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Ennepetaler Standortsicherungspakt, ein Steuervermeidungsmodell

v.l. Rolf Bilstein (BILSTEIN GROUP), Ralf Stoffels (BIW GmbH), Christoph Brünger (SIHK) und Klaus Heinz Foto: (c) Linde Arndt

v.l. Rolf Bilstein (BILSTEIN GROUP), Ralf Stoffels (BIW GmbH), Christoph Brünger (SIHK) und Klaus Heinz Foto: (c) Linde Arndt

[jpg] Wissen sie wie man einen Affen fängt? Man hält ihm etwas zum essen vor die Gitterstäbe, der Affe steckt die Hand durch die Stäbe, fasst das Futter und zieht die Hand zurück. Nur die Gitter sind so eng, dass seine Hand mit dem Futter nicht mehr durch die Stäbe geht. Da der Affe das Futter nicht mehr los lassen will, bleibt er gefangen.
So kam mir die Ennepetaler Ratssitzung am 2. Juni 2016 vor. Die Herren Rolf Bilstein (BILSTEIN GROUP), Ralf Stoffels (BIW GmbH), Christoph Brünger (SIHK) und Klaus Heinz zogen in den Ratssaal von Haus Ennepetel ein und setzten sich auf die Zuschauerbänke.

Als die Einwohnerfragestunde aufgerufen wurde, meldete sich Rolf Bilstein mit einer Vorbemerkung und zwei Fragen.
In der Vorbemerkung erläuterte Rolf Bilstein, dass er in Kürze 2,5 Millionen Euro auf das Konto der gGmbH verbucht bekommt. Die versprochenen 3,5 Millionen Euro werden jedoch wegen der kürzeren Zeit nicht zusammen kommen (Warum eigentlich nicht?).

Rolf Bilstein Foto: (c) Linde Arndt

Rolf Bilstein Foto: (c) Linde Arndt

Dann die erste Frage: Sollen wir mit dem Projekt „Standortsicherungspakt“ weiter machen?
Dann die zweite Frage: Was sollen wir mit den eingesammelten Gelder in Höhe von 2,1 Millionen machen, sollen wir diese an die Adressaten zurück schicken?
Es entstand auch eine gewisse Unruhe im Ratssaal, EN-Mosaik kam es fast vor als wenn Rolf Bilstein mit einem Scheck von der Zuschauerbank gewedelt hätte.

Danach ging alles ganz fix. Der Beschluss vom 26. November 2015, der einen Kooperationsvertrag vorsah, wurde aufgegeben. Dieser war nicht mehr haltbar da NRW Innenminister Jäger sein Veto gegen diesen Vertrag geltend gemacht hatte. Damit bestand ein vertragsloser Zustand, nicht ganz, es bestand de facto eine Zusage über einen Betrag von 2,1 bis 2,5 Millionen Euro der am 1. Juli an die Stadt überwiesen werden sollte.
Diese Zusage sollte über einen Vertrauensvorschuss des Rates mit einem Beschluss abgesichert werden. Bis auf Die Linke, die Piraten und einen Parteilosen, waren alle anwesenden Stadträte für diesen „Standortsicherungspakt“.

Lobeshymnen ohne Ende schütteten die Ratsmitglieder über die anwesenden und nicht anwesenden Unternehmer aus. Es fehlte nur noch eine Anbetung. Wofür eigentlich?

Unterstellen wir einmal, die  versprochenen 2,5 Millionen Euro  kommen als Spende zusammen und werden am 1. Juli von der gGmbH an den Kämmerer überwiesen. Was dann? Hat die Stadt in der Vergangenheit nicht bewiesen, dass sie mit den ihr zur Verfügung stehenden Steuergelder Ennepetal nicht entwickeln konnte? Und das soll jetzt anders werden?
Abgestimmt wurde vorweg das eine Gewerbesteuererhöhung von 59%  die 2,5 Millionen überflüssig machen sollten, was der Rat in seiner Mehrheit ablehnte.

Wie der Kämmerer Kaltenbach auf die 59% kommt, bleibt schleierhaft. Denn ein Hebesatzpunkt Gewerbesteuer bringt nach Auskunft der Kämmerei 59.910,– Euro ein. Bei 2,5 Millionen ergäbe das eine Erhöhung von höchsten 42% Punkte. Na ja, ein bisschen Stimmung oder Druck muss wohl im Gefecht gemacht werden.
Aber das Ganze kommt viel schlimmer und wird für die Unternehmer der gGmbH ein Steuerspar-, nein, ein Steuervermeidungsmodell sein, das so sicher nicht Schule machen sollte.

Modellrechnung:

Folgende Parameter haben wir zur Vereinfachung als gegeben in unsere Berechnung einfließen lassen:
Unternehmer mit einem Jahresgewinn vor Steuer 5 Millionen Euro, rechtliche Voraussetzung der Abzugsfähigkeit werden unterstellt.
Gewerbesteuer Hebesatz in Ennepetal, Stand 2.Juni 2016, 445 Prozentpunkte
Spendenbetrag der gGmbH 2,5 Millionen Euro
Einkommensteuerpflichtigkeit Grundtarif
Wir haben auf die Anwendung der Anrechenbarkeit der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer gem. §35 EstG verzichtet.
Berechnung der Gewerbesteuer und Einkommensteuer, Fehlerquote 5%

A) Berechnung der zu zahlenden Gewerbesteuer

Gewinn 5.000.000,– Euro

zu zahlende Gewerbesteuer 774.931,– Euro

Minus Spende an die gGmbH in Höhe 2.500.000,– Euro

zu zahlende Gewerbesteuer 385.556,– Euro

Weniger Gewerbesteuer 389.375,– Euro Steuerersparnis

Diesen Betrag spart der Unternehmer und führt zu Mindereinnahme in gleicher Höhe bei der Stadt!

B) Berechnung der zu zahlenden Einkommensteuer

Gewinn 5.000.000,– Euro

zu zahlende Einkommensteuer 2.233.972,– Euro
Solidaritätszuschlag 122.868,– Euro
Gesamt 2.356.840,– Euro

Minus Spende an die gGmbH in Höhe 2.500.000,– Euro

zu zahlende Einkommensteuer 1.108.972,– Euro
Solidaritätszuschlag 60.993,– Euro
Gesamt 1.169.965,– Euro

Weniger Einkommensteuer 1.186.875,– Euro Steuerersparnis

Steuereinsparung der Unternehmerseite Gesamt: 1.576.250,– Euro

Nachrichtlich: Minus Gewerbesteuereinnahme Stadt Ennepetal: 389.375,– Euro

Die tatsächliche Spende der Unternehmer beträgt demnach:
2.500.000,– Euro Minus Steuerersparnis in Höhe von 1.576.250,– Euro gleich 923.750,-– Euro

Am 1. Juli soll dieser Betrag von 2,5 Millionen überwiesen werden. Wie in anderen Gemeinden auch, wird dieser Betrag in den Tiefen des Haushalts verschwinden. Stadtverwaltung und Politik haben sich bis heute noch nicht geäußert für was diese Summe verwendet werden soll.
Zwischendurch bemerkt, dieses Konstrukt ist wahrscheinlich ganz legal. Nur das de facto Junktim mit der Gewerbesteuer bereitet sicherlich Probleme, zumindest ist es gewagt.

Rat beschließt über Standortsicherung Foto: (c) Linde Arndt

Rat beschließt über Standortsicherung Foto: (c) Linde Arndt

Störend wirkt sich die Einkommensteuermindereinnahme in dieser Rechnung aus; denn dieser Betrag fehlt an anderen Orten. Die Einkommensteuer wird vertikal verteilt, wobei die Kommunen 15% von den Einnahmen bekommen. Wenn also eine Kommune z.Bsp. eine Kita nicht bauen kann, weil die Einnahmen fehlen, hat Sie halt Pech gehabt. Beschämend ist wenn man die vorläufige Solidaritätsumlage (GFK) für Ennepetal für 2016 in Höhe von 944.000,– ansieht, der ja eine Modellrechnung des Landes zugrunde liegt, wonach Ennepetal mit zu den reichen Städten gehört. Da nützt kein Jammern des Kämmerers, er wäre arm und müsste ein HSK auflegen, die Zahlen sprechen eine andere Sprache. Auf Kosten anderer den großzügigen Spender zu spielen und dann noch sagen, man will was für den Standort tun, ist hier als reine Farce abzutun.
Ebenso ist es mit der Gewerbesteuerberechnung, die ja zu einem Nullsummenspiel führt, die Unternehmer sparen die Gewerbesteuer die sie durch die Spende auszahlen.
Wenn man alles durchrechnet verbleiben „nur“ die 923.750,– Euro die die Unternehmer aus ihren eigenen Gewinnen überwiesen haben. Alles andere zahlt die Stadt und der normale Steuerzahler.

Mal zum Thema Nachhaltigkeit. Die Unternehmer können mit der Stadt keinen Vertrag aufsetzen ohne die Gewerbesteuer an diesen Betrag zu binden, dass wäre unrealistisch. Auf der anderen Seite sind solche Verträge letztendlich nicht bindend, keiner der Vertragspartner kann den anderen Vertragspartner zu den angedachten Handlungen zwingen. Also was soll es. Warum die Unternehmer sich nicht Projekte in Ennepetal aussuchen um sie dann umzusetzen, eröffnet sich mir nicht.
Was bleibt ist der Gedanke, dass durch solche Konstruktionen die Verteilung der Steuern durch Bund und Länder sabotiert werden soll. Steuern nach Gutsherrenart, die Deutschen verstehen so was mit ihrem „Befehl und Gehorsam“ Komplex.

Und was ist mit dem viel zitierten Vertrauen? Solange es einen Interessenskonflikt zwischen den Parteien gibt, kann es kein Vertrauen geben. Das ist eine logische Konsequenz.

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Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Ennepetal

 

Ennepetaler Stadtrat sucht Wege um an Geld zu kommen

Hauptausschusssitzung foto: (c) Linde Arndt

Hauptausschusssitzung 31.5.2016 Foto: (c) Linde Arndt

[jpg] Eine Billion Euro werden jährlich an Steuern in der EU der 28 vermieden, hinterzogen oder betrogen. Die letzten Unternehmer-Spielchen wurden mit den Panama-Papers sichtbar oder die Betrügereien mit den „Cum-Ex“ Geschäften, wo der Staat um Steuern betrogen wurde. Stundenlang könnte man aufzählen was die Gier der Unternehmer für einen volkswirtschaftlichen Schaden anrichtet. Nicht alle Unternehmer machen solche krummen Geschäfte, jedoch die Mehrheit der Unternehmerschaft legt aber doch einen überzogenen Egoismus an den Tag. So wurde in Brüssel schon der zweite „Sonderausschuss zu Steuervorbescheiden und anderen Maßnahmen ähnlicher Art oder Wirkung (TAXE 2)“ gebildet um das Gestrüpp von Steuerumgehungen und deren Auswirkungen auf die Volkswirtschaften gebildet. Der „Sonderausschuss gegen organisiertes Verbrechen, Korruption und Geldwäsche“ aus 2013, kam zu dem Schluss, dass im Bereich Geldwäsche die durch Steuerhinterziehung nötig wurden hunderte Milliarden an dem Fiskus vorbei geschleust wurden. Als deutsche Journalisten hörten wir Ausführungen der Berichterstatter in Brüssel mit Erstaunen; denn Deutschland ist eine der führenden Nationen in der EU, die Vorteile aus den bestehenden Systemen und Gesetzeslücken zieht. Der Vorwurf der EU-Parlamentarier: Deutschland nimmt kaum Kontrollen war.

Wir kommen nach Ennepetal, eine Insel auf der alles in Ordnung ist? Wohl kaum. Auch hier werden wohl, wie überall, die Unternehmer der Gewinnmaximierung frönen und kaum versuchen ihre menschliche Gier zu überwinden.

Ist das jetzt eine besonderer Obsession gegenüber Unternehmern? Nein. Nur die Berichte die in Brüssel vorliegen, befreien von der Naivität und bringen einen in die Realität zurück. Ehrbarer Kaufmann war gestern. Heute sitzt der kluge strategisch und taktisch ausgerichtete Firmenchef auf seinem Sessel. Und weil das so ist, haben Begriffe aus der Moralehre nicht in Überlegungen, bei einem Zusammengehen, einzufließen. Nüchtern und berechnend sollte man heute die Angebote einer Firma prüfen. Unterschiedliche Interessen der Vertragsparteien befördern Konflikte, die grundsätzlich vorhanden sind, Waffengleichheit der Vertragsparteien gibt es nicht, die Möglichkeiten der Unternehmer sind halt größer.

3,5 Millionen pro Jahr wollen die Ennepetaler Unternehmer, um Eckhard Jacob, Karsten Schüßler-Bilstein, Ralf Stoffels, Rolf Bilstein und Christoph Brünger (SIHK) in einer eGmbH einsammeln um diesen Betrag danach als Spende der Stadt Ennepetal zu überweisen. Im Gegenzug verpflichtet sich die Stadt die Gewerbesteuer nicht zu erhöhen, wobei kein Junktim hergestellt werden soll. Und man höre und glaube, die Unternehmer wollen keinen Einfluss auf die Verwendung der Gelder nehmen. Einzige Bedingung, die Gelder sollen nur den freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben, wie kulturelle, soziales oder Wirtschaftsentwicklungen, dienen. Hört sich zuerst einmal gut an. Die lieben Unternehmer greifen ihrer Stadt unter die Arme – wunderbare PR Geschichte.

Nur, eine Spende ist in der Bilanz eines Unternehmens gewinnmindernd und mindert dadurch die Berechnungsgrundlage für die Gewerbesteuer, Körperschaftssteuer oder auch anderer Steuerarten. Weiter entsteht ein Konflikt der eine Teilaufgabe des kommunalen Selbstbestimmungsrechtes nach sich zieht. Auch ist der (zumindest de facto Vertrag) justiziabel und wenn ja, kann die Stadt gegen die eGmbH klagen, die im Zweifel kein Vermögen mehr hat?  In unserer Demokratie gibt es im Steuerwesen den Gleichbehandlungsgrundsatz der durch diesen Vertrag tangiert wird und ihn in die Ecke der Rechtswidrigkeit bringt.

Die Stadt und die Unternehmerschaft schafft mit diesem Vertrag ein nicht notwendiges Dilemma, welches den beiden Vertragspartnern, die Stadt mehr, teilweise ihre Entscheidungsfreiheit beraubt. Noch sind die Unterschriften nicht unter diesem Vertrag, den übrigens keiner kennt.

Im Rat jetzt den Vertrag als alternativlos darzustellen um ein HSK (Haushaltssicherungskonzept) abzuwenden ist von den Befürwortern unredlich. Warum geht die Unternehmerschaft nicht her und spendet anlasslos in Projekte, was sie ja auch getan haben. ABC unterstützt den TUS Ennepetal oder Dorma hat dem Gymnasium einen Sportpark finanziert, die der Stadt Ennepetal zugute kommen?
Da ist die Wiederbelebung der Milsper Innenstadt, die sicher einen erheblichen Finanzbedarf erfordert. Da ist die Forderung nach einem zentralen Kinderspielplatz der, wie in Schwelm Martfeld, eine mittlere sechsstellige Summe erfordert. Ist das keine dankbare Aufgabe, die ein Unternehmen adelt? Die Stadt Ennepetal hat in der Vergangenheit doch ihre Unfähigkeit bewiesen,Konzepte und Projekte zu erarbeiten und umzusetzen, die alle scheiterten. Ewig jammert der Kämmerer über seinen Geldmangel, allerdings hatte er (Sein Vorgänger) in 2006 Geld fürs Zocken frei. Oder er hat für seinen Haushalt Gelder für eine Beraterfirma frei gemacht damit sein Haushalt bei der Aufsichtsbehörde überhaupt angenommen wurde.

Im Hauptausschuss wurde über den „Standortsicherungspakt“ nochmals diskutiert/debattiert.

Es gab drei Meinungen zu beobachten:

  • Uns ist das egal, Hauptsache wir kriegen das Geld. Wann können wir das Geld kriegen?
  • Wir vertrauen den Unternehmern und freuen uns auf das Geld, ist doch eine schöne Sache
  • Wir trauen diesem Pakt nicht so recht. Was ist wenn die Stadt das Geld nicht bekommt?

Rauleff (SPD) kündigte die Freigabe der Abstimmung an, Hüttebräucker (FWE) signalisiert Zustimmung, wobei er an Termin für eine Gewerbesteuerhöhung ´16 erinnert. Bezüglich eines neueren Vertrages, soll es ein Gentlemen’s Agreement geben, also nur eine mündliche Vereinbarung, so der Kämmerer Kaltenbach. Warum, was in solchen Fällen durchaus üblich ist, kein Letter of intent abgeschlossen wurde, scheint wohl am Unwissen von Stadtverwaltung und Stadtrat zu liegen. Heymann (CDU) möchte keiner Erhöhung der Gewerbesteuer zustimmen, sondern dieses Gentlemen’s Agreement umsetzen. Albayrak (Die Linke) merkte an, dass es nur um die Durchsetzung von Unternehmerinteressen geht, wobei durch die Hintertür die Gewerbesteuer abgeschafft werden soll. Ennepetal soll hierbei nur als Türöffner dienen.

Albayrak (Die Linke) liegt da nicht ganz so falsch. Wobei 2006 die Bertelsmann Stiftung mit Dr. Kirsten Witte und Günter Tebbe unter Mitwirkung von: Dr. Annette Fugmann-Heesing, Prof. Dr. Martin Junkernheinrich und Gerhard Micosatt die Gewerbesteuer abschaffen wollten um ein drei Säulen Modell zu installieren. Grundlage war bei Ihnen immer das kommunale Selbstbestimmungsrecht der Kommunen. Die Stiftung Marktwirtschaft stellte auch ein Modell vor, welches aber zu erheblichen Steuerausfällen geführt hätte.

Kämmerer Kaltenbach führte dann aus, dass Ennepetal auf diese Spenden angewiesen wäre, da die Stadt die freiwilligen Leistungen einschränken oder sogar einstellen müsste. Wenn das keine Erpressung ist, dann weiß ich es nicht – aber das ist natürlich legitim um den politischen Willen durchzusetzen. Nur der Kämmerer einer Stadt ist keine politische Instanz.

Bürgermeisterin Heymann bat darum Begriffe wie rechtswidrig oder sozial unverträglich zu unterlassen oder zumindest sensibler damit umzugehen. Den Begriff Rechtswidrigkeit führte Güzel Albayrak (Die Linke) in die Debatte, erzürnte den Kämmerer zwar, war aber vollkommen unnötig. Wenn man den gesamten Vertrag, der ja de Facto existiert, betrachtet, verstößt er gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (formelle Rechtswidrigkeit) in der steuerlichen Behandlung der einzelnen Bürger. Das kann man, zumindest, als Rechtsauffassung eines Einzelnen stehen lassen. Ich glaube aber nicht, dass sich die lokalen Ennepetaler „Koryphäen“ mit solchen Hintergrundinformationen befassen. Die Partei Bündnis 90/Die Grünen will es ihren Ratsmitgliedern überlassen wie sie abstimmen wollen. Tigges (SPD) ist die Konstruktion dieses Abkommens zu schwammig und er  sieht keine Rechtssicherheit. Wir verplanen das Geld und wissen nicht ob wir das Geld bekommen, so Tigges (SPD). Braselmann (AfD) fragt sich, wenn das Geld diesjährig nicht kommt, müssten wir im darauf folgenden Jahr die Gewerbesteuer unverhältnismäßig erhöhen. Und der letzte im Bunde Haas (FDP) sieht eine starke Unternehmerschaft in Ennepetal, die Ennepetal so groß gemacht hat.

Das Schlusswort steht dem Kämmerer zu, wir müssen Vertrauen aufbringen, so Kämmerer Kaltenbach.

Am Donnerstag dem 2. Juni 2016 wird über einen Stärkungspakt abgestimmt der dem Stadtrat nicht vorliegt, dem lediglich die Worte einer Bürgermeisterin Heymann und eines Kämmerers Kaltenbach zugrunde liegen.

Erinnern wir uns doch  an das Jahr 2006, damals stieg die Stadt Ennepetal in das „aktive Zinsmanagement“ ein. Der damalige Kämmerer Wenke führte aus, Zitat aus dem Protokoll, „Herr Erster Beigeordneter Wenke erläutert die Beweggründe der Verwaltung und weist darauf hin, dass es der Verwaltung vor allen Dingen darauf ankomme, durch das aktive Zinsmanagement Kosten einzusparen.“ Zitatende

Das „aktive Zinsmanagement“ endete in einem Desaster mit endlosen Prozessen die letztendlich mit einem Vergleich endeten. Alles hört sich zuerst immer so harmlos an – „Kosten einsparen“.

Es gibt andere Wege wie sich die Unternehmer an ihrem Standort beteiligen können, was Dorma und ABC jedes Jahr bewiesen haben. Übrigens, sollen ABC, Dorma und die anderen Firmen ihr Engagement nach dem Standortsicherungspakt dann einstellen und stattdessen in die eGmbH einzahlen?

Ennepetal bleibt wohl die Insel der Glückseligen und naiven Bewohner.

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Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Ennepetal

Das war es dann wohl mit der Standortsicherung Ennepetal

 

Fotocollage: v.l. Kämmerer Dieter Kaltenbach, Rolf Stoffels, Innenminister Ralf Jäger Fotos: (c) Linde Arndt

Fotocollage: v.l. Kämmerer Dieter Kaltenbach, Rolf Stoffels, Innenminister Ralf Jäger Fotos: (c) Linde Arndt

[jpg] Das haben sich die Ennepetaler Unternehmer aber zu schön ausgedacht. 3,5 Millionen Euro wollten sie bis Mitte des Jahres zusammenschmeißen um dann einer Erhöhung der Gewerbesteuer zu entgehen. Die 3,5 Millionen sollten in dem freiwilligen Bereich des Haushalts verwendet werden. Sport, Jugend, Kultur oder Infrastrukturmaßnahmen sind hiervon hauptsächlich betroffen. Papier war schnell gefunden und die Zeilen für solch einen Vertrag schnell eingegeben. Ausgedruckt und fertig zur Unterschrift für die Vertragsparteien. Dazu kam es jedoch nicht.

Innenminister Ralf Jäger Foto: (c) Linde Arndt

Innenminister Ralf Jäger Foto: (c) Linde Arndt

Das Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen hat den Vertrag kurzum für rechtswidrig erklärt, weil, ja weil er gegen kommunales Haushaltsrecht verstößt.
396 nordrhein-westfälischen Gemeinden und 31 Landkreise haben mit der Umstellung von der alten Kameralistik auf das Neue Kommunale Finanzmanagement (NKF) sich den Regeln unserer Wirtschaft angeschlossen. Die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung sollten für die öffentlichen Hände nicht mehr ein Buch mit „sieben Siegeln“ darstellen.

Der Grundsatz der Bilanzwahrheit
Der Grundsatz der Bilanzklarheit
Der Grundsatz der Bilanzkontinuität
Der Grundsatz der Bilanzvorsicht

Dies sind die Grundpfeiler einer ordnungsgemäßen Buchführung.
Der Ennepetaler Standortsicherungsvertrag konnte diesen Vorgaben in vielerlei Hinsicht nicht standhalten. Dazu kam noch das Junktim welches zwischen der Höhe der Gewerbesteuer und der Zahlung eines Betrages bestand. Und weiter, dass kommunale Haushaltsrecht ist eine Ableitung vom kommunalen Selbstbestimmungsrecht. Dieser Vertrag konterkariert das kommunale Haushaltsrecht in weiten Bereichen.
Falls die Kommune Ennepetal den Vertrag unterzeichne, werde das Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen die Aufsichtsbehörde anweisen gegen diesen Vertrag einzuschreiten – was einem Verbot gleichkommt.
Bürgermeisterin Imke Heymann erklärte denn auch im Hauptausschuss den Standortsicherungsvertrag nicht zu unterzeichnen.
Das die Parteien Innenminister Ralf Jäger nach Ennepetal zu einem klärenden Gespräch einladen wollen entbehrt da nicht einer gewissen Ennepetaler Komik. In solch einem Fall bittet man einen Minister um einen zeitnahen Termin in seinem Ministerium.

Finanzminister Wolfgang Schäuble Foto:(c) Linde Arndt

Finanzminister Wolfgang Schäuble Foto:(c) Linde Arndt

Auch ist es unverständlich wie man eine Äußerung von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble so falsch auslegen kann. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble wird eine en passant gemachte Aussage niemals ungeprüft umsetzen, er wird das interessant finden oder positiv erwähnen, letztendlich wird der Fachbereich im Finanzministerium zu einer Stellungnahme angehalten. Erst dann wird daraus eine belastbare Aussage.
Was allerdings irritiert, der Vertrag ist jetzt nicht vom Tisch sondern in einer Schublade für nach der Wahl abgelegt. Warum, so fragt man sich, gehen die Parteien nicht einen anderen Weg, der rechtlich unbedenklich ist. Fakt ist doch die Parteien wollten der Stadt Ennepetal finanziell helfen und da gibt es andere Möglichkeiten ohne das Ennepetaler Haushaltsrecht zu berühren.

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Ennepetal

Was haben Ennepetal und die SIHK eigentlich gegen unsere Verfassung und unsere Demokratie?

 

Wilhelm Wiggenhagen Foto: (c) Linde Arndt

Wilhelm Wiggenhagen Foto: (c) Linde Arndt

[jpg] Jeder kennt die Finanzhoheit der staatlichen Institutionen. Da gibt es den Bund, die Länder und letztendlich die Kommunen. In unserem Grundgesetz, was nach der Wiedervereinigung in den Verfassungsrang gehoben wurde, befindet sich unter X. Das Finanzwesen. In den Artikeln 104a ff GG wird geregelt wer befugt ist Steuern festzusetzen. Danach steht den Kommunen ausschließlich die Festsetzung und Erhebung der Gewerbesteuer zu. Und in Verbindung mit Artikel 28 GG hat die Kommune eine Selbstverwaltung, wobei hier das Recht, eine Steuer zu erheben, nochmals besonders hervorgehoben wird. Ab hier dürfte jedem klar sein, dass niemand der Kommune in ihre Steuerangelegenheiten hineinreden darf/sollte. Wie sollte es auch anders gehen? Die Politik entwickelt ihre Kommune indem sie ihre Ideen einbringt. Wobei die Parteien unterschiedliche Schwerpunkte haben. Die eine Partei legt den Schwerpunkt auf eine soziale Stadt und die andere Partei sieht ihre Stadt halt als Wirtschaftsstandort der seinen Bewohnern Arbeit bringt. Letztendlich wird es von allem etwas geben, der politische Mix bringt eine Stadt nach vorne.

Eines bleibt jedoch, die Umsetzung der politischen Ideen müssen finanziert werden. Und die Finanzierung kann nur über die steuerlichen Einnahmen erfolgen. Diese steuerlichen Einnahmen, sprich Steuern, sollen, damit die kommunale Selbstbestimmung nicht beschädigt wird, von äußeren Einflüssen frei sein. Niemand sollte der Politik in die Gestaltung ihrer Einnahmen hineinreden dürfen; denn diese Entscheidung sollte frei von Interessenkonflikten sein.

In Ennepetal ist es aber so, dass es einigen Unternehmern als auch der SIHK Hagen nicht Recht ist, wenn die Steuer von der Mehrheit des Stadtrates beschlossen wird. 2011 versuchte die SIHK mit dem damaligen Vizepräsidenten der SIHK Hagen, Rolf Bilstein, Einfluss auf die Steuerpolitik zu nehmen (EN-Mosaik berichtete), Bürgermeister Wilhelm Wiggenhagen zog mit seinen Vasallen damals an einem Strang und die Gewerbesteuer wurde nicht erhöht. Später musste die Gewerbesteuer jedoch erhöht werden. Rolf Bilstein warf Ennepetal damals Wortbruch vor.

Ralf Stoffels Foto: (c) Linde Arndt

Ralf Stoffels Foto: (c) Linde Arndt

Nun, die Idee selber die Steuer zu bestimmen und damit auch die Politik zu machen, war jedoch nicht vom Tisch. Und so fand Rolf Bilstein (Febi) mit seinem Nachfolger bei der SIHK, Ralf Stoffels (BIW Isolierstoffe, Ennepetal) und Siegfried Jacob (Metallwerke GmbH & Co. KG), sowie Karsten Schüßler-Bilstein (Ferdinand Bilstein GmbH + Co. KG) weitere Mitstreiter. Wilhelm Wiggenhagen und Kämmerei Dieter Kaltenbach mussten nicht überzeugt werden, bei ihnen sind die Gene unpolitisch ausgeprägt. Sie sind reine Verwaltungsmenschen, die halt nur verwalten – mehr nicht. Es gab auch direkt ein neues „Steuermodell“. Waren damals die Höhe der Steuereinahmen maßgeblich für eine evtl. Steuererhöhung über die man reden wollte, sollte es diesmal etwas subtiler sein.

Die Gruppe machte sich Sorgen um Kultur, Sport, Kinder- und Jugendarbeit und will 3,5 Millionen Euro einwerben. Eine Standortsicherungsgesellschaft soll es werden, Christoph Brünger von der SIHK, zuständig für Standortpolitik, Existenzgründung und Unternehmensförderung, soll dann Geschäftsführer werden. Wie soll der Deal aussehen? Die Standortsicherungsgesellschaft sammelt 3,5 Millionen Euro bei den Ennepetaler Unternehmen ein, überweist sie der Stadt und diese setzt dieses Geld für die freiwilligen Leistungen ein. Als Gegenleistung werden die Gewerbesteuern nicht erhöht. Hört sich eigentlich gut an, oder? Nein.

Ein Beispiel: Haus Ennepetal müsste seit Jahren renoviert und saniert werden. Dieses wurde unterlassen. Aber doch nicht weil keine finanziellen Mittel zur Verfügung standen, sondern weil man die Prioritäten anders setzte. 2006 war die Zockerei wichtiger als ein kurz-, mittel- und langfristiges Investitionsprogramm aufzustellen. Warum nicht? Weil es weder im Stadtrat noch in der Stadtverwaltung Persönlichkeiten gibt die wirtschafts- und finanzpolitisch denken und handeln können. Stattdessen lebt man seit Jahren von der Substanz und sieht zu wie die Stadt ausblutet.

Und nun kommen die drei Unternehmer und die SIHK und meinen mit einer Spende, die auch noch steuerlich absetzbar ist, würden sie etwas für  Kultur, Sport, Kinder- und Jugendarbeit bewirken? Sehr selbstlos? Ralf Stoffels hat als „Wohltäter“ eine Dreifachsporthalle in Schwelm bauen lassen und diese der Stadt Schwelm für rund 300.000,– Euro pro Jahr auf 20 Jahre vermietet.

Ein gutes Beispiel für  PPP (Public-private-Partnership). Die Stadt Schwelm hätte diese Investition von der Aufsichtsbehörde nicht genehmigt bekommen, weil sie sich im Haushaltsicherungskonzept befindet. Bücherei, Musikschule oder Hallenbad (Alles freiwillige Leistungen) stehen unter Finanzierungsvorbehalt in Schwelm, aber eine Dreifachsporthalle für die Basketballer darf es sein. Aber ein Mietvertrag, das ist wichtig, ist keine Investition, der bedarf keiner Genehmigung. Diese Investition kann gut und gerne als einträgliches Geschäft bezeichnet werden, denn das angelegte Geld wird gut und ohne Risiko verzinst, für Ralf Stoffels.

Dieter Kaltenbach Foto: (c) Linde Arndt

Dieter Kaltenbach Foto: (c) Linde Arndt

Die Ennepetaler Unternehmerschaft ist allerdings bis heute nicht durch große Spendenbereitschaft in den drei Bereichen aufgefallen. Im kulturellen Bereich hat sich die Sparkasse Ennepetal-Breckerfeld besonders hervor getan, die sogar mit einem eigenen Konzept versucht hat die kulturellen Landschaft in Ennepetal zu bereichern. Die Firma ABC fiel durch die Förderung des TUS Ennepetal auf, der in der Oberliga Westfalen mit Vereinen wie SV Schermbeck oder Westfalia Rhynern spielt. Warum also haben die Unternehmer nicht vorher zum Scheckheft gegriffen? Denn diese Stadt ist teilweise in einem erbarmungswürdigem Zustand. Beispielsweise Kinderspielplätze oder selbstverwaltete Jugendheime sucht man hier vergebens. Von dieser Seite gesehen, ist die ganze Idee doch recht fragwürdig, zumal denn, wo Spenden ganz anders versteuert werden.

Der Ruf unserer deutschen Unternehmer ist nicht gerade der Beste – aktuell, VW Konzern lässt grüßen.

Erst kürzlich wurde im Crim-Sonderausschuss in Brüssel berichtet, dass durch Steuerhinterziehung, Steuerverkürzung, Steuervermeidung oder auch Geldwäsche den 28 Staaten der EU 400 Milliarden Euro an Steuern per anno entzogen werden. Sind das alles Ganoven, a la Mafia? Nein! Klaus Zumwinkel, Alice Schwarzer oder Ulrich „Uli“ Hoeneß waren alles ehrenwerte Menschen, haben es aber mit der Steuerehrlichkeit nicht so genau genommen.

Vier Argumente sind in diesem Zusammenhang maßgeblich, die zur Ablehnung dieser fixen Idee führen müssten.

  1. Die Unternehmer sind noch nie mit nennenswerten Spenden in den drei genannten Bereichen aufgefallen, zumindest in Ennepetal.
  2. Wie im Fall von Ralf Stoffels ist davon auszugehen, das die Unternehmer eher ein Geschäft zu ihrem Vorteil aus dieser Idee sehen wollen. Eine Win-Win Situation wird es wohl nicht geben.
  3. Die Stadt wird in ihrer freien Entscheidung und Gestaltung gehemmt/eingeschränkt.
  4. Die gemachten Zusagen sind im Zweifelsfall nicht einklagbar, es sind reine Absichtserklärungen.

Und Bürgermeister Wilhelm Wiggenhagen, sowie der erste Beigeordnete und Kämmerer Dieter Kaltenbach? Hier muss man die Frage stellen: „Was macht einen guten Verwaltungsbeamten aus?“

Die Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer hatte für unsere Redaktion eine einfache Antwort, 35% Wissen über das Wesen und Inhalte der Verwaltung, aber 65% gefestigte Persönlichkeit mit einem ausgeprägten Koordinatensystem, welches gut und richtig erkennt. Und das ist bei beiden nur bedingt erkennbar.

Screenshot WAZ

Screenshot WAZ

Und der Stadtrat? Die Zustimmung ist ihm zuzumuten; denn die Verantwortung abzuwälzen ist doch eine bequeme Art von Politik. Kann man doch hinterher vermehrt ein „Schwarzes Peter“-Spiel in Gang setzen. Und die Stadt? Die war den Beteiligten bis heute eher egal und wird, wenn nichts wesentliches passiert (Aufbruchstimmung), den Beteiligten weiter egal sein. Es ist eine graue Stadt, hier will keiner leben. Und die hier leben, die können nicht weg, weil sie zu alt oder zu arm sind.

Ach ja, hier die Information die mich umgehauen hat, weil sie so schön neutral ist und keine Frage offen lässt – triviale Schönschreiberei halt.(http://www.derwesten.de/staedte/ennepetal/spenden-statt-gewerbesteuererhoehung-id11124707.html) Und für diese Schreibe wurde mal ein Baum gefällt, damit das Papier daraus produziert werden konnte.

 

 

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Ennepetal

 

 

 

 


 

Niedrigste Gewerbesteuer in der Metropole Ruhr in Ennepetal

IT.NRW veröffentlicht Steuer-Hebesätze  
Düsseldorf/Metropole Ruhr (idr).

Die niedrigste Gewerbesteuer in der Metropole Ruhr zahlen Unternehmen in Ennepetal (Ennepe-Ruhr-Kreis). Das geht aus einer Zusammenstellung des Landesamtes IT.NRW hervor. In einer Publikation haben die Statistischen Ämter des Bundes und der Länder jetzt alle Angaben zu den Hebesätzen der Grundsteuer A (für land- und forstwirtschaftlich genutzte Flächen), der Grundsteuer B (für sonstige Grundstücke) und der Gewerbesteuer im Jahr zusammengestellt. In den Kommunen der Metropole Ruhr bewegen sich die Gewerbesteuer-Hebesätze zwischen 403 (Ennepetal) und 490 Prozent (Duisburg, Oberhausen, Bottrop, Hagen, Gevelsberg, Hattingen, Herdecke und Witten). Landesweit war der Gewerbesteuerhebesatz in Siegburg mit 515 Prozent am höchsten und in Straelen (310 Prozent) am niedrigsten.
Infos unter www.it.nrw.de

Ennepetal der billige Jakob des EN-Kreises?

[jpg]Wir haben gelernt, die Parteien aber auch die Verwaltung mögen nicht so gerne über die letzten Jahre mit uns sprechen. Eher möchten sie ihre vollmundigen und sinnentleerten Wahlsprüche loswerden, die uns motivieren sollen am 30.08 09 an der richtigen Stelle ein Kreuz zu machen.

Im Grunde genommen ist es ihnen Wurst was wir wollen oder denken. Die BürgermeisterkandidatInnen sind da nicht anders und spielen das Wahlkampfspiel mit. Staunend hört man wie gut es uns doch geht und dass nur noch an diesem oder anderen kleinem Schräubchen gedreht werden muss, damit wir in Ennepetal das Paradies ausrufen können. Das diese paradiesischen Zustände noch nicht eingetreten sind, daran ist logischerweise der politische Gegner Schuld.

Da wir aber nicht so naiv sind, wie man uns nachsagt, stöbern wir natürlich weiter und bekommen inzwischen Informationen, die zwar allen zugänglich sind, jedoch das schön gemachte Bild der Mehrheitsparteien in einem anderen Licht erscheinen lassen.
Vollmundig versichert immer wieder die CDU, Bürgermeister Eckhardt, der ja immerhin von der CDU, durch unseren guten Walter Faupel, auf das Schild gehoben wurde, aber auch der neue von der CDU, auch durch unseren guten Walter Faupel, erkorene Bürgermeisterkandidat, der parteilose Gevelsberger und unser erster Beigeordnete Wilhelm Wiggenhagen, wir haben die niedrigsten Gewerbesteuersätze im ganzen Kreis. Dies wird als absolutes Plus verkauft, was aber bei näherem Hinsehen ein dickes Minus ist. Vergessen wird dabei geflissentlich, dass die Steuern auch ein Verb steuern hat. So bedeutet es im Fall der Ennepetaler Fiskalpolitik, wir lenken Firmen auf unser Stadtgebiet um daraus Einnahmen zu generieren.Aber Einnahmen setzen auch Ausgaben voraus, weiß jeder Haushalt, ob privat oder öffentlich.

Jetzt müsste jeder sagen, toll, wir kriegen die Kohle und die anderen schauen in die Röhre. Es müsste uns doch gut gehen, sicher können wir vor Reichtum nicht richtig aus den Augen schauen. Wie dem auch sei, es ist wie beim billigen Jakob, der sich meinetwegen fehlerhafte Keramiken im Westerwald kiloweise einkauft und sie dann auf diversen Märkten teuer verkauft. Die eine oder andere Vase ist dann schon mal undicht und der Erwerber ärgert sich hinterher über Wasserringe auf dem guten Tisch im Wohnzimmer. Aber es war eben billig.

Nun lassen wir das mal alles aufdröseln, was dahinter steckt:

Die Hebesätze 2008 zur Gewerbesteuer der einzelnen Städte im EN-Kreis,

Stadt
Hebesatz
Stadt
Hebesatz
Ennepetal
403
Gevelsberg
455
Schwelm
450
Hattingen
470
Breckerfeld
420
Witten
440
Herdecke
468
Sprockhövel
440
Wetter
450
 
 
Quelle: Landesamt für Statistik NRW

Oberflächlich betrachtet, muss jetzt jeder sagen,  in Ennepetal hat sich die gesamte Industrie niedergelassen, die anderen kriegen sicher keine Schnitte. Weit gefehlt. Danach dürfte Hattingen, immerhin mit 470% der Spitzenreiter, keine Firma haben, hat sie aber. Dann, die Ennepetaler können vor Reichtum kaum aus den Augen gucken weil die gesamte Industrie viel mehr Gewerbesteuer durch die Menge der Ansiedlungen zahlt. Auch total daneben.

Nun muss man wissen, Gewerbesteuer ist erst ab rund Eur 25.000,– Gewinn eines Unternehmens fällig, die meisten Unternehmen, wie Einzelhändler, fallen also nicht darunter. Es betrifft also nur die mittleren und großen Unternehmen in einer Stadt, wobei teilweise Filialisten, wie Discounter, sogar über ihre Zentrale, eben eine andere Stadt, abrechnen.

Um das aber etwas weiter zu analysieren nehmen wir einmal die pro Kopf Verschuldung von Ennepetal und der beiden Nachbarstädte hinzu.

Stand der Erhebung: 2006

Schwelm        Einwohner: 29.780    Schulden pro Kopf: Eur    738,55
Gevelsberg    Einwohner: 32.628    Schulden pro Kopf: Eur 1.713,50

Ennepetal      Einwohner: 32.034    Schulden pro Kopf: Eur 1.677,90

(Quelle: Statistisches Landesamt NRW)

Ups, wie das?  Wieso sind wir fast so hoch verschuldet wie Gevelsberg? Und Schwelm nur halb soviel verschuldet?
Indem wir seit Jahren auf rund Eur 4 Millionen per Jahr durch den niedrigen Steuersatz (Hebesatz) verzichten, sind aber nicht die Aufgaben die eine Kommune hat weniger geworden. Strassen, die durch die höhere Zahl an Pendlern, oder des Güterverkehrs, schneller verschlissen werden, müssen in kürzeren Intervallen instand gesetzt werden.

Die Infrastrukturmaßnahmen im Gebiet Oelkinghausen zahlen sich auch nicht selber. Aber auch die unterschiedlichsten Ausgaben, die der Gesetzgeber einer Kommune "auf´s Auge" drückt, müssen geleistet werden, da besteht ein Rechtsanspruch.

Man kann also sagen, durch den niedrigen Steuersatz werden vermehrt Unternehmen an den Standort Ennepetal gebunden, das ist die eine Seite. Die dadurch entstehenden Kosten, wie Infrastrukturmaßnahmen,  werden jedoch durch die zu zahlenden Steuern der Unternehmen nicht gedeckt. Es entsteht also ein Defizit. Und dieses Defizit wird schließlich durch unterschiedliche Maßnahmen ausgeglichen. Einmal durch die Aufnahme von Krediten, sprich Schulden, und zum anderen durch Vernachlässigung von Investitionen die für die Leistungserbringung der angesiedelten Unternehmen nicht unbedingt notwendig sind. Ein gutes Beispiel ist das Haus Ennepetal, das man gut und gerne wegen des fehlenden Erhaltungsaufwandes aber auch der fehlenden Modernisierungsinvestitionen als vernachlässigt einstufen kann. Dazu kommt durch die Schuldenaufnahme also durch Kredite, logischerweise auch Zinsen die bezahlt werden müssen, und die gehen nochmals in die Millionen. Da kommt schon eine erkleckliche Summe zusammen. Dazu kommen noch die Investitionen, die in den Innenbereichen der Stadt getätigt werden müssten um einen florierenden Handel aufzubauen und zu gewährleisten. Es sind soviel Aufgaben, die die Stadt aus Gründen der fehlenden Mittel nicht oder nur unzureichend getätigt hat. Denn 4 Millionen Euro per Jahr sind schon ein Sümmchen auf das die Stadt verzichtet.

Wenn also die Parteien, besonders die CDU, unisono sagen, wir wollen nicht die Haushaltssicherung, so möchte man sagen, die Haushaltssicherung ist das Beste was wir kriegen können. Denn offensichtlich braucht die Politik und die Verwaltung der Gemeinde Ennepetal Nachhilfe in nachhaltiger Haushaltspolitik. Haushalts- und Finanzpolitik ist halt nichts für Grobmotoriker, man sollte schon die Feinmotorik mit einsetzen können.

So schreibt das Innenministerium NRW:

"Kommunale Selbstverwaltung bedeutet Verpflichtung und Verantwortung jeder Gemeinde, den gesetzlichen Haushaltszielen und Haushaltsgrundsätzen nachzukommen. Der Gesetzgeber hat die Haushaltssicherung als Instrument vorgesehen, einen – trotz der Rechtspflicht zum Haushaltsausgleich – in Schieflage geratenen Kommunalhaushalt in eigener Verantwortung zu konsolidieren, um die Leistungsfähigkeit der Gemeinde (GV) wieder zu erlangen."
 
Was aber ist nun eine Haushaltssicherung? Das hört sich so bedrohlich an. Haushaltssicherung ist nichts anderes als das ein unabhängiger Dritter der Stadt Ennepetal sagt wie sie ihren Haushalt gestalten sollte und zwar auch im Bereich der Gewerbesteuer. Es kann also sein, dass der als Vorteil propagierte niedrige Gewerbesteuersatz der Stadt Ennepetal erhöht werden muss, wenn in Folge ein Haushaltssicherungskonzept erstellt werden muss.
Dieses Konzept erstellt aber die Gemeinde selber, welches sodann zur Prüfung vorgelegt werden muss, ist doch in Ordnung.

Dann wird der Regierungspräsident innerhalb eines Zeitraumes von 4 Jahre, dies ist die Regelzeit, zeigen, warum man nicht den billigen Jakob spielen sollte. Prahlhanse waren bei den Regierungspräsidenten noch nie gut gelitten.

In der Bilanz der letzten 5 Jahre scheint die Wirtschafts- und Finanzpolitik der Verwaltung damit aber in einem recht diffusen Licht. Der Bringer ist es auf jeden Fall nicht.

Übrigens, die privaten Haushalte, also die Bürger Ennepetals wissen ihre Haushalte sehr gut in Ordnung zu halten, sie schneiden auf Grund der hohen Kaufkraft sehr gut ab. Offensichtlich ist da mehr Nachhaltigkeit vorhanden, aber die stehen ja nicht zur Wahl, haben aber eine Wahl.

Jürgen Gerhardt