Mit neuen Ennepetaler Köpfen gegen alte Wände
[jpg] In den Anfängen der Bundesrepublik ging immer ein Satz durch die Gesellschaft, wenn man das tausendjährige Reich kommentierte: "Es war ja nicht alles schlecht was damals geschah, wenn die das nicht mit den Juden gemacht hätten". Manchmal hörte man aber auch: "Die haben wenigstens die Arbeitslosen von der Strasse geholt". Es gab noch mehrere solcher Sprüche, die alle dazu angetan waren dieses Menschen verachtende System zu verharmlosen und die Verbrecher die dieses System trugen (und es waren nicht wenige) wieder gesellschaftsfähig zu machen.
Tatsächlich meinten damals viele Leute, man müsse nur ein bisschen mit diesen "fehlgeleiteten" Menschen reden, damit sie ein paar Änderungen an ihrem Programm vornehmen. Wenn die Änderungen vollzogen wären, wären diese Leute demokratische Mitmenschen. Hört sich gut an. Stimmt das aber auch? Nein, es stimmt vorne und hinten nicht. Diese Leute sind weder fehlgeleitet noch sind sie Demokraten, sie sind schlicht und einfach überzeugte Anhänger eines totalitären Systems und zwar eines der widerwärtigsten Systeme welches die Geschichte jemals erleben musste. Und das in meinem Heimatland, ein Erbe über das ich bis heute nicht hinweggekommen bin und für das ich mich zutiefst schäme.
Wenn man jedoch seine Geschichte gelernt hat, so weiß man wie es dazu gekommen ist und man weiß wann man aufstehen sollte.
Frau Nachbarin und unser Bürgermeister versuchen uns nun weiß zu machen, dass das veröffentlichen der Anträge und das wörtliche Zitieren aus diesem Antrag des Neonazis doch gar nicht so schlimm ist. Und obwohl er,der BM, sich von dem Antrag persönlich stark distanziert, vertritt er doch sinngemäß die Meinung, man solle doch dem Bürger überlassen wie man dies einordnen soll. Der Bürgermeister möchte damit von seiner Untätigkeit ablenken, denn offensichtlich wartet er auf eine göttliche Eingebung um die Probleme der Stadt anzugehen. Dies ist für mich zwar gefährlich aber verständlich. |
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Wenn dies alles so einfach wäre, frage ich mich warum die Bundesregierung das Buch "Mein Kampf" nicht freigeben will? Warum der Stürmer eine damalige Hetzschrift der Braunen oder verschiedene Publikationen aus dem damaligen Hugenberg Verlag ebenfalls nicht freigegeben werden? Diese Publikationen kann man nur in verschiedenen Universitätsbibliotheken mit dementsprechender Berechtigung einsehen. Warum wohl? Es sind doch nur Worte, die man mit einem bisschen Willen auch richtig einordnen kann. Man kann es eben sehr wahrscheinlich nicht. Und das hat der Gesetzgeber richtig erkannt.
Nur einige wissen, dass auch Sprache sich verändert. Was vor 80 Jahre so gesprochen oder geschrieben wurde, erscheint uns heute fremd. Man muss es anpassen um den Sinn, den Inhalt heute zu verstehen. Die Neonazis haben das inzwischen kapiert, sie haben ihre Sprache grundlegend verändert. Auch ihre Strategie ist eine andere geworden. Wusste man vor 80 Jahren nicht von einem Transfer im Zusammenhang mit einer Veröffentlichung, so ist das heute in Fleisch und Blut übergegangen.
So ist es nicht verwunderlich, dass der Ennepetaler Neonazi die feinen Verbindungslinien zwischen der Frau Nachbarin und dem Bürgermeister erkannt hat. War ja auch nicht allzu schwer. Die konzertierte Aktion in der Causa Mehner zwischen Frau Nachbarin und dem Bürgermeister ist ja noch frisch und wurde ja mehrfach aufgewärmt.
Bei Frau Nachbarin ist es wohl die Eitelkeit, kann sie es doch nicht verwinden, dass sie sich einmal geirrt hat, ja sogar einen Fehler gemacht hat. Nun ist Frau Nachbarin gleich mehrfach in ihrem Forum vertreten, als admin, als info und als Helgasp, wenn das nicht reicht, reicht sie an ihren Mann rüber, der dann weitermacht. Was lag da näher als den Antrag der Neonazipartei in das Forum der Frau Nachbarin einzustellen und gleichzeitig an das Rathaus abzusenden. Die Rechnung ging auf. Frau Nachbarin in ihrer Eitelkeit (alle Parteien schreiben hier) ließ den Antrag stehen und schwupps war dieser Antrag über die Suchmaschinen erreichbar und zwar in voller Textlänge, wenn man den Beitrag anklickte. So steht jetzt, wir Ennepetaler, dann kommt ein Snippet aus dem Text und zuletzt noch mal der Link. Zwei Tage später stellte der Bürgermeister seine Stellungnahme rein, mit Textauszügen und Link zu Frau Nachbarin. Jetzt steht in der Suchanfrage: Der Bürgermeiste Ennepetal, ein Snippet und dann der Link auf die Seite. Da die Seite des Bürgermeisters mit der Seite der Nachbarin verlinkt ist, erkennt die Suchmaschine beide Seiten als besonders wichtig.
Den Neonazi wird es freuen, denn wie kann er besser und schneller seine Inhalte transportieren als über diese beiden dummen und naiven Webseitenbetreiber.
Als im heutigen Hauptausschuss Herr Steinbrink (SPD) den Bürgermeister darum bat diesen Umstand doch zu beobachten, wurde er vom Bürgermeister abgebügelt. Er würde so was immer wieder machen, so der Bürgermeister. Tolle Einsicht.
Beide, Frau Nachbarin als auch der Bürgermeister von Ennepetal, haben dem Neonazis die Tür geöffnet um mit ihren Inhalten bei den Bürgern zu landen. So war es in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts und so ist es heute. Es ist eine Gemengelage von Eitelkeit, Naivität und Gleichgültigkeit gepaart mit persönlicher Unfähigkeit Fehler zu erkennen und zu berichtigen, die dem Neonazi das Forum bietet welches er sich nicht besser wünschen konnte.
Und noch eines: Es ist schlicht und einfach nicht wahr, dass man die geistigen Ausdünstungen der Neonazis den einfachen Leuten zur Beurteilung überlässt, wie Frau Nachbarin so schön Glauben lassen will. Konsens ist noch immer, man grenzt die Neonazis aus, lässt ihre Anträge ins Leere laufen. Ihre Ausgüsse umschreibt man, zitiert sie aber nicht. Auch werden keine Verlinkungen auf die einschlägigen Neonaziseiten eingefügt.
Aber, und das sollte man auch sehen, zunehmend nimmt die konservative CDU die Neonazis zum Vorwand um die SPD gegen die Linke auszuspielen. So sollte man sich nicht wundern wenn die Neonazis irgendwann wieder als das kleinere Übel genommen würden. Der konservative Papen hatte damals einen großen Vorteil dadurch gehabt. Während die Sozialisten alle in die Gefängnisse wanderten, woraus die meisten nicht mehr heraus kamen, lebten die Konservativen damals nicht schlecht.
Man sagt ja, dass die Geschichte sich nicht wiederholt, hoffentlich stimmt das auch. Seit heute habe ich meine berechtigten Zweifel.
Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik