Hattinger Helden und Heldinnen

[jpg] Heldengeschichten sind immer dankbare Geschichten. Voller Bewunderung lasen wir die Sagen um Achilles oder Odyssee-die Ilias oder die von Artus. In der Jugend waren viele von uns danach aus, es diesen Helden nachzumachen. In der Psychologie sind Helden nichts anderes als der Wunsch zu überleben, sprich, nach Unsterblichkeit.

Das Kulturhauptstadtprogamm hatte das Projekt "Local Heroes", Helden die in jeder Stadt Tag für Tag ein stilles, nicht spektakuläres Heldentum vollbringen. Die Feuerwehrleute, die Nachtschwestern oder auch Polizeibeamten, die alle in den Städten unsere täglichen und lokalen Helden sind.

Die Hattinger Künstlergruppe KünstlerBunt MultiColor machte sich Gedanken und fragte sich nach den Heldinnen, oder nach den eigentlichen Königinnen, analog zu dem eigentlichen Heldenprojekt der Ruhr2010.

Es lag nahe sich der Hattinger Isenburg des beginnenden 13. Jahrhunderts zu besinnen. Und so erinnerte Frau Dr. Gabriele Isenberg (frühere Chefarchäologin am LWL Museum für Archäologie in Herne), eine Namensvetterin, an Sophie von Isenberg die Frau des Grafen Friedrich zu Isenberg. Es geht um Macht, für damalige Verhältnisse um sehr viel Macht. Friedrich von Isenberg hatte Sophie von Limburg wahrscheinlich deshalb geheiratet um sich der Limburger sicher zu sein.  Damals war ein Kampf um den Kaiserthron gerade zu Ende gegangen und die Adeligen waren noch mit den Nachwirkungen dieses Kampfes beschäftigt. Auf der einen Seite die Welfen mit Otto IV und auf der anderen Seite die Staufen um Friedrich II. Der Staufer regierte damals von Sizilien aus und hatte hier einen Stellvertreter, den Reichsverweser Engelbert I in Köln.

Der Kölner Engelbert versuchte seine Macht in Richtung der Isenbergs auszubauen. Dem wirkte der Isenberg entgegen, indem er Stützpunkte baute und seinerseits seine Begehrlichkeiten in Richtung der Kölner ausbaute. Sophies Rolle konnte eigentlich nur die Rolle des Bindegliedes zwischen den beiden Häusern sein. Deshalb sind auch nur Legenden von ihr überliefert, die sie irgendwie überhöht darstellen. Frau Dr. Isenberg referierte auch diese Legenden in ganzer epischer Breite mit einem dementsprechenden zwinkernden Auge.

Es gab aber damals eine Heldin, die viele Dinge tat, welche letztendlich zu einer kleinen Revolution in unserem Gebiet, dem heutigen Ruhrgebiet, führte.

Adelheid, Äbtissin des Stiftes von Essen. Dieses Stift hatte im Laufe der Jahrhunderte seit seiner Gründung einen ungeheueren Reichtum an Ländereien und sonstigen Gütern angehäuft, welche dementsprechende Begehrlichkeiten bei Engelbert als auch bei den Isenbergs weckte.

Kurzum dieses Stift stand beiden im Weg.

 

Und wenn es nicht zu der Tötung des Engelbert gekommen wäre, wäre damals das Stift sicherlich von einem der beiden Kontrahenten aufgelöst worden. Adelheid brachte es aber mit einem Ränkespiel ohne gleichen fertig,  ihre beiden Widersacher aus dem Spiel zu drängen. Was so an Unterlagen vorliegt, fälschte sie Urkunden, gab ungesicherte Informationen an die jeweilige Seite. Beschwerte sich bei dem Kaiser Friedrich II aber auch beim damaligen Papst Gregor IX. Offensichtlich wusste sie wie sie Engelbert I, der ja Reichsverweser als auch dem Papst verpflichtet war, unter Druck setzen musste.

Denn der zögerte noch um Friedrich von Isenberg Einhalt zu gebieten. Auf der anderen Seite hatte Engelbert I aber auch moralisch höchste bedenkliche Machtbestrebungen sowohl in Richtung der Gebiete des Essener Stiftes als auch  der Gebiete der Isenbergs. Ich denke Isenberg sah sich in die Enge getrieben und handelte so wie er handeln musste. Engelbert I wurde getötet und Isenberg wurde ein Jahr später hingerichtet.

Ich will mich jetzt nicht näher auf diese, sicher spekulative, Geschichte einlassen. Nur es macht doch nachdenklich, wenn drei Jahre, also 1228, nach dem Untergang dieser beiden Männer das Essener Stift die Reichsfürstenwürde erhielt, bis zur Auflösung hatten die Äbtissinnen den Titel Reichsfürstinnen.

Dieser Titel war mit ungeheueren Privilegien verbunden, vergleichbar mit einem Ministerpräsidenten in der Jetztzeit. Selbstredend, dass die Güter der Isenbergs dem Stift zu fielen. Diese Äbtissinnen standen übrigens der Stadt Essen immer kritisch gegenüber und beschnitten den Rat der Stadt immer wieder. In Folge prosperierte die Gegend des heutigen Ruhrgebietes und viele Teile Westfalens derartig, dass man von einem Wirtschaftswachstum ohne gleichen sprechen könnte.

Und da bei einem Wirtschaftswachstum in der Regel Steuern gezahlt werden müssen, erlebten die Äbtissinnen einen immensen Anstieg ihrer Einnahmen. Adelheid war damit eine der reichsten Fürstinnen des damaligen Deutschlands und zwar unangetastet. Dies hielt bis zur Auflösung 1802 durch Napoleon auch so an. Noch heute hat Essen eine ambivalente Einstellung zu diesem Stift und dessen Geschichte.

Für mich bleibt die Frage: War Adelheid oder Sophie von Isenberg eine Heldin oder eine Königin? Vom Ergebnis ist die Antwort klar: Adelheid war eine Heldin und Königin.
Und so klang das Picknick der Königinnen mit einem Trompetensolo des Musikers Philipp Reusmann am  Eckturm  der Umladestation im Gelände der ehemaligen Henrichshütte aus.

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Hattingen 

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