[jpg] Es geht um Wort, Tat, Raum und Zeit. Dieses sind die hervorstechendsten Inhalte des Prometheus nach Aischylos. Carl Orff erkannte offensichtlich die Zeitlosigkeit dieser Tragödie und schuf dieses eindrucksvolle Musiktheater. So ändern sich die Zeiten, in meiner Schulzeit hätte ich für dieses Aischylos Drama in der Übersetzung die größten Probleme bekommen. Damals kannten die Altphilologen unserer Schule keine Gnade, es musste übersetzt werden. Am 16. September war Premiere des Prometheus nach Aischylos von Carl Orff in der Duisburger Kraftzentrale Im Rahmen der Ruhrtriennale. Das ganze Stück in Altgriechisch und das mit meinen weniger als rudimentär zu nennenden Sprachkenntnissen. Es kam aber ganz anders, denn Peter Rundel (Musikalische Leitung) und Lemi Ponifasio ( Regie, Bühne und Kostüm ) brachten einen Prometheus zur Aufführung, der die Inhalte erfahr- und erfühlbar machte. Musik als Sprachverstärkung, die aber die Sprache nicht unterdrückt, vielmehr die inhaltliche Dramatik des Stückes verstärkt um der Erfahrbarkeit des Stückes wegen. Und das Stück hat es in sich und konnte in der Duisburger Kraftzentrale aus dem Vollen schöpfen. Die Halle, rund 170 meter lang, die noch vorhandenen Industrieaufbauten, die morbide erscheinenden Wände mit dem verspiegelten und indirekt beleuchteten Bühnenbild, mit einer zerklüfteten Wand (Felswand)auf der rechten Seite, auf der das Orchester mit seinem Dirigenten spielte. Eine unendliche Fläche tat sich dem Betrachter auf. Dies alles ließ ein diffuses Gefühl der Hoffnungslosigkeit aufkommen.
Zum Inhalt und Hintergrund der Tragödie:
In der griechischen Mythologie herrschte Kronos über die Welt. Kronos der seinen eigenen Vater Uranus durch Kastration entmachtet hatte, fürchtete selber durch seine Kinder gewaltsam entmachtet zu werden. Um dem zu entgehen fraß er seine eigenen Kinder die er mit seiner Schwester Rhea hatte. Rhea versteckte das jüngste Kind Zeus und gab dafür Kronos einen in Windeln gewickelten Stein, den Kronos auch sogleich verschlang. Als Zeus groß wurde überwältigte er seinen Vater Kronos und verbrachte ihn für immer auf die „Insel der Seligen“. Einer der Helfer und Freunde von Zeus war unter anderem Prometheus. Als Zeus nun über die Welt herrschte kümmerte sich Prometheus um die Menschen, er brachte ihnen das Feuer aber auch die Hoffnung. Nur für Zeus waren die Menschen wegen ihrer Sterblichkeit aber auch mangelhaften Einstellung zum Recht unvollkommen, er verbot jedem ihnen in irgendeiner Form zu helfen. Prometheus, höchst moralisch, stellte sich mit dieser Tat gegen Zeus,den Herrscher der Welt. Prometheus dachte allerdings auch, dass seine Freundschaft mit Zeus belastbarer wäre. Ein Irrtum! Zeus schickte Kratos (Macht) mit seiner Schwester Bia (Gewalt) und dem Schmied Hephaistos um Prometheus im fernen Kaukasus für immer an einen Felsen zu schmieden, denn töten konnte Zeus den unsterblichen Prometheus nicht. Um dem Ganzen einen weiteren dramatischen Aspekt zu geben, musste der Adler Ethon jeden Tag dem gefesselten Prometheus die Leber aus dem Leib zerren und verzehren. Prometheus hatte aber noch eine weitere Eigenschaft, er war ein „Seher“ oder Voraussehender und als solcher wusste er auch um das Ende der Herrschaft des Zeus. Zeus schickte Hermes um von Prometheus diese Information zu bekommen, dieser verweigerte sich dem Zeus. Soweit die Inhalte dieser Tragödie mit einigen Hintergrundinformationen des Stückes, um ein Verständnis für dieses zu erreichen. Es ist ein hochdramatisches Stück welches gerade von dem amerikanischen Regisseur Ridley Scott adaptiert und umgeschrieben wurde. Die Ruhrtriennale 2012 brachte nun den Orffschen Prometheus in Duisburg zur Aufführung. Lemi Ponifasio und Peter Rundel ist es gelungen die Tragödie in Altgriechisch zu inszenieren ohne beim interessierten Besucher das Gefühl aufkommen zu lassen, man benötige die dafür notwendigen altgriechischen Sprachkenntnisse.
Kommen wir nun zur Duisburger Aufführung:
Wenn der Besucher seinen Platz eingenommen hat, sieht er links vorne Prometheus im Halbdunkel sitzen. Das Licht für die Besucher geht aus und die Bühne erscheint einem unendlich weit, in der „Ferne“ sieht man eine Gestalt sich vor einer Wand bewegen. Je nach Inhalt wird die Bühne mittels Licht, Video oder Spiegelung erweitert. Von rechts oben erkennt man den Dirigenten, der die Verbindung zur Handlung und seinem Orchester aufrecht hält.
Kratos, Bia und Hephaistos kommen wie Schattenmenschen herein um über die Fesselung des Prometheus zu sprechen. Hephaistos zögert den Befehl von Zeus auszuführen, da er mit Prometheus verwandt ist – verständlich. Kratos und Bia sind als typische Befehlsempfänger angelegt, die über den Befehl hinaus Prometheus gequält sehen wollen. Hephaistos ist dabei nur ausführendes Individuum. Prometheus erkennt seine Not und ruft sie in die Welt. Prometheus ist nun physisch zweigeteilt indem er im hinteren Teil der Bühne auf einem „OP-Tisch“ oder „Opferstein“ liegt und vorne links rezitierend oder singend das Geschehen begleitet. Durch seine Anklage erscheinen die Okeanidentöchter die an dem Leid des Prometheus teilnehmen wollen. Die Töchter bieten ihre Hilfe an, erwarten aber eine andere Grundhaltung des Prometheus gegenüber Zeus. Der Frauenchor, ChorWerk Ruhr unter der Leitung von Florian Helgath, erscheint Libellen gleich und die Okeanidentöchte rumringen schützend die Gestalt des Prometheus .Stimmlich und sprachlich ein hervorragend besetzter Chor. Aus diesem Chor treten 3 Solistinnen hervor, die die Qualität dieses Chores besonders unter Beweis stellen.
Okeanos tritt auf um Prometheus zum Einlenken gegenüber Zeus zu bewegen. Auch er versucht Prometheus die Schuld an dieser Strafe zu zuweisen. Nun geht zum ersten mal auf allen Vieren im Hintergrund ein "Mensch" über die Bühne. Okeanos will vermitteln, will aber Zeus die Nachricht vom Nachgeben des Prometheus überbringen. Prometheus lehnt die Vermittlungsbemühungen jedoch ab.
Es tritt Io Inachis auf die Bühne. Io hatte eine Beziehung mit Zeus. Io ging diese Beziehung nur ein, weil in ihrem Umfeld ihr alle dazu rieten. Letztendlich wurde sie von ihrem Vater Inachis verstoßen, von Hera der Frau des Zeus bestraft und irrt als Kuh verbannt in der Welt herum. Io haderte mit ihrem Schicksal und hörte vom gleichgelagerten Schicksal des Prometheus. Trotz ihrer eigenen scheinbar unlösbaren und belastenden Probleme bot sie Prometheus ihre Hilfe an. Prometheus lehnt jedoch auch hier ab. Warum? Beiläufig erzählt Prometheus Io, dass er wisse wann die Zeit des Zeus gekommen wäre und auch er (Zeus) untergehen würde. Io versucht Gesprächsweise den Zeitpunkt des Untergangs von Zeus herauszubekommen. Prometheus schweigt hierzu jedoch. Io geht.
Hermes tritt auf und will von Prometheus wissen wann der Zeitpunkt und die Umstände des Sturzes von Zeus kommen würden. Prometheus will diese Information jedoch nur heraus geben wenn Zeus seine Fesselung an den Felsen rückgängig macht. Hermes kündigt Prometheus aufgrund dieser Weigerung den Untergang in den Tartaros an ( Das ist die Hölle (Hades) unter der Hölle, also eine Steigerung der Hölle.) Die Oceaniden bitten Prometheus dem Verlangen von Zeus zu entsprechen. Prometheus lehnt kategorisch ab; denn er weiß um seiner Unsterblichkeit und sein vorausschauendes Wissen. Prometheus will das sich die Oceaniden um ihrer selbst in Sicherheit bringen, sie bleiben jedoch.
Prometheus bezichtigt nun Zeus der Ungerechtigkeit aber auch der „Tyrannei „ Prometheus versinkt mit den Okeaniden und dem Felsen in den unendlichen Tartaros. Soweit den Ablauf der Handlung.
Versuch einer Interpretation der Aufführung
Als Carl Orff 1968 das Stück zur Aufführung brachte, wollte er es nicht psychologisiert sehen. Orff, ein Humanist, wollte der alten Sprache und den Inhalten der großen griechischen Dichter wieder zur neuen Geltung verhelfen. Nur er wusste damals sicher nicht wie die Psychologie sich entwickeln würde. Heute kennen wir auch massenpsychologische Zusammenhänge und deren Ursachen. Prometheus ( Wolfgang Newerla ) spielt seine Rolle unaufgeregt und souverän im Bewusstsein seiner eigenen Macht. Stimmlich ein Heldenbariton, der weit über die für einen Heldenbariton notwendigen Oktaven verfügt, schauspielerisch ist dies (immerhin) 2 ½ Stunden ohne Pause von Wolfgang Newerla als herausragende Leistung anzusehen. Die Wechsel vom Gesang zu den Rezitationen und umgekehrt waren wie gewollt und ohne Brüche. Und dieser Wechsel ist notwendig um vom klagenden oder anklagenden Prometheus zum souverän agierenden Wissenden zu gelangen, der – immerhin noch – ein Faustpfand gegenüber Zeus in der Hinterhand hat. Die Macht des Wissens ist das Thema. Aber auch die Macht des Wortes. Auf der anderen Seite zieht er seine Stärke aus den der Menschen erbrachten Taten. Immerhin hat er die Menschwerdung nicht nur unterstützt sondern sie wesentlich vorangetrieben. Ponifasio lässt wie unbeabsichtigt einen Menschen auf allen Vieren ab und an über die Bühne laufen, Prometheus suchen und letztendlich auch finden. Ein rührendes Erlebnis, wie der auf allen Vieren gehende Mensch sich aufmacht auf „beiden Beinen“ zu stehen. Vor ihm stehen seine Spezies auf zwei Beinen und er steht langsam auf und geht in die Spezies Mensch über. Mag sein, er geht auch unter; denn alle verschwinden in einer Dunkelheit ( Der Geschichte?). Dies alles als Schattenspiel angelegt. Ein Traum, ein Wunschdenken? Zeus der immer das Stück bestimmt, ist klar in seiner Anlage ein Tyrann und hat nicht umsonst die Ängste seines Sturzes entwickelt. Io eine Frau die alles richtig gemacht hat und doch bestraft wird. Brigitte Pinter mit einer gewaltigen Stimme ausgestattet, bringt die widersprüchliche Persönlichkeit der Io über alle Maßen zur Geltung. Der Wechsel von hysterisch, jammernd zu neugierig oder erzählend gelingt Brigitte Pinter ohne Probleme. Sie will nicht mehr verbannt und als Kuh durch die Welten gehen, jeder Verbündete ist ihr da recht um an ihr Ziel zu gelangen. In soweit haben Prometheus und Io die gleichen Probleme, die sie zu Verbündeten machen müsste. Ponifasio legt zwar eine starke Io an, erkennt aber die Schwäche in dieser Frau, die nichts in der Hand hat.
Stichwort die Zeit.
Ponifasio lässt auf beiden Seiten der Bühne im Halbdunkel die Okeaniden als auch die Menschen in langsamem Takt die Seitenbühne abschreiten, ein nicht abreißender Strom. Als sich alles zuspitzt und das Schicksal Prometheus unausweichlich ist, sind auch Mensch und Okeaniden verschwunden – die Zeit ist um.
Stichwort Raum.
Ponifasio benutzte die gesamte Länge der Duisburger Kraftzentrale um die Tat, also Prometheus Fesselung im Hintergrund und das Wort, also die Klage und das Anklagen des Prometheus im Vordergrund darzustellen. Durch diese Anordnung tritt die Handlung der Fesselung durch Zeus in den Hintergrund. Das Mitleiden der Okeaniden und das schützen wollen ist eine Großtat auf der Handlungsebene. Und im Hintergrund geht Prometheus physisch auch unter, nicht jedoch das Wort als Ideal, dies verbleibt vorne bei dem Menschfreund. Mag der Körper auch vergehen, die Idee, ist sie einmal gesagt und getan, bleibt für immer.
Stichwort Politik.
Dieses Stück ist hoch politisch angelegt; zeigt es doch eindringlich die Bewegungs- und Rückständigkeit eines Tyrannen und damit des Systems. Zeus, der narzistisch nur seinem Ego verpflichtet ist. Prometheus ist hierbei der Erneuerer und Veränderer der die Blockaden des Systems überwinden will, indem er einer unterdrückten Spezies hilft sich überhaupt erst zu entwickeln. Er bringt erst das System nach vorne. Aus seiner Person ergeben sich die brennenden Fragen, die jedes Individuum in seiner Uranlage fragt. Seine Erkenntnis zieht er aus einem wie immer gearteten kategorischen Imperativ im Kant´schen Sinne. Und das Macht seine Stärke aus und ist die Schwäche seines Widersachers Zeus. Durch den Untergang von Prometheus, den Zeus nun herbeigeführt hat, wird nur eines für Zeus gewonnen – Zeit – die er aber nicht hat. So hat Ponifasio Prometheus im Schlussbild mit ausgebreiteten Armen – noch den Qualm des Untergangs bei sich als Mahnmal – in den Tartaros fahren lassen. Denn eines haftet Prometheus, dem Titanen an, die Unsterblichkeit. Ich denke Orff und Ponifasio wollten beide das gleiche, die Unsterblichkeit der Menschwerdung. Hier wird es nie einen Abschluss geben, es wird ein immerwährender Prozess sein. Im Nachhinein gibt es ein großes Lob und zwar ohne Einschränkung. Ja, man hätte ein Laufband installieren können und die Übersetzung von Heiner Müller ablaufen lassen können. Aber was hätte das gebracht? Eine handvoll Altphilologen hätten Übersetzungsfehler gefunden. Aber der große Rest des interessierten Publikums wäre durch diese Laufbänder abgelenkt worden. Und nein, man hätte es eben nicht in deutsch übersetzen sollen. Denn dadurch wäre das Zusammenspiel von Musik und Sprache gefährdet worden. Die altgriechische Sprache hat einen ganz anderen Rhythmus und nur darauf war die Musik abgestimmt. Und im übrigen – zu jeder Aufführung gehört eine Vorbereitung und ein Programmheft. Viele hatten beides und haben einen Hochgenuss gehabt. Sie auch? Es war zu jeder Zeit eine spannende Aufführung, durch die Ponifasio, Rundel und Helgath dem Besucher das tragische der Prometheus Tragödie so nahe gebracht hatte, das Lust auf mehr entstand.
Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Duisburg
[Fotos und Collage: © Linde Arndt]
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Prometheus Untergang in den Tartarus ( Unter der Hölle) |
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…………….Grundinformationen zur Tragödie ………………..
Prometheus nach Aischylos (Musiktheater)
Von: Carl Orff
Uraufführung: 24. März 1968 (Stuttgart, Staatstheater Stuttgart)
Zur Inszenierung der Ruhrtriennale2012:
Premiere: 16. September 2012 (Kraftzentrale, Duisburg)
Musikalische Leitung: Peter Rundel
Regie, Bühne, Kostüm, Video: Lemi Ponifasio / MAU
Licht: Helen Todd
Dramaturgie: Stephan Buchberger
Klangregie: Norbert Ommer
Einstudierung Chor: Florian Helgath
Besetzung:
Prometheus: Wolfgang Newerla, Ioanne Papalii (MAU Company)
Kratos: Thomas Moewes
Bia: Kasina Cambell (MAU Company)
Hephaistos: Eric Houzelot
Okeanos: Dale Duesing
Io Inachis : Brigitte Pinter, Helmi Prasetyo (MAU Company)
Hermes: David Bennent
Tänzer: MAU Company
Chor: ChorWerk Ruhr
Orchester: Ensemble musikFabrik, SPLASH, Studenten des Orchesterzentrum | NRW, und Statisterie der Ruhrtriennale
Deutsche Übertragung der Tragödie : Heiner Müller