Wanderer zwischen den Welten
v.l: Kuratorin Dr. Eva Müller-Remmert und Walter Smerling, Direktor MKM Museum Küppersmühle |
[jpg] Bernard Schultze, ein deutscher Künstler, ein Wanderer oder auch ein Träumer. 2005 ist er fast 90 jährig gestorben. Bis zuletzt lebte er seine Kunst. Dabei hätte er nach dem 2.Weltkrieg der Kunst lebewohl sagen können, denn ein Luftangriff zerstörte alle seine bis dahin geschaffenen Werke. Nicht so Bernard Schultze, er war schon auf einem Weg, einem Weg der sich in seinen Kunstwerken widerspiegelte. Er war auf diesem Weg ein Wanderer der suchte und viele Stationen durch lief, eine spannender als die Andere. Dazu kam für ihn die Wiederendeckung der informellen Kunst, des Informells. Keine Form, nicht Gegenstand alles ist fließend und grenzenlos.
So erweiterte er sein Œuvre um Skulpturen, die er als „Migofs" bezeichnete. Eine Wortschöpfung, sicher. Es zeigte aber auch seinen Hang zur Sprache wo er die Lyrik für sich entdeckte. Seine Spinnwebenschrift, Gedichte und Bilder verwunderte niemanden, denn er war doch ein Mensch, der sich in einem inneren Dialog befand. Und so kommen wir zu den Welten, die Bernhard Schultze nach Belieben als Wanderer betrat. Es sind Welten wie Goethe sie in seiner „Seligen Sehnsucht“ in seinem „West-östlichen Divan“ so tiefsinnig zeichnete. Und so heißt es da in den letzten beiden Strophen:
Keine Ferne macht dich schwierig,
Und so lang du das nicht hast,
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Er (Schultze) verbrannte nicht, er kam der lebenspendenden Flamme jedoch immer näher und wusste um diese Werdung eines jeden Künstlers. Es ist immer eine Gratwanderung und sie inspirierte ihn immer aufs Neue. Seine großformatigen Bilder sind in ihrer Entstehung von einem Punkt beginnend eine Wanderung über die Leinwand, wo in einem Prozess ein atemberaubendes Werk entstand.
Collagierend seine Zungen-Collagen, die feine filigrane mäandernde Verästelungen aufweisen aus denen diese Zungen herausragen. An einem anderen Werk mag man sich bei naher Betrachtung in seine verwirrenden Strukturen verlieren. Wer hat es nicht schon erlebt, im Sommer auf einer grünen Wiese liegend, sich in den über sich dahin ziehenden Wolken zu verlieren. Ja, Bernard Schultze verleitet dazu sich zu verlieren, dieser Welt zu entfliehen um in einer vielleicht besseren Welt sich wieder zu finden. Und so sagte er 1990:
„Das wichtigste, mein Zentrum, sind die großen narrativen Bilder, die große, ja endlose Erzählung, weil während des Malens […] immer wieder das Erzählerische ‚reinkommt, das Erzählerische nicht in Gegenständen, sondern in Formen, die man nachher entschlüsseln kann, wo man sagt: Was ist das? Das ist ein Gesicht von einer Hexe, das sind fliegende wilde Vögel! Ich gebe auch den Bildern die Titel in dieser Richtung, das lasse ich alles kommen […] – meine Arbeit ist die Kontrolle und der Bau, die große taktische Planung dieser Bilder.“
Muss man da noch was hinzufügen?
Sein „Fratzentanz um Atomängste“ zeigt sehr feinfühlig die verlogenen nicht vorhandenen Perspektiven der gesellschaftlichen Akteure. „Hofmanns Eskapaden“ erinnern an E.T.A.Hofmann diesen Dichter der sicherlich heute als Fantasiedichter durchgehen würde. Diese Eskapaden zeichnen eine Fantasiewelt der man sicher einmal folgen sollte, „Lebensansichten des Kater Murr“ ist z.B. so eine Welt von Hofmann, die zu solchen Inspirationen führen.
Dann wandte er sich den Skulpturen zu, die er „Migofs“ nannte. Es sind körperlose Figuren, die losgelöst eine figurative und assoziative Szenerie darstellen. Da quillt es, verzweigt sich, ist bespickt, steht – aber nicht auf Füßen – es mutet an und macht neugierig. Sein „Turm-Migof“ ist so ein Exponat: Es entsteht hier etwas aus sich selber. Jedoch scheinen sich Wesen in diesem Exponat eingenistet zu haben, die dieses Werk nach vorne gebracht haben.
"Lynth" |
"Turm-Migof" |
"Herbst-Blätter-Scheuche" |
Schultze reichte die Dimension der Malerei nicht. Er wollte die Grenzen überschreiten, immer wieder und so wie man es sieht mit großer Freude. Es ist seine Welt in der er sich staunend bewegte, sie auslotete und wieder mit einem Werk zurück kam. Avantgardist war Bernhard Schultze in seiner Zeit. Und Heute? Er ist einer der großen Künstler des 20. Jahrhunderts, den niemand missen möchte.
Das MKM Museum Küppersmühle zeigt in einer eindrucksvollen Retrospektive eine umfangreiche Werkschau von Bernard Schultze, die es ermöglicht in die Welt des Künstlers einzutauchen. Es sind Schlüsselwerke, die von Dr .Eva Müller-Remmert aus vielen Museen und Sammlungen mit der im MKM beheimatete Sammlung Ströher vereinigt wurden. Es ist eine Ausstellung, die einen in eine Gefühlswelt des Staunens führt und die neugierig auf jedes Exponat in diesen Welten macht.
Zur Ausstellungseröffnung sprachen:
Walter Smerling, Direktor
MKM Museum Küppersmühle
Dr. Eva Müller-Remmert
Kuratorin der Ausstellung
Petra Roth
ehemalige Oberbürgermeisterin
Frankfurt am Main
Kuratiert wurde diese Ausstellung von Frau Dr. Eva Müller-Remmert.
BERNARD SCHULTZE – GEGENWELTEN
19. Oktober 2012 – 20. Januar 2013
Öffnungszeiten Führungen:
Mi 14 – 18 Uhr Jeden Sonntag 15.00 Uhr
Do – So 11 – 18 Uhr sowie nach Vereinbarung
Feiertage 11 – 18 Uhr
Eintrittspreise
Ausstellungen 4,– €, Sammlung 6,– €, gesamtes Haus 8,– €,
ermäßigt 4,– €, Gruppen ab 10 Personen 4,– €, Kinder und Schüler frei
Katalog
Wienand Verlag, 2012, 150 Seiten, 29,80 € (Museumsausgabe)
ISBN 978-3-86832-125-8
Begleitprogramm
Im Labyrinth des Bernard Schultze: FarbPhantom und FormGespinst
Sonderführung mit Sabine Falkenbach
Mittwoch, 14. November 2012 – 16.30-17.30 Uhr
Eintritt: 8,– Euro an der Museumskasse, inkl. Eintritt in die Ausstellung
Anmeldung im MKM unter office@museum-kueppersmuehle.de
oder Telefon 0203 / 301948 -10
Das Koloristische und das Phantastische
Die Welt im Farbenrausch: Von Adam Elsheimer (1578-1610) bis zu James
Ensor (1860-1949) und Bernard Schultze (1915-2005)
Kurzseminar mit Sabine Falkenbach
Mittwoch, 21. November 2012 – 16.00-17.30 Uhr
Eintritt: 8,- Euro an der Museumskasse, inkl. Eintritt in die Ausstellung
Anmeldung im MKM unter office@museum-kueppersmuehle.de
oder Telefon 0203 / 301948 -10
„Perlschwarz und schwer die Sommernacht“
Gedichte und Texte von und über Bernard Schultze
Lesung und Führung mit Sabine Falkenbach und Jörg Mascherrek
Mittwoch, 28. November 2012 – 18.30 Uhr
Eintritt: 9,- Euro an der Museumskasse, inkl. Eintritt in die Ausstellung,
Einlass ab 18.00 Uhr
Anmeldung im MKM unter office@museum-kueppersmuehle.de
oder Telefon 0203 / 301948 -10
Über die Gegenwelten des Bernard Schultze
Gespräch mit Peter Iden (Theater- und Kunstkritiker), Walter Smerling (Direktor
MKM) und Jörg Mascherrek (VHS Duisburg) in der Ausstellung
Donnerstag, 17. Januar 2013 – 18.30 Uhr
Eintritt: 6,- Euro an der Museumskasse inkl. Eintritt in die Ausstellung,
Einlass ab 18.00 Uhr
Anmeldung im MKM unter office@museum-kueppersmuehle.de
oder Telefon 0203 / 301948 -10
Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Duisburg
[Fotos: © Linde Arndt – weitere Fotos in der Gallery]
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