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OB Sauerland (CDU) Duisburg legt sich mit Blogosphäre an

[jpg] Der Duisburger Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU) hat die Gelegenheit verpasst sein Amt in Würde zu verlassen. Würde- und charakterlos steht er nun da. Und weil er auch gerade einer ganzen Stadt, also nicht nur der Stadtverwaltung vorsteht, so ist diese auch damit betroffen.

Die ehemalige evangelische Bischöfin Margot Käßmann hatte seinerzeit unter Alkoholeinfluss ihr Fahrzeug gesteuert und wurde dabei von der Polizei in einer Verkehrskontrolle einvernommen. Unumwunden gab sie ihr Versagen zu und trat, nachdem sie eine Nacht darüber geschlafen hatte, von allen ihren Ämter zurück (Wir schrieben darüber). Das nennt man würde- und verantwortungsbewusstes Handeln und es brachte Margot Käßmann von allen Seiten nur Achtung ein.

Nicht so Adolf Sauerland (CDU). Er und sein Umfeld spielen mit den Begriffen Schuld und Verantwortung und zwar schon so lange, bis die Begriffe gleichgesetzt sind.  Schuld hat Sauerland im juristischen Sinne nicht, noch nicht, denn dies muss erst ein Gericht feststellen, und nur Gerichte stellen dies in unserem Lande fest. Aber Verantwortung hat er für seine Stadtverwaltung, für seine Bewohner,  ja für seine ganze Stadt. Wolfgang Bosbach (CDU) nannte dies ein Privileg und führte Im ZDF bei Maybrit Ilner an: Ein solches Amt sei aber "nicht nur mit Würde, sondern gelegentlich auch mit einer Bürde" verbunden. Wie dem auch sei, der Zeitpunkt für Sauerland (CDU) ist verpasst. Seine ganzen Verdienste, und die hatte er, sind damit im Müll der Geschichte.

Aufklären will Sauerland nunmehr und hat sogleich von der Kanzlei Heuking, Kühn, Lüer & Wojtek aus Düsseldorf einen rund 300 Seiten starken Bericht plus Anhängen anfertigen lassen, die Sauerland und die Stadtverwaltung in einem milden Licht erscheinen lassen sollten.

Aus dem Dokument wurde immer mal wieder passagenweise zitiert, mehr nicht. Nun ging der Blogger Thomas Rodenbücher auf seinem Blog http://www.xtranews.de/ her und stellte diese Dokumente für jeden sichtbar ins Internet. Dies brachte den Aufklärer Sauerland (CDU) und seine Stadtverwaltung dazu, sofort durch die Kanzlei Heuking, Kühn, Lüer & Wojtek eine Unterlassungsklage vor dem Landgericht Köln erfolgreich durchzusetzen. Begründet wurde diese Unterlassungsklage mit dem Urheberrecht, was rechtlich sehr fragwürdig ist. Josip Sosic,  der Sprecher der Stadt Duisburg,  gab denn auch unumwunden auf telefonische Anfrage zu, dass diese Begründung etwas unglücklich wäre und die Stadt Duisburg heute die Begründung Datenschutz benennen würde. Denn in den anhängenden Dokumenten wären doch sehr viel Namen genannt worden.Thomas Rodenbücher nahm darauf die Dokumente vom Netz weil bei Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld von € 250.000,– drohte. Und wie das so in der Blogosphäre ist wurden die Dokumente auch gespiegelt, so dass diese Docs (4,5MB) auch nicht verloren gehen. [s.u.a. http://rs667.rapidshare.com/files/413506712/Loveparade.zip ]
Thomas Rodenbücher will dies aber so nicht stehen lassen und möchte dagegen vorgehen. Überschaubar würde ein Prozess rund € 7.500,– kosten und das ist zuviel für die Kasse eines Bloggers. Deshalb wird, auch von uns, zu Spenden aufgerufen. Der Spendenaufruf ist hier zu finden: http://www.xtranews.de/2010/08/18/spendenaufruf-xtranews-vs-adolf-sauerland/

Ich denke die € 7.500,– werden zusammen kommen. Es geht ja um nichts anderes als um unsere Demokratie und zu der gehört nun einmal transparentes Verhalten. Gemauschelt und vertuscht wird nur in totalitären Systemen.

Es geht aber noch weiter mit unserem OB Sauerland (CDU). Da der Rat der Stadt Duisburg sich nicht so recht über einen Antrag auf Abwahl einig wird, haben Duisburger Bürger eine Unterschriftenaktion gemacht und am 18.08.10 war es soweit. Die notwendigen Unterschriften sind zusammen um einen Bürgerantrag zur Abwahl des Bürgermeisters im Duisburger Rat auf die Tagesordnung zu setzen. Das dieses für den Rat der Stadt Duisburg beschämend ist, möchte ich hier nicht unerwähnt lassen. Der Antrag auf Abwahl wird wahrscheinlich durchgehen. Jedoch wird die eigentliche Abwahl, die ja immerhin 2/3 der Stimmen des Rates erfordert die Hürde nicht nehmen. Die CDU Fraktion hat heute durch einen Sprecher, Frank Heidenreich (42), Ratsherr und überregionaler CDU-Fraktionschef , erklärt, Landesinnenminister Jäger (SPD) solle doch stattdessen zurück treten.
Hört eigentlich die Verhöhnung der Opfer  nie auf, wie beschämend muss das noch werden?

Für die Stadt Duisburg kommt es aber noch schlimmer.
Eines der Imageprojekte, das MKM Museum Küppersmühle für Moderne Kunst gerät ins Trudeln, der Erweiterungsbau kann evtl. nicht fertig gestellt werden, es fehlen € 8 Mio.
Grund: Die Sponsoren wollen nicht mehr. Dadurch gerät die "Duisburger Gemeinnützigen Baugesellschaft" (Gebag) , die dadurch im Obligo steht in die Bredouille. Die Gebag, eine städtische Tochter, kann diese € 8 Mio. evtl. jedoch nur aufbringen indem sie Teile ihres Vermögens veräußert. Dies würde die Eigenkapitalbasis bedenklich schmälern.

An dieser Stelle möchten wir aber nochmals auf die klischeehafte Diskriminierung der Raver zurückkommen. Es ist schlicht und ergreifend Unsinn, wenn die konservative Masse der Gesellschaft die Raver als Drogensüchtige und Alkoholiker pauschal diskriminieren. Nach unserer eigenen Augenscheinnahme sind auf dem Gelände der Loveparade und im Umfeld nicht mehr an "Auffälligen" sichtbar gewesen als auf einem beliebigen Schützenfest oder einer Kirmes in den Städten – eher weniger. Aber ich habe jede Menge junge Menschen am Hauptbahnhof und in der Stadt gesehen, die versuchten ihre Eltern telefonisch zu erreichen um ihnen mitzuteilen, dass es ihnen gut geht. Allerdings war das Mobilfunknetz zusammen gebrochen. Davon wird nicht gesprochen.

Man muss die Technomusik nicht mögen, aber, wenn  ein Teil unserer Gesellschaft sie  mag, so mag ich nicht dagegen sprechen. Wenn die Welt nach der konservativen Gesellschaft ausgerichtet wäre, würden wir den ganzen Tag entweder Dieter Bohlen mit seinem Deutschland sucht den Superstar oder Am weißen Rössl am Wolfgangsee hören müssen. Mir würde vor dieser Welt grauen.

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Ennepetal

                                                                                                                   Foto © Linde Arndt En-Mosaik

 

Langsam weicht die Lähmung im Zusammenhang mit der Loveparade Tragödie

 

– Ein Plädoyer –

[jpg] Während die Duisburger Verantwortlichen der Love-Parade noch immer  nach ihrer Verantwortung suchen und sie offensichtlich nicht finden wollen, hat der Geschäftsführer der Ruhr 2010 Fritz Pleitgen sich sofort der Situation gestellt und seine moralische Mitverantwortung erklärt. Dass die Veranstalter der Love-Parade und auch die Stadt Duisburg  durch ihr Verhalten die Würde und das Vertrauen in die Stadt Duisburg als auch in ihre Ämter verloren haben, scheint den Verantwortlichen vollkommen egal zu sein. Auch dass der Imageschaden der Stadt Duisburg immer größer wird geht den Verantwortlichen vollkommen ab.

Hier fragen wir uns immer noch was macht diese Tragödie mit den 21 toten jungen Menschen, den hunderten Verletzten und Traumatisierten für einen Sinn. Wir stehen immer noch fassungslos vor diesem unsäglichen Leid.

Wir haben nun eine ganze Zeit lang das Kulturhauptstadtjahr Ruhr 2010 begleitet und nur aus diesem Grund die Love-Parade in unsere Berichterstattung mit einbezogen. Die Euphorie, die uns durch die vielen schon erlebten Projekte durchdrang, ist einem Bewusstsein gewichen, welches  auch unsere Verantwortung im Zusammenhang mit der Tragödie widerspiegelt. Jeder muss mit seiner eigenen Schuld fertig werden, der mit dieser schrecklichen Tragödie zu tun hatte – auch wir. Es gilt aber nicht selber in tiefe Depression zu verfallen, dies nützt weder den zu Tode gekommenen jungen Menschen noch dem eigenen Leben. Die Trauerarbeit, und es ist verdammt schwer diese zu bewältigen, ist sicher bei den Meisten genau so wie bei uns noch nicht zu Ende Insofern sind wir noch nicht so abgeklärt, was wir auch während der Veranstaltung merkten. Aber muss man als Pressevertreter so abgeklärt sein um jederzeit den Handlungen und Geschehnissen  gewachsen zu sein die auf einen einwirken? Ich denke nein!  Wenn dem so wäre, so würden wir unser Menschsein verleugnen.

Der Gedanke des Kulturhauptstadtjahres sollte jedoch nach unserer Auffassung auf keinen Fall untergehen. Und das ist es, was uns wieder aufstehen lässt. Denn noch immer ist die Arbeit des Projektes "Metropole Ruhr" nicht beendet. Bis jetzt war es nur ein Impuls der durch die Vorkommnisse der Love Parade in Duisburg einen Schatten erhalten hat – dieser  wird auch niemals weichen.

Da scheint es vollkommen unverständlich zu sein,  wenn das Flagschiff der konservativen Presse die FAZ die Idee  des Kulturhauptstadtjahres, eine Metropole Ruhr mittels eines starken Impulses zu initiieren, angreift.

 So schreibt die FAZ in ihrem Artikel:

"Diese Tendenz der Europäischen Kulturhauptstadt Ruhr 2010, alles und jedes zu adoptieren und in ihr Programm aufzunehmen, ihr dadurch starker, ja bestimmender Zug ins Beliebige und Allesmögliche, die massive Ausrichtung auf populäre, massenkompatible Events und mithin große Besucherzahlen – diese einerseits facettenreiche, andererseits durch Überfülle kaschierte Konzeptionslosigkeit war von Anfang an der zentrale Punkt, auf den sich die Kritik am Programm der Kulturhauptstadt richtete.
Insbesondere an den vielen Großveranstaltungen, mit denen der Rekord von Liverpool 2008, als 9,7 Millionen Besucher gezählt wurden, geknackt werden soll, machten sich die Bedenken fest."

Diese Argumente sind zu vordergründig und durchsichtig als dass man sie so stehen lassen kann. Nun muss man wissen, dass die FAZ eine nicht unwesentliche Deutungshoheit darüber hat, was Kultur in Deutschland sein soll oder ist.  Aber – und das ist  das Wesentliche – die FAZ ist eben ein konservatives Blatt und für die Konservativen ist Kultur nur den Eliten vorbehalten. Die Love-Parade gilt den Konservativen jedoch als Proll-Veranstaltung und ist nicht wert erwähnt zu werden.

Kultur und damit auch die Kunst ist also grundsätzlich erst einmal elitär,  weil eben  nur dieser Bevölkerungsgruppe zugeordnet. Das wäre  also erst einmal eine einfache Erklärung. Was also will die FAZ mit diesem Angriff, oder sagen wir mal Seitenhieb, im Zusammenhang mit der Tragödie von Duisburg sagen?

1.    Ich denke für die FAZ gibt es in Deutschland Kulturmetropolen die keiner weiteren Metropole mehr  
       bedürfen. Die Metropolen sind: München, Frankfurt (Mainmetropole), Köln/Düsseldorf (Rheinmetropole),
       Berlin und Hamburg. Das Ruhrgebiet ist jedoch sicher auf dem Radar der FAZ eine "Malochermetropole"
       und so soll es wohl auch bleiben.
2.    Es spielen bestimmt auch gewisse Ängste der Kulturschaffenden eine Rolle. Denn der
       Kulturbetrieb, der auch ein Wirtschaftssektor ist, ist nicht vermehrbar. So versucht die FAZ diese
       Ängste zu transportieren und zu schüren.
3.    Kultur und damit auch die Kunst gehören konservativer Deutung nach nicht zum Massen-
       betrieb. Als Blaupause von konservativer und elitärer Kultur mögen die Festspiele in Bayreuth herhalten.
4.    Die "Arbeiter" sollen sich mit ihrem Broterwerb befassen, sich das Fernsehprogramm ansehen,
       bestenfalls Dieter Bohlen konsumieren – und darüber hinaus sich ihrem Schicksal ergeben.

Hiermit  lassen wir es einmal gut sein, wir wollen ja nur die Richtung des konservativen Denkens aufzeigen und nicht die ganze verfehlte Denke des konservativen Lagers abbilden. Nebenbei hat die konservative Presse seit Joachim Fest keinen wesentlichen, authentischen aber auch ernstzunehmenden Sprecher mehr hervor gebracht.

  Nun folgt die Frage, was kann oder will ein Kulturhauptstadtjahr erreichen und dies speziell auf die Ruhr 2010 bezogen?

Ist der Vorwurf der Beliebigkeit, der "Gigantomanie" und der Konzeptionslosigkeit berechtigt? Ganz bestimmt nicht, so meinen wir.

Die Ruhr 2010 wollte und will auf keinen Fall irgendwelche Besucherrekorde, wie Liverpool mit seinen 9,7 Millionen, brechen. Warum auch?

 v.l.n.r: Dieter Gorny  /künstlerischer Direktor der RUHR2010 GmbH
Fritz Pleitgen [Vorsitzender Geschäftsführer der RUHR 2010 GmbH] 
 
   

Abgesehen davon, dass die Besucherzahlen meistens Zahlen aus dem PR Bereich sind und niemals irgendwelchen Belastungen standhalten können. Wenn nun Fritz Pleitgen diese 9,7 Mio. von Liverpool erwähnte, so hat er das immer mit einem zwinkernden Auge getan. Die eigentliche Aussage in diesem Zusammenhang war jedoch, wenn Liverpool durch das Kulturhauptstadtjahr einen Strukturwandel erbringen konnte, so gelingt das sicher auch im Ruhrgebiet. Was ist also falsch an dieser ambitionierten Zielsetzung? Nochmals, die Zielsetzung heißt dem Strukturwandel einen starken Impuls zu verleihen.

Nun zu der Konzeption der Ruhr 2010 der Metropole Ruhr. Hier muss ich allerdings etwas ausholen.

Dem Kulturhauptstadtjahr 2010 liegt der Ausspruch von Karl Ernst Osthaus zu Grunde: "Wandel durch Kultur, Kultur durch Wandel" – eine Gleichung. Der Hagener Osthaus versuchte Anfang des vorigen Jahrhunderts die Tristesse des damaligen Ruhrgebiets mittels eines Kulturimpulses zu überwinden. Das Ruhrgebiet war damals das industrielle Herzstück Deutschlands. Aber es hatte einen Nachteil. Es hatte nur zwei Funktionen, Wohnen und Arbeiten, sonst gab es nichts. Die urbanen Ansiedlungen waren nur auf eines ausgerichtet, und zwar auf die Leistungserbringung im Bereich Kohle und Stahl. Köln und Düsseldorf waren die nächsten Kulturmetropolen. In Berlin war damals die Avantgarde der Kulturschaffenden anzutreffen. Osthaus, der als junger Mann ein nicht unerhebliches Erbe antrat, band in Folge Künstler an Hagen und Umgebung, indem er ihnen ein Leben und Wirken ohne Existenznöte anbot.

Seine Idee: Kultur und damit die Kunst sollten sich mit allen andern Lebensbereichen versöhnen und befruchten. Und zu diesen anderen Lebensbereichen gehörte eben auch die Wirtschaft, die ja Teil der gesamten Gesellschaft sein soll.

1901 gründete er das Folkwang Museum welches später nach Essen umzog, sich aber bis heute dem Gedanken Osthaus verpflichtet fühlt. Osthaus versuchte mit der Bindung von Kulturschaffenden ein Umdenken in der Gesellschaft zu erreichen. Die Baukunst sollte mehr dem modernen Gedanken der Funktionalität eines Gropius oder van de Velde verpflichtet werden. Die moderne Malerei wurde erst maßgeblich durch ihn unterstützt und auf den Weg gebracht.

Kurz, er wollte dass dieses kreative Schaffen auf die anderen Lebensbereiche abfärbte, was es ja auch tat. Der "Hagener Impuls" ist noch heute ein fester Begriff in der Kunstgeschichte. Sein Wirken beschränkte sich aber nicht nur auf Hagen, vielmehr weitete er seine Aktivitäten auf das Rheinland aus und wusste sich auch in der Kulturmetropole Berlin Geltung zu verschaffen. Er formte den damaligen Ort Hagen zu einem kleinen Zentrum neben Berlin um. Leider kam der erste Weltkrieg und der viel zu frühe Tod Osthaus dazwischen, so dass dieser Impuls eben nur ein Impuls blieb. Es fehlte die Nachhaltigkeit und Verstetigung dieses Impulses. Die Frage, was geschehen wäre wenn Osthaus länger gelebt  und sein Wirken fortgesetzt hätte, musste sich jedem stellen, der die Aktivitäten von Osthaus studiert hatte.

Und das ist es was die "Macher" der Ruhr 2010 sicher bewegt hat, denn warum sonst sollten sie den Ruf Osthaus "Wandel durch Kultur, Kultur durch Wandel" als ihr Credo ausgewählt haben?


Gasometer Oberhausen
   Seit 2006, als Essen und damit die Ruhrregion den Zuschlag für das Kulturhauptstadtjahr bekommen hatte, befindet sich die Ruhrregion in einem dramatischen Strukturwandel.

Viele Städte arbeiten mit einem so genannten Nothaushalt. Eine Perspektive, dass es wieder aufwärts geht, ist bis heute nicht in Sicht. Deutschland hat im Gegensatz zu Frankreich keine nennenswerte Industriepolitik vorzuweisen. Deutschland hat es ja immer abgelehnt Industriepolitik zu betreiben. Kohle und Stahl sollten verschwinden oder sind bereits verschwunden. Andere Länder, wie Australien Indien, China fördern und produzieren wesentlich billiger.

Die Folgekosten, die durch die Beseitigung von den nun bestehenden Industrieansiedlungen entstanden, überforderten und überfordern die Kommunen. Haushaltsmittel der Kommunen sind auf Jahre in diesem Bereich gebunden und erschweren eine neue andere Wirtschaftspolitik. Erschwerend kam hinzu, dass die Ausgaben im Sozialbereich explodierten. Dies zwang die Kommunen dazu andere Bereiche zu vernachlässigen und das seit Jahren.

Der Ansatz einer tiefen Depression im Ruhrgebiet machte sich breit. Rund 5 Mio. Menschen leben mit einer Arbeitslosenquote von teilweisen 25% und mehr ohne Perspektive. Berlin investiert in die Zentren des Ostens, die Ruhrstädte müssen sogar noch in den Solidarfond für den Osten mit einzahlen. So dauerte es Jahre bis der Bund und das Land NRW mit dem Förderprojekt "Stadtumbau West" etwas für die Städte des Ruhrgebietes auflegten.

Es musste also eine andere Art der Motivation in der Ruhrregion Einzug halten, bevor die Depression sich manifestieren würde.

65% der Wirtschaft ist Psychologie und zur Psychologie gehören nun mal die Motivation und damit die Bewusstseinsschaffung. Und darauf zielt das Konzept der Ruhr 2010 ab.

Das Selbstbewusstsein und damit die Stärke der Region Ruhr, jetzt Metropole Ruhr,  sollte ans Tageslicht gefördert werden. "Wo das geht (Kohle und Stahl), geht noch mehr", einer der Slogans der Ruhr 2010.

Rund 300 eigene Projekte hat die Ruhr 2010 angestoßen. Hunderte andere Projekte wurden unter das Label der Ruhr 2010 gestellt. Es wurde ein riesiges Netzwerk über 53 Städte gespannt, aber nicht nur das, es wurden auch noch die ausländischen Partner mit ins Boot geholt. Und das Wesentliche, die Kommunikation und Kooperation zwischen den Städten wurde befeuert. Innerhalb eines viertel Jahres war das Label Ruhr 2010 ein fester Begriff. War Anfang des Jahres 2010 noch eine kritische Grundhaltung bei vielen Stadtoberen zu konstatieren, so wich diese Grundhaltung zunehmend einer positiven Einstellung des "Wir schaffen das".

Es ist ja auch alles in der Metropole da, es gibt Museen, Opernhäuser, herausragende Künstler, Ideen zu Hauff, Kultur in der Nische aber auch Kultur von Weltrang. Es musste nur sichtbar gemacht  und die Eigenständigkeit der Metropole herausgearbeitet werden. Die Region ist ja ein riesiges Ballungsgebiet, wo die einzelnen Städte bestenfalls als Ortsteile durch die Bevölkerung wahrgenommen werden.

Auch die fehlenden Traditionen wurden wieder belebt: Staunend erfuhr der Besucher, dass die Region wesentlich mehr Burgen und Schlösser auf ihrem Gebiet hat als es anderswo der Fall ist. Die Ruhr 2010 brachte Leuchttürme ins Bewusstsein der Öffentlichkeit, wie den Day of Song, Schachtzeichen oder auch das Still Leben bei der die A40 auf einer Länge von 60 km gesperrt wurde und die Alltagskultur ihre Bühne fand. Aber es fanden auch kleinere Projekte nach vorne, wie das Ruhratoll, 2-3 Strassen oder Element X, die sowohl einem ausgesuchten Publikum und auch dem Massenpublikum einen Kunstgenuss verschafften. Aber nicht nur Kunstgenüsse alleine, sondern auch bewusstseinsbildende Impulse gab es, die zu neuer Stärke führen können. Können ist das richtige Wort, denn einen Garantieschein kann die Ruhr2010 nicht geben.

Die Folge: Viele große Firmen bekannten und bekennen sich zu der Ruhrregion und kündigten Investitionen oder ihre Investitionsbereitschaft an. Firmen die im Begriff waren weg zu ziehen, blieben. Denn wo kreative Menschen sind, sind innovative verwertbare Errungenschaften nicht weit, kurz, die klimatischen Bedingungen haben sich grundlegend geändert oder befinden sich  in Änderung. Diese an allen Orten stattfindenden Impulse können und sollen zu einer größeren Bewegung werden, die letztendlich zu der angedachten Metropole Ruhr führen sollten.

Und dann war da noch die Love Parade. Bochum hat sie im vorigen Jahr aus sicherheitstechnischen Gründen abgesagt, wofür die Stadt öffentlich gesteinigt wurde. 2010 war Duisburg dran, so war es abgemacht.

Der Polizeipräsident von Duisburg Cebin sah erhebliche Sicherheitsprobleme, was in Duisburg auch für vielen Diskussionsstoff sorgte. Bis Februar 2010 war nicht sicher ob die Love Parade in Duisburg stattfinden  könnte. Die Ruhr 2010 hat mit Pleitgen und Gorny sicherlich motivierend eingegriffen, indem sie den Stadtoberen Mut machte dass sie es schaffen würden. Nur haben sie sicher niemals den Sicherheitsaspekt zur Disposition gestellt. Vielmehr werden sie von einer soliden und seriösen Planung ausgegangen sein. Die Ruhr2010 vertraute der sachlichen und fachlichen Kompetenz der Kommunen und war von der Leistungsfähigkeit derselben überzeugt – wie denn sonst. Und die Love Parade ist ein Format das viele jungen Menschen aus aller Welt anspricht. Techno ist nicht jedermanns Geschmack, es ist aber eine Ausdrucksform der Jugend, wie eben ihre Väter dem Rock, Folk oder Jazz als Jugendliche anhingen.  Ich denke da an die Flower Power Bewegung der 68er.  Analog ist die Love Parade ein fester Bestandteil im Kulturbetrieb der Jugendlichen von heute.

Was lag da näher als ihr das Label der Ruhr 2010 zu geben? Seht her auch für die Jugend hat unsere Metropole Ruhr etwas, ihr braucht nicht zu gehen, könnte das Signal lauten. Denn zurzeit gehen die jungen Menschen aus der Region aber auch aus Deutschland. Ein nicht zu übersehender Aderlass.

Und dann die Tragödie mit ihren 21 Toten und den vielen Verletzten und Traumatisierten.
Mit aller Wahrscheinlichkeit wird diese Tragödie auf krasse Planungs-, Organisations- und Führungsfehler zurück zu führen sein. Sicherheitseinwände wurden nicht in die Planung mit einbezogen, oder es wurde zu sehr einem euphorischen Gefühl nachgegangen und der finanzielle Aspekt überwiegte, was letztendlich zu einer Selbstüberschätzung oder auch Fehleinschätzung führte. Das  ist zu diesem Zeitpunkt aber mehr ein spekulativer Erklärungsversuch.

Aber rechtfertigt das den Vorwurf der Gigantomanie oder Konzeptionslosigkeit? Nein! 

Soll man jetzt die Idee des Kulturhauptstadtjahres begraben? Um Gottes Willen, nein!

Denn eines ist sicher, der strukturelle Wandel muss in der Ruhrregion beschleunigt werden, und das ist unter Politikern aller Parteien unbestritten.

Nur die Wege zu einem nachhaltigen Strukturwandel sind strittig. Und weil der Streit schon lange andauert, dauert auch der notwendige Wandel an.

Wandel muss aber, wenn er wirksam sein sollte, auch die gesamte Region durchdringen und zwar schnellstens, nicht erst wenn der letzte das Licht ausmacht. 

 
Bild oben: Schurenbachhalde

Nur wie ist der Wandel finanzierbar, wenn die Kassen der Kommunen, des Landes als auch des Bundes leer sind? Auch hier greift das Konzept des Kulturhauptstadtjahres, indem es die Städte zur Zusammenarbeit ermuntert – Stichwort interkommunale Zusammenarbeit. Aber auch die internationale Zusammenarbeit soll aktiviert werden, indem Städtepartnerschaften mit in die Projekte einbezogen werden. Große hier ansässige Firmen, wie RWE, EON, Schenker, Haniel, Edeka oder der Deutsche Sparkassen und Giroverband, haben sich gerne mit einbeziehen lassen. Aus dem Impuls ist eine Bewegung geworden. Die Kreativität der Kunst bewegt eine ganze Region und befeuert ihren Wandel.

Mitte des Jahres konnte man feststellen, es findet ein Übergang zu mehr Nachhaltigkeit statt. Aber es sind noch viele Stellschrauben zu drehen um diesen Wandel auf einen guten Weg zu bringen. Unter anderen die Einsicht und die Erkenntnis der Ruhrgebietskommunen, dass nur das gemeinsam abgestimmte Handeln der einzelnen Kommunen als auch der ganzen Region einen Gewinn bringen kann. Und dieser Gewinn heißt einen Weg aus dieser strukturellen Krise zu erreichen. Gewinnen werden alle Kommunen dadurch. Und, was wichtig ist, die Selbstständigkeit der Kommunen steht hierbei nicht zur Disposition.

Bis jetzt hat die Politik diesen ganzen angeworfenen Prozess der Ruhr 2010 positiv begleitet und ich denke sie wird  diesen Prozess weiter begleiten, obwohl ein Wechsel in Düsseldorf stattgefunden hat. Und wenn die Macher der Ruhr2010 es schaffen den Impuls umzuwandeln und eine Verstetigung zu erreichen, was spricht dann gegen eine Metropole Ruhr gleichberechtigt neben den anderen Metropolen? Nichts! Denn die neu geschaffene Metropole Ruhr könnte Signal für andere ehemalige Industriegebiete sein – eine Umwandlung ist zu schaffen.

Das Malocher- und Schmuddel-Image haben wir in den vergangenen 6 Monaten schon etwas abgelegt, nun sollten wir uns aufmachen das  Image einer Region der Kreativen zu bekommen, aber auch einer Region, die sich aufmacht sich am eigenen Schopf aus der Krise zu ziehen.

Und was die PR Zahlen betrifft, vielleicht wird die Metropole Ruhr nur 9,6 Mio Besucher haben. Na und, so sind wir halt nur zweiter im Besucher- Ranking, Hauptsache die Metropole Ruhr ist auf dem richtigen  Weg.

Langsam weicht die Lähmung die die Tragödie der Love Parade mit ihrem unsäglichen Leid in mir erzeugt hat.

Vielleicht sollten wir die Love Parade Tragödie wie eine Bergwerkskatastrophe mit vielen Toten behandeln, zu diesem Zeitpunkt vielleicht  ein fragwürdiger Gedanke so meine ich.

1925 kamen auf der Zeche Minister Stein in Dortmund 136 Bergleute bei einer Schlagwetterexplosion ums Leben. Diese Schlagwetterexplosion wurde durch eine Sprengung ausgelöst die nur unzureichend erprobt war. Danach wurden umfangreiche Vorschriften erlassen, die solch ein Unglück nicht mehr zu ließen oder zumindest einschränkten.

Innenminister Ralf Jäger hat solche Vorschriften für Großveranstaltungen öffentlich angedacht und angekündigt.

Unsere Väter sind trotzdem nach solch einer Katastrophe mit einer tiefen Traurigkeit wieder in den Berg eingefahren und haben weiter gearbeitet. Doch sie haben die Toten und Opfer nie vergessen.

Wie sangen die Toten Hosen in einem Lied:

                                           Steh auf, wenn du am Boden bist!
                                                   Steh auf, auch wenn du unten liegst!
                                                            Steh auf, es wird schon irgendwie weiter gehn!

Handeln wir danach: Stehen wir auf, ich zumindest will aufstehen.

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Ennepetal
 
                                                                                                                 [Bildmaterial: © Ruhr2010 Pool und Linde Arndt]

Fest der Liebe gerät zum Fest der Trauer, Hilflosigkeit und Wut.

[jpg] Gestern nach der Katastrophe war im Pressezentrum eine Mischung von Betroffenheit, Trauer, Hektik, Wut und Unverständnis anzutreffen. Ich stand mit drei älteren Kollegen draußen vor der Pressebrücke und wir waren uns einig, dass hätte nicht passieren dürfen. Es war von unserer Seite ein zu hohes Maß an Vertrauen gegenüber den Verantwortlichen vorhanden gewesen. In den voraus gegangenen Pressekonferenzen wurden zwar kritische Fragen zur Sicherheit gestellt, wir waren aber alle zufrieden mit den teils oberflächlichen Antworten. In Einzelgesprächen wurden diese kritischen Fragen den Verantwortlichen gegenüber nochmals gestellt, wir alle wollten jedoch nicht als Spielverderber oder Bedenkenträger dastehen. Und so beließen wir alle es dabei und dachten dass, was alle dachten: Es wird schon gut gehen.

Nur es ging eben nicht gut. Und in dieser Hinsicht haben wir uns alle irgendwie schuldig gemacht.

Als Beispiel mag die heute von der Stadt Duisburg abgehaltene Pressekonferenz herhalten, die man nur als stümperhaft einstufen kann. Technisch hatte man keine Vorbereitung getroffen um den sich nun stellenden Fragen der in- und ausländischen Presse Rede und Antwort zu geben. Betroffenheit und Trauer sollte man schon persönlich formulieren können und nicht vom Blatt ablesen, welches ein Öffentlichkeitsreferent angefertigt hat. Und es sollte die erste Reihe der Stadt anwesend sein und sich auch als solche ausweisen.

Nicht der stellvertretende Leiter der Polizei Duisburg Detlef von Schmeling, sondern der Leiter der Polizei Rolf Cebin hätte anwesend sein müssen. Ebenso die mit der Planung beauftragten Leiter der Stadt Duisburg und nicht nur der Leiter des Krisenstabes. Berechtigte und wichtige Fragen wurden allesamt mit Statements beantwortet. Man hatte den Eindruck die Verantwortlichen sprachen von einer ganz anderen Veranstaltung, nämlich der, wie sie hätte sein sollen, nicht der wie sie sich darstellte. Die wesentliche Aussage war jedoch, wir, die Verantwortlichen sind nicht Schuld an der Katastrophe, die Besucher haben ihren Tod selber herbeigeführt. Rainer Schaller  [Lopavent GmbH] der Organisator der Loverparade war fein raus, er verkündete das " Aus" der Loveparade nach dem er seine Betroffenheit geäußert hatte. Danach überließ er alles seinem Pressesprecher. Und der Oberbürgermeister Sauerland (CDU) wusste nichts Wesentliches zu dieser Veranstaltung zu sagen, außer die vom Blatt abgelesene Betroffenheit.

Dezernent der Stadt Duisburg  Wolfgang Rabe, wollte gar nur als Leiter des Krisenstabes befragt werden, zur Planung und Organisation oder zum Sicherheitskonzept wollte er nichts sagen. Detlef von Schmeling der stellvertretende Leiter der Polizei Duisburg verwies darauf, dass der Organisator, also die Loveparade [Lopavent GmbH]  selber, für die Sicherheit verantwortlich gewesen sei. Was haben die Verantwortlichen doch ein Glück, dass nunmehr zwei Anzeigen bei der Staatsanwaltschaft eingetrudelt sind. So braucht man keine dezidierte Stellungnahme abzugeben – wegen des Ermittlungsverfahrens. Ach ja, nebenbei hatte man mal so eben zugegeben, dass dieser Platz nur für 500 tsd. ausgelegt war und die anwesenden 1,4 Mio nur nacheinander hereingelassen werden konnten.

Nun zu unserem persönlichem Eindruck von dieser Loveparade.

Recht früh um 16:00 Uhr kam das Team welches sich im Bereich aufhielt wo sich die Tragödie danach abspielte zurück und berichtete, dass dort ein fürchterliches Gedränge vorherrschte und keine Arbeitsmöglichkeit vorhanden wäre. Die Aussage der Beiden, wenn das man gut geht. Die Teams blieben nunmehr am Eingang der nur der Presse und den VIPs vorbehalten waren und arbeiteten von dort aus. Der Tunnel als auch die Rampe zur Veranstaltung war uns durch Augenscheinnahme bekannt, die Enge wurde auch in den PKs kommuniziert.

Am Freitag versuchte ich mich mit dem Veranstalter [Lopavent GmbH] , der Polizei und der Stadt auf eine Regelung hinsichtlich der Anreise zu einigen. Mein Eindruck: Es herrschte eine krisenhafte Stimmung vorab, keiner der Befragten wusste eine klare befriedigende und kompetente Antwort zu geben.

Wir waren also auf uns gestellt. Am Samstag parkten wir in der Waldstrasse ca. 5 Minuten vom Veranstaltungsort ab und gingen zu Fuß dorthin. Auf dem Weg fiel uns als erstes auf, dass die von uns angetroffenen Polizeibeamte keine Ortkenntnis hatten, nur einer hatte einen Stadtplan privat mitgebracht. Keiner der Beamten wusste genau wo der Veranstaltungsort ist, für meine Begriffe ein Unding. Bis wir dort ankamen sahen wir nur vereinzelnd Polizeibeamte. Als wir am Pressecounter ankamen und unsere Zugangsberechtigungsbänder bekamen übernahm die Sicherheit des Veranstalters [Lopavent GmbH] .

Da war eine Pressebrücke für Fotografen, die nur für 80 Personen ausgelegt war, was aber nicht so recht überprüft und kontrolliert werden konnte. Erst nach der Katastrophe fing man an zu zählen, nur man konnte von zwei Seiten auf die Brücke, wobei die eine Seite nur kontrolliert wurde.

Die Kommunikation über WLan ging nach einer relativ kurzen Zeit in die Knie und wir hatten nur im kb Bereich einen Zugang. Das Laden gestaltete sich als Geduldsspiel. Alle Ansprechpartner waren nicht umfassend informiert, sie hatten nur einen kleinen Teilbereich von Informationen parat. Als die Veranstaltung  pünktlich um 14:00 begann, wollte jeder nur seine Bilder haben, wir auch. Alles andere wurde irgendwie ausgeblendet, auch von uns.

Und dann ging es Schlag auf Schlag. Das worst case Szenario trat ein – die Katastrophe war da. Als ich von den 10 Toten und den vielen Verletzten erfuhr, wusste ich ehrlich gesagt nicht wie ich damit damit umgehen sollte. Während ich noch mit meiner Gefühlswelt beschäftigt war, sprangen die Kollegen allesamt zum Unfallort. Einige Kollegen wurden von ihren Redaktionsleiter angeschrien ob sie sich denn nicht endlich auf den Weg machen wollten um von der Unfallstelle Bilder zu machen. Ich persönlich war wie gelähmt. Die ersten Kollegen kamen zurück und brachten die Bilder vom Unfall. Es waren schreckliche Bilder die ich auf den Bildschirmen sah. Alle waren ensetzt. Wir haben dann gemeinsam entschieden, wir machen keine Bilder vom Unfallort aus ethischen Gründen. Nicht weil wir die Guten sein wollten, sondern, was sollte das bringen? Bringt die Hereingabe eines Bildes von herumliegenden Leichen und herumstehenden Tragen mit Verletzten eine wesentliche Information für einen Leser. Nein!  Es würden nur die niedrigen Instinkte unseres menschlichen Daseins bedient.

Es herrschte aber ein Gefühl der Trauer bei uns vor und dem wollten wir nachgeben. Wir brachen unsere Berichterstattung ab.
Auf dem Rückweg sahen und hörten wir wie schlecht die Organisation war, die unseres Erachtens nicht annähernd mit der nun eingetretenen Situation zurecht kam. Da irrten junge Menschen durch die Strassen und wussten nicht wie sie mit ihren Eltern in Verbindung kommen konnten um diesen mitzuteilen, dass es ihnen gut geht. Das Mobilfunknetz war zusammen gebrochen. Öffentliche Fernsprecher gab es nicht. Polizeibeamte wussten Ortsfremden nicht den Weg zum dem Bahnhof zu weisen, weil sie selber ortfremd waren.

Der Rückstau zum Hauptbahnhof wurde sich selber überlassen und war auf einige Zehntausend angewachsen. Über die Gleise irrten junge Menschen und versuchten sich durchzuschlagen. Wohin?  Wohin wohl, es gab ja keine Information. Über den Köpfen kreisten die Hubschrauber der Polizei als auch der Rettung. Wir sahen nur einen Plan, keinen mehr auf das Gelände zu lassen. Aber das wurde nicht kommuniziert. Es kriselte. Und ehrlich gesagt, wir wollten schnell weg. Beinahe kamen wir nicht zu unserem Wagen durch, weil die Polizei dachte wir wollten auf das Gelände. Erst durch massive Intervention ließ man uns durch. Als wir endlich in unserem Auto und aus dem Ring heraus waren, sahen wir wie immer mehr Polizei- und Rettungskräfte mit Blaulicht herangeführt wurden. Auch auf der A3 sahen wir immer wieder dutzende Einsatzfahrten auf Duisburg zufahren.

Mein Eindruck:

Was nützt die tollste Organisation wenn sie sich in der Realität nicht bewährt. Schönwetterorganisationen braucht man für solch eine Veranstaltung nicht, wenn es um Menschen und deren Leben geht. Für meine Begriffe haben sowohl die Stadt Duisburg als auch der Veranstalter  [Lopavent GmbH] der Loveparade auf der ganzen Linie versagt. Sie haben billigend in Kauf genommen, ob bewusst oder unbewusst, dass Menschen bei einer Grenzsituation zu Schaden kommen. Duisburg wollte anscheinend diese Imageveranstaltung "Loveparade", jetzt muss die Stadt mit dieser Entscheidung und deren Folgen leben. Wie schreibt die spanische Zeitung "El Mundo" "Der Umzug der Liebe wurde zur Parade des Horrors." und damit hat die Stadt Duisburg auch Deutschland in Verruf gebracht. Warum ist man nicht wie Bochum hergegangen und hat die Veranstaltung abgesagt? Die Bochumer haben nachdem das notwendige Sicherheitskonzept zu teuer wurde, die Veranstaltung abgesagt. Sicherheit geht eben vor allen anderen Aspekten, zumal wenn es um Menschen geht.
Was jetzt zu tun ist? Die Verantwortlichen von Stadt und dem Veranstalter [Lopavent GmbH] sollten ihren Hut nehmen und sich der Verantwortung stellen, alles andere wäre nicht angemessen genug den Toten und Verletzten gegenüber.

Für mich selber bleiben nur die Verarbeitung meiner Trauer und Hilflosigkeit und eine neue Erfahrung, die ich gerne nicht gehabt hätte.

Eines ist aber auch sicher, durch diese Tragödie wird das Vertrauen in die Sicherheitskonzepte einer Polizei als auch der öffentlichen
Behörden, wie einer Stadt, nachhaltig geschädigt. Was ist zum Beispiel von einer Polizei zu halten, die bei einem privaten Veranstalter und seinem Sicherheitsteam nicht einschreitet, wenn Menschenleben offensichtlich in Gefahr sind. Die Polizei in einem Staat ist für unserer aller Sicherheit verantwortlich, dafür darf nur sie alleine Gewalt gegenüber anderen ausüben. Und das mit gutem Recht. Sie hätte viel früher einschreiten  und die gesamte Sicherheit übernehmen müssen.

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Duisburg