Von wegen! Die Senioren in Ennepetal finden sich eben nicht damit ab

[jpg] So hatte sich der Sozial- und Generationenausschuss (Man sollte ihn in Ausgrenzungsauschuss umbenennen)  Donnerstag den 23.September nicht vorgestellt. Die Tagesordnung wurde zuletzt um zwei Punkte, Top 5+6, erweitert, der Armutsbericht 2010 des En-Kreises vom Mai und die Arbeit des Tafelladens sollten vorgestellt werden. Bei beiden Tops hätte man sich den Vortrag angehört, evtl. ein paar Worte der Betroffenheit absondern können und eine Absichtserklärung abgegeben, dass man jederzeit helfend zur Seite stehen würde. Und überhaupt wie wichtig die Ehrenarbeit im sozialen Bereich ist.

Der Nichtöffentliche Teil wäre in 10 Minuten erledigt und  so wären die Ratsmitglieder pünktlich zum Abendessen zu Hause gewesen. Vor dem Fernseher wäre einigen Ratsmitgliedern ein wohliges Gefühl gekommen und sie hätten gedacht: Ein Glück, dass ich nicht zu diesen armen Socken gehöre über die vorhin berichtet wurde. Na ja, was soll man machen, die Welt ist wie sie halt ist.

Stop! Aber es kam ganz anders. Da standen und saßen auf einmal 70 Senioren im Ratssaal, bewaffnet mit Schildern, Fahnen und Bannern 

– die daran erinnerten, dass sie auch mit Rechten ausgestattet sind.

– die daran erinnerten, dass sie sich nicht so einfach abspeisen lassen wollten

– die daran erinnerten, dass sie durch ihre Arbeit in Ennepetal Vermögen geschaffen hatten

– die daran erinnerten, dass der Beschluss 50% der Zuschüsse für Seniorenarbeit ein schäbiger Beschluss war

. . . und das es gelten sollte diesen Beschluss rückgängig zu machen.

Als ich in den Saal kam sah ich nur betretene Mienen der Ratsmitglieder. So etwas gab es noch nie in Ennepetal, so hörte ich. Die Augen der Senioren verrieten eine Mischung aus Anspannung, Wut und Entschlossenheit. Sie sind unterschiedlichen politischen Lagern angehörig und kommen aus unterschiedlichen Schichten. Es ist genau die Mischung Menschen die derzeit  in Stuttgart gegen den Abriss des Hauptbahnhofs demonstriert.

         
   

Mittags waren wir noch in der Staatskanzlei in Düsseldorf. Dort sprach man vom Risiko der Staatsverdrossenheit, welches durch die finanzielle Situation der Kommunen aufkommen könnte, so die vortragenden Politiker. Man sprach von der Entsolidarisierung der Gesellschaft die man an allen Ecken bemerken könne und das man dagegen halten müsse. Trotz und gerade weil die Kommunen  sparen müssten. Und da standen und saßen 70 Senioren im Ratssaal und zeigten genau das wovon wir mittags in der Staatskanzlei gesprochen hatten. Sie waren verdrossen und wollen die Solidarität zwischen den Menschen nicht aufgekündigt sehen.

Es geht ihnen nicht um die Gegenleistung der einen Tasse Kaffee die ihnen gestrichen wurde. Es geht ihnen um ihr Miteinander um ihr "mitten in der Gesellschaft stehen". Viele von ihnen engagieren sich in der Hilfe für andere Senioren, die vereinsamt in ihren Wohnungen oder in Altenheimen sitzen. Sie wollen nicht ins Abseits gedrängt werden, sich in ihr Schicksal der Wertlosigkeit schicken.

Und der Auschuß?

Viele Ratsmitglieder schauten betreten nach unten auf die Tischplatte und taten so als wenn sie nicht da wären. Die gesamte Jamaika Koalition wirkte hilflos und konnte mit den Senioren nichts anfangen. Dabei waren es doch ihre Wähler, CDU, SPD, FDP, Bündnisgrüne oder FWE Wähler. Jetzt nicht mehr? Waren alle Politiker doch während des Wahlkampfes in allen Altenheimen anzutreffen um dort für Stimmen zu werben. Aber auch die Seniorenvereine wurden fleißig beworben. Immer wieder wurde das Soziale oder auch Christliche von den Kandidaten betont. Und jetzt ist das nichts mehr wert? Jetzt kommt Sozialdarwinismus in Ennepetal zum tragen? Der stärkere möge gewinnen? Die 9.000,– Euro als Versuchsballon?

Der Ausschussvorsitzende Bernd Decker (CDU) eröffnet die Sitzung und Christian Zink (SPD) bemängelte, dass die Niederschrift vom 20.Mai unvollständig sei. Dann beantragte er die Einwohnerfragestunde (Warum heißt das eigentlich nicht "Bettelstunde"?) als auch den TOP Seniorenarbeit vorzuziehen.
Bernd Decker (CDU) gestand den Senioren sofort nur 30 Minuten Fragezeit zu (Wie gnädig!) um damit zu demonstrieren: Wir haben hier das Sagen. Souveränes handeln gegenüber dem Souverän ( Wähler ) ist das nicht. Und klar, jeder sollte seinen Namen, seine Adresse angeben, obwohl die Anwesenden allseits bekannt waren (Witzig?). Bernd Decker (CDU) saß dem Volk gegenüber; so ist das nun mal in der Demokratie. Und dann versanken die Ratsmitglieder in ein Chaos und stellten sich in Folge als politische "Laienspielgruppe" dar.

Der Voerder Friedrich Wilhelm Thun formulierte auch sofort die ersten Fragen:

  •   Warum haben wir kein Protokoll des Arbeitskreises der Senioren vom 12.7.2010
      unter der Leitung des BM Wiggenhagen  erhalten?
  •  Welche Sozialverbände haben an diesem Arbeitskreis teilgenommen?
  •  Warum sind die Zuschüsse an Senioren um 50% gekürzt worden?
  •  Warum ist die Altersbegrenzung für Frauen von 60 auf 65 Jahre angehoben, was zu einer weiteren Kürzung führt?
  •  Ist eine unbürokratische Auszahlung der gekürzten 9.000,–Euro gefunden worden; denn Frau Hofmann (Bündnisgrüne) hatte angemerkt, dass der Bürgermeister für diesen Betrag einen Sponsor finden würde?
  • Wieso die Meldung in der Rundschau, "Sozialverbände akzeptieren Kürzungen" übermittelt wurde, obwohl die Mehrzahl der Verbände entweder nicht anwesend waren oder aber diese Kürzungen so nicht hinnehmen wollen?
  • Wie kommt die Pressestelle zu so einer unwahren Pressemiteilung?

Die Verwaltung war nicht in der Lage diese Fragen zu protokollieren, so dass Friedrich Wilhelm Thun die Fragen dem Protokollführer, auf Bitten des Ausschussführers, übergeben musste.

Thun verwies auf die nächste Kommunalwahl und auf den 20%igen Anteil der Senioren in der Wählerschaft. Tosender Applaus der 70 Senioren.

Dann meldete sich Frau Ingold  Schneider, auch eine Voerderin, formulierte zwar keine Frage, schloss sich aber den Fragen von Friedrich Wilhelm Thun an.

Darüber hinaus forderte sie, dass grundsätzlich die Alterbegrenzung der begünstigten Senioren auf 60 Jahre für Frauen und für Männer abgesenkt werden sollte. Es muss doch möglich sein die aufgeworfenen Probleme einvernehmlich zu lösen.

 
     

Der Ausschussvorsitzende Bernd Decker(CDU) ging auf das zukünftige vereinfachte Prozedere der pauschalen Bezuschussung ein, wusste aber zu den Fragen keine Antwort.

Herr Heller von der Verwaltung merkte nun an, dass man mit dem Protokoll nicht nach kam um einen späteren Vorwurf der fehlerhaften Protokollierung vorzubeugen.

Die folgenden Statements der einzelnen Ratsmitglieder kann man nur als inkompetent einordnen.
Hier ein Auszug:
Frau Hofmann (Bündnisgrüne) mochte sich nicht mehr an ihre Aussage hinsichtlich des "Seniorensponsering" durch den Bürgermeister so richtig zu erinnern.
Herr Haas (FDP) reklamierte die nicht vorliegenden Anträge der Senioren über den Zuschuss einer Tasse Kaffee.
Frau Klauß (FWE) merkte an, dass die junge Bevölkerungsschicht einer zu starken Belastung ausgesetzt ist und deshalb die Kürzung im Seniorenbereich notwendig sei.
Herr Kraft (CDU) schob die Schuld für die verspätete Kürzung auf den nicht genehmigten Haushalt durch den Kreis.

Und das ging nun so reihum, man drückte sich vor der Verantwortung. Konkrete Antworten erwarteten die anwesenden Senioren vergebens. Im Gegenteil, die Fragen wurden kassiert und werden sicher nicht öffentlich beantwortet, so dass dann wieder gemeldet wird: Senioren sind zufrieden. Für den Rat der Stadt und die anwesende Stadtverwaltung war es ein beschämender Auftritt. Hatten sie doch die vermeintliche Schwäche der Senioren unterschätzt und wussten nicht einmal auf einfache Fragen eine Antwort. Damit hatten die Anhänger des Sozialdarwinismus im Rat der Stadt einen ersten Dämpfer bekommen.

Was fehlte waren die berühmt berüchtigen Trillerpfeifen und Rasseln die, sofern sie bedient werden, nicht als Unmutsäußerungen verstanden werden können.

Nur sollten die Senioren sich nichts vormachen, es ist sicher erst der Beginn eines langen gesellschaftlichen Kampfes, der entweder in der Ausgrenzung endet oder aber auf dem Platz in der Gesellschaft der ihnen Kraft ihrer Leistungen schon zusteht, nämlich mitten in der Gesellschaft. Die Senioren sollten sich kein schlechtes Gewissen machen und sich gegen andere Gruppen unserer Gesellschaft ausspielen lassen.

Wer die Verbände und Vereine der Senioren beobachtet sieht, dass es nicht nur um die Tasse Kaffee geht, sondern es geht inzwischen um Aufgaben die ehrenamtlich ausgeführt werden, die der Staat noch nicht einmal im Ansatz erledigt. Der Staat schiebt nur in die Altenheime ab, wo Senioren nach der Devise "Satt und Sauber" vielfach versorgt werden. Wo unruhige Senioren entweder Psychopharmaka bekommen oder fixiert werden. Würdevoll ist das nicht. Ist da nicht  die Nachbarschaftshilfe der Verbände und Vereine im Seniorenbereich  mehr als eine Tasse Kaffee wert?  Die Politiker aller Couleur sehen aber in den Senioren ein gewaltiges Einsparpotenzial, was sie immer mal wieder abrufen werden.

Nur so wie die Senioren es im Rathaus gemacht haben geht es in der heutigen Zeit; denn Politiker sind vergesslich und schwerhörig. Allerdings sollten die Sprecher sich angewöhnen ihre Statements und Fragenkataloge auch der anwesenden Presse zu übergeben. Denn Öffentlichkeit kann nicht schaden. Die im Rathaus anwesenden Senioren sollten sich nach diesem Auftritt also nicht zurücklehnen, sondern ihre nun eingeschlagenen Vorbildfunktion weiterentwickeln, und zwar nach dem Vorbild: "Die größten Menschen sind jene, die anderen Hoffnung geben können".
(Jean Jaurès. 1859-1914) Machen sie also weiter und geben anderen Menschen Hoffnung.

Ich bin mal gespannt wann die Kinder und Jugendlichen im Rathaus auftauchen, wenn es dieser Gruppe an den Kragen geht.

Leider mussten wir frühzeitig wegen eines anderen Termins den Ratssaal verlassen.

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Ennepetal

5 Kommentare
  1. Avatar
    Horst Rodewig sagte:

    Die sind doch zu feige ihren eigenen Fehler zu korrigieren, lieber laufen die zweimal vor die Wand.
    Erst bewilligen sie sich einen kräftigen Schluck aus der Pulle und dann nehmen sie anderen das Geld ab.
    Nachdem der Schluck bewilligt ist stellt man dann fest: Wir müssen jetzt aber sparen.

    Die sind doch nur noch peinlich und jämmerlich im Rathaus und das wissen die auch.

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    Ingold Schneider sagte:

    Wir werden weiter kämpfen, diese Demo war nur ein Anfang, auch werden wir in Zukunft die Presse involvieren, es sollte erst mal eine leise Demo sein. Wir wollen gemeinschaftlich der Politik klar machen das Geld nicht nur für Banken gebraucht wird

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    Ein Voerder sagte:

    Ich war zum ersten mal im Rathaus. Es hätte nur noch gefehlt, wenn sie von uns die Personalausweise verlangt hätten. Das wir solche Leute im Ratssaal sitzen haben, hätte ich nicht gedacht. Waren das denn alles Ennepetaler Politiker? Wir waren hinterher alle entsetzt über soviel Unverstand und fragten uns sodann:

    Wie kriegen wir die wieder los?

    Wir sind jetzt dabei für jeden einen Antrag über eine Tasse Kaffee zu drucken und wollen dann gemeinsam diese Anträge unseren geliebten Bürgermeister zur Berarbeitung übergeben. Wir werden sicher 100 Einzelanträge zusammen bekommen. 100 Anträge mit 1 Tasse Kaffee zu je 1,50 Euro. Bitte einzelnd eintreten?
    Es wird noch lustig in Ennepetal.

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    Nina Poll sagte:

    » „[…] man [ = die Ausschussmitglieder] drückte sich vor der Verantwortung.“

    Die zitierten Äußerungen (von Hofmann, Haas, Klauß u. Kraft) machen das exemplarisch deutlich. Verschärfend kommt hinzu, dass das ‚Sich-vor-der-Verantwortung-drücken‘ schon vor Monaten begann, als unsere Kungel-Brüder/Schwestern (Verwaltung, Jamaikaner u. Opposition) in nichtöffentlicher Runde die sog. „Giftliste“ aufstellten, in der u.a. die Kürzung der Zuschüsse für Senioren festgeschrieben wurde. Um politisches Abwägen zu vermeiden, solle das Ganze per „Basta!“ realisiert werden – Bequemlichkeit statt Verantwortung!

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  1. […] ist da unendlich. Ennepetal hat ja auch erste Anzeichen des Bürgerprotestes gezeigt indem die „Alten“ im Ratssaal ihren Unwillen zeigten und Eltern mit ihren Kindern für ihre Musikschule einstanden. Auch für Ennepetal gelten […]

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