Die Handlung bestimmt unser Tun – Eigendynamiken
[jpg] „Communitas“ heißt die neue Austellung des Folkwang Museums in Essen. Im Mittelpunkt steht Aernout Mik (1962, Groningen in den Niederlanden ), dessen Ausstellung von drei Kunstinstitutionen gemeinsam organisiert wird: dem Jeu de Paume in Paris, dem Museum Folkwang in Essen und dem Stedelijk Museum in Amsterdam. Drei Kuratorinnen: Leontine Coelwij, Marta Gili und Sabine Maria Schmidt haben 2 Jahre an diesem Projekt gearbeitet.
Die Ausstellung zeigt Arbeiten von 1998 bis heute und wird unter dem Titel „Communitas“ geführt. „Communitas“ wurde aus den Schriften Victor Turner [(1920 -1983) „The Ritual Process: Structure and Anti-Structure“] entnommen. Turner verwendet ihn um einen Prozess des gesellschaftlichen Wandels zu bezeichnen, bei dem alle Mitglieder einer Gruppe temporär gleich sind: Bei einer Katastrophe, bei der Abfertigung am Flughafen oder beim Grenzübergang im Niemandsland.
Miks Arbeiten zeigen ein gleiten in feste Gruppenverbände die sich aber in einem Moment auflösen und zu einer Gesamtstruktur vereinen. Die sozialen Grenzen werden überwunden und gleiten in eine Gesamtsozialisation hinüber. Wesentlich sind auch die die emotionalen Ausbrüche die durch die neue spontane Situation provoziert werden.
Die Videoinstallationen gehen von einkanalig bis achtkanalig. Man erschrickt förmlich wenn man die Handlungen erkennt die man selber schon evtl. durchlebt hat und sich seiner erlebten Hilflosigkeit erinnert. Der Mensch als selbstbestimmendes Wesen wird hier zu einer Herde dessen Ziel als diffuses Drängen wahr genommen wird. Er (Der Mensch) entwickelt Handlungen nach dem „Try and Error“ Prinzip – ein Vorwärtskommen fast unmöglich. Die Liminalität des Menschen in diesem Zustand ist beängstigend. In einem anderen Fall beschreibt er mit einer dreikanaligen Videoinstallation eine Gerichtsverhandlung gegen den italienischen Ministerpräsident Silvio Berlusconi. Da wird das Ritual einer Gerichtsverhandlung geradezu inszeniert. Richter, Ankläger, Verteidiger aber auch Zuschauer befinden sich Eingangs in ihren fest zugewiesenen sozialen Gruppen. Das Ritual der Gerichtsverhandlung wechselt in eine Inszenierung einer Marketingveranstaltung in der alle Beteiligten zu einem Produkt Berlusconi mutieren, so dies seine neue Arbeit „Shifting Sitting“ Schlussendlich wird der Zuschauer zum Angeklagten der von Berlusconi verteidigt wird. Eindringlich zeigt Mik den Zustand der Demokratie in der die Justiz, die Politik und das Volk in eine soziale Gruppe übergehen in der jeder alles sein kann, wo aber die Machtstrukturen nicht mehr sichtbar sind. Berlusconi obsiegt indem wir alle zu Berlusconis werden.
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Der Spiegel den uns Mik vorhält kann uns nicht gefallen, sehen wir uns doch wie wir unsere Ideale für ein bisschen Konsum verraten. Die Maßlosigkeit und Rastlosigkeit unseres Tuns auf Kosten Anderer münden letztendlich in dem Zerfall der Gesellschaft. Mik geht aber nicht nur mit der moralischen Keule einher um den Untergang zu zeigen, vielmehr erkennt man den Ruf „Muss-das-sein“ der einen sehr nachdenklich macht. Die Installationen sind hochaktuell. Zeigt sich doch heute gerade die Hilflosigkeit des Staates gegenüber dem Finanzsektor. Zeigt sich mit der „Occupy“ Bewegung der Einzelne wieder als Mensch mit der Sehnsucht nach einer Persönlichkeit der sich schon in der sozialen Gruppe Masse untergegangen sah. Diese beiden aktuellen Vorfälle zeigt ein fragiles Individuum welches den Neubeginn reklamiert. Und so sind die Arbeiten Miks auch als Arbeiten zu verstehen die den Zustand unserer Demokratien untersuchen. Allerdings mit einem recht nachdenklich machenden Ergebnis.
Vom 29. Oktober 2011 – 29. Januar 2012 findet die Ausstellung zu den hier zu erfahrenen Informationen statt.
Die Ausstellung wird von einem umfangreichen Katalog mit zahlreichen Abbildungen und monografischen Texten zum Preise von 32,– Euro begleitet. Unterstützt wird diese Ausstellung vom Niederländischen Filmfonds, der Niederländischen Siftung für visuelle Kunst, Design und Architektur, der European Cultural Foundation und der Niederländischen Botschaft, Berlin.
Zur Ausstellung findet ein umfangreiches Begleitprogramm statt. In Vorbereitung ist u.a. das eintägige Symposium „Communitas, Commune, Communismus“ in Kooperation mit dem Kulturwissenschaftlichen Institut, Essen, am 24. Januar 2012 ( näheres ab Januar 2012 auf www.museum-folkwang.de )
Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Essen
Alle Fotos © Linde Arndt
Ob die Wirtschaftskrise ein Ende findet, das weiß niemand so genau. Der nächste Wackelkandidat ist Italien und der Regierungschef gießt noch Öl ins Feuer. „Es gibt einen Angriff auf den Euro, der als Währung niemanden überzeugt hat, weil er nicht die Währung eines Landes ist, sondern von vielen“, sagte Berlusconi laut „Corriere della Sera“. Verdient Italien so einen Regierungschef. Verdient Europa so einen Partner. Ich glaube nicht. Solange die Eurozone nicht solche Länder ausschließen kann, besteht immer Gefahr, dass solche Länder den Euro in den Abgrund reißen.