Ein Ennepetaler Samstag
[jpg]Franz Josef Degenhardt schrieb einmal um 1970 die Ballade "Deutscher Sonntag" . Daran dachte ich als ich gestern am 28. August abends nach Hause kam.
Sonntags in der kleinen Stadt,
wenn die Spinne Langeweile
Fäden spinnt und ohne Eile
giftig-grau die Wand hochkriecht,
wenns blank und frisch gebadet riecht,
dann bringt mich keiner auf die Straße……
Sicher hätte Degenhardt heute den Song umgeschrieben in am Wochenende in einer kleinen Stadt. Denn die Zeiten haben sich geändert nicht jedoch diese Städte die er in dieser Ballade beschreibt.
Wir besuchten das Dorffest in Rüggeberg und gingen über den Schulhof der Grundschule Rüggeberg. Diese Grundschule, die nach Lage der Dinge demnächst wohl geschlossen werden soll.
Vielleicht haben wir zum letzten Mal für das Archiv fotografiert. Das Dorffest war mehr als nur mäßig besucht, wir sahen mehr freiwillige Helfer als Besucher. |
Am Eingangstor schlugen uns schon die Bratwurstdüfte vermischt mit dem Duft von Waffeln und sonstigem Gebackenen entgegen. Auf dem Schulhof sahen wir Wilhelm Wiggenhagen (CDU nah) umrahmt von Herrn Kraft (CDU) und Herrn Schilling (Citymanager), die mehr oder weniger irgendwie als Bodygard erschienen. Wiggenhagen versuchte sich an der aufgebauten Torwand, etwas linkisch wie das seine Art ist, und sein vorgenanntes Umfeld wusste das mit positiven Äußerungen zu begleiten. Als die Gruppe uns sah, verschwand sie und verschanzte sich an anderer Stelle um einen Tisch um ja nicht wahrgenommen zu werden. Frei nach dem Schema. Sehen wir euch nicht, könnt ihr uns auch nicht sehen.
Wilhelm Wiggenhagen versteht es ganz gut mich immer wieder zu verblüffen, indem er nach nunmehr fast einem Jahr in seinem Amte es nach wie vor nicht versteht auf andere Leute zu zugehen und isoliert dasteht, meistens im Schutze der CDU-Mitglieder. Er hat immer noch nicht seine Bürgermeister Rolle gefunden. Und wie es so scheint sucht er sie auch gar nicht mehr. Denn wie soll man eine Rolle finden, wenn man die Inhalte dieser Rolle nicht kennt.
Aber das hat auch einen Vorteil, er braucht sich nicht um seine Mitbürger zu bemühen. Sollen die Mitbürger sich doch bemühen. So wird er wohl seine Amtszeit in einem selbstgebauten Käfig herum bekommen Gegönnt sei es ihm, er hat ja sonst nichts. Dadurch hat Ennepetal jedoch keine wirkliche Führung, er ist ja nur Verwalter des von seinen Vorgänger Geschaffenem. Interessant ist noch, wie er ein neutraler Bürgermeister sein will, wenn er sich immer bei der CDU aufhält und die SPD meidet wie der Teufel das Weihwasser.
Und da hätte er sich doch nach einer Stunde in sein Auto schwingen und die SPD im Hasperbach besuchen können, meinetwegen als Goodwill Besuch. Aber so ist das im Leben, manch einer lebt nur von vertanen Gelegenheiten.
Wir fuhren also runter nach Hasperbach zum "Sommergrillen" der SPD, zumal die SPD immer für eine Story gut ist.
Nun, ich kann mich immer noch nicht daran gewöhnen, dass die Volksparteien wie SPD und CDU gefühlte 85 Jahre alt sind. Die jungen Mitglieder am Rande sitzen und warten, bis die Alten ihnen was zu sagen haben.
Und so ging ich durch Rauchschwaden von Bratwürsten und Steaks ins Sportlerheim um mich dort unter die Alten zu begeben. Dabei fielen mir die beiden Sitzungen im Juni bei Attak und der Piratenpartei ein, wo der Altersdurchschnitt so um die gefühlten 35 Jahre war. Die Volksparteien können diese jungen Menschen nicht mehr binden. Bei den anderen etablierten Parteien in Ennepetal sieht es aber auch nicht besser aus.
Die SPD hatte Gäste, den MdB Rene Röspel (SPD) und den MdL Hubertus Kramer (SPD) und natürlich den Ortsvereinsvorsitzenden Christian Zink (SPD), den Fraktionsvorsitzenden Volker Rauleff (SPD) sowie die stellvertretende Bürgermeisterin Anita Schöneberg (SPD).Nach einer kurzen Zeit ging es auch los.
Vorweg, Rene Röspel (SPD) und Hubertus Kramer (SPD) brachten keine eigenen Beiträge, wie das sonst üblich ist.
Zuerst wurden 3 junge neue Mitglieder durch Christian Zink begrüßt, die ihr Parteibuch bekamen. 40 junge Leute hat die SPD Ennepetal nach Christian Zink nun vorzuweisen. Nur die Alten wollen den jungen nicht den Weg frei machen für eine eigene Juso Organisation.
Der Wunsch nach einer eigenen Jugendorganisation soll von den Jungen selber kommen, so Christian Zink. Aber sollten Jugendorganisationen nicht erst mal durch erfahrene alte Mitglieder, zumindest formal, mit der Jugend auf den Weg gebracht werden?
Denn die Jugend bringt neue Ideen aber auch neuen Schwung. Sollten die Jugendlichen nicht ihre eigenen Ideen entwickeln ohne das Dreinreden der Alten? In Ennepetal sieht man die Jugend anscheinend nicht so gerne, auch in den Parteien nicht. Na ja, die FDP und die Bündnisgrünen haben ja auch keine Jugendorganisation, dass könnte als Ausrede dienen. Oder auch, vielleicht gibt das ja noch was. Die Jugendlichen verzogen sich dann auch wieder in die hintere rechte Ecke, wo noch Plätze frei waren.
Die Jugend hätte während des Wahlkampfes schön Flyer verteilt, so merkte Anita Schöneberg an. Prima, so lobt man sich Wasserträger heran um die eigene Machtposition zu festigen.
Und dann kam der Vorsitzende Christian Zink in Fahrt:
Die SPD wäre die einzige Opposition in Ennepetal, nicht die Grünen und auch nicht die FWE, so Zink. Irgendwie habe ich da was verpasst in dem zurückliegenden Jahr. Es gab und gibt keine Opposition! Die SPD, mein Gott, die üben ja noch. Genauso wie Wilhelm Wiggenhagen den Bürgermeister übt.
Wir machen Politik für die Armen und für die Reichen, so die Replik auf Walter Faupels (CDU) Vorwurf, die SPD mache Klientelpolitik. Zink definierte den Begriff der Volkspartei neu. Das er sich damit jedoch dem Grundverständnis der SPD entfernte schien keiner zu bemerken. Arm und reich sind Grundbegriffe aus der Soziologie und beinhaltet einen Grundkonflikt der Gesellschaft. Und diesen Grundkonflikt galt es immer zu mildern und abzubauen, dies war das Grundverständnis der SPD. Im Gegensatz leben die Konservativen, sprich die CDU, mit diesem Grundkonflikt und wissen ihn noch zu verschärfen.
Dann ging er auf die "Giftliste" ein, die Faupel (CDU) entgegen der Abmachung vorzeitig veröffentlicht hat. Nun wurde es bestätigt, dass in der "Kungelrunde" über Einsparungen gesprochen wurde – ein Unding. Während in anderen Städten vorbildlich die Parteien öffentlich über Sparvorschläge diskutieren, die Kämmerer so genannte Eckpunkte veröffentlichen, macht man das in Ennepetal in geheimer Runde. Das hat nichts mit Demokratie zu tun, eher mit einem längst vergessenen Gutsherrensystem.
Indirekt gab er damit zu, dass der Bürger nach interner "Kungelrunde"- Diskussion vor vollendete Tatsachen gestellt werden sollten. Kürzungen im sozialen Bereich will die SPD nicht hinnehmen, so Zink, nur, wie passt das denn zu der arm/reich Politik die er, Zink, vorher aussprach? Bildungspolitik brach Zink auf die Probleme der anstehenden Schulschießungen in Ennepetal herunter. Er versuchte zwar die neue Landespolitik darzustellen, was ihm jedoch nicht gelang. Hier scheint er die neue Schulpolitik von Ministerin Sylvia Löhrmann (Bündnisgrüne), die sie in einer Pressekonferenz darlegte, nicht durchgelesen zu haben.
Indirekt vertrat er die konservative Meinung des dreigliedrigen Schulsystems, indem er auf die Selbstbestimmung der Kommunen im schulischen Bereich hinwies. Das die neue Landesregierung einen Paradigmenwechsel favorisierte scheint in Ennepetal noch nicht angekommen zu sein. Dann die Einlassungen zu der allseits bekannten Unparteilichkeit von Wilhelm Wiggenhagen, die meines Erachtens keiner Erwähnung mehr bedürfen. Wiggenhagens so genannte Unparteilichkeit ist ja das große Plus der CDU, denn nur so konnte und kann die CDU immer wieder suggerieren, sie würde für den Bürger Politik machen. Von der CDU strategisch genial eingefädelt und dies schon seit 10 Jahren. Das die SPD sich daran noch abarbeitet ist nicht nachvollziehbar. Das Wiggenhagen eine unterirdische Leistungsbilanz und ein schlechtes Image nach einem Jahr vorzuweisen hat, kann man getrost auch der CDU zuordnen. Denn die "Hundewiesen CDU" ist nach einem Jahr Rat der Stadt auch noch nicht politisch tätig geworden.
Zink geißelte noch die mangelhafte Informationspolitik indem er als Beispiel eine Einladung per email 1 Tag vorher erhielt, die er nicht abrufen konnte. Auch die mehrfache telefonische Nichtbesetzung der Zentrale im Rathaus unter der Nummer 979-0, wo man lange Zeit in einer Warteschleife verbringen musste, bemängelte er. "Er (Bürgermeister Wiggenhagen d.Redaktion) hat seinen Laden nicht im Griff" so sein Ausruf. Zum Schluss schlug er ein Bürgerbüro in Milspe vor, welches in einem der vielen leer stehenden Ladenlokale für ältere und Behinderte errichtet werden sollte. (Wie war das noch mal mit den Seniorenzuschüssen, sind die nicht dem Sparzwang zum Opfer gefallen? )
Die FWE die nichts anderes als eine mehr oder weniger CDU Truppe ist, weil sie CDU Politik macht, sollte doch endlich mit ihrer Umfrage zum Bahnhof in den Rat vordringen, so Zink. Zink fragt sich ob die Umfrage überhaupt schon gestartet wurde und endete damit.
Nun kam Volker Rauleff (SPD) zum Zuge. Er versuchte die mit dem Haushalt 2010 verbundenen Ungereimtheiten schön zu reden. Es müsse bei Gründung einer AÖR (Anstalt öffentlichen Rechts) solch eine teure Beraterfirma genommen werden; denn immerhin, konnte Ennepetal dem Haushaltssicherungskonzept in 2010 dadurch entgehen. Und durch die Gründung der AÖR könnte Ennepetal ja auch Geld sparen. Das gipfelte nunmehr in der Formulierung: Wenn jemand was nicht so recht verstanden hätte, so möge er doch bitte anrufen, damit man ihm erklären kann, wie er es zu verstehen hat.
Er warf dem Bürgermeister Wiggenhagen mangelhafte Zusammenarbeit und eine verfehlte Informationspolitik vor und endete damit, dass er der Stadt Ausgrenzungspolitik vorwarf.
Alles in allem sollte man sich fragen inwieweit die Ennepetaler SPD sich der Tragweite ihres Tuns und ihrer Rede bewusst ist. Zusammenarbeit ist ja schön und gut und ist auch in der Demokratie sogar notwendig, dies aber nur soweit indem die Belange der Stadt und seiner Bewohner nicht zur Seite geschoben werden. Auch ist es zweifelhaft inwieweit diese Verhaltensweisen sich mit einer guten sozialdemokratischen Oppositions-Politik vertragen.
Rauleff ging mit keinem Wort auf die Notwendigkeit der 300.000,– Euro für die Beraterfirma ein, nein, er fand das so in Ordnung. Auch erwähnte er mit keinem Ton, dass er als gelernter KFZ-Mechaniker in einem interfraktionellen Vortrag der Firma Pricewaterhouse diesem sicher fachlich nicht folgen konnte. Er suggerierte den Anwesenden als wenn er alles verstanden hätte, was aber durchaus in Frage gestellt werden kann. Er hat mit diesem Vortrag, der unter Beratern einen Wert von rund 10.000,– Euro hat, mit seinen Kollegen der Stadt sehr viel Geld gekostet. Die Vermeidung des Haushaltssicherungskonzeptes 2010, was sehr fragwürdig ist, hat die Stadt Ennepetal sicher einen Betrag im oberen sechsstelligen Eurobetragsbereich gekostet.
Und warum? Nur damit der Kreis der Stadt Ennepetal nicht in die Karten schauen kann?
Man sollte sich die Frage stellen, warum in 2010 nochmals frei die Gelder verwendet werden sollten. Kann es sein, dass in 2010 Gelder verteilt werden, die der Kreis so niemals bewilligt hätte?
Und so möchte ich mit dem Degenhardt Lied enden:
Da hockt die ganze Stadt und mampft,
dass Bratenschweiß aus Fenstern dampft.
Durch die fette Stille dringen Gaumenschnalzen,
Schüssel klingen, Messer, die auf Knochen stoßen,
und das Blubbern dicker Soßen.
Hat nicht irgendwas geschrien?
Jetzt nicht aus dem Fenster sehn,
wo auf Hausvorgärtenmauern
ausgefranste Krähen lauern.
Was nur da geschrien hat?
Ich werd so entsetzlich satt.
Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Ennepetal
Rauleff kritisiert „verfehlte Informationspolitik“ und „Ausgrenzungspolitik“. Beides können politikinteressierte Bürger aus eigener Erfahrung nachvollziehen. Gleichzeitig wird deutlich, dass gerade die SPD eine der Kräfte ist, die die „verfehlte Informationspolitik“ z.B. durch Teilnahme an Kungelrunden fortschreiben. Siehe dazu die sog. „Giftliste“, die mit Beteiligung von SPD-Leuten hinter verschlossenen Türen entstand.
Wenn Rauleff „verfehlte Informationspolitik“ GLAUBWÜRDIG bekämpfen will, dann sollte er (bzw. die SPD) solchen Kungelrunden fernbleiben! Die SPD sollte sich in der Opposition als Partei darstellen, die demokratische Transparenz rigoros praktiziert – ohne öffentlichkeitsscheue Absprachen in miefigen Hinterzimmern.
Die SPD schwächelt, die Äußerungen aus der SPD-Führungsetage passen nicht in unsere Zeit, sie stammen aus einem mentalen locus amoenus, der vielleicht für einen Samstag Realitätsflucht ermöglicht – in Hasperbach …
» „Die Vermeidung des Haushaltssicherungskonzeptes 2010 […] hat die Stadt Ennepetal sicher einen Betrag im oberen sechsstelligen Eurobetragsbereich gekostet. Und warum?“
Weil sich die SPD vor der Bearbeitung einer elementaren Oppositionsfrage („warum?“) drückt, werden wir wohl damit leben müssen. Wir können davon ausgehen, dass die Haltung der SPD (das Abnicken der 300.000 €) ebenfalls in erprobter interfraktioneller Kungelrunde abgesprochen wurde. Die alte Tante SPD wird sich – wie schon so oft – schamlos im demokratiefeindlichen Lotterbett der Jamaikaner gerekelt haben.
Was ist unser kompetenzstrotzende Bürgermeister doch für ein Glückspilz! Amtskollegen anderer Städte träumen heimlich von handzahmer Opposition, Wilhelm hat sie schon: Ein anschmiegsames Völkchen, das einfach nur geliebt werden will! „Er [Rauleff] warf dem Bürgermeister Wiggenhagen mangelhafte Zusammenarbeit […] vor […].“ Na ja, ein bisschen Nörgelei geht schon.