[jpg] Nun hat der neue Parteivorsitzende der SPD Siegmar Gabriel auf dem Dresdener Parteitag verkündet, die "Basta" Politik ist vorbei. Müntefering wurde auf das wohlverdiente Altenteil geschickt ( War ja auch schon über 67 ) und Steinmeier vorerst einmal auf den Fraktionsvorsitz abgelegt. Und Peer Steinbrück? Der wurde von Berthold Beitz in den Aufsichtsrat von Thyssen/Krupp geholt. Die Ära Schröder wurde damit Geschichte.
Ab sofort können, dürfen, sollen die Genossen wieder diskutieren. Man wolle wieder auf die Mitglieder/Genossen hören, weil die Mitglieder/Genossen ja wieder auf das Volk zugehen sollen. Macht Sinn, denn überzeugte Genossen sind letztendlich auch motivierte Genossen, die die Inhalte einer Partei selbstbewusst vor dem gemeinen Volk vertreten können, sind bessere Wahlkämpfer.
Ein starkes Signal, man sollte meinen die Genossen vor Ort, müssten jetzt vor Freude in die Luft springen. Es sind nur rund 550 km von Dresden bis nach Ennepetal, sprich, 6 Stunden Autofahrt.
Am Samstag fand sich, eine Woche nach Dresden, nunmehr der Ortsverband der SPD Ennepetal zusammen, um über die vergangenen drei Wahlen und deren Auswirkungen zu diskutieren. Meine Erfahrung sagte mir, es könnte sehr lange und spät werden; aus meinen früheren Wuppertaler Zeiten wusste ich, es könnten Endlosbeiträge in sehr erregter Form werden. Zumal denn noch der Bundestagsabgeordnet Rene Röspel und der Landtagsabgeordnete Hubertus Kramer auf dem Programm standen.
Was bot sich mir aber? Ein durch und durch schmusiger Nachmittag dessen Ende von den Initiatoren, mit der Belegung des Raumes nach 18:30Uhr durch eine andere Veranstaltung schon vorprogrammiert war.
Breiten Raum nahm die Debatte um die Bürgermeister Stellvertreterwahl ein, offensichtlich ist hier noch ein gewisser Verarbeitungsaufwand notwendig. Der CDU waren die ungeschriebenen Regeln übrigens im Grenzfall immer schnuppe, wenn es um den Machterhalt ging. Warum die SPD sich da noch lange damit aufhält ist mir schleierhaft, zumal der Wahlkampf doch am Anfang durch die CDU "Hessische Züge" annahm.
Die Parteispitze um Zink, Rauleff und Schöneberg wusste aber auch nichts Inhaltliches für die Zukunft vorzutragen, formell wolle man nur bei Haushaltskürzungen im sozialen nicht mitmachen.
Zu den gestiegenen Kosten der vier Stellvertreter aber auch der Auschüsse und deren Besetzung, wusste der Fraktionsvorsitzende Rauleff nur zu sagen: Demokratie wäre eben teuer, und eine Stadt müsse sich so was leisten können. 70 Positionen müssen nun durch die SPD besetzt werden, sparen kann man das sicher nicht nennen und ob dieser höhere Aufwand ein effizienteres Arbeiten bringt, ist mehr als fraglich.
Zwei Themen erschienen uns doch mehr als fragwürdig:
1. Das Thema Streetworker, also aufsuchende Jugendarbeit.
Die Fortführung des Streetworkers macht so keinen Sinn, wenn nicht der Konsequenzen aus dieser Arbeit bedacht wird, wenn das Jugendamt schon bei 2.000,– Eur streikt. Wie wird das denn sein, wenn der Streetworker herausbekommt, es müssten weitere Investitionen getätigt werden um die Jugendlichen von der Strasse zu bekommen? Dann ist die CDU Alternative die bessere, den Kopf in den Sand zu stecken und abzuwarten bis die Jugendlichen kriminell werden. Die Folgekosten, nämlich einen Aufenthalt in einer JVA, trägt dann das Land NRW.
2. Die SPD lamentiert, dass sie bei einem Gespräch der politischen Parteien, der SIHK und Ennepetaler Unternehmer nicht erwähnt wird. Thema: DSL Anbindung in den etwas entfernten Stadtgebieten.
a) Wer oder was hindert denn die SPD anständige Öffentlichkeitsarbeit zu machen, wo sie dieses Thema so gar erweitern kann?
b) Wieso hat sie sich nicht schlau gemacht? Es gibt alternative Lösungsmöglichkeiten, z. B. über den Mobilfunktbereich mittels GPRS oder UMTS und EDGE oder über Kabel. Es muss nicht unbedingt ADSL sein. Der Terminus Breitband steht für mehrere technische Möglichkeiten.
Als ein Bürger mit Migrationshintergrund sich über die etwas nachlässige Behandlung bei der Stadtverwaltung beschwerte und Handlungsbedarf anmahnte, wurde dieser mit ein paar Floskeln abgespeist. Ja man ist froh, wenn man was aus der Bevölkerung höre und überhaupt würde man sich auch um dieses Thema kümmern.
Die Zeit drängte. Schlechte Planung?
Kein Wort über den Wahlkampf, der ganz auf Sympathiekurs für Anita Schöneberg aufgebaut war. Die Strategie, das Timing aber auch das Profil der Ennepetaler SPD war nicht stimmig, war nicht auf Sieg ausgerichtet. Schöneberg stand ganz alleine im Wahlkampf, die anderen waren auf einem wie auch immer gearteten Tauchkurs. Als Wiggenhagen unter dem Slogan "Kompetenz" auftrat, hätte man Zeit genug gehabt gegenzusteuern, tat man aber nicht. Sträflich wurden viele Politikfelder vernachlässigt, man war sich so sicher.
Jugend-, Wirtschafts-, Sozial- oder auch Finanzpolitik waren keine Themen, die überließ man dem Politischen Gegner. Um die Alten stritt man sich mit wechselseitigen Altenheim Besuche oder mit Busfahrten nach Oma Bienenstich.
Weiß man bei der SPD nicht, dass man auf den letzten Metern gewinnt? So wusste die CDU mit einer Telefonaktion zu punkten, besonders und auch, hier in Voerde.
Dann die Öffentlichkeitsarbeit. Die war und ist bei der SPD nur rudimentär vorhanden. Ein paar Bildchen mit der Diggi und ein paar unverbindliche Zeilen jede Woche, sollten wohl reichen. Nein, kompetentes Auftreten sieht anders aus, da waren CDU und FDP der SPD weit überlegen.
Wen wundert es wenn der SPD ihre ureigenste Domäne, die soziale Kompetenz von der CDU abgenommen wurde. Wir wollen kämpfen, so der Vorsitzende Zink. Mein Gott um was denn, wenn man sich gemütlich im Stuhl zurücklegt und sich in nostalgischen Gefühlen sudelt, dass man mal wer war. |
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Dann Rene Röspel, der in seinem Wahlkreis um 9% bzw. um 23.681 Stimmen abgestürzt war, kein Wort über dieses Ergebnis. War halt Bundestrend?
Er versuchte eine Rechtfertigung über die verfehlte Politik der letzten 9 Jahre, was allerdings gründlich misslang.
Es war nicht alles schlecht gewesen, was die SPD in den letzten Jahre gemacht hatte. Was war aber gut?
Die Rente mit 67 war eine klare Rentenkürzung, nur man hatte es mit der Begründung des demografischen Faktors verkauft. Tatsächlich ist das durchschnittliche Rentenalter auf 58 Jahre gesunken, was die Politik jedoch vernachlässigte. Die Leiharbeit, die 1 Euro Jobs, die Hilflosigkeit beim Lohndumping, kein Wort davon. Oder hatte nicht Schröder erst die Finanzmärkte entfesselt, indem er per Gesetz bestimmte Beteiligungen und Anlageformen zu ließ? Auch hier kein Neubeginn, keine Rückbesinnung, weiter wurschteln ist angesagt.
Warten bis der politische Gegner einen Fehler macht und dann drauf hauen? Ach ja, was war noch einmal mit den Wahlgesetzen? Ja der politische Gegner hat von diesen Überhangmandaten zuhauf profitiert.
Hubertus Kramer gab wenigsten ein paar Argumentationshilfen für die Wahlkämpfer vor Ort heraus.
- Die CDU geführte Landesregierung hat in den letzten 5 Jahren die Schulden um rund 23 Mrd. Euro gesteigert, trotz der höheren Einnahmen. Sie hatte den Schuldenabbau versprochen.
- Im Bereich Bildung fehlen 5.000 Lehrer vor Ort, rund 5 Mio Schulstunden fallen pro Jahr aus. Durch die Studiengebühren werden Jugendliche aus finanziellen Gründen nicht mehr studieren. Abgesehen davon , dass in Zukunft viele Lehrer wegen Eintritt ins Rentenalter vermehrt ausfallen,der demografische Faktor lässt grüßen.
- Und dann sind da noch die Pläne der CDU geführten Landesregierung, der Polizei private Hilfssheriffs zur Seite zu stellen. Auch die Polizei hat ein Altersproblem, man registriert für die nächsten Jahre eine große Zahl von Beamten die in die Pension gehen werden. Personalengpässe sind schon vorprogrammiert. Bleibt die Frage, bekommen die Hilfspolizisten wie in den USA dann auch eine Pumpgun und 9 mm Pistolen?
Das war es aber auch schon. Offensichtlich steht die Strategie auf Landesebene noch nicht. Kramer versprach zu gegebener Zeit noch mal vorbeizuschauen. Wenn die Kugelschreiber gebracht werden?
In den Gesprächen mit den Kollegen aber auch in vielen Artikeln der Kollegen denkt man, die SPD braucht sicher 15 Jahre um sich von der Ära Schröder zu erholen. In keinem Politikfeld wird ihr noch die Kompetenz zu gesprochen. Ihr Profil ist zu unscharf, sie unterscheidet sich kaum von der CDU oder der FDP. Sie weiß kaum nachvollziehbare Botschaften zu artikulieren. Die personelle Decke von bekannten Führungspersönlichkeiten ist sehr, sehr dünn. Der Generationswechsel ist zu spät und überhastet vollzogen worden und brachte keine profilierten Persönlichkeiten hervor, die Programme glaubhaft rüber bringen können. Gabriel der ja als Siggi Pop schon mal mit Erstaunen durch die Presse ging, wird es sicher nicht bringen.
Was der SPD fehlt ist die glaubhafte Rückbesinnung auf die Werte, die sie mal ausmachte. Auch fehlt es an der Basis "vor Ort" an Personen, sie hatten sie mal gehabt, die mit kämpferischen Elan gemeinsame Programmpunkte glaubhaft an den Wähler bringen.
Aber wir sind ja eine große Familie, solidarisch bis zum Ende. Wobei was solidarisch sein soll, das bestimmen die Häuptlinge ganz alleine.
Wenn nicht sofort ein Ruck durch diese Partei geht, dieser Ruck kann auch von unten kommen, wird diese Partei sich demnächst mit der FDP, Bündnisgrünen und Die Linke um den dritten Platz streiten. Wobei nicht klar ist wer den zweiten Platz belegen wird. Ich höre schon die Stimme, die sich darüber freut einen Punkt vor der FDP zu liegen.
Was bleibt? Wir haben 50 Jahre Godesberger Programm zu feiern. Das war damals die Wende. Ob man das aber heute noch mal kann? Es kann aber auch sein, nur darauf sollte die SPD nicht spekulieren, dass auch der CDU der Volksparteienstatus vom Wähler abgenommen wird. Nur am 5. Mai 2010 ist in NRW Wahl, ich bin verhalten gespannt wie die SPD sich berappelt.
Jürgen Gerhardt