Polittalk in der Rosine. v.l. Imke Heymann [CDU], Ralf Stoffels [Moderator SIHK], Anita Schöneberg [SPD] und Christoph Brünger, Geschäftsführer der SIHK Hagen Foto: (c) Linde Arndt
[jpg] Ralf Stoffels, einer der Vizepräsidenten der Südwestfälischen Industrie- und Handelskammer zu Hagen (SIHK) lud die Ennepetaler Unternehmer und Geschäftsführer zu einem Polittalk in die Voerder Rosine ein.
Von dieser Zielgruppe waren rund 50 Personen gekommen. Es ging um die Bürgermeisterinnenwahl die am 13. September eine Änderung im Ennepetaler Rathaus bringen soll. Zwei Damen, nämlich die allseits bekannte 57 jährige Anita Schöneberg (SPD) für die SPD und die 42 jährige Imke Heymann (CDU) die von CDU/FDP/FWE und Bündnis 90/Grüne ins Rennen geschickt wurden, nahmen an dem Talk teil.
Gabriele Grollmann – Notizen für den eigenen Talk in Schwelm? Foto: (c) Linde Arndt
Ralf Stoffels, der selber der CDU angehören soll, moderierte den Talk, während im Publikum Gabriele Grollmann (parteilos), Bürgermeisterkandidatin für Schwelm sich fleißig Notizen machte. Sicher werden die Fragen auch im Duell Grollmann Bürgermeisterkandidatin der CDU|FDP|Bündnis90/Die Grünen und SWG/BfS für Schwelm vs. Stobbe (SPD) Bürgermeister von Schwelm für die SPD ihre Verwendung finden.
Christoph Brünger, Geschäftsführer für Standortpolitik, Existenzgründung und Unternehmensförderung der SIHK Hagen trug zur Eröffnung die statistischen Eckdaten für Ennepetal vor. Offensichtlich sollten sie als Basis für den nun beginnenden Polittalk herhalten.
Nun hatte unsere Redaktion vor 6 Jahren unter dem damaligen Vizepräsidenten der SIHK Hagen, Rolf Bilstein, schon einmal solch einen Bürgermeister Wahlkampf-Abend erleben dürfen.
Um es vorweg zu sagen, es war im Grunde ein langweiliger Abend, denn es wurde kaum eine wirkliche Wahlkampfaussage durch die Kandidatinnen getätigt. Alles blieb bei vagen Andeutungen, wobei auch diese ewigen Versatzstücke kaum etwas Hintergrund bekommen hatten, wie man es eigentlich in einem Wahlkampf erwarten könnte. Herr Stoffels hätte den Kandidatinnen auch Stichworte aus einer Wohlfühlsoap geben können, es wäre das Gleiche herausgekommen. Am Ende waren rund 150 Minuten Zeit, 6 Blatt Papier, 1 Flasche Wasser und vier halbe Butterbrote der Marke Kassler mit Salami verplempert worden. Den Kaffee hatte man vorsorglich weit von der Presse aufgestellt, damit wohl nicht so viel davon konsumiert wurde. Wer weiß das schon. An diesem Abend habe ich mir schon über das Wort Kampf Gedanken gemacht und warum in Ennepetal diese politische Betätigung oder dieses Foramt nicht „Wahlkuscheln“ heißt.
Lassen wir einen Teil dieses Talks doch einmal Revue passieren, wobei wir nur die Passagen nehmen wollen die einen gewissen Erregungsgrad gezeigt hatte.
Stichwort Gewerbesteuer:
Es geht wie immer um die Höhe der Gewerbesteuer. Im Talk wurde Monheim als Beispiel herangezogen, Monheim will 285 % als Gewerbesteuer Hebesatz (Ennepetal 445 % ) und 385 % als Grundsteuer ( Ennepetal 470% ) von seinen Bürgern haben. 9,8 Milliarden Euro Gewerbesteuer haben die NRW Kommunen 2013 und 3.1 Milliarden Euro wurden über die Grundsteuer B in die kommunalen Kassen gespült. (Quelle:Statistisches Bundesamt)
Imke Heymann sieht mit einer Erhöhung der Gewerbesteuer ein Risiko des Wegbleibens oder Wegzuges von Investoren – also Vorsicht. Anita Schöneberg sieht im Vergleich mit den anderen Kommunen einen doch recht niedrigen Gewerbesteuer-Hebesatz – also kein Problem.
MdB Réne Röspel (SPD) Foto: (c) Linde Arndt
Der anwesende MdB Réne Röspel (SPD) empörte sich über den Vergleich mit Monheim, die, so seine Aussage, die Gewerbesteuer doch kannibalisieren würden. Firmen würden nur wegen der niedrigen Steuern in Monheim investieren und Nachbarfirmen würden abwandern.
Dies ließ Klaus Heinz, Unternehmer, so nicht gelten, indem er unsere Marktwirtschaft als Konkurrenzsystem sieht in dem auch die Kommunen um ihre Kunden buhlen würden, in dem Falle, wo sie die Höhe der Gewerbesteuer vergleichen.
Bei allen Gesprächsteilnehmern sieht man eine recht antiquierte Betrachtung für heutige Gewerbe- und Industrieansiedlungen. Moderne Betriebe, und modern heißt heute nicht nur, die viel besprochenen Startups, sind vielmehr Firmen die sich schon 10-15 Jahre am Markt gehalten und entwickelt haben. Gemeinsam ist bei diesen Firmen, dass sie Arbeitskräfte benötigen denen für die Ausbildung die MIND (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) Fächer zugrunde liegen. Und diese Firmen sehen in der Regel nicht zuerst nach der Gewerbesteuer oder der Grundsteuer B. Es sind heute bis zu 18 und mehr Standortfaktoren die nach Relevanz ermittelt und bewertet werden. Wobei die kommunale Steuerpolitik im unteren Bereich der Standortanalyse liegt.
Wenn es nach den neueren Analysen gehen würde, würde Gevelsberg sich jeden Investor gegenüber Ennepetal an Land ziehen, obwohl Gevelsberg einen Hebesatz von 490% meldet.
Das Image einer Stadt, so wie Unternehmensfreundlichkeit und Schnelligkeit, Flexibilität der Verwaltung, Bestand an qualifizierten Arbeitskräften kommen da noch weit vor der Höhe einer Gewerbesteuer.
Stichwort AÖR SBE:
Anita Schöneberg [SPD] Bürgermeisterkandidatin 2015 foto: (c) Linde Arndt
Für Anita Schöneberg muss in diesem Bereich nichts gemacht werden. Ein Rechtsanwalt wurde durch den AÖR Betrieb gejagt um Unregelmäßigkeiten (Nicht) aufzuspüren, er hat nichts gefunden und damit hat es sich. Wie wäre es denn zuständigkeitshalber eher mit einer unabhängigen Unternehmensberaterfirma, á la KPMG oder PwC gewesen?
Immerhin hat man ja schon Erfahrung mit Unternehmensberatungen im Zusammenhang mit dem Haushalt, kostete damals rund 300.000,–Euro.
Und Imke Heymann? Sie möchte zumindest im Ansatz diesen Betrieb überprüfen, mit welchem Ziel, dass bleibt leider z. Zt. unklar.
Die Position von Anita Schöneberg ist dabei unhaltbar. Denn sie hat angeblich die 20 jährige Erfahrung, die ihr sagen müsste, es muss in der AÖR eine umfangreiche Überprüfung stattfinden.Abgesehen davon hätte sie über das Aufsichtsgremium Verwaltungsrat Einfluss nehmen können.
Personell und organisatorisch muss die AÖR neu aufgestellt werden. Verantwortlichkeiten waren nicht vorhanden und müssen also benannt werden.
Wenn Frau Schöneberg sagt, es muss nichts gemacht werden, sagt sie doch, das diese „Schlampereien“ für sie in Ordnung sind. Eine nachgewiesene nicht funktionierende Rechnungsprüfung, um nur einen Punkt von vielen zu nennen, hätten die anwesenden Unternehmer hingenommen? Und Herr Stoffels von der SIHK? Er nahm diese Erklärung einfach so hin? Kein nachhaken.
Stichwort Haus Ennepetal
Imke Heymann [CDU], Bürgermeisterkandidatin foto: (c) Linde Arndt
Imke Heymann möchte hier eine Überprüfung haben. Ziel: Ob die Renovierung/Sanierung oder ein Neubau des Hauses notwendig ist. Wobei für sie die kostengünstigere Variante zum Zuge käme.
Anita Schöneberg will nur ab und an in das Haus investieren. Nach Kassenlage?
Sieht man sich das Haus Ennepetal an, so erkennt man schon als Laie, hier hat man jahrelang weggeguckt, hier gammelt ein Gebäude rund 40 Jahre einfach vor sich hin. Ab und an zu investieren ist dabei die schlechteste Lösung, die von dem rund 40 jährigen weggucken nicht weit entfernt ist, also weiter so wie bisher.
Brandschutz, Behindertenausbau (Toilette), Parkraum, Energiekonzept und Haustechnik, es sind so viele Dinge die im Haus gemacht werden müssten. Vordringlich ist jedoch die schlechte, weithin sichtbare Bausubstanz die auf eine anscheinend grundlegende Sanierung wartet.
Haus Ennepetal ist ein reiner Funktionsbau. Welche Funktion dieses Haus ausüben soll, darüber schweigt die Politik bis heute, auch die Kandidatinnen. Als Sitzungssaal für den Rat? Zu teuer. Als Event- und Veranstaltungsgebäude? Zu geringe Auslastung. Die angeschlossenen Funktionen Kindergarten, Mehrgenerationenhaus, Bücherei? Zu teuer. Abgesehen von der Quersubventionierung durch die Stadt.
Auch hier muss man einflechten, dass Frau Schöneberg immerhin 20 Jahre im Rat, ihren Gestaltungswillen anscheinend sehr unterdrückt hat.
Stichwort Flüchtlingsproblem:
Beide Kandidatinnen sind mit diesem Thema überfordert, hier fehlt es doch sehr an Sachverstand. Auch der derzeitige Amtsinhaber zeigte und zeigt immer wieder erhebliche Schwierigkeiten mit diesem Thema.
Wenn man bedenkt, dass nach den neusten Prognosen Ennepetal 2015 rund 300 Flüchtlinge in ihren Stadtmauern unterbringen muss, macht einen das schon nachdenklich. Wobei der Kalender wird ja 2015 nicht geschlossen. 2016 wird es nach Aussage des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen António Guterres eine Verdoppelung der Flüchtlingszahlen geben. Das heißt 600 Flüchtlinge müsste dann Ennepetal neu aufnehmen.
Anita Schöneberg schmeißt dann schon mal gesprächsweise die Obdachlosen mit den Flüchtlingen in einen Topf, womit sie ihre Inkompetenz zu diesem Thema unter Beweis stellen wollte. Imke Heymann ist da etwas emotionaler unterwegs und lässt zumindest Empathie erahnen. Zukünftige Bürgermeister werden mit diesem Problem nicht nur konfrontiert, sondern wenn sie unvorbereitet sind, auch überrollt.
Was mag in diesen Köpfen vorgehen? Nachdenkliches Grübeln.
Foto: (c) Linde Arndt
Es war wie gesagt eine gemütliche Talkrunde der SIHK, Wahlkampf einmal anders. Oder wie immer? Wobei die anwesenden Unternehmer mit den vage gemachten Aussagen anscheinend voll zufrieden waren. Es scheint ihnen gut zu gehen. Insofern sind Unternehmer auch nur Menschen, denen nichts an der Politik liegt, wenn es ihnen gut geht. Denn satt in der Sonne zu liegen ist allemal noch besser, als sich Gedanken über den morgigen Tag zu machen. Und die SIHK. Hagen? Nun, sie ist eine Organisation die von Unternehmern über Zwangsbeiträge getragen wird. Warum sollte die SIHK besser in der Moderation sein als die lokalen Heimat- und Stadtschreiber? Es geht uns gut, also lassen wir es dabei bewenden.
Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Ennepetal.