Aus der Vergangenheit in die Zukunft die Gegenwart bewegen

[jpg] "Ruhrblicke" heißt die Fotoausstellung der Sparkassenfinanzgruppe im Sanaa Gebäude auf der Zeche Zollverein. Heinrich Haasis, Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes  trug vor, dass die Sparkassenfinanzgruppe schon immer im Ruhrgebiet vor Ort ein starker Partner im Bereich der Kultur war und ist.

So haben die Sparkassen sich in 2008  mit 140 Millionen Euro und 2009 mit 160 Millionen Euro an kulturellen Ereignissen beteiligt. Wichtig war es der Sparkassenfinanzgruppe sich im Rahmen des Kulturhauptstadtjahres Ruhr 2010  mit einem eigenen Projekt einzubringen. Schwerpunkt sollte die Fotografie sein, wobei sie  als Kurator Professor Thomas Weski mit der Ausstellung "Ruhrblicke" gewonnen hatten.
                         
Dr. Rolf Gerlach, Präsident des Westfälisch-Lippische Sparkassen- und Giroverband,  hob die 32 Sparkassen in der Region Ruhrgebiet hervor. Wobei das kulturelle Engagement der Sparkassen den Wandel befördern soll. Fotografie als Gedächtnis, welches die Region darstellen soll, so hatte man sich das gedacht. Wobei nicht unerwähnt bleiben soll, dass sich bis jetzt 400 Führungen für diese Ausstellungen eingebucht haben.

Michael Breuer, Präsident des Rheinischen Sparkassen- und Giroverbandes meinte, es ist schon etwas Spannendes im Sanaa Gebäude eine Ausstellung zu organisieren, wobei dieses Gebäude selber ein Kunstobjekt ist. Es war die Folkwang Uni, die hier hilfreich bei der Organisation zur Seite stand. Nach dieser Ausstellung werden diese Exponate an sieben weiteren Orten zu sehen sein. Dr. Pleitgen wusste, dass durch die Dynamik des Kulturhauptstadtjahres 650 weiter Projekte gemeldet wurden.
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Professor Thomas Weski berichtete über die 11 Künstler, die ortskundig eine eigene Sicht der Region erarbeitet haben. 90% der Bilder sind zum ersten mal zu sehen. Die Bilder stellen allesamt Fragen und animieren den Betrachter Antworten zu geben. Wobei die Bereiche der Fotografen nicht konkurrieren werden, es ist quasi eine eigene Erkundung des Künstlers in der Region. Professor Dr. Norbert Lammers, Präsident des Deutschen Bundestages, hob die Besonderheit der Region hervor, die immer schon als eigenständige urwüchsige Region wahrgenommen wurde. Diese Region mit ihren starken Menschen strebt mit aller Kraft den Wandel an und zeigt mit welcher Kraft der Wandel gestaltet werden  wird.

 
Bergmann im Streb © Fotoarchiv Ruhr Museum   Vor der Kohle © Museum Ludwig, Köln, Fotosammlung

Es sind diese beiden Typen die ich stellvertretend für alle Menschen aus dem Ruhrgebiet aus den 50er Jahren ausgesucht habe. Ob Bergmann, Stahlkocher, sie waren die Menschen die NRW den Reichtum beschert haben, wovon wir heute noch leben. Sie haben das urbane Leben in der Region geprägt. Der Habitus dieser Menschen ist unverwechselbar. Sie sind nicht schön  im allgemeinen Sinne, sondern eher plump,  bieder aber direkt. Auch die Unterscheidung in Nationalitäten greifen nicht. Ob Pole, Türke oder auch Deutscher, sie allein hatten und haben etwas Gemeinsames – die "Maloche". Das aufeinander angewiesen sein prägte sie. Das galt für die Arbeit, aber auch für die Freizeit. Sportvereine, wie Schalke 04 oder der BVB Dortmund, sind mit dieser Einstellung entstanden. Noch heute haben diese Vereine den größten Zulauf. Wenn es dem Verein mal nicht so gut geht, geht man nicht direkt laufen, man hält und steht zusammen. Ja, man teilt Freud´ und Leid. Sie sind heute Legende und doch nicht mehr wegzudenken. Für den Rest der Republik war dieser urwüchsige Menschenschlag nicht fassba, ja löste sogar ein Naserümpfen aus.

Dieses Gebiet, diese Region, das Ruhrgebiet sollten die 11 Fotografen erkunden, sichtbar und fassbar machen, ungeschminkt und real. Seine durch ihn geprägte Umwelt, die noch steht und doch in vielen Arealen schon zerfällt.

  • Bernd & Hilla Becher
  • Laurens Berges
  • Joachim Brohm
  • Andreas Gursky
  • Jitka Hanzlova´
  • Candida Höfer
  • Matthias Koch
  • Elisabeth Neudörfl
  • Jörg Sasse
  • Thomas Struth

Bernd und Hilla Becher sind seit den 60er Jahren im Ruhrgebiet tätig. Die von ihnen gemachten Aufnahmen, ausnahmslos architektonische Bauten der Industrie, werden mit anderen Regionen vergleichbar gemacht. Im Vergleich zeigen sich die unterschiedlichen Sprachen in den von ihnen fotografierten und verglichenen Bauten. Es sind nicht nur funktionale Bauten für sie, vielmehr verstehen sie Bauten als Skulpturen. Im Kontext zu den ihnen umgebenen Landschaften entstehen so Gesamtbilder, die von ihnen als Gesamtkunstwerk ausgewiesen werden.

Laurens Berges zeigt den stetigen Verfall der einmal sicherlich bewohnten Bauten. Wie mit einem Skalpell geht er in die Bauten und legt das frei, woraus man in der Betrachtung das Ehemalige erahnen kann. Die Tristesse der Viertel und Bauten spürt man körperlich. Man möchte gestalten, eingreifen um ihnen, den Objekten, ein pulsierendes Leben einzuhauchen.

Joachim Brohm widmet sich den urbanen Landschaften der Region, sucht Spuren der nicht mehr vorhandenen Bewohner. Setzt die gefundenen Spuren mit der Natur in den verschiedenen Jahreszeiten im Kontext. Der Eindruck entsteht, es ist noch nicht vorbei, es wird weitergehen, die Region atmet nur durch um sodann sich zu regenerieren.

Hans-Peter Feldmann
  macht Stellvertreter Fotografien indem er Bürgermeister der Region sich ihr eigenes Umfeld auswählen lässt und sie dort fotografiert. Der Stolz dieser Menschen, alles Amtsträger, zeigt sich in den Fotos. Stolz für das schon Erreichte, Stolz auf das Vergangene, Stolz auf das noch zu Gestaltende. Sie, die Amtsträger, die eine Vorbildfunktion haben sollen, sind sich ihrer Rollen auch bewusst und tragen diese auch mit Würde.

Andreas Gursky stellt in seinen Werken das uniforme der Menschen dar, er malt mit seinen Bildern, welche natürlich Fotos sind, Gemälde von einer tiefen Poesie. Durch diese Fotos wird eindringlich und liebevoll das Sehnen des Dazugehörens dokumentiert. Uniform soll aber nicht bedeuten, alles gleich, vielmehr sind doch marginale Unterschiede zu erkennen.

Jitka Hanzlová erkennt das ursprüngliche und starke in der Landschaft und der darin wohnenden Menschen. Sie, die Menschen, prägten und prägen diese Landschaft Mit ihnen entstand und entsteht Starkes aber auch Eigentümliches. Ein rauhes Umfeld, welches ambivalente Personen birgt. Man mag es ihnen nicht zutrauen und doch sind sie es die Gestaltung ihrer Umwelt erreicht haben.

Candida Höfer zeigt uns Bauten die etwas anscheinend Sakrales haben, doch es sind die ehemaligen Industriegebäude, die einer neuen Nutzung zugeführt wurden. Die Gegensätze der Klassen mit ihren Bauten werden von ihr thematisiert. Die Frage stellt sich, ob der ehemalige Industriebau oder der Prunkbau den größeren Wert besitzt. Es ist eine subtile Ästhetik in den Fotografien zu erkennen, die zu weiterem Denken anregt.

Mathias Koch zeigt in seinen Fotografien die Landschaften, die einen Rest der industriellen Zeit zeigen. Die riesigen Areale der ehemaligen Industrielandschaften sind bis auf die Grundmauern abgewickelt. Sie zeigen aber auch den zaghaften Wandel hin zu einer wieder natürlichen Landschaft. Es soll jedoch nicht ganz die ehemalige Nutzung vergessen sein, zumindest Andeutungsweise soll das Vergangene erhalten bleiben.

Elisabeth Neudörfl
zeigt mit ihren Fotografien die Wohnbauten und deren Umfeld der Region. Reine funktionale Wohnbauten ohne Schnick Schnack in dem die Enge der in die Landschaft gestellten Bauten, der Enge der Arbeitsplätze entspricht. Wuchernde Sträucher und Bäume, welche die Wohnhäuser einrahmen, verstärken das Gefühl der Enge. Durchbrochen wird diese Enge durch das Licht, welches eine gewisse Hoffnung aufkommen lässt.

Jörg Sasse zeigt eine Vielfalt der Region, er sieht sie ganz am Horizont mit all ihren Merkmalen. Er verlässt seine Position um die Reichhaltigkeit einzugrenzen um sie überschaubarer zu machen. Die heile Welt ist in einem größeren Ausschnitt nicht mehr heile Welt, sondern nur noch Teil eines viel größeren von der Wirtschaft diktierten Bildes. Heimatgefühle könnten erwachen, jedoch die Idylle ist im Wandel. Und der Wandel noch nicht abgeschlossen.

Thomas Struth zeigt den menschlichen Schaffensdrang in der Konstruktion seiner Industriewerke. Wie Raumschiffe zeigen sie einen Anlagenbau mit einer eigenen Ästhetik.  Leitungen und Rohre als Straßen die Rohstoffe transportieren. Behälter die mit Fantasie den Wohnsilos gleichen, aber doch nur Silos von Rohstoffen sind. Da wird die Oxygen Zufuhr eines Stahlkoches schon mit einem simulierten Sonnenaufgang gleichgesetzt. Die städtebauliche Architektur des Menschen ist gleich der Architektur seiner Produktionsanlagen, so meint man aus seinen Bildern zu sehen.
 
Alle 11 Künstler zeigen die Facetten des Ruhrgebietes und doch können sie nicht das Ganze des Ruhrgebietes zeigen. Es wäre ein Unterfangen welches immer unvollkommen sein würde.
     
Und doch ist bei allen gemeinsam der Aufbruch in ihren Werken zu sehen. Der Anfang ist gemacht, hier wurde er dokumentiert. Dem Betrachter bleibt es überlassen, wohin die Reise geht. Die richtigen Fragen sind gestellt, die Antworten müssen noch erfolgen. Die Geschichte wird diese Antwort sicher übermitteln. "Kultur durch Wandel, Wandel durch Kultur", so das Credo der Kulturhauptstadt. Dies setzt eine besondere Art von Menschen voraus, die unverwechselbar den Zwang des Wandels begreifen und letztendlich zusammen gestalten. Diesen Typus Mensch hat das Ruhrgebiet, hart und weich, zart und grob, zupackend und loslassend. Dieser Typus fragt oder redet nicht lange drum herum, er packt eher an um alles zu einem guten Ende zu bringen. Dieser Typus kann nicht widersprüchlicher sein, er weint bitterlich wenn sein Fußballverein einmal verliert, er ist aber stolz und glücklich über das von ihm einmal Erreichte. Die schnörkellose Art wirkt manchmal abstoßend, ist aber nicht anderes als eine direkte Art etwas auf den Punkt zu bringen. Seine Arbeit hat ihm eine Konditionierung aufgezwungen, die ihm in kritischen Arbeitssituationen das Überleben sicherte. Warum sollte  er anders sein?

Zum Schluß noch zu dem Ausstellungsgebäude, dem Sanaa Gebäude. Es ist in jeder Hinsicht ein außergewöhnliches Haus. Außergewöhnlich deshalb, weil die Räume des Drinnens und Draußens irgendwie aufgehoben sind. Im Raum stehend hat man das Gefühl doch draußen zu sein. Die Anordnung der Fenster die alle in ihrer Größe unterschiedlich sind vermitteln ein Gefühl des Unfertigen. Die Geschoßhöhen die auch teilweise dramatisch variieren haben einesteils etwas Erhabenes und andererseits etwas wohnliches,  gemütliches.

Das Wesentliche ist jedoch eindeutig durch die Nutzung durch den Menschen zu erkennen. Betritt der Mensch einen Raum, so erfährt der Raum eine Wandlung – es ist komplett.

Info:

Ausstellungsort
SANAA-Gebäude
UNESCO-Welterbe Zollverein
Gelsenkirchener Straße 209 (Ecke Bullmannaue)
45309 Essen

Öffnungszeiten
24. April bis 24. Oktober 2010
Täglich von 10:00 bis 19:00 Uhr

Eintrittspreise
Erwachsene 4,50 Euro,
ermäßigt 2,00 Euro (Kinder und Jugendliche von 6 bis 18 Jahren, Schüler und Studierende, Menschen mit Behinderung ab 70%, Wehr- und Zivildienstleistende, Menschen mit Sozialhilfebezug),
Gruppen ab 10 Personen: je 4,00 Euro, Schüler- und Studentengruppen im Zusammenhang mit einer Führung: 1,00 Euro zzgl. Führungsentgelt,
Führungsentgelt für Gruppen bis 20 Personen: 60,00 Euro
Ticket berechtigt am Besuchstag zum ermäßigten Eintritt (4,00 Euro) in die Dauerausstellung des Ruhr Museum (Kohlenwäsche)

Informationen zur Ausstellung
Buchung von Gruppenführungen
Info-Hotline RUHR.2010: +49 (0)1805-45 2010
Festnetzpreis 0,14 Euro/Minute, Mobilfunk max. 0,42 Euro/Minute

 

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