450.000, dann mit 800.000 und erst kürzlich wurde die Zahl auf 1 Million erhöht. Wer bietet mehr, könnte man meinen?

 

Keine Bleibe in Syrien Photo: (c)   UNHCR / B. Diab

Keine Bleibe in Syrien
Photo: (c) UNHCR / B. Diab

Zuerst fielen die Schranken bei den Mittelmeerstaaten, wie Italien, Griechenland, Malta und Spanien. Tausende Flüchtlinge landeten zwischen den Touristen die sich an den Stränden sonnten.

Nach anfänglichen Versuchen der Mittelmeer-Behörden die Flüchtlinge gem. den EU Richtlinien zu registrieren, gaben die Behörden auf und ließen die Flüchtlinge weiterreisen. Riesige Fähren brachten tausende Flüchtlinge von den Inseln Kos oder Lesbos auf das griechische Festland. Fast alle Flüchtlinge hatten offensichtlich ein Ziel „Germany“ oder „Merkel“, einige wollten allerdings nach Großbritannien oder Schweden.

Die Mittelmeerländer wollten nicht mehr das Geschäft der Deutschen besorgen; denn Solidarität, mit dem für sie riesigen Problem, hatten sie vergebens eingefordert. Die staatlichen Institutionen der Mittelmeerländer meldeten sich ab und schalteten in den Standby-Modus.

Ob in Italien oder in Griechenland, überall campierten die Flüchtlinge auf ihrem Weg nach Deutschland auf den Straßen und den öffentlichen Gebäuden.

Anders die Balkanroute. Ungarn wusste überhaupt nicht mit den Flüchtlingen umzugehen, Angst und Hysterie zeigten sich in den Reaktionen der ungarischen Institutionen. Teilweise wusste man die Flüchtlinge nicht mit Trinkwasser zu versorgen. Premierminister Viktor Orbán brachte es als erster in Brüssel auf den Punkt, indem er sagte: Wir haben kein europäisches Problem, sondern ein deutsches Problem. Orban floh in Aktionen, die man nur als hilflos bezeichnen kann, er baute Zäune an seiner Grenze. In seinem Land gab es Knüppel, Wasserwerfer und Pfefferspray. Auch Mazedonien versuchte mit Knüppeln und Pfefferspray die Flüchtlinge vor dem Übertreten der Grenze abzuhalten. Umsonst, die Völkerwanderung bewegte sich weiter. Wie die Situation im Mittelmeer schon zeigte, die Flüchtlinge hatten nichts mehr zu verlieren.Nachdem der Zaun fertig gestellt war, machte sich die Völkerwanderung über Kroatien auf dem Weg.

Die Wende brachte die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, die anordnete, sämtliche Flüchtlinge nach Deutschland durch zu lassen.

Die Folge. Der gesamte Flüchtlingsstrom ergoss sich nun mehr über Deutschland. Grenzkontrollen wurden an den Außengrenzen Deutschlands wieder eingeführt. Das reinste Chaos tat sich auf. Dublin oder Schengen waren nur noch Städte in Europa, die Abkommen waren perdu. Die Freizügigkeit in Europa, ein Herzstück im europäischen Haus, war gestorben und der Beliebigkeit ausgesetzt.

 

  1. Zwischenruf: Deutschland entscheidet – endlich

Als Bundeskanzlerin Angela Merkel sich entschieden hatte die Flüchtlinge durchzulassen, waren 4 Wochen und je nachdem wie man es betrachtete fast 2 Jahre der Untätigkeit vergangen. Auch das zuständige Innenministerium unter Dr. Thomas de Maizière war auf Tauchstation. Thomas de Maizière ging sogar noch weiter und pochte auf Einhaltung der Dublin Verträge, die Deutschland die Flüchtlinge vom Hals hielt. Die deutsche Regierung lenkte vom eigentlichen Problem ab, indem sie die Schleuserproblematik ins Spiel brachte. Und über Ursachen wollte man überhaupt nicht reden, ja, man nahm sie noch nicht einmal zur Kenntnis.

Aktuell ist der Chef des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Manfred Schmidt zurückgetreten – ein Bauernopfer für das angerichtete Chaos.

In Brüssel wurde mehr zaghaft nur über eine Lösung beraten – die Quotenregelung. Die ist ja nichts anderes als die föderale Verteilung die  schon in  der Bundesrepublik schlecht praktiziert und schlecht gelitten wird. Unabhängig davon war durch die Frontex Operation auch der erste Tote zu beklagen indem ein 17-jähriger Flüchtling in der Ägäis getötet wurde. Andere Regelungen, wie man die „Völkerwanderung“ in den  Griff bekommen könnte, wurden nicht einmal erwähnt. Neuerdings soll die Bundeswehr mit 950 Mann die Schleuserboote mit Waffengewalt bekämpfen . Ein Irrsinn mit Toten? Der heutige Stand: 130.000 Flüchtlinge sollten über die 28 Länder nach einem Schlüssel verteilt werden. Nur es sind Millionen auf dem Weg. Da müsste schon mal eine europäische Einwanderungspolitik zumindest angedacht werden. Da müssten schon einmal Ursachenbekämpfungen auf die europäische Agenda. Wie wäre es wenn zumindest die Gelder an die UNHCR überwiesen werden, damit die Grundversorgung der Flüchtlinge in den Lagern gewährleistet wird?

 

  1. Zwischenruf: Was soll mit den Flüchtlingen passieren?
Soweit die Füße tragen Photo: (c) © UNHCR/B.Betzelt

Soweit die Füße tragen
Photo:  © UNHCR/B.Betzelt

Die Millionen von Flüchtlingen die auf dem Weg sind, sind Menschen, die es verdient haben würdevoll behandelt zu werden. Es waren ehrenamtliche Europäer in Budapest, Athen, Rom, Kos, Lesbos, München und Düsseldorf, die gezeigt haben, was Menschlichkeit in Europa bedeutet.

Sie haben zugehört, sie haben sich zugewendet, haben Wasser, Brot oder Suppen gereicht, sie haben gelächelt, haben berührt und wurden berührt. Nur, dies alles sollte nicht darüber hinweg täuschen, dass der Staat abwesend ist. Und das ist jetzt ein Riesenproblem! Denn die Flüchtlinge sind keine Hütchen in einem Spiel, dessen Spielregeln recht fragwürdig sind. Da ist das sehr große Problem der Integration ( Nicht Assimilation ) und das unbekannte Problem der vorausschauenden Hilfsleistungen.

Die Ehrenämtler verfügen nicht über die Institutionen. Sprachkurse müssen zur Zeit über Sponsoring nur unzureichend betrieben werden. Verständnis für die andere Kulturen muss geübt werden, dies kann aber doch nur über Kommunikation laufen. Was ist mit Ausbildung, was mit Bildung? Programme und Projekte müssen her, die nicht nur über viele bunte und nette Flyer ein Problem beschreiben aber nicht mit den Adressaten arbeiten wollen. Was ist mit den Jugendlichen die aus sicheren Herkunftsländern kommen? Sicher sie müssen wahrscheinlich zurück. Aber können wir ihnen hier nicht eine brauchbare Ausbildung zukommen lassen? Dazu braucht es aber wieder Programme, dies können die Ehrenämtler nicht leisten. Die Institutionen von Berlin bis in die lokale Ebene leisten es sich Wunschdenken zu kommunizieren, anstatt sachlich an den Problemen zu arbeiten. Abgesehen davon, dass die Ehrenämtler im „Feuer“ stehen und die Institutionen in Kauf nehmen, dass die Ehrenämtler sich mit einem Burnout-Syndrom verabschieden. Verantwortung sieht anders aus. Wo sind die großen Häuptlinge aus Politik und Verwaltung die überzeugend führen?

Kommen wir zum Schluss. Ob nun die EU oder die Einzelstaaten der EU, alle haben kläglich versagt! Die Frage ist doch, befinden wir uns alle auf einem Weg auf dem der Staat sich verabschiedet hat und der Demos seine Belange wieder selber erledigt? Müssen wir uns anders organisieren, weil unsere politische und administrative  Organisation nicht mehr zeitgemäß ist?

Den Völkern Europas und der EU war es, im Gegensatz zu den Regierenden,  noch nie egal ob im Mittelmeer Menschen ertrinken. Oder ob an den Grenzen Mazedoniens, Ungarns oder anderer europäischer Staaten Menschen mit Knüppeln, Schüssen, Pfefferspray und auf messerscharfen Drahtverhauen empfangen werden. Auch sollen Menschen nicht im Dreck und ungeschützt irgendwo stranden. Die 507 Millionen Europäer schämen sich für solche Handlungsweisen.

Hilfe durch die UNHCR  Photo: (c) UNHCR / B- Kouane

Hilfe durch die UNHCR Photo: (c) UNHCR / B- Kouame

Deshalb ist es Zeit, dass die staatlichen und überstaatlichen Institutionen und Organe endlich das tun wofür wir sie verpflichtet sahen, sich um die Flüchtlinge kümmern und zwar würdevoll. Tausende Tote im Mittelmeer, im Atlantik oder auf dem Festland, sind tausende Tote zuviel. Jeder Tote zählt, nicht nur der kleine dreijährige Junge, der Aylan Kurdi hieß. Kurdi wurde an die Küste gespült, wie ein Stück Holz oder Abfall oder abgelassenes Öl, es war aber ein Menschenkind, dass durch unser Tun gerettet werden konnte.

 

„Dort, wo der Staat aufhört, da beginnt erst der Mensch, der nicht überflüssig ist, da beginnt das Lied des Notwendigen, die einmalige und unersetzliche Weise, dort, wo der Staat aufhört,“ so der Philosoph Friedrich Nietsche. Deshalb sollten wir, die nicht zu den Überflüssigen gehören den Staat abmahnen oder an einer weitergehenden Ordnung arbeiten.

 

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik und european-mosaic aus dem EN-Kreis

 


Wir danken der UNHCR für die zur Verfügungstellung des Bildmaterials.

 

 

 


 

Frauen werden bei der Katastrophe in Nepal mehr leiden als Männer

[jpg] Nepal ist eine patriarchalische Gesellschaft. Das Erdbeben traf dieses Land zwar nicht ganz unvorbereitet, jedoch fehlen diesem Land die Mittel um die Bevölkerung frühzeitig zu warnen und zu evakuieren. Wenn jetzt die Leitmedien auf die Hauptstadt Kathmandu blicken, so wird vergessen, es sind die Landregionen die im Gebirge liegen, die durch dieses Erdbeben schwer geschädigt wurden und abgeschnitten sind. Bis heute können viele Städte und Dörfer nicht, oder nur mit Hubschrauber, erreicht werden. Wobei die Nepalesische Regierung nur eine handvoll Hubschrauber zur Verfügung stellt. Und die werden noch vorwiegend zur Rettung der Trekkingtouristen zum Basislager des Mont Everest geschickt. In 5.000 Meter Höhe ist die Luft so dünn, dass die Hubschrauber nur 50% zu laden können. In den Tälern, abgelegen von der Hauptstadt Kathmandu, wird jedoch weiter gehungert, gedurstet und was noch schlimmer ist, die Verletzten können nicht versorgt werden. 6.200 Tote meldete Kenneth Roth von Human Rights Watch am 1. Mai um 23:00 Uhr, am 3. Mai um 2:00 Uhr wurde die 7.000 Tote Marke überschritten.

4 Monate altes Baby konnte gerettet werden  Foto: (c) Screenshot

4 Monate altes Baby konnte gerettet werden Foto: (c) Screenshot kathmandutoday.com

Von den Obdachlosen und den Vermissten vermag im Moment niemand zu sprechen, weil die Lage zu unübersichtlich ist. Und trotzdem könnte noch ein Mensch unter den Trümmern lebend geborgen werden – aufgeben gilt nicht. So wie es z.B. bei dem sogenannten „Miracle Child“ der Fall war, das von Steinen und Staub befreit lebend geborgen werden konnte.

Viele europäische Touristen haben sich in die Reihe der einheimischen Helfer eingereiht und  sind nicht abgereist. Die Dramatik könnte sich noch erhöhen, denn der Monsun, also die teilweise sturzbachähnlichen Regenfälle scheinen dieses Jahr früher einzusetzen. Bedingt durch diese Regenfälle mischen sich vermehrt Schlangen unter die im freien kampierenden Menschen. Durch nicht behandelte Schlangenbisse, meisten an den Beinen, besteht die Gefahr einer Blutvergiftung (Sepsis), die unbehandelt einen tödlichen Verlauf nimmt.

Wie immer leiden Frauen mehr als Männer, denn sie sind es, die im Haus an die Kinder gebunden sind. Sie sind es die schwere und schwerste Verletzungen davon tragen, weil sie die Verantwortung für Haus und Kind zu tragen haben. Sie sind es die nach der Katastrophe von ihren Männern und der Gesellschaft alleine gelassen werden, weil ihre Kinder gestorben, weil sie nicht mehr gebärfähig sind oder weil die Verletzungen das Äußere schwer entstellt hat.

Wenn man die dramatischen Rettungsaktionen in der Hauptstadt Nepals sieht, hat man den Eindruck, alles  getan wird um den Nepalesen die Hilfe zuteil kommen zu lassen, die sie benötigen.

Keine Frage, die Bevölkerung braucht das Wasser welches durch die THW Deutschland nutzbar gemacht wird, auch die Rettungsteams mit ihren Hunden aus allen Ländern werden benötigt oder die angekommenen Nahrungsmittel. Nur es fehlt die Versorgung in der Fläche. Und was noch wichtiger ist, es fehlt die gesamte Bandbreite der medizinischen Versorgung. Vor Ort ist das Districtkrankenhaus in Gorkha beschädigt indem die stationäre Abteilung zerstört wurde und die Kapazitäten im Krankenhaus in Bharatpur im Süden von Ghorka sind erschöpft.

Dr, Susanne Grothey beim Telefongespräch mit Hein Stahl  Foto: (c) Linde Arndt

Dr, Susanne Grothey beim Telefongespräch mit Hein Stahl Foto: (c) Linde Arndt

Voll funktionsfähig ist dagegen das SKM-Hospital in Sankhu, etwa 30 Km nordöstlich von Kathmandu gelegen. Die Verletzten werden vor die Tür des Hospitals gelegt, so groß sind die Nöte der Bevölkerung. Hein Stahl hatte Frau Dr. Grothey bereits am 26.4.2015 auf die besondere Situation vor Ort hingewiesen. (Wir berichteten).Viele der Verletzten kampieren unter Plastikplanen im Freien vor dem Hospital. Ärzte und KrankenhelferInnen selektieren täglich die Verletzten nach Dringlichkeit anhand der ersten Diagnose. Das SKM-Hospital arbeitet zur Zeit personell und finanziell an seinen Grenzen. Da das SKM-Hospital voll mit Spenden aus Deutschland finanziert wurde, ist es jetzt dringend auf weitere Spenden angewiesen. Aber nicht nur Spenden werden benötigt, vielmehr werden die deutschen Ärztinnen und Ärzte eingestimmt, dass evtl. ihre persönliche Hilfe vor Ort oder hier in Deutschland benötigt wird.

Dr. Susanne Grothey erklärt die besondere prekäre Situation im  Krankenhaus  Foto: (c) Linde Arndt

Dr. Susanne Grothey erklärt die besondere prekäre Situation im SKM-Hospital in Sankhu Foto: (c) Linde Arndt

Hier kommt der EN-Kreis in den Fokus unseres Artikels. Frau Dr. Susanne Grothey, Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe in Gevelsberg hat sich seit langem  zu den  vielen anderen deutschen Ärztinnen und Ärzten eingereiht, die im SKM-Hospital in Sankhu  unentgeltlich arbeiten. Auch sie wurde von Hein Stahl, dem Geschäftsstellenleiter des SKM-Hospital in Deutschland, alarmiert. Der Aufruf der SKM-Hospital Leitung zur Spende ist an Dringlichkeit nicht zu überbieten. EN-Mosaik sprach mit Frau Dr. Grothey, die uns die Brisanz der Hilfe für das Hospital darlegte. Denn, zum Hospitalbetrieb gehören auch die mobilen medizinischen Versorgungen in den Gebirgsdörfern. Da es in Nepal keine Krankenkassen gibt, muss die medizinische Versorgung in bar entrichtet werden. Bei der Armut der Bevölkerung ist das jedoch nicht möglich, deshalb werden alle ärztliche Leistungen über die Spenden aus Deutschland bezahlt. Ärzte aus Deutschland arbeiten dabei ohne Bezahlung und haben die einheimischen Ärzte an die Verantwortung für das SKM-Hospital heran geführt.

 

Dr. Susanne Grothey im Gespräch mit dem Redakteur Jürgen Gerhardt von EB-Mosaik  Foto: (c) Linde Arndt

Dr. Susanne Grothey im Gespräch mit dem Redakteur Jürgen Gerhardt von EN-Mosaik Foto: (c) Linde Arndt

An Material wird gebraucht:

  • Decken

  • Medikamente

  • Zelte

  • Verbandsmaterial

 

 

Das SKM-Hospital  ist Gott sei Dank nicht zerstört. Das Haus ist im Vergleich zu vielen anderen Einrichtungen vergleichsweise erdbebensicher gebaut.  Schon jetzt sind die Auswirkungen nach dem Erdbeben deutlich  spürbar. Die Kapazitäten sind inzwischen erschöpft. In vielen Hospitälern kann nicht mehr gearbeitet werden. Aus diesem Grunde ist man umso mehr  auf  schnelle Spenden angewiesen, damit Behandlungen fortgesetzt werden können.
Bislang hatte das Krankenhaus  den Schwerpunkt auf den Bereich Gynäkologie und plastischer Chirurgie  gelegt. Dr. Bernhard Uhl, Chefarzt der Frauenklinik am Dinslakener St.-Vincenz-Hospital, hat in Sankhu ein Haus aufgebaut, das sich auf plastische und rekonstruktive Chirurgie spezialisiert. Das Haus wird von  dem gemeinnützigen Verein Interplast Deutschland betrieben. Damit  eine bessere Vernetzung erreicht werden konnte, wurde zudem die Deutsch-Nepalische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe gegründet.

Ärzte, Anästhesisten und Krankenschwestern sind vor Ort tätig. Bis Ende vergangenen Jahres haben die Teams aus Deutschland mehr als 3 000 Frauen betreut und mehr als 150 Operationen durchgeführt. Nun richtet sich der Fokus auf andere, vordringlichere Aktivitäten.

Hier die Adresse der deutschen Geschäftsstelle des Vereins der die Materialhilfe, aber auch sonstige Fragen gerne beantwortet:

Geschäftsstelle Deutschlands:

Interplast Germany e.V. –Sektion Nepalprojekt-

Ansprechpartner: Hein Stahl

Am Mühlengraben 1, D-53773 Hennef

Tel. 02242-80983 oder -874337

Fax 02242-874336

heinstahl@gmx.de

Der Verein bittet um Spenden, mit der man vor Ort Nahrungsmittel oder sauberes Wasser kaufen kann, dies nur als Beispiel. Wobei, schon 10,–Euro genügen um einen Menschen unterzubringen und 200,– Euro für ein 20 Personenzelt ausreichen.

Die Deutsch-Nepalische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DNGGG) hat ein Spendenkonto eingerichtet. Auf direktem Wege soll das Geld zur Unterstützung der Arbeit des Krankenhauses fließen.
– Stichwort Erdbeben; Bankverbindung: Volksbank Dinslaken;
IBAN: DE 68 35 261 248 0 100 70 20 10; BIC: GENODEDIDLK

 

 

Kein Platz mehr im Hospital  Foto: (c) Rosina

Kein Platz mehr im Hospital Foto: (c) Rosina

Situation vor dem SKM  Foto: (c) Rosana

Situation vor dem SKM Foto: (c) Rosina

 

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Gevelsberg

Schuldig, schuldig, schuldig der fahrlässigen Tötung

[jpg] Als die EU zum ersten mal von dem Untergang der Flüchtlinge im Mittelmeer erfuhr, hätte sie direkt handeln müssen. Stattdessen bekam die Öffentlichkeit nur weich gespülte Sprachhülsen um die „Ohren“ geschlagen. Und das geht jetzt schon monatelang, inzwischen haben wir geschätzte 2.000 Tote im Mittelmeer gezählt. Und die EU? Sie hat ihre Frontex Operation Trident vor der italienischen Küste des Mittelmeers. Die Leitmedien hatten die Ukraine und Griechenland auf dem Radar. Da waren ein paar ertrunkene Afrikaner mehr oder weniger nicht so wichtig. Und dann kam am Sonntag, dem 19. April 2015 die Katastrophe mit 700 bis 900 ertrunkenen Afrikanern, die vor den Augen der Besatzung des Containerschiffes “King Jacob” ertranken. Über Twitter gingen die Bilder mit den Nachrichten um die ganze Welt. Der Papst und der Generalsekretär der Vereinten Nationen Ban Ki-moon meldeten sich zu Wort und erinnerten die EU an ihre Verantwortung. Und diesmal hielten die westlichen Leitmedien nicht still oder schrieben den Vorfall runter.

Die EU konnte sich jetzt nicht mehr wegducken um die Verantwortung auf andere abzuwälzen. Schnell rief der Präsident des Europäischen Rates, Donald Tusk,  einen Sondergipfel der Regierungschefs zum 23. April 2015 nach Brüssel. Das war schnell, sehr schnell für eine Ratssitzung der Regierungschefs der EU. Nachher wird sich herausstellen, es war nur Aktionismus.

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(c) Guardia Costiera

 


Und der 23. April kam, ein Donnerstag, Bundeskanzlerin Angela Merkel traf um 14:00 Uhr ein und gab nach 7 Stunden um 21:20 Uhr ihre abschließende Pressekonferenz. Kein Wort der Trauer, so wie das eben bei den terroristischen Aktivitäten immer der Fall ist.  Immerhin gab es Tote und Verletzte und das in tausendfacher Höhe.

Die Entscheidungen der EU waren: Die Kosten der Frontex Mission „Triton“ sollen verdreifacht werden. Der Auftrag, den die Grenzschutztruppe der Frontex durch den Rat bekommen hatte, wird jedoch nicht geändert. Also weiterhin Grenzsicherung und nur im Wege des Internationalen Seerechts sollte Seenotrettung betrieben werden. Später setzt Ratspräsident Donald Tusk in seiner Pressekonferenz eins drauf, indem er anmerkte „Triton“ würde nur bei Aufforderung die Seenotrettung nach internationalem Recht betreiben. Deutsche und englische Kriegsschiffe werden im Mittelmeer kreuzen um der Grenzschutzmission hilfreich zur Seite zu stehen. Die italienische Mission „Mare Nostrum“ will man allerdings nicht mehr. Die aufgenommenen Flüchtlinge werden bei den Mittelmeer Küstenstaaten an Land verbracht, dort sollen sie gemäß den Dublin Verträgen „erkennungsdienstlich“ (Fingerabdrücke, Fotografien) behandelt um sodann in Lager verbracht zu werden, bis ihr Aufenthaltsstatus geklärt ist. Die Dublin Verträge sollen nicht geändert werden und die Anliegerstaaten des Mittelmeeres sollen keine Unterstützung für den Aufwand bekommen.

Schuldzuweisungen

Was folgte, ist eine mehr oder weniger offene Schuldzuweisung an die Schlepper, an die Heimatstaaten und an die Flüchtlinge selber. Authentisches Mitleid der EU konnte man getrost vergessen. Die EU hatte einen Scheck ausgestellt, hatte gegen alle Gruppen um die Flüchtlinge gedroht und gut war es. Im Juni 2015, zum 25. und 26., wird man das Thema nochmals behandeln. Angela Merkel: Am Geld soll es nicht liegen, bei Bedarf legen wir noch was drauf.

Peinlich und schlimm wurde es mit einem Satz des Ratspräsidenten Donald Tusk den dieser Eingangs der nachfolgenden Pressekonferenz von sich gab: „Europa hat diese Tragödie nicht verursacht“, so der Ratspräsident. Für viele der Kollegen war das eine Frechheit und Zynismus pur. Denn Europa hat diese Katastrophe verursacht. Hat der Ratspräsident die Kolonialzeit vergessen, die bis heute die afrikanischen Staaten belastet?

Neuere europäisch/afrikanische Geschichte

Lassen wir einmal ein bisschen die Geschichtsbücher des afrikanischen Kontinents aufschlagen um zu sehen wie es zu dieser Tragödie nur kommen konnte.

Es dürfte zur Allgemeinbildung eines jeden Europäers und US Amerikaners gehören, dass Afrika durch die europäischen Staaten und die USA wirtschaftlich ausgebeutet wurde und immer noch wird. Lassen wir den schwunghaften und gewinnbringenden Sklavenhandel einmal sein, der etwas zu weit zurück liegt. Und betrachten wir stellvertretend die Entwicklung von belgisch Kongo.

Als die belgische Regierung 1960 ihre ehemalige Kolonie Kongo ( Heute Demokratische Republik Kongo) in die Unabhängigkeit entließ, war diese Republik, trotz eines immensen Reichtums an Bodenschätzen, nicht oder kaum lebensfähig. Die Belgier hatten zwar gutes Geld mit Kupfer, Uran, Gold, Eisen und anderen Mineralien gemacht, hatten aber nichts in eine ordentliche Bildung, Staatswesen oder Gesundheitssystem investiert. Die Folge waren Unruhen als die Belgier abzogen. Ein junger Mann Mitte 30 trat mit einigen Mitstreitern auf die politische Bühne und verlangte einen Ausgleich von der belgischen Regierung. Patrice Émery Lumumba, so hieß der junge Mann, wurde nach der ersten demokratischen kongolesischen Wahl der erste Premierminister des Kongo (Kongo-Léopoldville). Auf einem feierlichem Festakt der mit dem belgischen  König Baudouin I und vielen internationalen Honorationen begangen wurde, musste König Baudouin I unbedingt die angeblichen Errungenschaften der belgischen Regierung vor den gesamten Gästen erwähnen.

In seiner Erwiderungsrede widersprach Premierminister Patrice Émery Lumumba dem belgischen König, mit folgenden Worten:

[…] erniedrigender Sklaverei, die uns mit Gewalt auferlegt wurde. […] Wir haben zermürbende Arbeit kennengelernt und mussten sie für einen Lohn erbringen, der es uns nicht gestattete, den Hunger zu vertreiben, uns zu kleiden oder in anständigen Verhältnissen zu wohnen oder unsere Kinder als geliebte Wesen großzuziehen. […] Wir kennen Spott, Beleidigungen, Schläge, die morgens, mittags und nachts unablässig ausgeteilt wurden, weil wir Neger waren. […] Wir haben erlebt, wie unser Land im Namen von angeblich rechtmäßigen Gesetzen aufgeteilt wurde, die tatsächlich nur besagen, dass das Recht mit dem Stärkeren ist. […] Wir werden die Massaker nicht vergessen, in denen so viele umgekommen sind, und ebenso wenig die Zellen, in die jene geworfen wurden, die sich einem Regime der Unterdrückung und Ausbeutung nicht unterwerfen wollten.“ (Quelle: „Der gewaltsame Tod von Patrice Lumumba“ Von Bill Vann)

Starke Worte des jungen Premierministers. König Baudouin I, wollte abreisen, seine Begleiter rieten ihm jedoch ab. Ein Jahr später war der junge Lumumba tot, er wurde gefoltert, erschossen und sein Körper mit Bleisäure aufgelöst, der Rest der wurde verbrannt. Später wird herauskommen, dass die CIA mit dem belgischen Königshaus und dem britischen Geheimdienst den Mord an Lumumba betrieb. Man hatte Angst die Rohstoffe nicht mehr zu bekommen, da man davon ausging, dass Lumumba ein Kommunist war. Der Sohn von Lumumba wird später Klage gegen zehn Belgier wegen Mordes in Belgien einreichen. Ein Untersuchungsausschuss in Belgien wird die Verwicklungen Belgiens mit dem Mord an Lumumba feststellen.

Bis heute hat Belgien mit anderen westlichen Staaten noch einen Fuß im Land um seine Rohstoffversorgungssicherheit zu gewährleisten. Bis heute ist die demokratische Republik Kongo militärischen Unruhen ausgesetzt. Und bis heute gehört der Kongo zu den ärmsten Ländern der Welt und steht im Armutsranking auf dem vorletzten Platz.

Durch die immerwährenden Kriege und gewaltsamen Auseinandersetzungen konnte keine wirtschaftliche Entwicklung registriert werden. Das BIP pro Kopf beträgt in der demokratischen Republik Kongo rund 650,– Dollar (Stand: 2013, Quelle: IWF), zum Vergleich. Dass BIP von Deutschland beträgt rund 40.000,– Dollar (Stand: 2013, Quelle: IWF).

Das in solch einem Land für die Menschen keine Perspektiven vorhanden sind ist selbstredend. Nur, wer ist an solch einem Elend Schuld? Die Kongolesen selber? Nein, sie hatten ja nie eine Chance gehabt aus dem natürlichen Reichtum ihres Landes Profit zu ziehen, wenn von außen die Destabilisierung des Landes betrieben wird, wie jetzt im Osten des Landes.

Nun, der Kongo ist nicht der einzige Staat der noch heute vom Westen gesteuert wird, nehmen wir Somalia, Nigeria, Kenia, Eritrea, Elfenbeinküste (Republik Côte d’Ivoire) oder Uganda. In der Regel alles Staaten in denen Politiker regieren die vom Westen gesteuert werden. Auch die destabilisierten Länder im Norden des afrikanischen Kontinents, sie alle können ihren Bewohnern keine Perspektiven mehr bieten. Die Losung lautet also: Verhunger (neuerdings verdurste) oder versuch dein Glück im Westen. Das diese Menschen nie eine Chance haben zu leben, i.S. von etwas zu essen, ein Dach über den Kopf oder Bekleidung zu haben, ist offensichtlich.

In den Dörfern wird für ein oder zwei Bewohner gesammelt, damit diese im Westen etwas verdienen und davon etwas dem Dorf zu gute kommen lassen können.

Ratspräsident Donald Tusk weiß entweder nichts von diesem Elend oder steckt bewusst den Kopf in den Sand. In beiden Fällen scheint er für dieses Problem überfordert zu sein.

Was sollte die EU als Sofortmaßnahme tun?

Die erste Entscheidung sollte sein, die italienische Operation „Mare Nostrum“ wieder einzusetzen. Denn die Italiener haben die Erfahrungen gemacht, mit der sich die Operation „Mare Nostrum“ noch verbessern könnte. Sie fuhren zumindest die Schifffahrtsrouten im Mittelmeer ab, während die Frontex nur 30 Kilometer vor der Küste Italiens patrolliert. Die Flüchtlinge mit ihren Schleppern steuern doch grundsätzlich die Schifffahrtsrouten an, wegen der größeren Chance von einem Handelsschiff aufgenommen zu werden.

Parallel sollten die Aufenthaltsbedingungen für Flüchtlinge für die Mittelmeerstaaten ausgebaut und verbessert werden. Die subventionierten Nahrungsmittel Exporte der EU sollten unterbunden werden. Stattdessen sollte in den afrikanischen Staaten mit den Afrikanern eine funktionierende Landwirtschaft aufgebaut werden. Das Bildungs- und Gesundheitssystem der afrikanischen Staaten sollte reformiert und den dortigen Möglichkeiten angepasst werden. Es ist so viel zu tun, es wird nicht so viel kosten um den Menschen in ihrem Heimatland eine Perspektive zu bieten.

Es hat sich alles verändert, es gibt neue News.

Was müssen die europäischen Regierungschefs aufgeatmet haben, als in Nepal ein schweres Erdbeben mit der Stärke 8 viele Dörfer und Teile der Hauptstadt Kathmandu in Schutt und Asche legten.

Es darf wieder im Mittelmeer gestorben werden, unbemerkt und namenlos. Und morgen wird der Ukrainekrieg und die Finanzkrise in Griechenland von dem Sterben im Mittelmeer ablenken.

Und warum? Nur weil die EU, die ja angeblich eine Wertegemeinschaft sein soll, keine Entscheidung für den Menschen, den Fremden, treffen will. Die EU hat Zeit gewonnen, mehr nicht. Denn an der Nordküste des afrikanischen Kontinents stehen heute schon 1 Millionen Menschen, bereit das nächste Schiff zu nehmen und sich auf den Weg zu machen. Was haben sie schon zu verlieren? Nur ihr Leben. Wen kümmert es?  Die EU?  Wohl kaum.

Jürgen Gerhardt aus Brüssel für european-mosaic  und en-mosaik

 











 

Erdbeben in Nepal – ein Augenzeuge berichtet

[la] Dr. Susanne Grothey, Frauenärztin in Gevelsberg,  unterstützt seit vielen Monaten die Entwicklungshilfearbeit von Interplast Germany e.V. durch tatkräftige Mitarbeit im Sushma Koirala Memorial Hospital in Nepal, in der Nähe von Katmandu. In Nepal gibt es einen sehr großen Bedarf für gynäkologische Behandlungen nach Gebärmuttersenkung. Viele Menschen sind jedoch zu arm, sich eine Behandlung leisten zu können. Hier hilft das ehrenamtliche Engagement und der medizinische Wissenstransfer der Ärztinnen und Ärzte aus Deutschland.

Brandaktuell erreichte Frau Dr. Grothey  am 26. April 2015 von Hein Stahl, dem Sektionsleiter des Interplast-Krankenhauses in der nepalesischen Hauptstadt Kathmandu aus dem Katastrophengebiet folgende Meldung.
 
Betreff: Erdbeben in Nepal

 

Liebe Susanne, als Anlage ein kurzer Bericht von heute Morgen. Langsam normalisiert sich die Lage etwas und wir haben aber noch 30 Frakturen herumliegen, die wir langsam wegoperieren müssen. Mir geht es gut, nur die ständigen Nachbeben zehren an den Nerven.
Danke für alles und lieb Grüße,
Dein Hein

 

Situationsbericht Erdbeben Nepal 25.04.2015

Gestern Nachmittag, 25.04.2015, Uhrzeit weiß ich nicht genau, hat uns ein schweres Erdbeben überrascht. Das Hospital, alle stationären Patienten, unser diensthabendes Personal und alle Gäste sind völlig unbeschadet geblieben. Das Hospital hat noch nicht mal Risse, während um uns herum, besonders in Sankhu, die meisten älteren Häuser in einer großen Staubwolke zusammen fielen. In kürzester Zeit wurden fast 70, meist schwerverletzte Bewohner aus den umliegenden Dörfern angeliefert. Es waren meist Pickups der Polizei, die uns die Leute einfach vor die Tür legten. Nun haben wir ca. 30 Frakturen rumliegen und operieren seit heute Morgen um sechs. Ich habe gestern allein 5 Tote nach dramatischen Wiederbelebungsversuchen aus dem Aufwachraum gefahren. Wir arbeiteten bis zur Erschöpfung und auch das Material drohte auszugehen.Als das Beben kam, war ich gerade in Kathmandu um neue Landkarten zu kaufen. Das Beben war ungeheuerlich, meine Beine versagten die ersten Sekunden ihren Dienst, alle schrieen, fielen vor mir mit Kindern auf dem Arm zu Boden, ich riss einige hoch und versuchte mich auf die Strasse zu retten. Dann holte ich den Jeep, wollte die gewohnte Strecke fahren, die aber durch umgestürzte Strommasten blockiert war. Gegen Vernunft und Instinkt fuhr ich in eine kleine Seitengasse als einzigen Ausweg, denn ich hatte nur einen Gedanken,- ich muss zurück ins 15 km entfernte Hospital, denn ich ahnte, dass unser Nachbarort Sankhu mit den vielen alten Häusern in Trümmern liegen würde. Ich fuhr auf brutalste Weise über Schuttberge und herunterhängende Stromleitungen und habe es wie durch ein Wunder geschafft heil aus Kathmandu heraus zu kommen.Im Hospital wurde bereits auf Hochtouren gearbeitet. Alle Frei- und Grünflächen waren mit jammernden Leuten belegt. Unser diensthabendes nepalesisches Personal leistete zusammen mit unseren Gastmedizinern Großartiges und ich war erfüllt von dem Bewusstsein solch ein großartiges Hospitalprojekt mit geschaffen zu haben. Ich bin auch etwas stolz, dass unser Gemäuer so gut gehalten hat, denn wir haben zur Erdbebensicherheit mindestens einen bautechnischen Mehraufwand von 200 Tausend Euro betrieben. Seit 15 Jahren habe ich über dieses Szenario nachgedacht und nun ist es leider eingetreten. In der ganzen Umgebung gibt es keinen Strom und unser großer Generator läuft Tag und Nacht und wir haben noch 8 Dieselfässer zum Nachtanken. Wir sind also voll funktionsfähig und wie eine Fluchtburg für ein Gebiet mit vielen tausend Menschen. Während ich diese Zeilen schreibe, wackelt es schon wieder und ich muss gestehen, dass ich jetzt erst beginne Angst zu bekommen.Wir bräuchten dringend Orthopäden, aber bis die hier sind, wird das Meiste weggeschafft sein. Wir verlegen jetzt auch einige Patienten ins Army-Hospital. Ich mag gar nicht durch die umliegenden Orte laufen. Man spricht von ca. 90 Toten allein in Sankhu. Ich hänge ein paar Bilder an diesen Bericht, die aber nicht entfernt die Situation wiedergeben, denn man hat in solch einem Moment Wichtigeres zu tun als zu fotografieren. Wieder wackelt es,- man kommt sich vor wie eine Ameise, die durch Urgewalten zerquetscht zu werden droht. Soviel zur momentanen Situation in einem kleinen Hospital in Nepal. Macht Euch keine Sorgen, wir werden alles schaffen.

Hein Stahl

 

Wir danken Frau Dr. Susanne Grothey und Hein Stahl für diese Information  Wir danken darüber hinaus auch den Helfern und vor allem ehrenamtlichen Helfern dort vor Ort für Ihr bis  an  Erschöpfung grenzendes Engagement.

 

Linde Arndt für EN-Mosaik

Was sind die europäischen Werte nur wert?

Flüchtlinge auf dem Mittelmeer  Foto: © Graphies.thèque

Flüchtlinge auf dem Mittelmeer Foto:Fotolia © Graphies.thèque

[jpg] 25.000 Menschen sollen im Mittelmeer seit 1990 ertrunken sein. Jahr für Jahr wurden die Ertrunkenen gezählt, soweit man sie aus dem Meer „fischen“ konnte. Eine Kehrtwende sollte das Jahr 2013 bringen. Am 3. Oktober 2013 war ein Schiff mit etwa 500 Flüchtlingen vor der Küste der italienischen Insel Lampedusa untergegangen. 150 Boatpeople, vorwiegend aus Eritrea und Somalia konnten die Italiener retten. 200 Boatpeople wurden danach in Särgen, unter anderen Kinder, in einer Halle aufgereiht, die restlichen Boatpeople werden bis heute vermisst.
Die italienischen Fischer trauten sich nicht die in Seenot geratenen zu retten, weil ihnen Strafen für Menschenhandel angedroht wurden.
Italien, Malta, Zypern und Griechenland stritten um die Zuständigkeit der Seenotrettung. Denn wer die Seenotrettung ausübt ist auch zuständig für das Asylverfahren, die erkennungsdienstliche Bearbeitung der Flüchtlinge und letztendlich für deren Unterbringung, Versorgung und evtl. für deren Rückführung in ihre Heimatländer. Brüssel ließ die Mittelmeeranrainer mit diesen Problemen alleine.
Aber, wie gesagt, 2013 sollte die Wende sein. Die Bürgermeisterin von Lampedusa Giusi Nicolini, schrieb einen Brief an die EU in Brüssel in

Parlamentspräsident Martin Schulz  Foto: Linde Arndt

Parlamentspräsident Martin Schulz
Foto: Linde Arndt

der sie die Frage stellte:“Wie groß muss der Friedhof meiner Insel noch werden?“ Der Brief endete mit einem Apell nach einer Asyl- und Flüchtlingspolitik, die der EU und den Menschen ihre Würde gibt. Giusi Nicolini durfte denn auch ihr Anliegen mit dem Präsidenten der Region Sizilien, Rosario Crocetta, vor der Kommission und dem Rat Ende Oktober 2013 vortragen. Die Kommission war sichtlich betroffen, weil Nicolini als auch Crocetta mit ihren Emotionen sich kaum zurück halten konnten. Der Premierminister von Malta, Joseph Muscat, wollte das Mittelmeer nicht als Friedhof gesehen wissen. Parlamentspräsident Martin Schulz und Kommissionspräsident Mario Barroso versprachen Abhilfe. Barroso reiste denn auch nach Lampedusa um die Zustände zu besichtigen, wobei die damalige zuständige Flüchtlingskommissarin Cecilia Malmström nur Absichtserklärungen abgab, das Problem aber nicht löste.

Dimitris Avramopoulos  Foto: European Commission press service

Dimitris Avramopoulos Foto: European Commission press service

Heute soll der neue Kommissar Dimitris Avramopoulos den Flüchtlingskarren flott machen.
Zu guter Letzt hob die italienische Regierung das Projekt „Mare Nostrum“ aus der Taufe, ab Oktober 2013 sollten die Marineeinheiten die in Seenot geratenen Flüchtlinge frühzeitig aufnehmen. 130.000 Menschen wurden so 2013/2014 gerettet. Mare Nostrum wurde dann aber aus vielen Gründen beendet. Einesteils wollte die EU den Italienern ( Aber auch den anderen Mittelmehranrainer) nicht beistehen und andererseits geriet die italienische Regierung innenpolitisch unter Druck wegen der Kosten.
So wurde von der EU Kommission die Operation Triton durch der EU-Grenzschutzagentur Frontex ins Leben gerufen. Dies hatte EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström dem italienischen Innenminister Alfano am 27. August 2013 zugesichert. Kontrolle und Abwehr standen nun im Fordergrund, Rettung war nebensächlich. Statt 9 Millionen Euro wurden nun 2,8 Millionen Euro monatlich eingesetzt – mehr war nicht drin. Wobei die technischen Ressourcen, wie Schiffseinheiten, durch die Mittelmeeranrainer gestellt werden sollten. Bis heute wurden die gemachten Zusagen, eine belastbare Lösung des Flüchtlingsproblems herbeizuführen, nicht umgesetzt. Auch das Einsatzgebiet wurde verkleinert. Nicht mehr bis an die Grenzen des afrikanischen Kontinents, sondern nur noch in einem 30 Km Umkreis vom Festlandsockel der EU Mitgliedsländer.
Wieder wurden rund 3.500 Ertrunkene an den Küsten aufgesammelt, denn die Seenotrettung stand ja jetzt nicht mehr im Vordergrund.

Und die angekündigte gemeinsame EU Flüchtlingspolitik? Sie stellte sich als eine Kakophonie von Abwehr und Absichtserklärungen dar. Der deutsche Innenminister Thomas de Maizière brachte in einer Äußerung die Konsequenz daraus auf einen Punkt: Wenn die Flüchtlinge es bis an unsere Grenzen (Deustsche Grenzen. Anm.der Red.) schaffen, werden wir sehen was wir machen, so der Innenminister. An Zynismus ist dies kaum zu überbieten. Dann kam die Welle von Diskussionen, welches Land wie viel aufnehmen kann. In Deutschland stritten sogar die Bundesländer und die Kommunen. Im französischen Calais bildete sich ein „Dünen-Camp“ in der Industriezone mit Hunderten von Menschen die unter freiem Himmel unter Kartons campieren. Regelmäßig kommt es zu handgreiflichen Auseinandersetzungen zwischen Eritreern und Äthiopiern. Eine Hundertschaft der Polizei wurde abgestellt um die Gewalt einzuschränken. Sie leben wie die Tiere, ohne Toiletten, Strom oder Waschgelegenheit, angewiesen auf Menschen die ihnen Nahrungsmittel überlassen. Ständig auf dem Sprung einen Lkw zu entern der sie nach Großbritannien bringt – zu ihrem Ziel.

Die EU Staaten nennen immer wieder absolute Zahlen oder wenn es besser klingt relativen Zahlen, um allen klar zu machen: „Das Boot ist voll“. Politische Entscheidungen oder gar Konzepte, Fehlanzeige.

In der Zwischenzeit starben und sterben jeden Tag Menschen im Mittelmeer, leben Menschen in Kartons auf den Straßen der EU oder unter unmenschlichen Bedingungen in Behausungen. Ein Jahr war vergangen, seit die Bürgermeisterin von Lampedusa Giusi Nicolini ihren Brief veröffentlichte und die Kommission war nicht in der Lage eine gemeinsame Asyl- und Flüchtlingspolitik auf den Weg zu bringen.

Ach Europa, beschwörst du nicht in so vielen (Sonntags) Reden immer wieder deine Wertegemeinschaft? Nur, ein Wirtschafts- und Währungsraum wolltest du nicht sein. Welches sind denn nur die gemeinsamen Werte? Die Werte des Geldes, des Gewinns und des Konsums um jeden Preis?

Die allgemeine Erklärung der Menschenrechte der UNO hat Europa unterschrieben, ratifiziert und damit anerkannt. Aber was ist zum Beispiel mit Artikel 3 der Erklärung: „Jeder hat das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person“, um nur einen Artikel zu nennen. Befindet sich dieses Recht in der Abschiebehaft?

Trotz allem wollte die EU Kommission eine gemeinsame Flüchtlingspolitik vorbereiten, die den Werten der EU auch entsprechen sollte. Die nationalen Regierungen im Rat wollten aber augenscheinlich keine gemeinsame Flüchtlingspolitik und bremsten das Vorhaben aus. Hauptsächlich UK, Frankreich und Deutschland wollten dies nicht, ein Freihandelsabkommen (TTIP) versprach mehr Gewinn.
Zynisch wird dieses Flüchtlingskonzept wenn Dublin II und Dublin III, Richtlinien der EU-Kommission, wie mit Flüchtlingen „umgegangen“ werden soll, ins Spiel kommt. Da kommen Menschen bis zu 8.000 km aus Ländern, schlimme Diktaturen, mit denen Europa zusammenarbeitet und die auch noch gefördert werden. Und diese Menschen landen in einer Gefängniszelle um nach einem evtl. dreijährigen Verfahren abgeschoben zu werden.

Viele afrikanische Länder wurden durch die Europäer erst zu dem gemacht, was sie heute sind – Diktaturen, mit Kleptokraten und Oligarchen die das sagen haben. Viele afrikanische Staaten, die sich früher ernähren konnten, müssen heute Nahrungsmittel importieren. Hochsubventionierte Nahrungsmittel werden durch die EU in Afrika eingeführt, so dass die eigene Landwirtschaft nicht mehr mithalten konnte. In der Regel leben die Afrikaner von durchschnittlich 1 Dollar pro Tag. Es leiden über 200 Millionen Afrikaner unter Hunger, Das World Food Programm der UNO kann nicht allen Menschen in Afrika helfen, weil die finanziellen Mittel fehlen. Alleine 6 Millionen Kinder müssen jährlich an Hunger sterben. Und da spricht der Europäer von Wirtschaftsflüchtlingen die nur an unsere Fleischtröge wollen? Wobei alleine die Deutschen bis zu 50% ihrer Nahrungsmittel wegwerfen, teilweise landen die Nahrungsmittel noch nicht einmal in den Regalen, weil sie irgendeiner Norm nicht entsprechen, so die Dokumentation „Taste the Waste“ von Valentin Thurn und das Verbraucherschutzministerium bestätigt das ganze auch noch.

Zurück zu unseren Flüchtlingen die entweder ertrinken müssen, oder, wenn sie Glück haben von einem Schiff der Frontex Operation Triton aufgenommen zu werden, um dann in menschenunwürdigen Verhältnissen in der Regel auf ihre Abschiebung zu warten. Und was macht die EU-Kommission? Es soll nun verstärkt gegen die Schleuser vorgegangen werden. An die Ursache dieser Flüchtlingskatastrophe will man nicht ran, dabei wäre das langfristig der sicherste Weg den Afrikanern eine Perspektive zu schaffen.

Das Flüchtlingsproblem hat 2014/2015 eine neue Dimension angenommen, nicht mehr nur die kleinen Schlauchboote treten die Fahrt über das Mittelmeer an, jetzt werden sogar Schiffe benutzt, die auf irgendeinem Schiffsfriedhof vor sich hin gerostet haben. Es nützt dabei nichts, wenn man nur die Schuldfrage zwischen den einzelnen Institutionen und EU-Staaten hin und herschiebt. Eine Lösung dieses Problems muss geschaffen werden, und zwar schleunigst. Und die Lösung kann nur so aussehen, dass den Afrikanern mit unserer Hilfe in ihren Ländern Perspektiven geschaffen werden, die zum bleiben anhalten. Und zwar nicht auf europäische Art in Nischen kleckern, sondern ein ganzheitliches Konzept muss her.

Dieses ganzheitliche Konzept führt uns direkt zu den Werten für die wir Europäer so gerne eintreten, zum Beispiel dem Solidarprinzip. In diesem Falle könnten die Europäer es sogar beweisen.
Und noch eines sollten unsere europäischen Werte befeuern und zum handeln anhalten, da sind „die namenlosen Flüchtlinge“, die im Mittelmeer begraben liegen. Die EU sollte den Flüchtlingen ihre Würde wieder geben, indem sie zumindest die Namen der Ertrunkenen ermittelt. Und, wie kann die zur Zeit mit hohen moralischen Werten vertretene Ukrainepolitik der EU glaubhaft sein, wenn auf der anderen Seite solch eine menschenverachtende Flüchtlingspolitik der EU Tag für Tag sichtbar wird?
So, sind die gemeinsamen Werte, wenn sie nicht gelebt werden, nur für die Sonntagsreden zu gebrauchen.

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Brüssel

 

Chaotisches mit der Ratssitzung in Brüssel

Hollande - Merkel  Foto: Linde Arndt

Francois Hollande und Angela Merkel Foto: © Linde Arndt

[jpg] Soldaten des belgischen Militärs streifen bewaffnet durch die Straßen des Europaviertels in Brüssel, dazwischen fahren Spezialeinheiten der Polizei mit Blaulicht herum. Das alles wegen der Terroranschläge in Paris vom 7.1.2015. Präsenz des Staates war angesagt, und zwar nicht zu knapp. Allerdings wussten die Soldaten und Polizisten sich dezent im Hintergrund zu halten. Beschaulichkeit war diesmal nicht auf der Agenda.

Dazu wurde das Consilium, also der Rat der Europäischen Union, von 13:00 Uhr auf 15:00 Uhr verschoben, weil Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident François Hollande in Minsk einen Friedensplan für die Ukraine verhandelten. 17 Stunden dauerten die Marathonverhandlungen bis OSZE Botschafterin Heidi Tagliavini, der ehemalige Präsident der Ukraine, L. D. Kuchma, der Botschafter der Russischen Föderation in der Ukraine, M. Yu. Surabov, A.W. Sakharchenko für das Donezk Gebiet und I.W. Plotnitski für das Luhansker Gebiet ihre Unterschriften unter das erarbeitet Dokument gesetzt hatten.Die Präsidenten Poroschenko (Ukraine), Hollande (Frankreich), Putin (Russische Förderation) und Bundeskanzlerin Merkel unterschrieben wohlweislich das ausgefertigte Dokument nicht.

Poroschenko   Foto:  ©  Linde Arndt

Poroschenko Foto: © Linde Arndt

Der ukrainische Präsident Poroschenko, drohte fortwährend mit dem Kriegszustand. Übrigens sprach keiner von einem Kessel Debalzewo, nicht einmal der Ort wurde erwähnt, obwohl in dem Kessel „fleißig“ getötet wurde. Danach ging es ab in den Flieger und rund 1.600 km nach Brüssel.

Der Bundeskanzler der Republik Österreich Werner Faymann hat es am Eingang des Ratsgebäudes auf den Punkt gebracht: „Es ist ein besonderer Tag indem der erste Schritt für einen Friedensplan in der Ukraine gemacht wurde, man muss jetzt mal sehen wie es weiter geht.“  Ab Sonntag sollen in der Ukraine die Waffen ruhen, die schweren Waffen sollen von der Front zurück gezogen werden. Und man hatte sich auf eine Frontlinie geeinigt. Allerdings waren die Verträge noch nicht einsehbar. Aus dem Umfeld der beiden Parteien waren über die einzelnen Punkte keine begeisterten Kommentaren zu hören. Alexander Sachartschenko, Präsident der Donezk Republik, wollte mit seinen Leuten die Unterschrift unter dem Vertrag verweigern. Überhaupt waren viele Punkte des Vertrages, so wie sie bekannt wurden, als zu schwach formuliert. Zu viele Interpretationsmöglichkeiten sind schon immer für Verträge schlecht gewesen. Minsk I hielt auch aus diesem Grund nicht lange. Auch soll kein Folge-Terminplan und Umsetzungs-Plan existieren. Wer die Vereinbarungen kontrollieren soll, wurde auch nicht festgelegt. Nur eines wurde klar festgelegt, die Zentralregierung in Kiew erhält 17,5 Milliarden Dollar an Hilfsgeldern vom IWF. Wesentlich ist jedoch, die Europäer haben ihr europäisches Problem alleine gelöst. (Haben sie das?) Es scheint so, als wenn ein größerer europäischer Krieg, der nicht in den  Griff zu bekommen wäre, vorerst einmal mit diesem Friedensplan abgewendet wurde.

Normalerweise wäre dieses Problem für jeden genug, nur die EU bekam noch ein nicht unwesentliches Problem dazu – Griechenland. Beide Themen korrelierten sogar mit einander, indem der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras gedanklich die Russische-Föderation als Ersatz-Geldgeber ins Spiel brachte.
320 Milliarden Euro Schulden hat Griechenland bei EU, IWF und EZB. Im Gegenzug hat sich Griechenland verpflichtet umfangreiche Reformen durchzuführen, die von einer Troika überwacht werden. Griechenland ist gut bei den Reformen voran gekommen, nur es entstand kein Effekt im Hinblick auf eine Schuldensenkung – im Gegenteil. Nach Jahren stellt sich heraus, die Austeritätspolitik der EU hat bei den Griechen versagt. Es sind in Griechenland umfangreiche soziale und wirtschaftliche Verwerfungen zu beobachten, die absehbar den Griechen keine Luft für eine Investitionspolitik lassen. Der Schuldenabbau geht aber auch nicht voran, im Gegenteil.

Die Bevölkerung hat reagiert und die alte konservative Regierung von Antonio Samaras ( Nea Dimokratia ) wurde abgewählt und von der 2012 gegründeten linken Syriza abgelöst. Alexis Tsipras hat auch direkt nach der Vereidigung als Ministerpräsident sofort alle Verträge gekündigt und Neuverhandlungen gefordert. Die „verhasste Troika“ die, Tsipras Meinung nach, dem griechischen Volk die Würde nimmt, die möchte er in seinem Land nicht mehr sehen. Nach diesen spektakulären Ankündigungen tourte Ministerpräsident Alexis Tsipras und sein Finanzminister Yanis Varoufakis erst einmal durch die EU Mitgliedsstaaten um Verbündete zu suchen. Er fand sie in Italien oder Spanien, wobei Spanien mit der neuen linken Partei Podemos eines Pablo Iglesias Turrión die Mehrheit im spanischen Parlament in diesem Jahr übernehmen könnte. Tsipras mit seinem Finanzminister Yanis Varoufakis fordert nicht mehr und nicht weniger als einen Pradigmenwechsel im Hinblick auf den Schuldendienst eines Staates.

Es kann doch nicht sein, dass in einem Staat wie Griechenland ohne Ende Suppenküchen aufgemacht werden müssen, die Menschen von heute auf morgen keine Krankenversicherung mehr haben, ihr wohl verdientes Einfamilienhaus verlieren und sich auf der Straße wieder finden, ohne jemals Aussicht auf eine Besserung der Lebenssituation zu haben. Die Suizidrate bei Erwachsenen und bei Kinder  steigt signifikant. In Griechenland ist vieles schief gelaufen ohne das eine Troika dies jemals registrierte.

Was Alexis Tsipras und Yanis Varoufakis wollen, ist ein vernünftiger Mix aus sparen und investieren. Es kann nicht mehr gespart werden als das, was ein Land erwirtschaftet. Und, die Wirtschaft ist für den Menschen da und nicht umgekehrt.

Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble haben in ihren Äußerungen schon erkennen lassen, dass sie nicht auf der Seite der neuen griechischen Regierung sind. Für sie gilt, die Griechen sollen weiter so verfahren, wie mit der Vorgängerregierung abgemacht. Das hört sich so an wie Operation wird gelingen, auch wenn der Patient dabei sterben wird.

Rsipreas - Renzi  Foto: © Linde Arndt

Alexis Tsipras und Matteo Renzi Foto: © Linde Arndt

Ein weiterer Aspekt ist die Jugend der neuen Politiker-Generation aber auch das viel umfangreichere Wissen. Die Generation Schäuble ist mit 72 Jahre, gegenüber der Generation Alexis Tsipras oder Matteo Renzi, die rund 40 Jahre sind, in die Jahre gekommen. Die europäische Linke ist radikaler als die Sozialisten der europäischen Party of European Socialists (PES).  Zu lange haben die europäischen Sozialisten mit der Mitte immer mehr an Stimmen verloren. Die Generation Alexis Tsipras oder Matteo Renzi sind frisch und unverbraucht und könnten einer europäische Sozialpolitik mehr Kraft geben.

Selbst Parlamentspräsident Martin Schulz verhehlt nicht seine Sympathie mit der neuen griechischen Regierung und plädiert dafür ihnen eine Chance einzuräumen, damit sie sich zuallererst einmal findet um in eine klarere Linie hinein zu wachsen.

Am Rande des Treffens wurde auch über das Massengrab Mittelmeer gesprochen. Über 300 tote Flüchtlinge wurden von den Italienern aus dem Wasser gezogen. Parlamentspräsident Schulz mahnte zum wiederholten mal eine Flüchtlingspolitik an. Allerdings sagte er in der gleichen Konferenz, dass die Grenzen der EU, und dazu gehören auch die Seegrenzen im Mittelmeer, besser bewacht werden sollten.

Die EU bleibt eine riesengroße politische Baustelle, die nicht wesentlich weiter kommt als wie zu einer Wirtschafts- und Währungsunion (WWU). Migrationspolitik ist für Brüssel nur ein Fremdwort.

Jürgen Gerhardt für european-mosaic aus Brüssel.

 

 

Wo Demokratie draufsteht muss nicht Demokratie drin sein

Panel 12. Debatte TTIP  Foto: Linde Arndt

Panel 12. Debatte TTIP Foto: Linde Arndt

[jpg] In Brüssel muss man differenzieren. Und zwar immer. Es geht um die demokratisch legitimierten Kräfte oder Institutionen. Demokratisch in Brüssel legitimiert heißt, es fand europaweit eine demokratische legitimierte Wahl statt. Wichtig ist das dann, wenn man wissen will, für wen Die- oder Derjenige spricht und auch handelt. Für seinen Staat, für Europa, für seine Wirtschaft oder gar für eine übergeordnete Macht.

So ist der Rat der europäischen Union (Rat), also die 28 Regierungschefs, die oberste Instanz in der EU,  nichts geht gegen ihn. Die Regierungschefs der zur Zeit 28 Länder treffen sich regelmäßig und entscheiden über Gesetze, Richtlinien, Verordnungen, die von dem Parlament und der Kommission erarbeitet wurden. Fast die Hälfte aller Arbeiten wandern durch den Rat in den Papierkorb.  Nur ein Land braucht gegen eine Vorlage zu stimmen um die Vorlage zu Fall zu bringen. Das wesentliche am Rat, die Teilnehmer, wenn es sich um einen Regierungschef handelt, werden von ihren nationalen Parlamenten gewählt, nicht von ihrem Volk und schon gar nicht vom europäischen Volk. Der Rat ist also weit davon entfernt demokratisch legitimiert zu sein.

Kommen wir zu der zweiten Institution, der Europäischen Kommission (Kommission). Die Kommission besteht aus ihrem Präsidenten und zur Zeit aus 27 Kommissaren. Das sind 28 Personen, die vom Rat vorgeschlagen werden und vom Parlament „abgesegnet“ werden. Die Kommission wird zwar vom europäischen Parlament gewählt, das Parlament hat jedoch nur indirekt Einfluss auf die qualifizierte Zusammensetzung der Kommission. Auch hier, die Kommission ist weit weg von einer demokratischen Legitimation. Rat und Kommission stellen den immer wieder reklamierten größten Bürokratieaufwand dar. Dieser Bürokratieaufwand ist jedoch alleine von den Regierungschefs des Rates zu vertreten. eu-grafik


Entfernung von der demokratischen Legitimation.

  Und zum letzten gibt es noch eine Besonderheit, „Der Ausschuss der Regionen“ (ADR) oder ​“The Committee of the Regions“ (CoR). Mitglieder sind die Bürgermeister, Landräte oder Mitglieder einer Gebietskörperschaft (Stadtrat oder Regionalverbände). Dieser ADR hat ein Mitwirkungsrecht und wird bei Vorlagen zu Rate gezogen. Er empfiehlt, schlägt vor oder nimmt Stellung, gegenüber den Ausschüssen oder der Kommission zu den Vorhaben der EU. Seine Legitimation ist die Wahl seiner Mitglieder in ihren Gebietskörperschaften. Sie sollen aus der lokalen Sicht die vorgelegten Arbeiten betrachten. Da die 353 Mitglieder in ihren Regionen direkt oder auch indirekt gewählt wurden, haben sie eine hohe demokratische Legitimation. Die Kommission führt zur Zeit Verhandlungen mit den USA über TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership), TISA (Trade in Services Agreement) und das ISDS (Investor-State Dispute Settlement). TTIP ist der freie Handelsbereich, TISA ist der freie Dienstleistungsbereich und ISDS ist der Bereich des Investorenschutzes. Das mit Kanada verhandelte CETA Abkommen (Comprehensive Economic and Trade Agreement)  steht vor der Ratifizierung bis Ende 2014.

Plenar-Sitzung  Foto: Linde Arndt

Plenar-Sitzung Foto: © Linde Arndt

Nun hatte die Kommission zwar das Parlament und die Ausschüsse über TTIP und ISDS informiert, nicht jedoch den ADR/COR. Die Mitwirkung des Ausschusses wurde schlicht vergessen. Das der Ausschuss sich dies nicht gefallen ließ war vorprogrammiert. Denn die vorgenannten Abkommen gelten als „Geheimabkommen“. Selbst in den USA dürfen die beiden Häuser, Kongress und Senat, den Stand dieser Abkommen nur einsehen und dürfen sich keine Aufzeichnungen machen. Für eine Demokratie wie die USA, die als Führungsnation dastehen will, unhaltbar. Und in Brüssel? Auch hier sind die Verhandlungsprotokolle nicht einsehbar. Was bis heute über die Verhandlungsdelegationen herauskam, war für die europäischen Abgeordneten erschreckend. Denn es kann doch nicht sein, so der Tenor, dass Europa seine  Standarts einem nicht beweisbaren Wachstums- und Arbeitsplatzversprechen opfert. Denn das NAFTA (North American Free Trade Agreement) hat in seiner Umsetzung nur eines gezeigt, die Kleinen verlieren und die Großen gewinnen.  Für Mexiko kam zum Beispiel nur ein Sterben kleiner landwirtschaftlicher Betriebe heraus, tausende Arbeitsplätze waren davon betroffen. Es kam heraus, dass die diversen Studien zu diesem Abkommen geschönt wurden. Tatsächlich kam nur ein Wachstum von 0,05 pro Jahr heraus, als sich jemand mal die Mühe machte die Studien zu überprüfen. Unterm Strich kommen in den neuerlichen Berechnungen ein paar tausend Arbeitsplätze heraus. Warum also, wurde der ADR übergangen? Warum sind die Verhandlungen geheim? Der ADR/COR bat aus diesem Grund EU-Handels-Kommissar Karel de Gucht und den amerikanischen Botschafter bei der EU Anthony L. Gardner zur Sitzung, um die drängenden Fragen zu klären. Der neue ADR/COR Präsident Michel Lebrun betonte zu Beginn der Sitzung im Charlemagne-Gebäude, ein Gebäude der Kommission, die Bedeutsamkeit dieses Abkommens für Wachstum und Arbeitsplätze. Kommissar Karel de Gucht zeichnete ein allgemein positives Bild von diesem Abkommen – Handelshemmnisse, wie die Teilnahme an den Ausschreibungen, Abbau von Regulierungen oder aber auch die noch bestehenden Zölle bei Textilien. Hindernisse zwar abbauen aber den bestehenden Schutz der Bürger in der EU nicht beseitigen. In den Sektoren Pharma oder Automobil könnten die Standards angeglichen werden. In Punkto Investitionsschutz, also ISDS (Investor-State Dispute Settlement befindet man sich mit den USA noch in einer Streitpause. Die Pause will man jedoch in den nächsten Monaten beenden und mit weiteren Diskussionen beginnen. Warum dieses Abkommen nicht mit der WTO in der stockenden DOHA Runde umgesetzt wird, kein Wort darüber. Überhaupt waren nur allgemeine Argumente zu vernehmen, die nichts klärten.

Auch von US Botschafter Anthony L. Gardner war nichts Konkretes zu erfahren, außer dass er sich auf die weiteren Verhandlungen mit der neuen Handels-Kommissarin Cecilia Malmström aus der neuen Junker Kommission freue. Diese hatte sich ausdrücklich bei einer Parlamentsanhörung für dieses Abkommen ausgesprochen. Bei TTIP gehe es nicht ausschließlich um Profit, vielmehr will die USA Mitglied des bestehenden EU-Binnenmarktes werden, dadurch würden die USA attraktiver in Europa. Gleichzeitig würden die KMUs gefördert, sprich der Mittelstand.(Und jetzt kommt es) 4,2 Millionen Arbeitsplätze werden geschaffen! (Das sind schon wieder die bekannten Studien, die ja bereits widerlegt sind) Die Botschaft von US Botschafter Anthony L. Gardner – es ist alles gut. Und wir (USA) werden die Öffentlichkeit mit ins Boot holen. Allerdings schränkte er ein: Nicht alle Dokumente können zugänglich gemacht werden. (Warum?) Weil wir darüber noch verhandeln und die Veröffentlichungen zu Unsicherheiten führen würden. (Wer es glaubt.)

Markus Töns (SPD) aus NRW will TTIP nicht zu jedem Preis und stellt die Frage, ob TTIP nur den Konzernen nutzt. ISDS lehnt er ab; denn die EU ist für ihn eine Wertegemeinschaft und keine Wirtschaftsgemeinschaft.
Markku Markkula (EVP/FI) will das Abkommen nochmals überprüfen, da der ADR nicht zu den Gesprächen der Kommission eingeladen war. Was ist bei den öffentlichen Anhörungen heraus gekommen, 150.000 Einwände sind zu ISDS eingegangen? Was passiert wenn ISDS aus dem Abkommen heraus genommen wird?
Karl-Heinz Lambertz (SPE) will nicht den Kopf für etwas hinhalten, ohne zu wissen worum es geht. Solche Abkommen lassen sich nicht so einfach bei der Bevölkerung durchsetzen.
Anthony Gerard Buchanan (EK/EA) reklamiert die mangelnde Transparenz. Wachstum ja, aber nicht um jeden Preis. Eine Privatisierung des Gesundheitssystems lehnt er vollkommen ab. Und so ging es im Tenor weiter.

 

Markus Töns (SPD) ist demnach der Berichterstatter für TTIP. Nachdem die Mitglieder des ADR/COR ihre Positionen vor dem Ausschuss dargelegt hatten, nahmen Kommissar Karel de Gucht und US Botschafter Anthony L. Gardner noch einmal Stellung. Karel de Gucht wollte schon früher das Abkommen offen legen, wurde aber durch den Rat daran gehindert, namentlich nannte er die deutsche Bundeskanzlerin, die die Zustimmung zur Offenlegung des Abkommens verweigerte. Auch sieht er es als unmöglich an, eine Offenlegung anzustreben, wenn die USA alles geheim behandelt, so Karel de Gucht.

US Botschafter Anthony L. Gardner unterstellt den Mitgliedern und den Kritikern eine falsche Wahrnehmung, denn bei den Stakeholder (Teilnehmer) Versammlungen haben wir alle Informationen heraus gegeben. (Besser kann man es nicht machen?) Und im übrigen wird die Schwelle der ISDS sehr hoch sein um ein Schiedsgericht anrufen zu können, so Gardner.

Im Grunde wollten oder konnten beide nichts Konkretes von sich geben, deshalb auch nur die Worthülsen und einige Sprachregelungen, die kaum etwas zur Aufklärung taten. Auf den Fluren waren die Mitglieder des ADR auch etwas enttäuscht, man wird sehen welche Informationen der Berichterstatter bekommt. Aber wie gesagt, der ADR/COR hat nur! ein Mitwirkungsrecht. Mit Demokratie hatte das nichts zu tun.

Jürgen Gerhardt für european-mosaic und EN-Mosaik aus Brüssel.