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Apfelfest in der Begegnungsstätte Alte Synagoge

[jpg] Manchmal gibt es Zufälle die einen in eine Situation bringen vor der man sich zuerst unbegründet drücken möchte, die sich jedoch im Nachhinein als etwas Wunderbares herausstellt.

Das Apfelfest 2010 in der Begegnungsstätte der Alten Synagoge ist solch ein Zufall. So wie das Blütenfest den aufkommenden Frühling freudig begrüßt (das Kirschblütenfest der Japaner ist eines der berühmtesten), so steht das Apfelfest für das sich in Neige befindliche Jahr. Es ist die Zeit der Rückbesinnung  aber auch der Gedanken wie man die Zukunft gestalten möchte. Es ist die Zeit von Rosch Haschana dem jüdischen Neujahrsfest, welches in diesem Jahr auf den 8.-10. September fällt.

 
Als ich mich von der Genügsamkeitsstrasse dem Eingang der Begegnungsstätte näherte, standen die Besucher sich unterhaltend in kleinen Gruppen auf dem Hof. Freundlich wurden wir  begrüßt und wir gesellten uns in Erwartung was jetzt kommen mag zu einer Gruppe. Auf der Hofwiese wurden Äpfel gepflückt die sodann in bereitgestellten Körben zur Verköstigung oder zum Verkauf angeboten wurden.

Es ist aber auch die Zeit indem der Träger- und Förderverein die Tore der Begegnungsstätte öffnet um gemeinsam ein zwangloses Gespräch mit seinen Besuchern zu führen. So erfuhr ich, dass es eine uralte Verbindung zu Schwelm gab und gibt, als die jüdische Gemeinde aus Schwelm den Schabbat in Elberfeld abhielt. Offensichtlich haben die beiden Städte diese Verbindung wiederbelebt.


Andre Enthoefer

  Andre Enthöfer, in Wuppertal bekannt als der Mann des guten Tons, variierte und improvisierte mit seiner Klarinette jüdische Melodien, was dem Ganzen eine beschwingte Stimmung verlieh.

Antonia Dicken-Begrich, die ehemalige Direktorin des  Carl-Duisberg-Gymnasiums, die jetzt bei der Bezirksregierung Düsseldorf ist, eröffnete als Vorsitzende des Trägervereins der Begegnungsstätte das seit 5 Jahren stattfindende Apfelfest.

Dieses Apfelfest soll im Jahr einen fröhlichen Akzent setzen.

Es soll aber auch ein Tag der Rückbesinnung und des Ausblicks auf die zukünftige Arbeit sein, die in Form von Ausstellungen stattfindet.

    
Antonia Dicken-Begrich

Die vergangene Ausstellung soll durch eine in 2011 stattfindende neue Ausstellung abgelöst werden. Diese neue Ausstellung soll nunmehr eine Dauerausstellung werden, wobei die notwendigen finanziellen Mittel erst eingeworben werden mussten. Alle Mitarbeiter, vor allen Dingen Frau Dr. Schrader, waren hart gefordert; denn diese Anstrengungen mussten zusätzlich erarbeitet werden. Aber es ist geschafft. Sie bedankte sich ausdrücklich bei allen Mitarbeitern für diese hervorragende Arbeit.


Dr. David Magnus Mintert
 
v.l.n.r.:Frau Dr. Ulrike Schrader/
Frau Antonia Dicken-Begrich /
Herr Dr. David Magnus Mintert
 
Herr Dietmar Bell (MdL)

 

Dr. David Magnus Mintert, der Vorsitzende des Fördervereins bedankte sich bei den Spendern die es ermöglicht haben dass diese Dauerausstellung in 2011 Wirklichkeit wird.

Nachfolgend kündigte Frau Dr. Ulrike Schrader, die stellver- tretende Vorsitzende des Fördervereins eine Änderung der Architektur der Begegnungsstätte an um der zukünftigen Ausstellung gerecht zu werden.
Der Schatzmeister, Herr Dietmar Bell (MdL), war auch anwesend.

  „Jüdische Geschichte in Wuppertal und in der Region“ so soll die Ausstellung heißen.

Sie befasst sich mit den jüdischen Mitbürgern im Bergischen Land, die an der blühenden Wirtschaft im Bergischen Land maßgeblich beteiligt waren.

 

Unweit der Begegnungsstätte liegt die Elberfelder Hofaue, die bis zum zweiten Weltkrieg eine der größten Textilzentren des Rheinlands und Westfalen war. Viele der damals rund 3.000 deutschen Mitbürger hatten den jüdischen Glauben.

Das Elberfeld zu einem Zentrum erstarkte lag aber auch daran, dass das Erzbistum Köln den Bergischen bestimmte Privilegien der Textilwirtschaft zuerkannte. Erwähnt seien hier die Litzen- und Bändererstellung, das Färben und Bleichen auf den Wupperauen aber auch der Handel mit Tuchwaren. Auf den alten Gemäuern der Hofaue sieht man noch teilweise die alten Namen der damaligen Fabrikanten. Diese vielfältigen Beziehungen zwischen den jüdischen Mitbürgern sollen durch diese Ausstellung sichtbar gemacht werden.

 

 

 „Irgendwie jüdisch“ so der Tenor der Ausstellung die im April 2011 eröffnet wird. Es werden umfangreiche Zeitdokumente, Nachlässe und Replikate der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Aber es sollen auch die Perspektiven des neuen jüdischen Lebens in Wuppertal aufgezeigt werden. So sollen Personen zu Wort kommen die sich zu der jüdischen Gemeinde bekennen.

In diesem Zusammenhang sei einmal darauf hingewiesen, dass es ohne den Elberfelder Johannes Rau, den ehemaligen Oberbürgermeister von Wuppertal, ehemaligen Minsterpräsidenten von NRW und den ehemaligen Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland die Begegnungsstätte in der heutigen Form noch nicht gäbe. Er hat sich unermüdlich sowohl für die Begegnungsstätte als auch für die neue Synagoge in Barmen eingesetzt. Aber auch die beiden christlichen Kirchen in Wuppertal waren immer Fürsprecher der jüdischen Gemeinden.

Bei der Begehung der Begegnungsstätte fällt einem direkt auf, dass dem „Wider das Vergessen“ ein starker Akzent gesetzt wurde. Man kann sagen es ist eine Erinnerungsstätte, die sicher durch die neue Dauerausstellung eine weitere Verdeutlichung bekommt.

Die neuen Räumlichkeiten, die ich so nicht kannte, überraschten durch eine Offenheit und den lichtdurchfluteten Innenraum.

So möchte ich dem Förder- als auch dem Trägerverein wie es nach dem  Rosch Haschana üblich ist zurufen „Le-Schana towa tikatewu wetechatemu", möget ihr zu einem guten Jahr eingeschrieben und besiegelt werden. So sollten die Arbeiten in einer guten Ausstellung münden.

Der jüdische Glaube lebt viel von Symbolen und Bräuchen, die ein Christ wie ich gerne mitmacht. Einer dieser Bräuche wäre am Neujahrstag, das tauchen von Apfelstücken in süßen Honig und den anschließenden Verzehr. Dieser Brauch soll den Wunsch verdeutlichen, dass man einem „süßen“ Jahr entgegensehen möge. Und man sollte heute nicht vergessen, dass die Abrahams-Religionen mehr Gemeinsamkeit haben als man sich vorstellt, die auch gemeinsam gepflegt werden können und die letztendlich die Integration fördern.

 

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Wuppertal

 

Berührungen, die nicht immer gelingen

[jpg] An und für sich wäre die Bochumer Synagoge ganz einfach zu finden gewesen, die Adresse hatte ich auf der Presseeinladung, Bochumer Synagoge, Erich-Mendel-Platz 1, 44791 Bochum. Nur die von mir befragten Bochumer kannten weder den Erich-Mendel-Platz noch die Bochumer Synagoge. Ich wusste aber, dass ich ganz in der Nähe sein musste. Als ich in einer Stichstraße bis zum Ende fuhr sah ich die Synagoge. Die Architektur ist immer unverkennbar. Aber, und das ist für mich immer das beschämende, die Sicherheitsvorkehrungen auch. Hohe Zäune, fast unüberwindbar, an jeder Ecke Beleuchtung mit Kameras. Durch die Sicherheitsvorkehrungen weiß man manchmal nicht wo der Eingang ist. Die Synagoge steht auf einem Hügel, wie gesagt mit Sicherheitseinrichtungen.
Neben dem Hügel, ein weiterer Hügel, auf dem das Bochumer Planetarium steht, übrigens ohne diese Sicherheitsvorkehrungen. Jüdisches Gemeindeleben ist noch immer nicht ein normales Gemeindeleben in dem Gläubige ihrer Religion ohne Einschränkungen nachgehen können.
Wann wird wieder Normalität über deutsche Bürger mit jüdischer Religion einkehren?
 
"Musik & Kultur der Synagoge" die II.Biennale, sollte nach dem erfolgreichen Auftakt 2008, in Bochum und Gelsenkirchen im Rahmen des Kulturhauptstadtjahres inhaltlich und regional erweitert präsentiert werden.
Das Programm haben wir als Flyer im PDF angehängt (Musik_und_Kultur_der_Synagoge.pdf)

Zum Gespräch standen bereit:

  • Hanna Sperling, Vorsitzende des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden Westfalen-Lippe, Mitglied im Präsidium des Zentralrats der Juden in Deutschland
  • Dr. Fritz Pleitgen, Vorsitzender der Geschäftsführung der RUHR.2010 GmbH
  • Dr. Manfred Keller, Evangelischen Forum Westfalen, Künstlerischer Leiter Biennale Musik & Kultur der Synagoge

Eine musikalische Kostprobe erfuhren wir vom Chor "Bat Kol David" der Jüdischen Gemeinden Westfalen-Lippe, der uns in die Vielfalt der synagogalen Musik einführte.

Der Chor wurde 1996 von Rabi Henry G. Brandt gegründet und hat heute 25 Mitglieder die aus den unterschiedlichsten Gemeinden, hauptsächlich des Ruhrgebietes, kommen. Im Zusammenhang mit der II. Biennale wird der Chor 2 Konzerte geben.

Dr. Keller von der evangelischen Kirche Westfalen betonte: Kulturarbeit ist auch das Gespräch zwischen den Religionen, wobei die Musik eine Brückenfunktion hat. Es gilt den kulturellen Wert der  Minderheitsgesellschaft in die Mehrheitsgesellschaft zu transportieren, was letztendlich zu einem Mehrwert in der Gesamtgesellschaft führt.

 

   Synagogal Ensemble Berlin

Durch diese Kulturarbeit wird der Funke auf die anderen Kulturträger überspringen. Wandel durch Kultur, dazu gehört auch das gegenseitige Befruchten mit den unterschiedlichen kulturellen Bereichen, wie Musik, Literatur oder Theater.

Frau Hanna Sperling betonte den Gewinn für die deutschen jüdischen Gemeinden, denn sie sind in einer Phase des stetigen Auf- und Umbaus. Seit dem Fall des eisernen Vorhangs haben sich viele osteuropäische Juden auf den Weg gemacht und die deutschen Gemeinden verstärkt. Es sind überwiegend sehr gut ausgebildete Künstler, die der Zentralrat in einem Künstlerpool führt und auf die die Gemeinden jederzeit zu greifen können. Aber das jüdische Gemeindeleben ist noch sehr weit entfernt um von einem normalen Gemeindeleben sprechen zu können. Waren es am Anfang nach der Shoa noch die Probleme die wenigen Überlebenden zu einem Neubeginn zu bewegen, so steht man heute vor dem Problem, die neuen Gemeindemitglieder aus der ehemaligen Sowjetunion zu integrieren. Die Leistungen die die einzelnen Gemeinden in den letzten 20 Jahren erbracht haben, sind immens. So hat Bochum heute wieder 1.200 Gemeindemitglieder, allerdings gehören die Gemeinden Hattingen und Herne zu der Gemeinde Bochum.
 
Am 9.Mai 2010 geht es atemberaubend los, mit: "We will remember them" im Museum Bochum mit Avitall Gerstetter. Diese unvergleichliche Stimme eröffnet den Biennale Reigen im Kulturhauptstadtjahr mit ihrem reichhaltigen und umfangreichen Repertoire traditioneller Lieder aber auch eigener Kompositionen. Begleitet wird sie von Mike Lindup, bekannt durch die Band "Level 42". Rhani Krija sorgt für den richtigen Rhythmus, Krija spielt in der WDR Big Band, spielte aber auch schon mit Musikgrößen wie Sting, HerbieHancock, Annie Lenno, Charlie Mariano oder Klaus Doldinger.

Drei renommierte hochkarätige Chöre werden auftreten, wie das Synogogal Ensemble Berlin welches am 30. Mai um 18:00 Uhr in der Synagoge Dortmund auftrat.

 

Dann wird der international anerkannte Leipziger Synagogalchor unter der Leitung von Kammersänger Helmut Klotz am 19. und 20. Juni in Essen und Gelsenkirchen auftreten. Und als letztes wird der schon vorgenannte Chor "Bat Kol David" der Jüdischen Gemeinden Westfalen-Lippe am 16.Mai in Dorsten und am 27.Juni in Bochum auftreten.
Aber es sind nicht nur diese beiden Bereiche die unser Kulturhauptstadtjahr bereichern, es ist dieses Mal ein wahres Füllhorn an kulturellen jüdischen Ereignissen die uns dargeboten werden. Es lohnt sich.

Neu ist auch, dass bei einigen Veranstaltungen kulinarische Spezialitäten aus der jüdischen Küche auf den Besucher warten.

Avitall Gerstetter, © Jim Rakete    

Es sind unsere jüdischen Gemeinden die sich im Ruhrgebiet einbringen, die unser Ruhrgebiet noch reicher machen. Die Spannung die das Kulturhauptstadtjahr aufbietet scheint nicht aufzuhören, ein Höhepunkt jagt den anderen und macht damit den Reichtum unserer Ruhrgebietsregion sichtbar. Jetzt nach vier Monaten ist schon sichtbar, welchen Gewinn dieses Kulturhauptstadtjahr gebracht hat und das Jahr ist noch nicht zu Ende.

Ich würde mir wünschen, dass die Zäune und Kameras oder auch die Polizeistreifen vor den Synagogen nicht mehr notwendig sind, so dass Religionsangehörige ihrer selbstgewählten Religion nachgehen können. Das Ruhrgebiet war immer eine Region der Toleranz, hier war und ist vieles möglich was wo anders nicht geht. Diese Zäune, Kameras und Polizeistreifen waren zuerst im Kopf und mit unserer Solidarität können sie eingerissen werden.

Lassen Sie sich von den vielen Veranstaltungen inspirieren und nehmen Sie an dem Teil, was unsere jüdischen Gemeinden zum Kulturhauptstadtjahr beitragen.

Als ich mich  im Gemeindesaal  mit den anderen Teilnehmern unterhielt merkte ich, es sind noch immer unsichtbare Mauern zwischen uns, und diese Mauern verhindern die Berührungen. Ich muss mir eingestehen, dass ich sehr wenig über meine jüdischen Mitmenschen weiß.

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Bochum