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Das britische Referendum und seine Folgen – ein Resümee

v.l. Jean-Claude Juncker, Angela Merkel, David Cameron Fotocollage: (c) Linde Arndt

v.l. Jean-Claude Juncker, Angela Merkel, David Cameron Fotocollage: (c) Linde Arndt

 

[jpg] Es ist eigentlich ganz einfach gegen etwas oder alles zu sein. Und wenn man noch drei prominente konservative Vertreter als engagierte Verfechter der Bewegung für den Ausschluss Großbritanniens aus der EU hat, dürfte es klappen. Und es hat ja auch geklappt, zwar recht knapp, aber die Mehrheit der Briten hat sich für den Austritt oder auch Brexit (Wordwahl:The Economist)  entschieden. Danach brach das Chaos aus, Großbritannien lag zerrissen vor dem europäischem Festland. Jetzt galt es die Scherben zusammenzufegen. Nur, wer sollte das machen?

David Cameron Prime Minister Foto: (c) Linde Arndt

David Cameron Prime Minister
Foto: (c) Linde Arndt

Der konservative Premierminister David Cameron will bis zum Oktober „netterweise“ noch im Amt bleiben, danach soll es richten wer will. Na ja, irgendwie wollte Cameron nicht bis zum Oktober warten und tritt nun schon im Juli zurück. Was soll es. Der ehemalige konservative Londoner Bürgermeister Boris Johnson ging nach dem gewonnenen Brexit erst einmal Rugbyspielen, um, mit einer kleinen Verzögerung, den Briten mitzuteilen, er würde für den Posten des Premier nicht zur Verfügung stehen. Und der liberalkonservative Nigel Farage, der Vorsitzende der UK Independence Party (UKIP), er hat nach eigenen Angaben sein Ziel erreicht, nämlich  sein Land zurück erkämpft und trat von allen Ämtern seiner UKIP Partei zurück, weil, weil er jetzt sofort sein Leben wieder zurück haben will. Allerdings will Farage auf sein finanziell gut ausgestattetes Mandat im Europaparlament nicht verzichten, er will die Abwicklung des Brexits in Brüssel begleiten, so sagt er.

Nun sollte man meinen, kein Problem in einer Demokratie, es gibt ja noch eine Opposition, die sich genau für solch einen Fall bereit hält. Weit gefehlt, die Labour Partei ist sich selber nicht einig. So hatte der Oppositionsführer Jeremy Corbyn während des Referendums doch irgendwie den Kampfeswillen vermissen lassen, was seine Parteikollegen ihm übel nahmen, denn Labour positionierte sich klar für den Verbleib bei der EU. Nach dem Referendum wollte man denn auch Jeremy Corbyn gleich los werden, nur, der ging nicht. Angela Eagle meldete sich um Jeremy Corbyn abzulösen um sodann in eine Wahl zu ziehen, die noch nicht datiert ist. Nebenbei, man traut Eagle den Job zwar zu, nur in der Labour Partei ist sie schlecht vernetzt.

Labour und Torys sind zerrissen in dem was sie getan haben und indem was sie jetzt tun sollten.

Nachdem die Katerstimmung der Briten verflogen war, war das Entsetzen groß, so groß, dass die Briten das Referendum nochmals abgehalten hätten. Der zweite Einfall war, ob Schottland, Nordirland und London sich nicht vom vereinigten Königreich loslösen sollten und mit der EU über einen Beitritt verhandeln sollten. Nordirland denkt auch darüber nach, sich mit Irland zu vereinigen und wäre dann automatisch in der EU. Nicola Sturgeon die Regierungschefin von Schottland wurde denn auch in Brüssel vorstellig und lotete denn auch schon mal die Optionen aus, die Schottland hätte, wenn die Briten den Austritt nach Artikel 50 des Vertrags über die Europäische Union erklären würden.  Sturgeon musste man ganz höflich erklären, dass nur unabhängige Staaten der EU angehören können.

Nun kommt die Innenministerin Theresa May als Premierministerin ins Spiel. Sie sollte ja im Oktober gegen Andrea Leadsom antreten um da erst zur Kandidatin für das Amt der Premierministerin gewählt zu werden. Andrea Leadsom zog jedoch ihre Kandidatur wegen einer für sie unpassenden Bemerkung  zurück, so dass Theresa May das Amt ohne Wahl von David Cameron übergeben bekommt. Kenneth Clarke, das Über-Ich der Konservativen, sprach sich vorher für Theresa May aus, weil sie ihn an Margaret Thatcher erinnere. Theresa May, eine durchsetzungsstarke Politikerin die den Brexit nicht wollte, will aber den Brexit, nach ihrer Einführung ins Amt, umsetzen.

Andere Möglichkeiten oder Optionen – Fehlanzeige. Atemlos nehmen wir die Veränderungen wahr und vergessen dabei, dass wir ein Land vor uns haben welches mit einem BIP von 3.000 Milliarden US Dollar eine nicht zu übersehende Wirtschaftsmacht darstellt. Die Verzahnungen der Wirtschaften mit der EU stellen ein nicht zu übersehendes Problem bei einem Brexit dar. Nicht nur für die EU, sondern auch für Großbritannien.

Das ist jedoch nicht alles was auf dieser Inseln im Atlantik vor unserer Haustür im Zusammenhang mit dem Referendum passiert und passierte.

Einem normalen und gebildeten Wähler ist es auch kaum  schlüssig zu erklären. Die deutschen Journalisten, wie Anja Reschke (NDR) oder Thomas Roth (ARD) bemühen sich denn auch den Deutschen mitzuteilen, dass ein Referendum, also eine Volksbefragung, für deutsche Verhältnisse überhaupt nichts ist (Wir sind dafür zu dumm und unsere Politiker so klug). Politiker wissen schon was das Richtige für ihr Volk ist, so das Credo der etablierten deutschen Journalisten. Das Volk als Souverän ist den deutschen Journalisten offensichtlich nicht bekannt oder sogar nicht  geheuer. Reschke und Roth sind Journalisten, Journalisten wie die Journalisten der Murdoch Gruppe. In Großbritannien tendierten alle für den Brexit – Aufklärung und Informationen suchte man in diesen Blättern vergebens und wenn fand man diese nur rudimentär. Times, Daily Mail, Daily Express, Daily Telegraph, Guardian, Financial Times oder The Sun, diese Blätter bombardierten die Briten geradezu mit Brexitmeldungen und ließen kaum eine Gegenmeinung zu.

 

Und Brüssel organisiert den „rasenden Stillstand“

 

Bundeskanzlerin Angela Merkel, Foto: (c) Linde Arndt

Bundeskanzlerin Angela Merkel,
Foto: (c) Linde Arndt

Brüssel hat vom Grund etwas gegen Volksbefragungen, wobei die gewählten Mitglieder des Parlamentes ausgespart werden können. Das griechische Referendum war mit dementsprechenden Kommentaren der Brüsseler Eliten begleitet worden. Alldings ist Griechenland eher ein wirtschaftliches Leichtgewicht mit seinen rund 240 Milliarden US-Dollar an BIP. Kommission, Euro-Gruppe oder der europäische Rat sind die Institutionen die nicht kritisch hinterfragt werden wollen. Es sind elitäre Zirkel die sich einer demokratische Legitimation „par Ordre du Mufti“ einverleibt haben. Sie machen alles richtig, weil sie von den Regierungschefs der 28 EU Staaten gesagt bekommen, was sie zu tun haben. Das Sagen hatten einmal gleichberechtigt alle Mitglieder, heute dominiert die deutsche Bundeskanzlerin das Geschehen in Brüssel, manchmal sogar mit dem französischen Staatspräsidenten. Wenn etwas nicht klappt, hält Frau Merkel einen Scheck in der Hand um es klappend zu machen. Gute und kluge Führung wäre in solchen Fällen notwendig, was man aber bei Angela Merkel vergeblich sucht.

 

Als das Referendum am 23. Juni 2016 vorbei war, die Stimmen am nächsten Tag ausgezählt waren, hatten die Briten mehrheitlich für einen Austritt gestimmt. 51,9 % stimmten für den Austritt, bei einer Wahlbeteiligung von 72,2 % (Die Europawahlen 2014 hatten eine Wahlbeteiligung von 36%), dies konnte die britische Regierung nicht ignorieren, was der Premierminister denn auch nicht tat.

Am Tag nach dem Referendum, als das Ergebnis feststand, war erst einmal von Brüssel nichts zu hören. Die Eliten von Brüssel atmeten erst einmal tief durch. Dann ein trotziges, die Briten sollen so schnell wie möglich ihren Austritt nach Artikel 50 erklären. Dann, die Briten sollen erst einmal erklären wie sie sich die weitere Zusammenarbeit vorstellen. Es tagten die 27 Staaten um einen Plan zu erarbeiten wie man mit den Briten verhandeln sollte. Bundeskanzlerin Merkel will keine „Schnellschüsse“, sie will erst einmal abwarten. Juncker (Kommission), Tusk (Rat) und Schulz (Parlament) geben eine Stellungnahme nach der anderen ab. Deren Pressesprecher ergänzen oder kassieren schon gemachte Statements. In der Zwischenzeit verschwinden die britischen Führer in die Büsche und wollen mit dem weiteren Vorgehen zum Brexit nichts zu tun haben.

Zehntausende zumeist junge Briten gehen in London, Bristol, Cardiff, Oxford Edinburgh, Cardiff oder Manchester auf die Straße die sich durch den Brexit ihrer Zukunft beraubt sehen. In Brüssel sehen die Eliten dies als Bestätigung ihrer Tätigkeit. Kommissionspräsident Juncker will den CETA Vertrag mit Kanada unterschreiben und damit in Kraft setzen. Er weiß, wie umstritten diese Verträge sind die hinter verschlossenen Türen höchst undemokratisch verhandelt wurden. Er weiß doch das die 27+1 Staaten diese Verträge durch ihre Parlamente bestätigt sehen will. Und jetzt das.

 

Das ist es was viele gegen die Brüsseler EU haben, diesen Moloch der über sie bestimmt ohne sie zu fragen, der aus Briten, Deutschen oder Spaniern, Europäer ohne Identitäten machen will. Dieser Moloch der den einzelnen Staaten ihre Kultur und ihre Traditionen nehmen will. Juncker, Tusk oder Schulz müssen doch die Signalwirkung dieser Handlung gesehen haben. Irgendein Regierungschef, wahrscheinlich Kanzlerin Merkel, wird Juncker angerufen haben und ihm den Weg gezeigt haben.

Cecilia Malmström, EU-Kommissarin für Handel, die für CETA und TTIP Verhandlungen federführend zuständig ist, teilte in einer Pressekonferenz denn auch lapidar mit, dass der CETA Vertrag durch alle Parlamente gehen wird. Und der Brexit? Oder Reformen der EU, die die Staaten mehr an Brüssel binden? Nichts passiert, nur Gerede um den Zeitpunkt wann man wieder reden sollte und das die Briten den Artikel 50 erst erklären müssten.

Es ist weder in Brüssel noch in London auszuhalten, keine Idee wie man diese (nicht einzige) Krise bewältigen kann. Es fehlen schlicht und ergreifend die Köpfe die denken, abwägen und handeln können.

Jean-Claude Juncker, Präsident der Europäischen Kommission. Foto: (c) Linde Arndt

Jean-Claude Juncker, Präsident der Europäischen Kommission. Foto: (c) Linde Arndt

Da lohnt doch ein Blick in die anderen Staaten, wie man dort sich die Köpfe zerbricht. Immerhin hat das „Haus Europa“ rund 500 Millionen Europäer mit unterschiedlichen Kulturen und Traditionen, eine unzählige Anzahl von Universitäten die sich in Netzwerken zusammen geschlossen haben, mit Köpfen welche die unterschiedlichsten Probleme gemeistert haben. Und da sollte keine brauchbare Idee für dieses Problem, diese Krise vorhanden sein?

Professor Dr. Dominique Rousseau, Professor für Verfassungsrecht an der Universität Paris 1, Panthéon-Sorbonne schlug denn auch ein gewähltes Gremium von maximal 75 Personen vor, welchem man solche Problem, wie die Verteilung der Kriegsflüchtlinge vorlegen sollte. Dieses Gremium sollte eine Vorauswahl treffen ob dieses Problem ein nationales Problem sein soll und durch die Nationen auch gelöst werden sollte oder ob es durch die EU gelöst werden sollte.

Leider gehört Professor Dr. Dominique Rousseau  nicht zu dem erlesenen Zirkel der Brüsseler Eliten von Kommission und Rat. Nur wie soll das „Haus Europa“ aussehen, wenn rund 300 Km weiter ein Gedanke oder eine Idee vielleicht nicht in Brüssel vernommen werden kann?

Aber das ist nicht das wesentliche. Wesentlich ist doch ein fehlendes Frühwarnsystem der EU, welches Probleme frühzeitig anzeigt, bevor diese die EU in die Krise führen. Alle die Krisen, die übrigens nicht zur Gänze bewältigt sind, waren frühzeitig sichtbar und hätten nicht zu dieser Dramatik führen müssen, die bei der Flüchtlingskrise sogar tausenden Menschen das Leben kostete.

Kann es sein, dass die Eliten in Brüssel überfordert sind? Auf der einen Seite den Regierungschefs dienen und auf der anderen Seite so tun, als wenn sie den Europäern dienen? Wissen die denn ob es in Europa auch Bürger gibt?

 

Jürgen Gerhardt für european-mosaic und EN-Mosaik aus Brüssel.

Europa arbeitet an seinem Armutszeugnis

Premier Tsipras und die EU / unten v.l.: Angela Merkel, Mario Draghi, Jean-Claude Juncker, Donald Tusk,Dalia Grybauskaitė / oben links Werner Faymann, Mitte: Alexis Tsipras  / Alle Fotos und Collage: (c) Linde Arndt

Premier Tsipras und die EU / unten v.l.: Angela Merkel, Mario Draghi, Jean-Claude Juncker, Donald Tusk,Dalia Grybauskaitė / oben links Werner Faymann, Mitte: Alexis Tsipras / Alle Fotos und Collage: (c) Linde Arndt

[jpg] Europas Sorgenkind Griechenland soll zum Armenhaus verkommen. Oh ja, Kommissionspräsident Juncker hat 30 Stunden mit dem griechischen Ministerpräsident Tsipras verbracht. Nur er? Nein, unsere Redaktion hat bis jetzt 120 Stunden mit diesem Thema verbracht. Es ist ja nicht so, dass dieses Thema, also die Griechenlandkrise, eine gute Story wäre. Was sollen wir mit einer Meute von Stammtischökonomen über diese Wirtschaftskrise sprechen? Gefühlte 60% wollen die Griechen bluten sehen und wünschen ihnen das schlechteste was man einem Volk wünschen kann – den Untergang.

In Brüssel hatte man den griechischen Verhandlungsführern immer wieder vorgeworfen, sie hätten diese Wahlversprechen nicht machen sollen, womit sie das Volk auf ihre Seite zogen. Das Ministerpräsident Tsipras die Reißleine zog und ein Plebiszit ansetzte war doch vorauszusehen. Über 60 % des griechischen Volkes wollte den Weg mit seinem Ministerpräsidenten gehen, ein eindrucksvoller Vertrauensbeweis, trotz geschlossener Banken.

Mr Euclid TSAKALOTOS, Greek Minister for Finance; Mr Jeroen DIJSSELBLOEM, President of the Eurogroup  Foto:   © European Union

v.re.: Mr Euclid TSAKALOTOS, Greek Minister for Finance; Mr Jeroen DIJSSELBLOEM, President of the Eurogroup Foto: © European Union

Ratspräsident Donald Tusk rief für Dienstag die Regierungschefs zu einer außerordentlichen Ratssitzung. Dazu wurden noch der EZB Präsident Mario Draghi, der Kommissionspräsident Jean Claude Juncker und der Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem eingeladen. Vorgeschaltet war noch ein Treffen der Euro Finanzminister, mit dem neuen griechischen Finanzminister Euclid Tsakalotos.

Dazu kamen noch eine beträchtliche Anzahl an „Sherpas“ mit einer gewaltigen Fachkompetenz, für die die Griechenlandkrise ein Klacks sein sollte. Unsere Redaktion hat einmal durchgezählt, wir kamen so auf round about 200 Personen.

Im Vorfeld wurde den Griechen zu gerufen, sie sollten jetzt ja nicht mit einer „breiten Brust“ in Brüssel vorfahren. Es folgte das was man von Profis nicht erwartet hatte, gegenseitige Schuldzuweisungen und Unterstellungen. Und zwar zuhauf. Bundeskanzlerin Merkel stand die Lustlosigkeit, sich mit der Griechenkrise zu befassen, im Gesicht. Kommissionspräsident Juncker hielt sich neutral und die Baltischen Regierungschefs, allen voran die Litauische Präsidentin Dalia Grybauskaitė, wollten über die griechischen Probleme nicht mehr sprechen und gaben genervte Kommentare ab.

Mein Eindruck? Ich denke der Austritt der Griechen aus der EU (rein rechtlich ist das die einzige Möglichkeit) ist von allen Beteiligten so gewollt. Denn es gab weiter Unterstellungen, Nötigungen, Halbwahrheiten und Weglassungen die ein konstruktives Klima verhinderten. Die EU machte klimatisch da weiter wo sie vor dem Plebiszit aufgehört hatte. Einziger Lichtblick war der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann der sich nicht an dem Mobbing der griechischen Verhandlungsführer beteiligte und sich immer wieder mit nüchternen Analysen der Gespräche wohltuend von seinen Kollegen Regierungschefs hervortat.

Am nächsten Tag, also am Mittwoch, setzte sich die Art und Weise der rhetorischen Prügeleien im Europaparlament fort. Der EVP-Vorsitzende Manfred Weber, wozu auch die CDU/CSU gehört, unterstellte der griechischen Regierung bis jetzt keine Vorschläge gemacht zu haben (Was natürlich nicht stimmt). Und Ministerpräsident Tsipras? Er merkte an, die Griechenlandkrise sei das Ergebnis des Versagens der Eurozone, eine dauerhafte Lösung zu finden. Womit er Recht hatte. Die beiden sogenannten Rettungspakete haben die Krise nur verschleppt, aber nicht gelöst. Der ehemalige griechische Finanzminister Varoufakis hat das schon richtig vorgetragen. Auch hat die Einführung des Euro von Anfang an einen Konstruktionsfehler gehabt, der spätestens mit der Finanzkrise 2008/2009 hätte beseitigt werden müssen. Wie kann man nur so unterschiedliche Staaten in eine Währung führen ohne für einen vernünftigen Ausgleich zu sorgen. Die wirtschaftlichen Strukturen von Deutschland und Griechenland konnten nicht unterschiedlicher sein. Der gemeinsame Währungsraum wurde zwar zu ende gedacht aber nie zu ende umgesetzt.

Und jetzt? Dazu kommt noch, dass die griechische Syriza Partei eine linksorientierte Graswurzelbewegung ist, die mit der rechtspopulistischen Anel Partei eine Koalition einging.

Das ist für die konservativen und liberalen Eliten in Brüssel und Europa ein worst case der flugs beseitigt werden musste. Und so wurden alle griechischen Vorlagen zur Krise als substanzlos zurück gewiesen. Und dann auch noch der Besuch im „Reich des Bösen“, bei Präsident Putin der mit den Griechen einen Vertrag über eine Gasleitung abschloss.

Der Gipfel der einen jedoch bewegen muss ist, dass 19 Regierungschefs mit ihren hochqualifizierten „Sherpas“ keine Lösung für Griechenland erarbeiten konnten und können. Griechenland und die Regierung Tsipras sollten ihre Lösung selber suchen und finden. Einen Schuldenschnitt und eine Umstrukturierung der Schulden, wie Regierungschef Tsipras forderte, sollte es auf keinen Fall geben, so die einhellige Meinung der Regierungschefs. Was für ein Armutszeugnis für die EU, keine Solidarität und keine Verantwortung will die EU tragen. Wie war das noch, alle gehen als Sieger aus Verhandlungen raus und keiner wird ein Verlierer sein. Nur wer Sieger oder Verlierer sein wird, wird von Fall zu Fall neu interpretiert.

Morgen sollen die Vorschläge von Griechenland in Brüssel zur Begutachtung auf dem Tisch liegen, um am Sonntag auf einem Sondergipfel der 28 Regierungschefs eine Entscheidung über weitere Verhandlungen zu fällen. Tritt man in Verhandlungen, wird die EZB mit Mario Draghi den Griechen einen Brückenkredit gewähren. Dies wird aber keine Garantie für Verhandlungen sein, die nun in konstruktiver Atmosphäre geführt werden.

Ach ja, der IWF hat inzwischen erkannt, das eine Umstrukturierung der griechischen Schulden eine Grundvoraussetzung ist, um die Griechen erfolgreich aus dieser Krise zu führen. Hoffentlich wurde dies in Brüssel, Luxemburg und Athen gehört. Bei solch einer Sachkompetenz kann man ja nie wissen.

 

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik und european mosaic aus Brüssel.

 

Totgesagte leben länger

Juncker  Foto: Linde Arndt

Jean-Claude Juncker Foto: Linde Arndt

[jpg] Die Europawahl ´14 ist vorbei. In Brüssel haben sich viele neue Abgeordnete eingefunden um sich, wie für Neuankömmlinge wichtig, mit ihren Daten registrieren zu lassen. Es gab die notwendigen Ausweise (Badges) mit denen der Zugang zu den Sitzungen garantiert ist. Es ist für jeden ein Kreuz den administrativen Teil in Brüssel hinter sich zu bringen. Muss aber sein; denn dahinter steht ein ausgeklügeltes Zugangs- und Sicherheitssystem.

Heute sind die Fraktionen und Ausschüsse gebildet und der „Pulverdampf“, der durch die Wahl von Jean-Claude Juncker zum Kommissionspräsidenten entstanden war, ist schon längst verflogen. Es ist aber nicht die einzige Personalie, die in Brüssel anstandt und noch ansteht. Bis Ende des Jahres muss ein neuer ständiger Präsident des Europäischen Rates von den Regierungschefs benannt werden, Herman Van Rompuy wird aufhören.

Federica Mogherini  Foto: Linde Arndt

Federica Mogherini Foto: Linde Arndt

Ebenso wird die „Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik und Erste Vizepräsidentin der Europäischen Kommission“ Catherine Margaret Ashton ersetzt werden. Hier ist im Moment die derzeitige Außenministerin Italiens Federica Mogherini sehr gut im Rennen, wobei die französische Sozialistin Elisabeth Guigou mit großen Erfahrungen im Bereich Justiz, Wirtschaft und Außenbeziehungen ein Schwergewicht im diplomatischen Ring darstellt.

Helle  Foto: Linde Arndt

Helle Thorning-Schmidt
Foto: Linde Arndt

Die Position von Herman Van Rompuy wird sehr schwer zu besetzen sein, denn er muss die 28 sehr unterschiedlichen Persönlichkeiten der europäischen Regierungschefs zusammen halten – die Fliehkräfte in dieser Gruppe sind sehr stark. Die dänische Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt wird derzeit auf den Fluren gehandelt. Geht aber nicht, wenn der Posten der Hohen Vertreterin wieder von einer Frau eingenommen wird. Zwei Frauen an der Spitze wäre für diese europäische Männerwelt zu viel. Die Spannung bleibt also.

Anders ist es mit den Kommissaren und Kommissarinnen, hier hatten die Regierungschefs vor der Wahl einen Bürokratieabbau versprochen. Denn die Kommission ist die größte Behörde. Sicherlich erinnert sich der eine oder andere Wähler an dieses Versprechen. Nur der Europäische Rat, also das Gremium der Staats- und Regierungschefs, der für die Ernennung der Kommissare zuständig ist, denkt nach der Wahl nicht an einen Bürokratieabbau. Es bleibt bei den 28 Kommissarinnen und Kommissaren mit allen ihren Kabinetten. Das Gedächtnis der Staats- und Regierungschefs hält nicht über die Wahl hinaus.

Ich denke, wichtiger ist erst einmal der Wechsel in der Ratspräsidentschaft. Griechenland hatte die Ratspräsidentschaft bis zum 30.Juni 2014 und Italien übernahm nahtlos am Folgetag in Straßburg. Der griechische Premierminister Andonis Samaras übergab denn auch mit einer Bilanz an den italienischen Ministerpräsidenten Matteo Renzi.

Die Europawahl ´14 führte uns mit der erstmaligen „Direktwahl“ von Kommissionspräsident Jean Claude Juncker das Fortschreiten des europäischen Projektes vor Augen. Manchmal geht das europäische Projekt etwas langsamer aber in diesem Fall war es ein großer Schritt, so Samaras.

Samaras  Foto: Linde Arndt

Andonis Samaras Foto: Linde Arndt

Samaras bilanzierte denn auch das griechische Semester, welches zwar durch die Wahl etwas kürzer war als ein Semester, jedoch konnten viele Projekte zu einem guten Ende gebracht werden. 67 Rechtsakte und 15 legislative Fortschritte konnte das griechische Team bilanzieren. Dazu gehörte die Vertiefung der Währungsunio. Das Wachstum und die Beschäftigung konnte mit der Verabschiedung des Haushaltes einen Impuls an die gemeinsame Wirtschaft aussenden. Der Steuerbetrug erfuhr eine weitere Eindämmung durch gesetzgeberische Maßnahmen der EU. Investitionshemmnisse wurden beseitigt, indem die Kreditvergabe an KMU´s weiter vereinfacht wurden – dies schafft Arbeitsplätze. Die Außengrenzen der EU wurden besser geschützt und das Migrationsmanagement wurde verbessert – eine neue Frontexverordnung (Frontex ist eine Institution der EU, die für den Schutz der Grenzen zuständig ist (d.Red.)) regelte das. Mit Drittstaaten wurde eine bessere Zusammenarbeit hergestellt, die Meerespolitik wurde unter Sicherheitsaspekten überarbeitet. Zu guter Letzt wurden die Beitrittsverhandlungen mit Serbien und Albanien auf den Weg gebracht.

Europa hat funktioniert und ist nicht auseinandergebrochen, wie es viele vorausgesagt hatten. Und der Euro? Auch er hat sich in diesen schweren Zeiten bewährt und ist härter geworden. Nur wir sollten die Europäische Union näher an die Herzen der Europäer bringen. So der griechische Premierminister Andonis Samaras.

Es vergingen nur ein paar Stunden und der italienische Ministerpräsident Matteo Renzi hatte den Staffelstab des logo-italien-2014.jpg
„Vorsitz im Rat der Europäischen Union“ turnusmäßig übernommen. Mit seiner Antrittsrede eröffnet Ministerpräsident Matteo Renzi das folgende italienische Semester ´14.

Der Rat hat mit der Wahl des Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker seinen Respekt vor dem demokratisch gewählten EU Parlament gezeigt, so Renzi eingangs.

„Wenn Europa heute ein Selfie von sich selbst machen würde, welches Bild würde sich dann ergeben?“, so fragte Renzi.

Wir würden ein müdes und gelangweiltes Gesicht von Europa sehen. Und das ist unverständlich. Die Welt dreht sich sehr schnell und die Entwicklungen rasen nur so an uns (Europäern) vorbei. Es sind Chancen die an uns vorbeiziehen, die wir nicht ergreifen. Die Zukunft braucht unseren Tatendrang, sie fordert uns heraus und wir lassen sie vorüberziehen. Warum? Weil wir mit einer Wunde beschäftigt sind, die uns 2009 die Finanz- und Wirtschaftskrise geschlagen hatte. Was soll das? Die Wunde ist versorgt, nun sollten wir uns den neuen Herausforderungen stellen. Als erstes sollten wir die Seele Europas suchen um damit unsere Identität zu finden.

Italien wird sofort seine eigenen Probleme lösen, es sind nicht die Probleme Europas, sondern die Probleme Italiens. Italien kann sich voller Kraft diesen Problemen stellen, weil es weiß, es ist stark.

Es geht um Wachstum UND Stabilität, nicht nur für Italien, sondern für ganz Europa. Wachstum kann nur durch Investitionen entstehen, welches dann der Wirtschaft die notwendige Stabilität bringt.

Wir Europäer sind führend in den Umwelttechnologien, warum sollten wir das nicht ausweiten. Wir sind zurück in den digitalen Technologien, warum sollten wir nicht einholen. Beide Bereiche ragen weit in die Zukunft hinein, Europa kann die Zukunft für sich entscheiden.

Wir sollten aber nicht vergessen, Europa ist nicht nur eine geografische Fläche auf eine Karte, Europa ist das Haus mit 500 Millionen Bewohnern. Und diese Bewohner vertrauen und fordern uns, den Mut zu haben die Zukunft zu meistern. Unsere Generation steht in der Tradition von der Antike, über die Verträge von Maastricht bis heute in einer Gegenwart die uns auffordert, die erarbeiteten Errungenschaften unserer vormaligen Generation zu bewahren aber auch in diesem Geiste weiter zu führen.

Renzi  Foto: Linde Arndt

Matteo Renzi Foto: Linde Arndt

Renzie erntete stehenden Applaus aus allen Fraktionen.

Der noch amtierende Kommissionspräsident Barroso fand im Anschluss, die Rede als sehr gelungen, da Renzi auf die Werte, den Stolz und die Würde Europas abstellte. Europa kann immer noch mehr geben, wenn es sich auf seine Stärken besinnt, so der scheidende Barroso.

Alles in allem merkte man aber, es gibt diesen Wermutstropfen, den der Krieg in der Ukraine den Europäern in Brüssel und Straßburg vor Augen führt. Alle sind sich einig, Krieg in Europa sollte der Vergangenheit angehören, ob das in Jugoslawien oder in der Ukraine war oder ist.

In einer der Aussprachen des Parlamentes war man sich nicht so einig in der Vorgehensweise, wie man den Krieg in der Ukraine stoppen kann. Die Kommission mit Štefan Füle; EU-Kommissar für Erweiterung und Europäische Nachbarschaftspolitik, machte es sich etwas zu leicht, indem sie die Schuldfrage auf die Russische Föderation ablud.

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Brüssel

Etwas mehr Respekt vor dem Wähler, Frau Merkel

links:Martin Schulz, rechts Jean-Claude Juncker im Schatten der EU und Angela Merkel   Fotos und Collage: © Linde Arndt

links:Martin Schulz, rechts Jean-Claude Juncker im Schatten von der EU und Angela Merkel
Fotos und Collage: © Linde Arndt

[jpg] Unsere Bundeskanzlerin ist die Kanzlerin des Ungefähren. Das ist erst einmal nichts Neues und jeder nimmt das mit einem Achselzucken zur Kenntnis. Bei dem Europawahlkampf und heute übertreibt Angela Merkel das Ganze jedoch. Erst schmückt sie wie ein Produkt die Wahlkampfplakate der CDU, als wenn sie in das Europaparlament gewählt werden könnte. Dann erfährt man, dass die Europäischen Volksparteien zu denen die CDU/CSU gehören, Jean Claude Juncker als Spitzenkandidaten für das Amt des Kommissionspräsidenten auserkoren haben. Dann taucht Frau Merkel mit David McAllister, dem abgewählten Ministerpräsidenten von Niedersachsen, als Spitzenkandidaten auf. Und wer stand auf dem Wahlzettel? Herbert Reul aus dem Bergischen war dort der Spitzenkandidat, der wählbar war. Allein schon diese Konstellation von widersprüchlichen Aussagen hinsichtlich der wählbaren Kandidaten, kann man nur als arglistiges Täuschungsmanöver der Wähler bezeichnen. Angela Merkel setzte aber noch einen drauf.

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Es ist Zeit für eine politische Bilanz und die Perspektive im EN-Südkreis

Europaplakat Merkel/Martin Schulz und Jean-Claude Juncker

Europaplakat Merkel/Martin Schulz und Jean-Claude Juncker

 

[jpg] Kommunalpolitik funktioniert anders als die Landespolitik. Sie ist nicht so sehr parteienorientiert, vielmehr ist diese Politik mehr problem- und an der Sache orientiert. Da kann es schon mal passieren, dass ganz links mit rechts temporär zusammen geht. Auch gilt die Phrase, „If it ain’t broke, don’t fix it!“ vielen deutschen bekannt als „Never change a running system“, was nichts anderes heißt als, wenn es funktioniert, lass es in Ruhe, ein wesentlicher Punkt in der Kommunalpolitik. Vom kommunalen Bereich kommen die Politiker, die man später auf höherer Ebene wieder trifft. Die haben nicht immer das demokratische Rüstzeug mit gebracht und stehen manchmal verwundert in ihrer neuen politischen Umgebung orientierungslos herum. Aber was soll es. Demokratische Regeln sind auf allen Ebenen gefragt, denn diese allseits bekannten Spielregeln sind es, die unsere Demokratie ausmachen. Da ist die Transparenz, die das Vertrauen der Wähler befeuert. Da ist die Teilhabe an dem städtischen Gemeinwesen, so wird eine hohe Identifikation erreicht. Es sind noch viele Punkte die eine wesentliche Rolle spielen. Ein Punkt sollte man nicht außer Acht lassen, die Lokalpresse, die mit ihrer kritischen Distanz (So vorhanden) einen wesentlichen Faktor für die Wahrhaftigkeit des lokalen politischen Systems darstellt.

Die Organtreue darf nicht unerwähnt bleiben, hier steht die Verwaltung gleichberechtigt neben der Politik. Die eine bedingt die andere, mit einem sehr hohen Maß an Vertrauen.

 

Am 25. Mai 2014 haben wir neben der Europawahl die Kreis- und Kommunalwahl. In der Europawahl erleben wir das erste mal, dass eine Wahl mit Gesichtern versehen wurde. Debatten fanden statt zwischen den Spitzen der europäischen Parteien. Jean-Claude Juncker (EVP), Martin Schulz (SPE), Guy Verhofstadt (ALDE), Ska Keller (Europäische Grüne) und Alexis Tsipras (Europäische Linke) stellten sich den Fragen von Isabelle Kumar, Chris Burns und Mark Davis von Euronews und Monica Maggioni von RAI mit Conor McNally von der RTE in bisher zwei Sendungen. Zum ersten mal wurden auch Moderatoren für die sozialen Netzwerke in die Sendung einbezogen. Über Twitter kamen bis zu 60.000 Tweets in die Sendung, die grafisch mit einer Cloud dargestellt wurden.

So weit würde man in der Kommunalwahl nicht gehen, haben wir doch  auf dieser Ebene das Internet erst entdeckt und die Schiefertafel noch nicht ganz weggelegt. Wobei die eine Stadt etwas weiter ist als die andere, in der Regel wird das Internet mehr als Bürgermeister PR Seite gepflegt.

Und die Parteien? Auch die sind seit Wochen mit ihren Plakaten, Kugelschreibern oder Luftballonen unterwegs um Wähler zu akquirieren. Selbstredend haben alle alles richtig gemacht und der politische Gegner hat alles falsch gemacht oder einen daran gehindert alles richtig zu machen.

Selbsttäuschungen über die letzte Sitzungsperiode kann man in allen von uns beobachteten Städten erleben.

 

Ausschuss-Sitzung Schwelm Foto: © Linde Arndt

Ausschuss-Sitzung Schwelm Foto: © Linde Arndt

Schwelm

Hier registriert man im Rat eine bürgerliche Mehrheit von CDU/FDP/BfS/SWG mit 20 Stimmen, der eine Minderheit mit SPD/Grüne/Linke mit 18 Stimmen gegenüber stehen.

Geschafft hat die bürgerliche Mehrheit in der vergangenen Sitzungsperiode rein gar nichts, außer wenn man die Blockadehaltung als Schaffensprozess einstuft. So ist es auch der destruktiven Haltung der bürgerlichen Mehrheit geschuldet, wenn das Brauereigelände heute als Wunde in der Stadtmitte die Stadt als solche abwertet. Die Diskussionen um die Schulreform, um Investitionen oder auch die Haushaltsberatungen zeigen nur eines, der Rat hat kein Vertrauen zu seiner Stadtverwaltung. Dabei hat der Rat viele handwerkliche und atmosphärische Fehler gemacht die den Eindruck erwecken um die Stadt Schwelm sollte man einen großen Bogen machen. Die beiden Parteien BfS und SWG sind ein gutes Beispiel wie eine mal sicher mit sehr viel Energie angetretene Partei von „unten“ nach einer gewissen Zeit verbrannt ist. Beide saßen zuletzt nur noch im Rat um auch nur mal was zu sagen, konstruktives konnte man nicht mehr bringen, also hängte man sich an die Bürgerlichen dran und war nur noch eingeschränkt verbal anwesend. Ich denke die Initiative „Bürger“, die noch frisch und unverbraucht ist, wird die Nachfolge antreten. Die CDU und die FDP mit ihren Frontmännern Flüshöh und Schwunk sollten doch endlich entscheiden ob sie bis zur Bürgermeisterwahl, die ja erst in einem Jahr stattfindet, weiter Entwicklungen für die Stadt Schwelm verhindern wollen oder endlich mit der politischen Arbeit beginnen wollen. Was die FDP betrifft muss sagen, es reicht nicht immer nur zu sparen um sich dann mit einem Kunstrasen oder einer Dreifachsporthalle bei den Sportlern beliebt zu machen. Die SPD hat es offensichtlich verlernt für eine Sache zu kämpfen, allerdings muss man einschränkend sagen, es fehlen die Mehrheiten. An der Schulreform konnte man schon sehen wie unterschiedlich die Betrachtungen waren. Die Hauptschule und Förderschule ist nun weg. Ausgegliedert. So hat Schwelm nur ein eingeschränktes Schulangebot.

Transparenz der politischen Entscheidungen: kaum

Teilhabe an den politischen Prozessen: nur einseitig und dann nur rudimentär

Empfehlung: Den Schwelmern würde ich mit einem Magenkneifen die SPD empfehlen, damit endlich Mehrheiten vorhanden sind, um die Stadt nach vorne zu bringen. Aber auch um der SPD die Gelegenheit zu geben endlich einmal zu zeigen wie man verantwortungsbewusst Politik betreibt.

CDU und FDP traue ich eine verantwortungsbewusste Politik wegen der gezeigten Widersprüchlichkeit nicht zu. Nur Sparen oder Sport reicht nicht für eine Stadt.

Ausschuss Ennepetal Foto: © Linde Arndt

Ausschuss Ennepetal Foto: © Linde Arndt

 

Ennepetal

In Ennepetal läuft es im Gegensatz zu Schwelm genau anders herum. Hier hat der Rat nichts zu sagen, er ist ein reiner Abnickverein für die Stadtverwaltung. Da kommen zwar ab und an die richtigen Fragen oder auch Anträge, wenn der Stadtverwaltung dies nichts nutzt, kommen solche Fragen oder Anträge nicht in den Bearbeitungsmodus. Auch werden die öffentlich gestellten Fragen oder Anträge nicht öffentlich beantwortet – Rhetorik ist angesagt. So hat unsere Redaktion viele gestellte Fragen und Vorgänge notiert, die nicht wieder auftauchten. Wahrscheinlich hat die Stadtverwaltung dies in einem „netten“ persönlichen Gespräch mit dem Frage- oder Antragsteller geklärt – oder auch nicht. Im übrigen war und ist die Stadtverwaltung mit sich selber beschäftigt, Autokratie schlägt die Demokratie.

Bedingt durch das hohe Gewerbesteueraufkommen, war Ennepetal sehr anfällig gegen Wirtschaftskrisen. 2009 wurde die Stadt denn auch in das Haushaltssicherungskonzept (HSK) getrieben. Weil die Ennepetaler das aber nicht verstehen wollten (konnten), mussten sie erfahren, wie ihr vorgelegter Haushalt ihnen von der Aufsichtsbehörde um die Ohren geschlagen wurde. Wenn es nicht für gutes Geld Firmen geben würde, die alles wieder richten können. Und so musste einer der ersten Adressen in Deutschland, die Firma PricewaterhouseCoopers Aktiengesellschaft Wirtschaftsprüfungsgesellschaft („PwC“) für sehr, sehr viel Geld Ennepetal zur Seite stehen um den Haushalt bei der Aufsichtsbehörde durch zu bekommen.

Dann regte man sich über die L699 auf, Straßen NRW wollte diese Straße nicht herrichten. Nach drei Jahren ist die L699 endlich bis zur Peddenöde erneuert. Rat und Stadtverwaltung hatten anscheinend die Tonart gewechselt. Ach ja, aus uralten Zeiten (2006) kamen auf einmal die Zockergeschäfte (Swap Geschäfte) zum Vorschein. Hatte man einmal Gewinne eingesteckt, so wurden auf einmal Verluste sichtbar. Die Klage läuft heute noch. Die FUZO ist ein Dauerthema, hier werden die Folgegenerationen noch Spaß haben.

Und dann wurde ein „Filetstück“ an die Firma Berlet im Innenstadtbereich „verhökert“. Millionen wird der Rat und die Stadtverwaltung für diese Firma an Subventionierung zahlen, obwohl zu Anfang erklärtermaßen keine Subvention fließen sollte. Was solch ein Geschäftsmodell taugt muss man nicht näher erläutern.

Kleine Unternehmen können in Ennepetal von solchen Subventionen nur träumen.

Die AÖR habe ich vergessen. Es ist eine Gesellschaftsform im politischen Raum, die einer Gelddruckmaschine gleich kommt. Es gibt einen Verwaltungsrat der seine Sitzungsgelder (steuerfrei) selber bestimmen kann, es werden Aufgaben vom Rat in die AÖR verschoben. Transparenz? Fehlanzeige, ausgesuchte Ratsmitglieder können genüsslich der „Mauschelei“ nachgehen. Und der Rat? Der hat es  durchgelassen. Es winkten ja Sitzungsgelder?

Der Generationswechsel ging bei der CDU total schief, Walter Faupel hatte die Situation falsch eingeschätzt und die Fraktion flog ihm um die Ohren. Die anderen Fraktionen freute es natürlich, Häme und Schadenfreude machte die Runde. Verständlich. Was aber hatte die SPD zu bieten? Außer Anträgen die nicht verfolgt wurden, wusste sie nichts zu bringen. Auch die FDP, die wie überall nur an das sparen dachte, aber letztendlich mit dem Spargedanken kaum was am Hut hatte.

Die 5 Jahre vergingen wie im Flug und eine Katastrophe nach der anderen reihte sich aneinander, wobei die Lokalpresse dies nicht interessierte.

In der letzten Ratssitzung reflektierte Walter Faupel (CDU) seine vergangenen 39 Jahre Rat, nur Gutes wusste er über sich zu berichten – was denn sonst. Wilhelm Wiggenhagen musste denn auch über die vergangene Sitzungsperiode von 5 Jahre berichten, die, logischerweise für ihn doch recht gut ausgefallen waren. Und der Rat? Schweigen.

Transparenz der politischen Entscheidungen: Diffus wäre das richtige Wort für Ennepetal

Teilhabe an den politischen Prozessen: Ist nicht gewollt, man will unter sich bleiben.

Empfehlung: Im letzten Jahr kristallisierte sich ein Neuanfang bei der CDU heraus. Das Unversöhnliche ist gewichen und man spricht wieder miteinander. Das ist gut, so sollte es in einer lebenden Demokratie auch sein. Gleichzeitig hatte Daniel Heymann (CDU) die Fraktions- und Parteiarbeit aufgenommen. Ob diese Arbeit 5 Jahre anhält ist nicht auszumachen. Fakt ist es gibt einen positiven Neuanfang, der die polterige Art des Generationswechsel vergessen macht. SPD, FDP, Grüne und FWE konnten keine lokalpolitischen Themen platzieren, die mitreißend von den Wählern wahrgenommen werden könnten.

Eindeutig würde ich die CDU als Partei empfehlen.

 

Ratssitzung in Gevelsberg Foto: © Linde Arndt

Ratssitzung in Gevelsberg Foto: © Linde Arndt


Gevelsberg

Im Grunde könnte Gevelsberg als Blaupause für viele Kleinstädte dienen. Bürgermeister Claus Jacobi vereinigt in seiner Person das Amt mit seiner Persönlichkeit. Er ist Bürgermeister von Gevelsberg aus Überzeugung, was anderes will er auch nicht sein. Seine Führung würde man in der Wirtschaft als „Management by Exception“ einordnen. Er kann es halt, er wirkt motivierend, er integriert, er regt an aber nicht nur einseitig, vielmehr lässt er es zu wenn Gevelsberger was machen, bringt sich moderierend ein, wenn es irgendwo hakt. Und die Parteien? Die Ratsparteien haben in der vergangenen Sitzungsperiode eine gute politische Zusammenarbeit gepflegt. Unstimmigkeiten wurden durch Kompromisse ausgeräumt. Unangefochten hat die SPD mit ihrem Fraktionsvorsitzenden Gerd Vollmerhaus ihre Mehrheit nicht dazu genutzt die anderen Ratsparteien zu unterdrücken. Man ist in Gevelsberg, wie im lokalen Bereich üblich,  zuerst einmal Gevelsberger und dann Parteimitglied. FWE und FDP haben sich zusammen geschlossen und die politische Losung, wir wollen sparen, heraus gegeben. Nur wofür und wo will diese neue Partei sparen, das weiß sie nicht zu beantworten. CDU, die übrigens in der vergangenen Sitzungsperiode eine Häutung vor genommen hatte, betont wie überall die Gemeinsamkeit, was ja auch in Gevelsberg zutrifft. Es ist ein gut funktionierendes politisches System des Gebens und Nehmens. Augenscheinlich sind auch die Gevelsberger mit ihrem Rathaus zufrieden. Also, „Never change a running system“, kommt hier klar zum tragen.

Transparenz der politischen Entscheidungen: Sehr hohe Transparenz

Teilhabe an den politischen Prozessen: Offen in allen Bereichen

Empfehlung: Die SPD ist hier klarer Favorit. Hat sie doch in der vergangenen Zeit gute Politik gemacht und die sollte sich mit einem dementsprechenden Kreuz auch auszeichnen.

 

Presseplätze beim Kreis  Foto: © Linde Arndt

Presse beim Kreis Foto: © Linde Arndt

EN-Kreis

Hier kann man nicht viel sagen, den Kreis in zwei Ausschüssen erleben zu dürfen, war alles. Das einzige was einem als Pressevertreter auffällt, die Arbeitsbedingungen für die Presse sind eher schlecht. Heißt man will die Presse nicht?

 

Ausschuss in Brüssel  Foto: © Linde Arndt

Ausschuss in Brüssel Foto: © Linde Arndt

Europa

In Deutschland fährt die CDU einen Wahlkampf mit der Bundeskanzlerin Angela Merkel, was das soll konnten mir die Abgeordneten der Fraktion der Europäischen Volkspartei (Christdemokraten) (EVP) auch nicht schlüssig erklären. Hatten sie doch Jean Claude Juncker zu ihrem Spitzenkandidaten ausgewählt. Aber dieser Umstand ist in Brüssel nur eine Petitesse, die nicht diskutiert wird. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte sich gegen einen Automatismus zwischen der Spitzenkandidatur von Schulz und Juncker und der Besetzung des Posten des Kommissionspräsidenten ausgesprochen. Und Merkel hat in Brüssel ein starkes Mitspracherecht. Eher werden die europäischen Probleme diskutiert, wie eine soziale europäische Agenda die in eine soziale Union übergeleitet werden könnte. Eine gemeinsame Flüchtlings- und Asylpolitik die diesen Namen auch verdient. Die Bankenunion und der noch ausstehende Stresstest der Banken wird mit Spannung gesehen. Auch die Verhandlungen über das gemeinsame Freihandelsabkommen mit den USA (TTIP) oder das parallel verhandelte Dienstleistungsabkommens (TiSA) werden mit sehr gemischten Gefühlen von Parlament und Kommission beobachtet. Der Euro, der in den letzten Jahren so viel gescholten wurde, ist letztendlich doch eine europäische Erfolgsgeschichte, der es Europa ermöglichte den monetären Angriff auf das europäische Finanzsystem abzuwehren. Und was ist mit Airbus, mit Galileo oder Kopernikus aber auch Erasmus, sie stehen für eine erfolgreiche EU Politik in Brüssel und Straßburg. Horizon 2020, ein 80 Milliarden Projekt welches jetzt in Brüssel angestoßen wurde, googlen sie mal und lesen sie diese Vorlage, sie werden sich wundern was einfache EU Abgeordnete sich so alles ausdenken.

Was aber bei allen Abgeordneten und der Kommission schlecht ankommt, ist die Wiedererstarkung des Nationalismus einzelner Nationen. Die EU entwickelt Europa nur so langsam, wie der Schwächste Staat es erlaubt. Ein Europa auf Biegen und Brechen sollte es nicht geben, denn Europa wird keinen zurücklassen.

Über allem dominiert die Ukraine Krise das politische Tagesgeschehen. Dabei werden die Ereignisse in der Ukraine sehr differenziert gesehen, jeder ist bestrebt keine neuen/alten Feindbilder aufzubauen, in Brüssel, und nur dort.

Trotz allem ist Europa nicht das Problem, sondern die Lösung. Sehr gut sieht man das an der Ukraine Krise; denn wenn von Anfang an Brüssel, und nur Brüssel, die Krise ohne die USA gemanagt hätte, hätten wir heute sehr viele tote Ukrainer weniger. Die Ukraine ist ein europäisches Problem und kein US-Amerikanisches Problem. Denn Brüssel und die USA haben nicht unbedingt die gleichen Interessen oder Probleme.

Vielleicht sehen wir uns ja am Sonntag bei einer der drei Wahlfeten in Schwelm, Ennepetal oder Gevelsberg.

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik und european-mosaic aus dem EN-Kreis

Europa bedeutet mehr als nur ein paar Richtlinien

Tagung des Ausschusses bei der EU in Brüssel  Foto: Linde Arndt

Tagung des Ausschusses bei der EU in Brüssel Foto: Linde Arndt

[jpg] Vor Ostern sprach mich ein Kollege, der im lokalen Bereich arbeitet, an. Ob ich den neusten Schwachsinn der EU kennen würden. Nein, erwiderte ich. Die wollen jetzt nur noch Kaffeemaschinen produzieren lassen, die die Heizplatten nach 15 Minuten ausschalten, so mein Gesprächspartner. Dabei schaute er mich erwartungsvoll an. Über mein Smartphone sah ich den Bericht der EU ein um ihm dann zu antworten: Es geht um das Energiesparen. Und ob er denn wisse, wenn man diese Idee umsetze, das Europa tausende Tonnen von Co2 sparen könne? Er fand es trotzdem nicht so toll wenn er solch eine Kaffeemaschine hätte. So ist es wenn man die Zusammenhänge nicht wissen will und stattdessen sein Vorurteil pflegt.

Solche und andere Gespräche habe ich im letzten Jahr dutzendfach geführt und konnte niemanden von Europa und der EU überzeugen. Wie kommt das?

Es ist ein diffuses Gefühl was Menschen Brüssel ablehnen lässt. Es ist die größere Einheit von 28 Staaten und rund 500 Millionen Menschen die den Europäer zurück schrecken lässt. Und es sind die mangelnden Informationen über Brüssel, Straßburg, Frankfurt oder auch Warschau, eine gewisse Unaufgeklärtheit der Bürger. Sicher ist die EU an der Aufklärung nicht ganz unschuldig, wenn man sich manche Publikation ansieht.

Aber, und das ist für mich irritierend, die nationalen Politiker aller Parteien verstehen es den Bürger gegen Brüssel aufzuhetzen. Der Nationalstaat wird als hilflos gegenüber Brüssel dargestellt. Brüssel als Krake, die alles regulieren will.

Alles dummes Zeug der jeweiligen nationalen Politiker um die Menschen zu manipulieren. Denn wenn der Regierungschef eines Nationalstaates NEIN zu einer Richtlinie sagt, landet die Richtlinie in der Tonne. Alle Vorlagen müssen durch den Rat der Europäischen Union, der auf dem Consilium in Brüssel tagt. Mit Einstimmigkeit im Rat werden die Richtlinien verabschiedet, ein Staat der EU kann eine Richtlinie zu Fall bringen, wenn er NEIN sagt.

Die krumme Gurke und sonstige Einzelvorschriften wurden vom Rat abgesegnet, also von der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel, dem französischen Präsidenten François Hollande oder dem britischen Premierminister David Camaron. Und das sind nur drei der 28 Regierungschefs.

v.l.: Angela Merkel, Francois Hollande und David Cameron  Foto: © Linde Arndt

v.l.: Angela Merkel, François Hollande und David Cameron
Foto: © Linde Arndt

Manchmal ist dieses Spiel unerträglich für die 751 Abgeordneten des europäischen Parlaments. Denn für die Fehler, die man noch nicht einmal gemacht hat, gescholten zu werden und für gute Ideen, die sich die Regierungschefs als Eigenverdienst ans Revers heften, nicht gelobt zu werden, macht den Parlarmentarier traurig und manchmal auch wütend.

96 deutsche Abgeordnete werden über die Listen nach der Europawahl 2014 nach Brüssel geschickt, 24 Parteien bewerben sich in NRW um Wählerstimmen. Neben den etablierten Parteien, wie CDU, SPD, FDP, GRÜNE und die Linke bewerben sich eine Vielzahl höchst unterschiedlicher Parteien wie die NeoNazis oder christliche Parteien. Sperrklauseln, die in Deutschland fest verankert sind, wie die 5% Hürde des Bundestages, gelten für das Europaparlament ausdrücklich nicht – hier zählt am Ende jede Stimme. So hatte es das Bundesverfassungsgericht am 26. April 2014 unter Vorsitz von Richter Andreas Voßkuhle am Bundesverfassungsgericht gewollt.

Rund 60% der Vorlagen schaffen es durch den Rat, werden dann in nationale Gesetze der einzelnen Staaten umgesetzt. Die restliche 40% werden von Merkel und Co. abgelehnt.

Es sind Europawahlen am 25. Mai und wieder werden böse Spiele auf nationaler Ebene gespielt. So wird vorgegaukelt, der Kommissionspräsident, der derzeitige heißt Manuel Barroso, könne durch den Wähler bestimmt werden. Das ist falsch. Fakt ist, die Mitglieder des Rates, also die 28 Regierungschefs, bestimmen den Kommissionspräsidenten hinter verschlossenen Türen und zwar einstimmig.

v.l.: Martin Schulz und Jean-Claude Juncker  Foto: © Linde Arndt

v.l.: Martin Schulz und Jean-Claude Juncker
Foto: © Linde Arndt

Jean-Claude Juncker (Christlich Soziale Volkspartei), der ehemalige Eurochef und Martin Schulz (SPD) werden als wählbar für das Spitzenamt dargestellt. Sachlich ist auch das indirekt total falsch. Bei der deutschen CDU wird sogar noch einer drauf gesetzt, Bundeskanzlerin Angela Merkel wird indirekt als wählbar plakatiert. Ein Etikettenschwindel? Sicherlich erkennt man an solchen Verhaltensweisen nicht den Einsatz für Europa, den man sich wünschen würde. Europa ist für die Parteien nicht gerade ein Liebesprojekt für das man sich einsetzen sollte. Eben gerade sieht man in der Ukraine Krise wie die europäischen nationalen Spitzenpolitiker versagen und letztendlich den US-Amerikanern das Feld der Diplomatie in Europa überlassen. Mangels Selbstbewusstsein ist ihnen Europa egal. Wenn aber den Parteien Europa egal ist, wie soll sich denn dann der Wähler für Europa erwärmen?

Dann stellt sich doch die Frage, warum sollte der Wähler sich für Europa erwärmen und sein Parlament wählen?

 

Es gibt es, das Europa für das es sich einzusetzen lohnt.

Und aus dieser Behauptung kann man die Wahl am 25. Mai 2014 ableiten. Es ist das Europa, welches seit fast 70 Jahren Frieden hatte. Wenn man die ParlarmentarierInnen in den Ausschüssen und im Parlament beobachtet, was sie sagen, wie sie handeln und wie sie sich für eine Sache einsetzen, so sind sie sich der Verantwortung für unseren Kontinent bewusst. Sie sind engagiert und hochmotiviert etwas für Europa zu bewegen. Nicht alle, jedoch die überwiegende Mehrheit. Einige wenige sind noch mit Parteireflexen ausgestattet und denken in nationalen Kategorien, sie werden jedoch immer weniger.

Was ist mit den Grenzen? Auf dem Kontinent sehen wir an den Grenzen nur noch Ruinen der alten Grenzstationen und Wechselstuben aus längst vergessenen Zeiten. Womit wir das sind wo Europa hin wollte. Ein gemeinsamer Raum der gleiche Regeln hat, aber seine kulturellen Eigenheiten bewahrt. Die Vielfalt ist Europas Stärke.

Begonnen hat es mit der gemeinsamen Wirtschafts- und Währungsunion ( WWU ) als konsequente Folge des Europäischen Binnenmarktes. Der Euro wurde eingeführt und die Verrechnung von Warenlieferungen und Dienstleistungen wurden vereinfacht. Kaum einer erinnert sich an die teilweise großen Kurssprünge der internationalen Währungen, die unsere Exporte und Importe manchmal unkalkulierbar machten. Heute haben wir trotz der Unkenrufe nach der Finanzkrise, einen harten Euro der stabil ist. Wobei der Euro in vielen Ländern die Leitwährung ist und den Dollar abgelöst hat. Was die USA nicht gerne sieht, da die Wechselkursgewinne nun in Europa anfallen.

Der Vorteil für die 500 Millionen Europäer? Wir können ohne Probleme, ohne Zölle in jedem Land der EU einkaufen oder verkaufen. Wir haben die Wahl, kein Papierkram mehr.

Nun das hört sich jetzt so an, als wenn alles so wunderbar und fehlerfrei laufen würde. Nein, weiß Gott nicht, es sind noch Fehler zu beseitigen. Die Finanzkrise hat uns Europäer gezeigt, dass wir die Hände nicht in den Schoß legen können. Ungeheure Anstrengungen der EU führen letztendlich zu einer starken Absicherung des Finanzsektors. Der letzte Schritt läuft noch – die Bankenunion.

Abgeordnete in einer Ausschuss-Sitzung   Foto: © Linde Arndt

Abgeordnete in einer Ausschuss-Sitzung
Foto: © Linde Arndt

Was war passiert? Ein Systemfehler, der sich aus dem Konstrukt der EU ergab, der die EU in den Abgrund hätte reißen können. Aber die EU hatte ja die EZB, die sich des Fehlers annahm und nachjustierte. Allerdings kann man heute sagen, hätten wir die EU und keine EZB gehabt, hätten wir in Europa eine Wirtschaftskrise erlebt, die einen weitaus größeren Schaden angerichtet hätte als der „schwarze Freitag“ von 1929. Die 500 Millionen Europäer solidarisierten sich und wehrten die Finanzkrise aus den USA erfolgreich ab.

Die Wirtschafts- und Währungsunion brachte aber noch andere Freiheiten, die Arbeitnehmerfreizügigkeit, die bis heute zu immer mal wieder größeren Aufregungen führte, besonders und gerade nach der Osterweiterung der EU 2004 und 2007. Es wurde die Ausnahmeregelung „2-3-2-Formel“ eingeführt. Deutschland nahm denn auch mit Österreich das Recht in Anspruch, die aus dem Osten kommenden Arbeitnehmer 7 Jahre von ihren Arbeitsmärkten fern zu halten. Trotz allem hatte auch Deutschland und Österreich der Osterweiterung zugestimmt. Ein einfaches NEIN der beiden vorgenannten Länder hätte die Osterweiterung unmöglich gemacht.

Am 31.12.13 liefen alle Fristen ab, so dass Bulgarien und Rumänien jetzt auch die volle Freizügigkeit genießen. Beide Länder sind jedoch die ärmsten Länder in der EU. Wie vorauszusehen war, haben wir nunmehr das Problem der Freizügigkeit in Deutschland und Österreich obwohl nicht mehr Arbeitnehmer aus dem Osten in die Länder kamen. Aber auch hier wurden handwerkliche Fehler sichtbar. Unverständlich, zumal alle Regierungschefs ihre Fachbeamten zu den jeweiligen Sitzungen nach Brüssel mitbringen, denn es soll ja entschieden werden.

 

  • Kindergeld

Das Prinzip, wenn Leistungen eines Staates vorhanden sind, gelten die auch für die in diesem Staat vorhanden EU Ausländer, also für alle EU Bürger. Das gebietet die gemeinsame Wirtschafts- und Währungsunion, die auch die Deutschen wollten. Konkret: Wenn ein EU Bürger in Deutschland ist hat er auch ein Recht auf Kindergeld. Das Kindergeld bezieht sich nach dem Gesetz nur auf die Kinder, es ist egal wo sich ein Kind befindet. Beispiel, EU Eltern arbeiten als Spargelstecher in Deutschland, die Kinder sind bei der Oma in irgendeinem EU Land. Somit gibt es Kindergeld solange hier gearbeitet wird. Aber es gibt das Kindergeld auch, wenn die Eltern in Deutschland nicht arbeiten oder weiter gehend, es in dem anderen EU Land kein Kindergeld gibt. Ungerecht? Nein, wenn sich unsere Regierung was dabei gedacht hat, denke ich nicht. Nur unsere nationale Regierung äußert sich ja nicht, abgesehen davon macht sie ja keine Fehler. Eine Besonderheit von Fehlleistungen der 28 EU Nationen stellt die Problematik der Sinti und Roma dar. Immer wieder werden hier die bestehenden Problem der EU Brüssel angelastet um von dem eigenen Versagen abzulenken. Einmal sind die Sinti und Roma mehr oder weniger Asylanten und auf der anderen Seite kommen sie aus einem der 28 EU-Staaten. Welchen Status die Sinti und Roma bekommen ist manchmal verwunderlich. Letztendlich ist dieses Problem ein reines europäisches Problem, denn die Gebiete wo die Sinti und Roma herkommen befinden sich alle in Europa. Lösungen wurden in Brüssel erarbeitet, nur sie müssen auch von den Regierungschefs umgesetzt werden.

 

  • Aufenthaltsrecht

Es gehört zur Freizügigkeit der EU, ArbeitnehmerInnen können überall in der EU einen Arbeitsplatz suchen und auch annehmen. Im Gewerbebereich hat jeder EU Bürger Niederlassungfreiheit. Das hört sich gut an, in der Praxis waren jedoch ein paar Fehler sichbar geworden.

Wenn aus einem anderen EU Land ein Arbeitnehmer in einem anderen EU Land eine Stelle sucht und nicht findet, haben alle EU Staaten ein Problem. Irgendwann sind evtl. die finanziellen Reserven aufgebraucht und dieser Arbeitnehmer versucht über die Sozialsysteme seinen Lebensunterhalt zu sichern. Hat er eine gewissen Zeit in dem Land gearbeitet und in die Sozialsysteme eingezahlt, so wird er auch einen Beitrag zu seinem Lebensunterhalt aus den Sozialkassen bekommen. Ist das aber nicht der Fall steht er ohne auf der Straße. Der Gaststaat tut so als wenn er nicht da ist.

In der Regel passiert jetzt folgendes – der Arbeitssuchende wird versuchen sich am Arbeitsmarkt als Tagelöhner mit ganz niedrigen Hungerlöhnen zu verdingen um die Zeit zu überbrücken. Das geht eine kurze Zeit gut, dann wird er entweder obdachlos oder er rutscht ab in die Beschaffungskriminalität. Wo ist jetzt das Problem? Nun, er ist mittellos und ist nicht in der Lage die Heimfahrt zu finanzieren. Die Jobcenter oder Sozialämter können diesen Leuten keine Fahrkarte geben, weil die gesetzliche Grundlage fehlt. Bei den afrikanischen Flüchtlingen ist es da einfacher, die werden in einen Flieger gebracht und auf Staatskosten mit Begleitung nach Hause gebracht.

 

Beide Problemfelder sind Konstruktionsfehler der nationalen Staaten. Die Lösung wäre Brüssel. Denn Brüssel könnte zentral die in den 28 Einzelstaaten aufgetretenen Probleme vereinheitlichen und von dort auch die Umsetzung betreiben. So bekämen die Eltern ihr Kindergeld und die Arbeitnehmer ohne Arbeitsstelle würden wieder in ihre Heimatländer verbracht. Nur, das wollten die 28 EU Staaten nicht, sie wollten die Entscheidung in ihrem Machtbereich belassen.

 

Noch ein Wort zum Vorwurf über die „Regulierungswut“ der Brüsseler Administration. Die EU hat 28 Staaten und jeder dieser Staaten hat „Anspruch“ auf einen Kommissar in der Kommission. Selbstverständlich bekommt der Kommissar in der Kommission ein Büro mit Personal und ein Aufgabengebiet. Und das schafft Verordnungen und Regeln ohne Ende. Nur die Kommissare werden vom Rat, also wieder den Regierungschefs, eingesetzt.

 

Im Grund stehen die Parlamentarier des europäischen Parlaments immer außen vor und dienen der Kommission und dem Rat als Ideengeber und Problemlöser. Eine starke Position hat in diesem Spiel der Parlarmentspräsident, z.Zt. der deutsche Martin Schulz (SPD), sein Vorgänger war der Pole Jerzy Buzek (PO), beides Präsidenten des Ausgleichs, die sich nie gegen den Rat stellen würden. Beide wirken aber motivierend auf die Mitglieder des Parlaments ein. Und so kann man den Parlamentariern der EU eine gute handwerklich politische Arbeit attestieren.

Sie sind es, die Europa nach vorne bringen, die Europa leben, mit ihnen macht Europa Sinn. Wenn man einmal erlebt hat wie 4 – 5 Personen aus unterschiedlichen Staaten in den Ausschüssen über eine Sache diskutiert haben und letztendlich zu einem positiven Ergebnis kamen, geht man mit einem gewissen Stolz auf Europa aus dem Ausschusssaal.

Und deshalb sollte es für jeden überzeugend sein die 96 deutschen Abgeordnete für das europäische Parlament am 25. Mai 2014 zu wählen. Europa ist nirgendwo ein Problem, Europa ist die Lösung.

Schlussendlich muss man noch anmerken, viele Rechtspopulisten wollen ihr nationales Süppchen wieder kochen, aber auch unser westlicher Verbündete, die USA, steht der EU misstrauisch gegenüber. Denken ist Gott sei Dank noch nicht verboten. Wenn man etwas negatives über Brüssel erzählt sollte man immer an den römischen Staatsmann Cicero denken, der mit seinem Ausspruch „cui bono“ eine Verteidigungsrede verstärkte. Cui bono, wem nützt dieser vorgebrachte Sachverhalt? Europa braucht jedoch nicht nur Wähler, Europa braucht Menschen die sich für die europäischen Werte einsetzen. Der Jugendaustausch, der Studentenaustausch, die Städtepartnerschaften oder auch der Kulturaustausch, dies alles ist möglich um zusammen zu rücken, voneinander zu lernen oder aber nur mitzumachen.

 

Es ist unser und Ihr Europa, fühlen Sie sich angesprochen!

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Brüssel.