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Hagen macht Tabula rasa mit der Kultur

v.l. Ricardo Fernando und Werner Hahn / Fotocollage: Linde Arndt

v.l. Ricardo Fernando und Werner Hahn / Fotocollage: Linde Arndt

[jpg] In Hagen ist sich Politik und Verwaltung einig, Kultur braucht man nicht. Zumindest nicht soo viel und soo elitär.

Es geht um das Theater Hagen, der letzte Akt einer sich abzeichnenden Schließung, die zwar schleichend aber unumkehrbar sein wird. Es zeichnete sich ab, denn das Mobbing von Stadt und Politik, einmal begonnen, wurde nicht beendet.

Wie EN-Mosaik bereits berichtet hatte geht es um die 1,5 Millionen die das Theater gem. Ratsbeschluss von 2013 einsparen muss. Was war da nicht schon an schmutziger Wäsche gewaschen worden. Höhepunkt des Mobbings war als dem Intendanten Norbert Hilchenbach und dem Generalmusikdirektor Florian Ludwig unterstellt wurde, sie wollten sich einen „goldenen Abgang“ verschaffen indem sie den Sparbeschluss ignorierten.

Hilchenbach und Ludwig gehen nicht in Frieden.

Und jetzt dies, Werner Hahn der das Jugendtheater Lutz aufgebaut hatte und sich damit in NRW ein gutes Renommee erarbeitet hat und Ricardo Fernando der mit dem Hagener Ballett als Choreograf nationale Anerkennung bekam, sie alle werden das Hagener Theater verlassen.
Mit einem Schlag die gesamte Leitung in einem Theater zu verlieren, kommt einer Enthauptung gleich. Ein Imageschaden für das Theater und die Stadt ohne gleichen.
Die Stadt wollte hinter verschlossenen Türen verhandeln, offensichtlich waren jedoch diese Verhandlungen nicht von Erfolg gekrönt; denn von einem Kompromiss hört man weit und breit nichts. Es ging ja nicht nur um die 1,5 Millionen, es ging ja auch um die Tariferhöhungen, die die Angestellten des Theaters bekommen sollten und die an anderer Stelle wieder eingespart werden sollten.

Wie dem auch sei, die ganze Hin und Her Rechnerei erbrachte mehr als nur die 10% die das Hagener Theater einzusparen gehabt hätte. Und es deutete sich ja auch an, denn Oberbürgermeister Schulz (parteilos) fand, Ratsbeschluss ist Ratsbeschluss. Was hätte man da noch verhandeln können, es gab ja nichts zu verhandeln. Wo war da eine Verhandlungsmasse. Also blieb es bei dem Diktat von Politik und Verwaltung. Dazu kam noch die offensichtlich schlechte Führung von Politik und Verwaltung aber auch die schwache Position der Kulturdezernentin Margarita Kaufmann. Es reicht heute halt nicht mehr, dass man sich nur lieb hat.

Das Problem Intendanz und musikalische Leitung hatte sich in der vorigen Woche auch erledigt, man war komplett mit Dominique Caron als Intendantin und Joseph Trafton als Generalmusikdirektor. Jetzt liegt der Ball, die Einsparungen in Millionenhöhe umzusetzen bei Frau Caron. Frau Caron ist jedoch in einer Zwangssituation; denn einerseits kann sie nicht wieder nach Eutin zurück, dort wurde sie auch mit diversen Sparbeschlüssen konfrontiert und hat sich diesbezüglich negativ dazu geäußert und andererseits kann sie in Hagen nicht mehr abspringen.
Man kann jetzt sagen, Frau Caron ist als Totengräberin des Hagener Theaters eingestellt worden. Und wie das so ist in Politik und Verwaltung, diese beiden Gruppen werden hierfür keine Verantwortung übernehmen.
Es war ein Krieg in Hagen, zwischen den Anhängern des Pantoffelkinos und Unterschicht gegen die Leistungsträger der Kultur in Hagen. Und so wie uns übermittelt wurde, steht die nächste Kultureinrichtung im Visier von Politik und Verwaltung, das Osthaus- und das Emil Schumacher Museum.

Es ist ein schleichender Prozess der letztendlich zum Schließen vieler Kultureinrichtungen führt und damit zum Niedergang einer vormals breit angelegten kulturellen Versorgung,wieder hin zu einer elitären Betrachtung und Versorgung von Kulturleistungen. Und die Politik spielt da eine treibende Rolle. Wobei in Hagen kommt noch hinzu, dass dort die Ratsmitglieder kaum als kompetente Anhänger von Kunst und Kultur auffielen. Wie sagten mir im Gespräch zwei Hagener Ratsmitglieder, was ist denn so schlimm daran wenn das Theater schließen würde…ich war noch nie im Theater, wofür auch! Nun, es gibt mehr Hagener Ratsmitglieder als diese beiden Zeitgenossen, nur diese Meinung hat offensichtlich eine Mehrheit.

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Hagen

Update 27.Oktober 2016

Es existiert ein Interview zwischen dem Hagener Journalisten Christoph Rösner und dem ehemaligen Generalmusikdirektor der Eutiner Festspiele Urs-Michael Theus. Es gibt Einblicke in die Arbeitsweise von der neuen Hagener Intendantin Dominique Caron, schauen sie mal.

Das Hagener Theater spielt weiter, trotz eines drohenden Einschnitts

Die "Neuen" beim theaterhagen Foto: (c) Linde Arndt

Die „Neuen“ beim theaterhagen Foto: (c) Linde Arndt

[jpg] Es ist ein Kreuz mit den Hagenern. Nicht mit den Bürgern.

Über die Region hinaus hat das Hagener Theater einen exzellenten Ruf mit seinen vier Sparten. Ob das nun die Opern, das Theater, das Ballett oder das Jugendtheater ist, Hagen wird mit seinem Theater positiv wahrgenommen. Jeder PR Manager wird bei solch einem Imageergebnis durch das Theater, alles unberührt lassen. Nicht so der Rat der Stadt Hagen und die Stadtverwaltung mit ihrem Oberbürgermeister Erik O.Schulz (Parteilos), sie wollen die Quadratur des Kreises. 1,5 Millionen Euro müssen 2018 durch das Theater eingespart werden und das bei gleichbleibender Qualität. So trug der OB vor, dass wenn das Theater die 1,5 Millionen nicht einspart, die Stadt Hagen ohne einen genehmigungsfähigen Haushalt dasteht. Und darüber hinaus, so die Andeutung, wäre Hagen nicht mehr Mitglied im Stärkungspakt NRW. Heißt, wenn die Kämmerei der Stadt Hagen nicht in der Lage ist den Haushalt anders zu priorisieren, ist das was OB Schulz vortrug nichts anderes als eine Erpressung. Zu sagen, wenn ihr nicht das macht was wir vorgeplant haben, leidet die Stadt, solche Einwendungen sind kontraproduktiv und sind nicht in der Lage die emotionalen Wogen zu glätten.

 

GDM Florian Ludwig und Intendant Norbert Hilchenbach Foto: (c) Linde Arndt

GDM Florian Ludwig und Intendant Norbert Hilchenbach Foto: (c) Linde Arndt

Ratsbeschluss von 2013

Der Hagener Rat hat 2010 mit: „Der Rat bekennt sich zum Hagener Bürgertheater mit all seinen Sparten. Auch für die Zukunft muss ein selbstbespieltes Haus das Ziel aller Bemühungen im Rahmen der Haushaltskonsolidierung bleiben“. (…) „ ein klares Bekenntnis zum Hagener Theater ausgesprochen. Soweit der Rat zu einer anderen Zeit. 2013 gab es jedoch viele Parameter die den Rat der Stadt Hagen zu einem Beschluss veranlasste der „Tödlich“ für das Theater ist und letztendlich zur Schließung führen muss.

Hagen gehört zu den pflichtigen Stärkungspaktgemeinden, die mit ihrer Überschuldung ohne äußere Finanzspritzen nicht mehr lebensfähig sind. Das das Mittel der ersten Wahl eine Austeritätspolitik bei einer konservativ/liberalen Stadtführung ist, war abzusehen. Nur sparen mit dem Rasenmäherprinzip und darüber hinaus die Bereiche zu malträtieren die als weiche Standortfaktoren gelten, ist noch nie gut gegangen. 1,5 Millionen sollen ab 2018 eingespart werden, wobei der Rat nicht in der Lage ist konzeptionell der Theaterleitung zu folgen. Fraglich ist auch immer die Kompetenz der politischen Instanz im Bereich Kultur. Viele der im Stadtrat sitzenden Politiker sind Kulturfans eines Pantoffelkinos das inzwischen auf einfache Naturen zugeschnitten ist. Und diese Leute wollen über einen Kulturbetrieb, wie es ein Theater ist, entscheiden?

 

Spielzeiteröffnung 2016/2017

Es wird die letzte Spielzeit von Norbert Hilchenbach und Florian Ludwig sein und das Kriseln konnte man im Theater körperlich spüren. Nebenbei, für GMD Florian Ludwig hat man schon einen neuen GMD, nämlich den aus Mannheim stammenden Joseph L. Trafton der dort bis dato noch der 1. Kapellmeister am Nationaltheater Mannheim ist. Von einem Intendanten ist allerdings weit und breit nichts zu sehen.

OBB Schulz Foto:(c) Linde Arndt

OBB Schulz Foto:(c) Linde Arndt

Oberbürgermeister Erik O.Schulz (parteilos) kam denn auch zur Eröffnung der Spielzeit um den einen oder anderen Schmerz auszukurieren. Ansonsten lobte er das Theater über den grünen Klee um aber danach auf die Umsetzung des Einsparungsbeschlusses von 1,5 Millionen zu bestehen. Es war eine vergiftete Rede; denn nicht der demografische Wandel oder die Regierungspräsidentin können eine derartige Forderung begründen, sondern eine fehlende Priorisierung bei politischen Zielvorstellungen. Die Theaterkürzung kann nicht Voraussetzung für die Genehmigung eines Haushaltes sein, die Regierungspräsidentin will eine Alternative für die eingesetzten 1,5 Millionen sehen. OB Schulz möchte die Diskussion über die 1,5 Millionen für beendet erklärt haben und weitere Gespräche nur hinter verschlossenen Türen führen. Wobei, betriebsbedingte Kündigungen (40 sind einmal angedacht gewesen) soll es nicht geben, wohl ein Wunschdenken bei 1,5 Millioen. Auch die Sozial- und Kulturdezernentin Margarita Kaufmann, die das Theater auch erst einmal für seine Arbeit lobt, sieht sich in der Pflicht den Sparbeschluss umzusetzen.

Dr. Peter Born Foto: (c) Linde Arndt

Dr. Peter Born Foto: (c) Linde Arndt

Dr. Peter Born Vorsitzender des Theaterfördervereins erinnerte an die 170.000 Besucher in der vergangenen Spielzeit, welche als eine eindrucksvolle und zahlende Demonstration der Hagener für ihr Theater gesehen werden kann.

Der scheidende Intendant Norbert Hilchenbach bemerkte die nun 10. und letzte Begrüßung der neuen Mitglieder des Hauses. Ihm und dem GMD Florian Ludwig hatte man vorgeworfen ihren Abgang mit einem Feuerwerk an Aufführungen zu versüßen. Hilchenbach sah dies als Unverschämtheit an und hinderlich für einen kreativen Dialog. Planerische Sicherheit braucht ein Haus wie das Theater Hagen, so Norbert Hilchenbach und deutet einen positiven Einigungsprozess hinsichtlich der Einsparproblematik an.

Es geht aber nicht wenn man das Olympische Motto von „Schneller, Höher, Weiter“ in „Langsamer, Tiefer, Kürzer“ umdeutet, dies führt letztendlich zum Stillstand und zum Aus des Hagener Theaters.

„Langsamer, Tiefer, Kürzer“ und Einsparungen und Angestellte freisetzen und die Qualität beibehalten, dass ist eine Gleichung  die nie aufgeht.

Hilchenbach begrüßte mit Florian Ludwig die neuen Mitglieder des Hauses und zeichnete mehrere Jubilare für ihren Einsatz im Hagener Theater aus, so unter anderen Edgar Wehrle.

Es bleibt zu hoffen, dass die Politik mit der Verwaltung das Theater nicht durch die Hintertür dem Verderben aussetzt, hier kann man sicher mehr Ehrlichkeit erwarten indem ein Ende mit Schrecken herbeigeführt wird.

 

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Hagen.