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Die Idiōtae Europas wollen oder können nicht europäisch sein

Plenary-Session in Brüssel Foto: (c) Linde Arndt

[jpg] Wo haben die 27 (28) Staaten der EU eigentlich ein Problem mit Europa? Bei manchen „Europäern“ hat man den Eindruck, als wenn diese sich nach der Zeit zurück sehnten, in der noch Stämme Europa beherrschten. Langobarden, Kelten, Etrusker, Sachsen, Franken, Germanen, Goten (Ost und West) und was weiß ich, welche Stämme durch Europa wanderten, um den anderen die Köpfe einzuschlagen.
Oder, nicht der Neandertaler war unser gemeinsame Vorfahre, sondern ein in Afrika lebendes Wesen, welches sich später auf den Weg machte, die Welt zu erobern – der heutige Homo Sapiens. Denn, diesem heutigen Homo-Sapiens muss es doch möglich sein, den Staat weiter zu entwickeln zu einem größeren Gebilde, welches auch die größeren Probleme des Homo Sapiens lösen kann.

Die viel später nach den Stämmen folgende Staatenbildung wurde offensichtlich nicht richtig durch die einheimische europäische Bevölkerung eingeordnet oder ausgelebt. Deshalb wusste man in Europa immer irgendwo einen Krieg vom Zaun zu brechen, der Millionen Menschen den Tod brachte. Und hatten sich diese Kriege gelohnt? Nein, nicht wirklich!
Über 70 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg mit rund 50 Millionen Toten, hat Europa (Ausnahme die Balkan-Kriege in den 90ern) nun Frieden! Und warum? Weil die Europäer lieber Handel, Forschung oder Kulturaustausch betrieben haben und für einen Krieg keine Zeit hatten. Gottseidank, sollte man sagen.
Wie kann also der Vorteil einer größeren Einheit, Europäische Union (EU) mit 27 Staaten, dem einzelnen Bürger nähergebracht werden? Und darüber hinaus die Globalisierung der Beziehungen mit multilateralen Bezügen ohne einen Hegemon USA. Lohnt sich Europa für den einzelnen Bürger und seinen Eliten nicht (mehr)? Ist es erstrebenswert Nationalismus, Protektionismus, Isolationismus und Xenophobie und die damit einhergehenden Ängste und Hysterien aufleben zu lassen? Was für einen Vorteil können wir von den angestrebten Änderungen erwarten? Keinen, aber wirklich keinen.

Jean-Cloude Juncker Foto: (c) Linde Arndt

Der „Brexit“, also der Austritt der Briten aus der EU, hat Europa total durcheinander gewirbelt. Weshalb eigentlich? Das Referendum vom 23. Juni 2016 welches mit 51,89 % für den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union endete, stellt eine Schande der britischen Eliten dar und nicht der EU. Schande deshalb, weil dieses Referendum die britischen Bürger durch Halbwahrheiten und Lügen zu diesem Ergebnis geführt hat. Von Nigel Farage von der UKIP Partei war man ja Halbwahrheiten, Lügen und populistische Sprüche gewohnt, aber von Boris Johnson (Tory) dem ehemaligen konservativen Londoner Bürgermeister hatte man keine derartigen Verhaltensweisen erwartet. Und Labour? Der linksgerichtete Jeremy Corbyn warb nur halbherzig in dem Wahlkampf für den Verbleib der Briten in der EU, obwohl er für den Verbleib war. Das verstehe, wer will.
Lassen wir einige Halbwahrheiten und Lügen Revue passieren:

    • 445 Millionen Euro wöchentlich soll angeblich Großbritannien an Brüssel überweisen, tatsächlich sind es jedoch knapp die Hälfte, die Großbritannien überweist.
    • Die Türken würden bald Mitglied der EU, tatsächlich ist eine Mitgliedschaft der Türkei eher unwahrscheinlich.
    • Großbritannien werde mit dem Austritt die Kontrolle über seine Grenzen zurück erlangen, tatsächlich gehörte Großbritannien nie zum „Schengen Raum“ und konnte jederzeit seine Grenzen dichtmachen, schützen oder kontrollieren.
    • Der Gipfel der Halbwahrheiten war: Durch den Austritt Großbritannien würde sich für die Briten im Verhältnis zur EU nichts ändern. Es wird sich viel verändern, letztendlich könnte Großbritannien auf einen WTO Status zurückfallen, wenn die jetzt zu tätigenden 2-jährigen Verhandlungen ohne Abschluss geführt würden. Und so sieht das im Moment aus.

    Nachdem die Kündigung der Briten in Brüssel dem Ratspräsidenten Tusk überreicht wurde, wurden auch die Verhandlungsführer benannt, das sind:

    • David Davis (67), britischer Brexit-Minister
    • Michel Barnier (66), Chefunterhändler der Europäischen Kommission,
    • Didier Seeuws (52), Direktor des Europarats und
    • Guy Verhofstadt (64), europäisches Parlament.

    Als wenn, das nicht reichen würde. Dann sind da noch die Probleme der osteuropäischen Staaten, die Visegrád-Gruppe mit Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn, die der EU äußerst kritisch gegenüberstehen. Diese Gruppe lässt in sehr großem Maße die Solidarität gegenüber der EU vermissen und tendiert zu der Rückkehr in den Nationalstaatsmodus. Hier geht es um Wirtschaft, Migration, Finanzen und Freizügigkeit. Polen und Ungarn schrammen an den Grenzen der Rechtsstaatlichkeit vorbei und stehen seit geraumer Zeit im Blickfeld der Kommission. Es geht einfach nicht, dass einzelne Staaten die Annehmlichkeiten von Brüssel als Selbstverständlichkeit sehen und die Belastungen die sich durch die Mitgliedschaft ergibt, nach Belieben von sich weisen.

    Zu guter Letzt kommt noch der neue US-Amerikanische Präsident Trump, der der EU nicht gerade gut gesonnen ist. Er sieht die großen Exporte der EU in die USA, die die USA zum Schuldner Nummer eins in der Welt machen. Wobei, wo sind die USA nicht verschuldet? Aber, das ist ein anderes Thema.

    In Brüssel und Straßburg werden personelle Kräfte gebunden die sich mit den jetzt aufgetretenen Problemen befassen. Allein der Brexit bindet auf 2 Jahre hunderte Mitarbeiter; denn es gilt rund 80.000 Seiten Richtlinien oder Gesetze zu überarbeiten, damit die Briten aus diesen Texten getilgt und umgeschrieben werden. Wobei die Parlamente den Änderungten auch noch zustimmen müssen. Für die Briten gilt dies ebenso. Die Kosten dieses Brexit für Brüssel und London wagt keiner zu benennen, geschweige denn zu erwähnen.
    Dabei wäre es wichtiger, wenn Brüssel sich endlich auf den Reformstau stürzen würde, um die kritischsten Stimmen zu dämpfen.

    Abstimmung bei der Plenar-Sitzung in Brüssel Foto: (c) Linde Arndt

    Rückblick: Wie alles begann.

    An und für sich sollte die EU schon 1954 mit der europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG) die ersten Schritte auf europäischem Boden machen. Ging aber nicht, da Konrad Adenauer die Zeit für eine Wiederbewaffnung der Bundesrepublik noch nicht für gekommen sah. Auch hätte Adenauer die Westbindung aufgeben müssen, denn der französische Präsident Charles de Gaulle wollte eine reine europäische Verteidigung organisieren, ohne die USA und Großbritannien. Es sollte noch ein Jahr dauern und Deutschland würde stattdessen der Nato beitreten. Adenauer wollte mit Unterstützung Frankreichs die Integration Deutschlands in die Weltgemeinschaft umsetzen, wobei Adenauer nicht drängen wollte. Überhaupt hielt sich Adenauer sehr zurück, verständlich, immerhin war der zweite Weltkrieg erst 10 Jahre her.
    Der erste Schritt fand dann auch am Abend des 25. März 1957 in Rom statt. Zwölf Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg fanden sich im Senatorenpalast von Rom die Staatschefs von Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg und den Niederlanden zusammen um den EWG-Vertrag, den EURATOM-Vertrag und den EGKS (Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl) Vertrag feierlich zu unterzeichnen.
    60 Jahre später trafen sich die 27 Mitglieder der (inzwischen) EU um sich der gemeinsamen Zukunft zu versichern. Die EU ist halt noch nicht reif für die Rente, so der Luxemburgische Regierungschef Xavier Bettel. Man ist sich aber sicher die EU muss dringend reformiert werden, nur wer soll dies machen? Deutschland mit Bundeskanzlerin Merkel hält sich zurück und harrt der Dinge die kommen.

    Von Gurken, Staubsaugern und Feinstoffen

    In Brüssel schlagen Kommissare oder Parlamentarier regelmäßig die Hände über dem Kopf zusammen, wenn die Nationalstaaten und deren Regierungschefs meinten wieder einmal die EU schlecht machen zu müssen. Wobei die politischen Parteien und die nationalen Medien mit in diese Kerbe schlagen. Es ist chic auf die EU „einzuprügeln“.
    Als Beispiel mag die Verordnung (EG) 1677/88 herhalten. Im Zuge der Normierung hatte man den Schlangengurken einen Krümmungsgrad verpasst, wonach die Klasse I ( Es wurden die Güteklasse „Extra“ sowie die Handelsklassen I bis III definiert) eine maximale Krümmung von zehn Millimetern auf zehn Zentimetern Länge aufweisen durfte. Diese Verordnung wurde als typische Regulierungswut der Brüsseler EU gegeißelt.
    Es war jedoch nicht die Kommission, die diese Richtlinie auf den Weg brachte, sondern der Groß- und Einzelhandel der Länder unter der Regie Deutschlands. Denn die Händler wollten, was ja auch Sinn machte, die Gurken besser und kostensparender verpacken und das ging nun einmal nur mit einer geraden Gurke. Und damit man nicht immer die Verpackungen aufmachen musste, wurde die Klassifizierung auf den Weg gebracht und auf die Verpackung gedruckt.
    Das Geschrei war groß und man ging die EU zu Unrecht an. Als nun die EU um des lieben Friedens Willen diese Verordnung 2009 außer Kraft setzte, hatten zwar die Kritiker gewonnen, nur die Händler waren enttäuscht. In Folge setzten die nationalen Händlervereinigungen sich zusammen und übernahmen die Normierung als eigene Norm. Da scheint die EU doch nicht so schlecht gearbeitet zu haben?
    Beispiel zwei, die Verordnung (EU) Nr.:666/2013 die Staubsaugerverordnung. Demnach darf die Leistung eines in den Handel gebrachten Staubsaugers ab 2017 die Leistung von 900 Watt nicht übersteigen. Daneben sind noch einige andere Parameter in dieser Verordnung, was jetzt einmal nicht erörtert werden sollte. Und wieder war der Aufschrei riesengroß über den Regulierungswahn der EU. Tatsächlich hatte die EU jedoch den Auftrag der Regierungschefs sich Gedanken zu machen wie die Pariser Cop21, also die CO2 Verpflichtungen, durch einen Beitrag der EU umgesetzt werden könnten. Auf diesem Wege stellte die EU fest, dass 900 Watt für Staubsauger vollkommen ausreichend seien um die gleiche Saugleistung zu erbringen wie ein 2.000 Watt Staubsauger. Bei einigen Millionen Haushalten in der EU ist das sicher eine nicht zu verachtende Energieeinsparung was einer CO2 Einsparung europaweit gleichkommt.
    Ein weiteres Beispiel, die „Richtlinie 2008/50/EG über Luftqualität und saubere Luft für Europa“. In ihr wurden die Grenzwerte für Luftschadstoffe, Schwefeldioxid (SO2), Stickstoffdioxid (NO2), Stickstoffoxide (Nox) oder Feinstäube verbindlich festgelegt. Nach dem heutigen Stand der Technik dürfte das kein Problem sein.
    Für Deutschland schätzt man z.Bsp. jährlich 12.000 Tote die an Lungenkrankheiten, wie Asthma oder Copd versterben. Nicht nur das, vielmehr sind viele Allergien oder Asthmaerkrankungen auf die erhöhten Luftschadstoffe zurückzuführen. Es wird aber nicht nur in Deutschland eine erhöhte Mortalität geschätzt, vielmehr können die deutschen Zahlen auch auf die anderen Staaten übertragen werden. Die wirtschaftlichen Gesundheitskosten innerhalb der EU sind enorm und verbrauchen finanzielle Ressourcen, die nicht hinnehmbar sind.
    Das wesentliche diese drei Beispiele sollen aber zeigen, wie gut die EU arbeitet, aber, und das ist noch wichtiger, die EU arbeitete immer im Auftrag der 27 Staaten, also nie ohne Weisung. Auch die Richtlinien und Verordnungen wurden immer im Rat der EU von den Regierungschefs abgesegnet.
    Wenn also die Regierungschefs sagen, sie hätten diese Verordnungen nicht gewollt so sagen sie nicht die Wahrheit.
    Aber es ist ja immer gut von dem eigenen Versagen abzulenken und die EU als Watschenaugust einzusetzen.

    José Manuel Barroso und Herman Van Rompuy
    Foto:(c) Linde Arndt

    Brexit, Trump und die französische Präsidentenwahl

    Als Premierminister Cameron das Referendum über den „Brexit“ auf den Weg brachte, dachte in Europa niemand an einen Erfolg dieses Referendums, selbst Cameron nicht. Nur, niemand hatte mit den Gegnern Boris Johnson und Nigel Farage gerechnet. Und niemand konnte die schwache Haltung von Labour gegenüber Europa voraussehen. Jeremy Corbyn von der Labour Party weiß bis heute nicht, ob er Fisch oder Fleisch ist. Die Befürworter der EU in Großbritannien waren sich zu sicher.
    Durch Halbwahrheiten, ja, sogar klare Lügen wurden die britischen Wähler in die Irre geführt und getäuscht. Das Referendum für den Brexit kam durch und wurde danach auch im Unterhaus beschlossen. Allerdings war das Referendum für die Regierung nicht bindend. Premier Cameron hatte dieses Referendum mit seiner Person verknüpft.
    Premierminister Cameron trat zurück und Theresa May wurde Premierministerin und reichte Ende März 2017 die Scheidungspapiere in Brüssel ein. Danach fixierte May auch noch Neuwahlen, die die Mehrheiten der Tories im Unterhaus verbessern sollen. Die Schwierigkeiten die jetzt auf die Briten und die EU zukommen werden beide, EU als auch Britannien, lähmen, so dass kaum Energien für weitere Entwicklungen in Europa frei gesetzt werden können. Nach der neuerlichen Parlamentswahl in Großbritannien, spekulieren viele Briten damit das Land auf den WTO Standard zurückfallen zu lassen. Denn die Zeit für Verhandlungen ist sehr knapp.
    Auch die USA machen im Moment einen Häutungsprozess durch. Dieser Häutungsprozess ist durch die unerwartete Wahl des Republikaners Donald Trump entstanden. Unerwartet deshalb, niemand hatte dem „Rüpel“, der in der Wahl gelogen hatte dass sich die Balken bogen, eine Chance gegeben. Trump wurde von den Republikaner nicht favorisiert, was ihn jedoch nicht scherte, er setzte sich mit seinem eigenem Geld in Szene und gewann. Wesentlich ist jedoch die Wählerschaft die Trump gewählt hat. Es sind die Abgehängten, sozial vernachlässigten Gebiete die Trump wählten. Diese Gruppe war es Leid von der Washingtoner Elite immer wieder vertröstet zu werden und nicht wahrgenommen zu werden.
    Jetzt versucht Trump seine Wahlversprechen per Dekret umzusetzen, was aber letztendlich den Kongress, also die gewählten politischen Vertreter, auf den Plan rief. Sogar die Gerichte mussten Trump stoppen. Ob das langfristig eine Veränderung der USA Demokratie bedeutet, es herrscht Unsicherheit, die die Welt dazu bringt sich neu zu orientieren. Kontinuität sieht anders aus. Trump war ein Nichts auf dem politischem Radar der USA, wie konnte es zu einer derartigen Wahl kommen?

    Die französischen Präsidentschaftswahlen

    Kommen wir zu der französischen Präsidentschaftswahl. Der neue französische Präsident heißt Emmanuel Macron.
    Was war das für ein Bangen, als Marine le Pen vom „Front National“ (FN) mit 21,3 % in die Stichwahl kam und Emmanuel Macron mit seiner Bewegung „En marche !“ mit 24 % nur ein paar Prozentpunkte Vorsprung hatte. Letztendlich reichte es für Marcron, er gewann die Stichwahl mit 66,1 %.

    Mit der französischen Wahl konnte jedoch eines nicht mehr übersehen werden, was sich in Europa und anderswo schon lange abzeichnet.

    • ie klassischen Rechten und Linken lösten sich auf. Aber, und das war auch noch zu sehen, die etablierten Parteien, wie die Sozialdemokraten (Parti Socialiste) und die Konservativen (Les Républicains), verschwanden von der Bildfläche zugunsten einer ganz neuen Bewegung (!), der Bewegung „En Marche“ (Vorwärts) eines Emmanuel Macron. Selbst die der Nationalisten (Front National) einer Marine Le Pen, hängten die etablierten Parteien ab. Die Franzosen wollten etwas neues, nicht mehr die alten Gesichter.
    • Die französische Nation spaltete sich in Eliten und Abgehängte, die Vorstädte und die Innenstädte oder die ehemaligen heruntergekommenen Industriegebiete und die neuen Ökonomien. Hier sollten wir uns die neuen Stichworte Gentrifizierung und „Bobos“ (bourgeois und bohémien) zu Gemüte führen. Die Franzosen waren ja mit Griechenland (Syriza Partei), Spanien (Podemos Partei) oder auch durch das Wiedererstarken der österreichischen Nationalisten unter Strache gewarnt.
    • Die USA haben mit Trump einen nationalistischen und populistischen Präsidenten bekommen, der die Nation spaltet und spaltete. Was aber noch wichtiger ist, die egoistischen Einstellungen Trumps haben weltweite Auswirkungen. Verträge, wie das Klimaabkommen von Paris, werden von den USA jetzt in Frage gestellt und gekündigt.
    • Der neue französische Präsident Emmanuel Macron hat im Wahlkampf eines vorbildlich gezeigt, man muss nicht die Positionen der Nationalisten und Populisten einnehmen, um die Wähler für sich zu gewinnen. Macron wusste die Argumente von Marine le Pen als ein Gebilde von Halbwahrheiten und Lügen zu enttarnen und damit die Nationalisten und Populisten zu entzaubern. Er überzeugte.
    • Was die Franzosen auch gezeigt haben, die Wahlen können aus dem Nichts bestehend Mehrheiten kippen, was die Briten mit ihrer Wahl auch zeigten. May war sich ihrer Mehrheiten sicher, zu sicher aber ihr Widersacher Jeremy Corbyn kippte die Wahl und nahm Theresa May die Mehrheit ab.
    • Für die deutschen Bundestagswahlen sollte das als Mahnung gereichen, dass die Parteien auch hier sich nicht sicher sein können. Merkel für immer? Wer weiß.
    • Eine Anekdote am Rande der französischen Präsidentenwahl. Philippe Poutou Nouveau Parti anticapitaliste (NPA) ein aussichtsloser Bewerber der 11 angetretenen Bewerber machte Furore in dem er Marine le Pen und anderen in der Fernsehdiskussion mit allen Präsidentschafts-Anwärtern einmal richtig die Meinung sagte, so Poutou in einem späteren Interview. So was ist auch nur in Frankreich üblich. Immerhin holte Poutou mit 1,2 % der Stimmen den viertletzten Platz.

    Angela Merkel Foto: (c) LInde Arndt


    Was kann Deutschland daraus lernen?

    Es ist vorbei! Jahrelang haben sich SPD und CDU die Macht in deutschen Landen geteilt, jahrelang haben sie sich mit Sprüchen und gut anhörenden Worten über Wasser gehalten. Sie haben Vertrauen verspielt und ihre Glaubwürdigkeit steht nicht zum Besten. Politik hat sich ihre eigene Welt geschaffen, losgelöst von sämtlichen Realitäten, lebte sie in der Bonner Republik in einem „Raumschiff Bonn“ so finden wir die Politik heute in Berlin in einer Filterblase oder Echokammer wieder. Nur die Eliten dürfen in die „heiligen“ Büros von Abgeordneten oder Amtsträgern. Mehrfach geweihte dürfen sogar im Kanzleramt den privaten Geburtstag feiern. Man sollte jedoch nicht meinen, das wäre eine für Deutschland typische Beschreibung des politischen Systems. Weit gefehlt, die USA haben genauso mit diesem System fertig zu werden, wie andere Demokratien auf der Welt.
    Welche Konsequenzen hat das für Deutschland? Deutschland hat im September eine Bundestagswahl.
    Zuerst einmal sollten die etablierten Parteien nicht die Positionen der nationalistisch, populistischen AfD übernehmen. Denn Frankreich hat gezeigt, es gibt kein politisches ausgeprägtes rechts links Verständnis mehr. Rechts von uns darf es keine Partei mehr geben, wie es die CSU immer wieder formuliert, diese Devise ist damit obsolet. Deshalb gilt, die Halbwahrheiten und falschen Behauptungen der Populisten zu entlarven oder die Zusammenhänge aufzuzeigen die die gemachten Aussagen der Populisten, als das zu enttarnen, was sie sind – Unsinn oder schlimmer noch Lüge.
    Weiter sollten die etablierten Parteien sich an ihre Anfänge erinnern, als sie noch authentische Aussagen machten, als sie Perspektiven aufzeigten, Probleme erkannten und diese auch mit Lösungsansätzen versehen konnten. Sie sollten zeigen, dass sie in der Lage sind, die Generationserneuerung in der Politik positiv zu begleiten – neue, junge und unverbrauchte Gesichter in die Führungsetagen einzubringen. Auch Deutschland könnte einen oder mehrere „Elder Statesmen“ aufzeigen, es muss nicht immer ein 88-jähriger Jürgen Habermas sein.
    Emmanuel Macron hat aber noch eines gezeigt, er hat eine Erzählung, eine Strategie geliefert die den Franzosen eine Zukunft aufzeigen – sie (Erzählung) fängt mit Europa an und schließt Frankreich mit ein. Frankreich eine Führungsmacht mit Deutschland.
    Ein weiter so wird sowohl die Konservativen als auch die Sozialdemokraten in den Orkus der Geschichte befördern. Und bei diesem Spiel, „Weiter so“ wird es nur Verlierer geben.

    Ist Brüssel noch bei „Sinnen“?

    Mit der Öffentlichkeitsarbeit hat es die EU  nicht so. Oder wollen wir mal so sagen, Transparenz ist in Brüssel nur ein Wort. Wer etwas über die EU wissen will, muss sich schon selber bemühen.
    So kommt es, dass Spekulationen, Unterstellungen und Halbwahrheiten durch die Politik der 27(28) EU Staaten ins Kraut schießen. Jeder einigermaßen intelligente lokale bis nationale Politiker kann seine eigene Unfähigkeit unwidersprochen auf die Brüsseler Politik schieben.
    Wen wundert es, wenn die EU ein denkbar schlechtes Image hat? Wenn die meisten der 500 Millionen Europäer nicht wissen, wofür und für was eine EU eigentlich steht? Wer weiß schon, dass die Regierungschefs der 27 (28) EU Länder die Marschrichtung bestimmen respektive dominieren? Und die Regierungschefs sind nur an einer handzahmen Brüsseler EU interessiert und äußerst wachsam, wenn es darum geht, Kompetenzen an die EU abzugeben.
    So konnte man und kann man Blüten der Inkompetenz beobachten, die einem die Haare zu Berge stehen lassen. Die EU hat zwar einen gemeinsamen Wirtschafts- und Währungsraum, nur, wie konnte es da passieren das es ein Roaming im Mobilfunkbereich gab.
    Haben wir nun einen Wirtschaftsraum oder nicht? Und wieder waren es die Deutschen die hier eine „Extrawurst“ von Brüssel serviert bekamen. Erst dem energischen Einsatz der Kommissarinnen Viviane Reding und Neelie Kroes war es zu verdanken, dass die Roaminggebühren für 2017 ganz entfallen. Die Finanzkrise 2008 hatte die unfertige Währungsunion allen EU-Bürgern vor Augen geführt. EU Staaten hatten sich auf Geschäfte eingelassen, die die Staaten in Schwierigkeiten brachten. Griechenland konnte sich verschulden, ohne dementsprechende Sicherheiten zu besitzen. „Billige“ Arbeitsplätze aus den osteuropäischen Staaten konnten die heimischen Arbeitnehmer verdrängen. Speditionen machten in Ländern eine Firma auf die keine strengen technischen Vorschriften und „billige“ Fahrer haben. So leben die Fahrer in Europa auf der Straße, um irgendwo auf einem Parklatz für einen neuen Auftrag geordert zu werden. Ganz zu Schweigen von den Handwerkern, die per Entsendung preiswert ihre Dienste in den EU-Staaten anbieten können.
    Was sich in den letzten Jahren zeigte, es ist die EU der Eliten und weniger der europäischen Bürger. Überall politische Baustellen und keine Lösungen in Sicht.
    Die soziale EU, die die Arbeitnehmer schützen sollte, wurde noch nicht einmal angedacht. So konnte Deutschland jahrelang ohne Mindestlohn die Löhne niedrig halten.
    Reformen wurden immer mal lauter angemahnt, jedoch diese Anmahnungen vernahm man nur als Krächzen. Es musste ja kommen, die Populisten und Nationalisten wussten sich in Szene zu setzen. Österreich, Polen, Holland, Großbritannien und Frankreich stellten immer mehr signifikante Bevölkerungsteile an Europagegnern und Europaskeptikern ab und diese Gruppe ist nicht mehr zu übersehen und zu überhören.

    Donald Tusk – Präsident des Europäischen Rates
    Foto: (c) Linde Arndt

    Der ehemalige Kommissionspräsident José Barroso mit dem Ratspräsidenten Herman Van Rompuy hätten schon längst die ersten Reform-Schritte unternehmen müssen. Die folgende Spitze der EU, Kommissionpräsident Jean-Claude Juncker mit dem Ratspräsidenten Donald Tusk interessierten Reformen auch nur wenig.
    Transparent hätte man zumindest eine Skizze, eine Vision oder Schritte zu einem weiter entwickelten Europa unternehmen können. Der Brexit hätte als Zäsur verstanden werden können, die zu einem Neuanfang hätte führen können.
    US Präsident Trump ließ die europäische Elite wie Schüler aus der Grundschule dastehen in dem er sie abkanzelte und Investitionen in den militärischen Bereich verlangte. Alles Momente, die ein „weiter so“, verboten haben und förmlich nach Reformen schrien. Wer ist denn die EU? Eine starke Wirtschaftsmacht mit einem Bruttoinlandsprodukt (BIP) von rund 15 Mrd. Euro in 2016 oder eine Bananenrepublik? Ein bisschen Selbstbewusstsein könnte es schon sein. Die Nato ist obsolet, sagte der US Präsident Trump. Kein Problem, Europa hat seit Ende des zweiten Weltkrieges die europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG) als Blaupause in den Schreibtischen der Regierungen. Es gibt ansatzweise militärische Zusammenarbeiten, wie die Deutsch-Französische Brigade oder das Eurokorps, Europa kann also seine Verteidigung in die eigene Hand nehmen. Zumal Europa gem. dem Sipri Institut über 200 Milliarden Euro an Rüstungsausgaben tätigt. Zum Vergleich: Die „bösen“ Russen investieren unter 100 Milliarden in ihre Rüstung. Alles eine Frage von Effizienz. Auch sind die EU in der Lage ihre eigene Rüstung zu entwickeln und zu produzieren, wenn die Politik das nur wollte. Stattdessen spielt man mit einer wie auch immer gearteten Zusammenarbeit mit der Nato, die die EU über das Terrorismusproblem ködern will. Tatsächlich ist die Strategie der Nato hinsichtlich des Terrorismus in keinster Weise erfolgversprechend oder zielführend. Experten sind der Meinung, es müsse ein Mix von Prävention als langfristiges Mittel und Überwachung aufgebaut werden. Die ganze Bomberei bringt doch nur neue Terroristen, die inzwischen mit Messern und Vorschlaghämmern oder Lieferwagen die Toten produzieren, was letztendlich zu sozialen Unruhen führen könnte.
    Die Nato wird von den USA dominiert und die USA haben keine übereinstimmenden Interessen wie die EU. Die EU macht eine gute Miene zum bösen Spiel der USA. Und Brüssel ist nicht in der Lage den USA zu sagen, so geht es nicht mehr weiter. Was ist das denn für eine Freundschaft zu den USA, wo man den Freund nicht kritisieren mag.
    Die EU stellt noch einen nicht zu übersehenden Wirtschaftsblock dar, noch, und sie muss sich weiter entwickeln, um ihre Position in einer globalisierten Welt zu behaupten. Die Welt ist jedoch nicht nur unumkehrbar globalisiert, vielmehr entwickelt sie sich zu einer multipolaren Welt mit mehreren Blöcken in der die USA nicht mehr die restliche Welt dominiert. Die USA werden gleichberechtigt neben China, Russland, Indien eine Position einnehmen. Ob es der EU gelingt, gleichberechtigt in einem Kreis dieser Staaten zu bestehen, ist bei den derzeitigen Bestrebungen der einzelnen EU-Staaten ungewiss. Auch hier entwickelt die EU Führung keinen Ehrgeiz die Dinge so zu regeln, wie es für die EU prosperierend sein sollte.
    Man fragt sich schon, wofür es eine Führung mit Kommissionspräsident, Ratspräsident oder Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik gibt und welche Politik diese vertreten um die EU fit zu machen. Es erscheint alles so sinnlos für den einzelnen Europäer.

    Jürgen Gerhardt für european-mosaik und EN-Mosaik aus Brüssel.

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Dem griechischen Premierminister Tsipras wurde nichts geschenkt

 

Alexis Tsipras, Angela Merkel, Donald Tusk  Fotos und Fotocollage (c) Linde Arndt

Alexis Tsipras, Angela Merkel, Donald Tusk Fotos und Fotocollage (c) Linde Arndt

[jpg] Wenn man so will soll der Ratspräsident Donald Tusk die Verhandlungen gerettet haben. Als Bundeskanzlerin Angela Merkel, Premierminister Alexis Tsipras schon die Verhandlungen ergebnislos beenden wollten und auf dem Weg zur Tür waren, soll Ratspräsident Donald Tusk dazwischen gegangen sein und beiden verboten haben den Raum zu verlassen. Ratspräsident Donald Tusk wollte die Einigung hier und jetzt. Denn es waren weitreichende Schritte die Griechenland schon zugesagt hatte um diesen „Grexit“ zu verhindern. Der Vorschlag von dem deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble, Griechenland temporär für bis zu 5 Jahren austreten zu lassen, ging vielen der Teilnehmern zu weit. Die Deutschen wollten ihre Rache so wurde  aus dem Kreis der Verhandlungsführer kolportiert. So wurde der deutsche Finanzminister auch immer wieder mal  wegen der wahrgenommenen Blockadehaltung des Finanzministers von den Sitzungsteilnehmern angegangen.
Nebenbei bemerkt, hat Deutschland bisher keinen einzigen Cent an die Griechen gezahlt, im Gegenteil hat Deutschland in dreistelliger Millionenhöhe sogar am Elend der Griechen verdient. Bigotterie soll den deutschen Teilnehmern vorgeworfen worden sein. Schäuble soll sich sogar gegen die seiner Meinung nach vorhandene Bevormundung gegenüber seiner Person beschwert haben. Die meisten Teilnehmer sollen die beiden maßgeblichen Sitzungen jedoch positiv angegangen haben. Für sie gab es nur ein Ziel, den Austritt Griechenlands zu verhindern. Nach 17 Stunden um 9:00 h war es denn auch so weit, dass alle Beteiligten die Einigung auf den anberaumten Pressekonferenzen mitteilen konnten.

Wie gesagt, es ist nur eine Einigung, damit ist der „Grexit“ nur noch ein drohender Schatten, der aber jederzeit wieder ins Licht gestellt werden könnte.

Heute, am 13. Juli 2015, werden die Euro-Finanzminister wieder zusammentreten um eine Brückenfinanzierung für Griechenland von 25 Mrd. Euro auf den Weg zu bringen. Die Banken weiter geschlossen zu haben, würde noch größeren wirtschaftlichen Schaden in Griechenland anrichten. Es ist der erste Schritt von einer Reihe der sogenannten „prior acts“ die ausgehandelt wurden. Diese „prior acts“ sind in der Abfolge so gehalten, dass eine Vertrauensbasis wieder hergestellt werden wird.

Bis Mittwoch wird das griechische Parlament die Einigung grundsätzlich beschließen müssen und die ersten Gesetze auf den Weg bringen müssen. Im weiteren Verlauf muss Griechenland einen Fond anlegen in den die Erlöse aus den Privatisierungen überwiesen werden. Die Privatisierungen sollen nicht sofort erfolgen, sondern in einem Zeitraum in der es wirtschaftlich Sinn macht den Verkauf von Staatseigentum ins Auge zu fassen. 50% aus diesem Fond soll der Schuldentilgung zugeführt werden, der Rest soll für Investionen in die griechischen Wirtschaft fließen. Die Verwaltung des Fonds, und das war wichtig, wird bei Griechenland liegen.
Einen Schuldenschnitt (Haircut) wird es nicht geben, es wird aber eine Umstrukturierung der Schulden vorgenommen werden.
Der IWF ist weiter beratende Instanz oder auch als Geldgeber dabei, hier werden noch Gespräche geführt werden müssen.

Der Finanzbedarf für Griechenland wird auf über 80 Mrd.Euro geschätzt über den aber erst gesprochen wird nachdem am Mittwoch dem 15. Juli das griechische Parlament das sogenannte „Front loading“, also die ersten Schritte beschlossen hat.

Die Verhandlungen unter den Teilnehmern, so wohl der Finanzminister als auch der Regierungschefs fanden unter einer Stimmung statt, die vereinzelt als brutal oder rüde bezeichnet wurde. Ein Verhandlungsteilnehmer sagte sogar, Alexis Tsipras hat man gekreuzigt.

Nun warten alle gespannt auf den ersten Schritt den die Griechen am Mittwoch gehen müssen. Dies ist nicht so selbstverständlich, denn die linken Griechen in ihrer Mehrheit sehen diese Verhandlungsergebnisse als Demütigung. Das Thema Griechenland und die Krise wird uns sicher noch eine geraume Zeit erhalten bleiben.

 

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik und european-mosaic

Schuldig, schuldig, schuldig der fahrlässigen Tötung

[jpg] Als die EU zum ersten mal von dem Untergang der Flüchtlinge im Mittelmeer erfuhr, hätte sie direkt handeln müssen. Stattdessen bekam die Öffentlichkeit nur weich gespülte Sprachhülsen um die „Ohren“ geschlagen. Und das geht jetzt schon monatelang, inzwischen haben wir geschätzte 2.000 Tote im Mittelmeer gezählt. Und die EU? Sie hat ihre Frontex Operation Trident vor der italienischen Küste des Mittelmeers. Die Leitmedien hatten die Ukraine und Griechenland auf dem Radar. Da waren ein paar ertrunkene Afrikaner mehr oder weniger nicht so wichtig. Und dann kam am Sonntag, dem 19. April 2015 die Katastrophe mit 700 bis 900 ertrunkenen Afrikanern, die vor den Augen der Besatzung des Containerschiffes “King Jacob” ertranken. Über Twitter gingen die Bilder mit den Nachrichten um die ganze Welt. Der Papst und der Generalsekretär der Vereinten Nationen Ban Ki-moon meldeten sich zu Wort und erinnerten die EU an ihre Verantwortung. Und diesmal hielten die westlichen Leitmedien nicht still oder schrieben den Vorfall runter.

Die EU konnte sich jetzt nicht mehr wegducken um die Verantwortung auf andere abzuwälzen. Schnell rief der Präsident des Europäischen Rates, Donald Tusk,  einen Sondergipfel der Regierungschefs zum 23. April 2015 nach Brüssel. Das war schnell, sehr schnell für eine Ratssitzung der Regierungschefs der EU. Nachher wird sich herausstellen, es war nur Aktionismus.

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(c) Guardia Costiera

 


Und der 23. April kam, ein Donnerstag, Bundeskanzlerin Angela Merkel traf um 14:00 Uhr ein und gab nach 7 Stunden um 21:20 Uhr ihre abschließende Pressekonferenz. Kein Wort der Trauer, so wie das eben bei den terroristischen Aktivitäten immer der Fall ist.  Immerhin gab es Tote und Verletzte und das in tausendfacher Höhe.

Die Entscheidungen der EU waren: Die Kosten der Frontex Mission „Triton“ sollen verdreifacht werden. Der Auftrag, den die Grenzschutztruppe der Frontex durch den Rat bekommen hatte, wird jedoch nicht geändert. Also weiterhin Grenzsicherung und nur im Wege des Internationalen Seerechts sollte Seenotrettung betrieben werden. Später setzt Ratspräsident Donald Tusk in seiner Pressekonferenz eins drauf, indem er anmerkte „Triton“ würde nur bei Aufforderung die Seenotrettung nach internationalem Recht betreiben. Deutsche und englische Kriegsschiffe werden im Mittelmeer kreuzen um der Grenzschutzmission hilfreich zur Seite zu stehen. Die italienische Mission „Mare Nostrum“ will man allerdings nicht mehr. Die aufgenommenen Flüchtlinge werden bei den Mittelmeer Küstenstaaten an Land verbracht, dort sollen sie gemäß den Dublin Verträgen „erkennungsdienstlich“ (Fingerabdrücke, Fotografien) behandelt um sodann in Lager verbracht zu werden, bis ihr Aufenthaltsstatus geklärt ist. Die Dublin Verträge sollen nicht geändert werden und die Anliegerstaaten des Mittelmeeres sollen keine Unterstützung für den Aufwand bekommen.

Schuldzuweisungen

Was folgte, ist eine mehr oder weniger offene Schuldzuweisung an die Schlepper, an die Heimatstaaten und an die Flüchtlinge selber. Authentisches Mitleid der EU konnte man getrost vergessen. Die EU hatte einen Scheck ausgestellt, hatte gegen alle Gruppen um die Flüchtlinge gedroht und gut war es. Im Juni 2015, zum 25. und 26., wird man das Thema nochmals behandeln. Angela Merkel: Am Geld soll es nicht liegen, bei Bedarf legen wir noch was drauf.

Peinlich und schlimm wurde es mit einem Satz des Ratspräsidenten Donald Tusk den dieser Eingangs der nachfolgenden Pressekonferenz von sich gab: „Europa hat diese Tragödie nicht verursacht“, so der Ratspräsident. Für viele der Kollegen war das eine Frechheit und Zynismus pur. Denn Europa hat diese Katastrophe verursacht. Hat der Ratspräsident die Kolonialzeit vergessen, die bis heute die afrikanischen Staaten belastet?

Neuere europäisch/afrikanische Geschichte

Lassen wir einmal ein bisschen die Geschichtsbücher des afrikanischen Kontinents aufschlagen um zu sehen wie es zu dieser Tragödie nur kommen konnte.

Es dürfte zur Allgemeinbildung eines jeden Europäers und US Amerikaners gehören, dass Afrika durch die europäischen Staaten und die USA wirtschaftlich ausgebeutet wurde und immer noch wird. Lassen wir den schwunghaften und gewinnbringenden Sklavenhandel einmal sein, der etwas zu weit zurück liegt. Und betrachten wir stellvertretend die Entwicklung von belgisch Kongo.

Als die belgische Regierung 1960 ihre ehemalige Kolonie Kongo ( Heute Demokratische Republik Kongo) in die Unabhängigkeit entließ, war diese Republik, trotz eines immensen Reichtums an Bodenschätzen, nicht oder kaum lebensfähig. Die Belgier hatten zwar gutes Geld mit Kupfer, Uran, Gold, Eisen und anderen Mineralien gemacht, hatten aber nichts in eine ordentliche Bildung, Staatswesen oder Gesundheitssystem investiert. Die Folge waren Unruhen als die Belgier abzogen. Ein junger Mann Mitte 30 trat mit einigen Mitstreitern auf die politische Bühne und verlangte einen Ausgleich von der belgischen Regierung. Patrice Émery Lumumba, so hieß der junge Mann, wurde nach der ersten demokratischen kongolesischen Wahl der erste Premierminister des Kongo (Kongo-Léopoldville). Auf einem feierlichem Festakt der mit dem belgischen  König Baudouin I und vielen internationalen Honorationen begangen wurde, musste König Baudouin I unbedingt die angeblichen Errungenschaften der belgischen Regierung vor den gesamten Gästen erwähnen.

In seiner Erwiderungsrede widersprach Premierminister Patrice Émery Lumumba dem belgischen König, mit folgenden Worten:

[…] erniedrigender Sklaverei, die uns mit Gewalt auferlegt wurde. […] Wir haben zermürbende Arbeit kennengelernt und mussten sie für einen Lohn erbringen, der es uns nicht gestattete, den Hunger zu vertreiben, uns zu kleiden oder in anständigen Verhältnissen zu wohnen oder unsere Kinder als geliebte Wesen großzuziehen. […] Wir kennen Spott, Beleidigungen, Schläge, die morgens, mittags und nachts unablässig ausgeteilt wurden, weil wir Neger waren. […] Wir haben erlebt, wie unser Land im Namen von angeblich rechtmäßigen Gesetzen aufgeteilt wurde, die tatsächlich nur besagen, dass das Recht mit dem Stärkeren ist. […] Wir werden die Massaker nicht vergessen, in denen so viele umgekommen sind, und ebenso wenig die Zellen, in die jene geworfen wurden, die sich einem Regime der Unterdrückung und Ausbeutung nicht unterwerfen wollten.“ (Quelle: „Der gewaltsame Tod von Patrice Lumumba“ Von Bill Vann)

Starke Worte des jungen Premierministers. König Baudouin I, wollte abreisen, seine Begleiter rieten ihm jedoch ab. Ein Jahr später war der junge Lumumba tot, er wurde gefoltert, erschossen und sein Körper mit Bleisäure aufgelöst, der Rest der wurde verbrannt. Später wird herauskommen, dass die CIA mit dem belgischen Königshaus und dem britischen Geheimdienst den Mord an Lumumba betrieb. Man hatte Angst die Rohstoffe nicht mehr zu bekommen, da man davon ausging, dass Lumumba ein Kommunist war. Der Sohn von Lumumba wird später Klage gegen zehn Belgier wegen Mordes in Belgien einreichen. Ein Untersuchungsausschuss in Belgien wird die Verwicklungen Belgiens mit dem Mord an Lumumba feststellen.

Bis heute hat Belgien mit anderen westlichen Staaten noch einen Fuß im Land um seine Rohstoffversorgungssicherheit zu gewährleisten. Bis heute ist die demokratische Republik Kongo militärischen Unruhen ausgesetzt. Und bis heute gehört der Kongo zu den ärmsten Ländern der Welt und steht im Armutsranking auf dem vorletzten Platz.

Durch die immerwährenden Kriege und gewaltsamen Auseinandersetzungen konnte keine wirtschaftliche Entwicklung registriert werden. Das BIP pro Kopf beträgt in der demokratischen Republik Kongo rund 650,– Dollar (Stand: 2013, Quelle: IWF), zum Vergleich. Dass BIP von Deutschland beträgt rund 40.000,– Dollar (Stand: 2013, Quelle: IWF).

Das in solch einem Land für die Menschen keine Perspektiven vorhanden sind ist selbstredend. Nur, wer ist an solch einem Elend Schuld? Die Kongolesen selber? Nein, sie hatten ja nie eine Chance gehabt aus dem natürlichen Reichtum ihres Landes Profit zu ziehen, wenn von außen die Destabilisierung des Landes betrieben wird, wie jetzt im Osten des Landes.

Nun, der Kongo ist nicht der einzige Staat der noch heute vom Westen gesteuert wird, nehmen wir Somalia, Nigeria, Kenia, Eritrea, Elfenbeinküste (Republik Côte d’Ivoire) oder Uganda. In der Regel alles Staaten in denen Politiker regieren die vom Westen gesteuert werden. Auch die destabilisierten Länder im Norden des afrikanischen Kontinents, sie alle können ihren Bewohnern keine Perspektiven mehr bieten. Die Losung lautet also: Verhunger (neuerdings verdurste) oder versuch dein Glück im Westen. Das diese Menschen nie eine Chance haben zu leben, i.S. von etwas zu essen, ein Dach über den Kopf oder Bekleidung zu haben, ist offensichtlich.

In den Dörfern wird für ein oder zwei Bewohner gesammelt, damit diese im Westen etwas verdienen und davon etwas dem Dorf zu gute kommen lassen können.

Ratspräsident Donald Tusk weiß entweder nichts von diesem Elend oder steckt bewusst den Kopf in den Sand. In beiden Fällen scheint er für dieses Problem überfordert zu sein.

Was sollte die EU als Sofortmaßnahme tun?

Die erste Entscheidung sollte sein, die italienische Operation „Mare Nostrum“ wieder einzusetzen. Denn die Italiener haben die Erfahrungen gemacht, mit der sich die Operation „Mare Nostrum“ noch verbessern könnte. Sie fuhren zumindest die Schifffahrtsrouten im Mittelmeer ab, während die Frontex nur 30 Kilometer vor der Küste Italiens patrolliert. Die Flüchtlinge mit ihren Schleppern steuern doch grundsätzlich die Schifffahrtsrouten an, wegen der größeren Chance von einem Handelsschiff aufgenommen zu werden.

Parallel sollten die Aufenthaltsbedingungen für Flüchtlinge für die Mittelmeerstaaten ausgebaut und verbessert werden. Die subventionierten Nahrungsmittel Exporte der EU sollten unterbunden werden. Stattdessen sollte in den afrikanischen Staaten mit den Afrikanern eine funktionierende Landwirtschaft aufgebaut werden. Das Bildungs- und Gesundheitssystem der afrikanischen Staaten sollte reformiert und den dortigen Möglichkeiten angepasst werden. Es ist so viel zu tun, es wird nicht so viel kosten um den Menschen in ihrem Heimatland eine Perspektive zu bieten.

Es hat sich alles verändert, es gibt neue News.

Was müssen die europäischen Regierungschefs aufgeatmet haben, als in Nepal ein schweres Erdbeben mit der Stärke 8 viele Dörfer und Teile der Hauptstadt Kathmandu in Schutt und Asche legten.

Es darf wieder im Mittelmeer gestorben werden, unbemerkt und namenlos. Und morgen wird der Ukrainekrieg und die Finanzkrise in Griechenland von dem Sterben im Mittelmeer ablenken.

Und warum? Nur weil die EU, die ja angeblich eine Wertegemeinschaft sein soll, keine Entscheidung für den Menschen, den Fremden, treffen will. Die EU hat Zeit gewonnen, mehr nicht. Denn an der Nordküste des afrikanischen Kontinents stehen heute schon 1 Millionen Menschen, bereit das nächste Schiff zu nehmen und sich auf den Weg zu machen. Was haben sie schon zu verlieren? Nur ihr Leben. Wen kümmert es?  Die EU?  Wohl kaum.

Jürgen Gerhardt aus Brüssel für european-mosaic  und en-mosaik