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Sparen auf Ennepetaler Art?

[jpg] Zum zweiten mal in einem Monat hat das Bundesverfassungsgericht den Politikern und der Regierung des Bundes gesagt, dass was ihr gemacht habt vereinbart sich nicht mit unserem Grundgesetz und darüber hinaus entbehrt es einer vernünftigen Lebenseinstellung. Im Klartext: Ihr habt schlampig gearbeitet, habt irgendwie auch keine Ahnung von der Materie und versucht einen Staat zu organisieren und treibt die Bürger in eine Paranoia. Das Bundesverfassungsgericht hat den Politikern die Gesetze um die Ohren geschlagen, dass es nur so krachte. So die Urteile im Zusammenhang mit der Vorrats Datenspeicherung und Alg 2.

Um das zu verstehen, was unsere Politiker und die angeschlossenen Verwaltungen angerichtet haben muss man sich sprachlich schon etwas verbiegen.

Würden sie einem Menschen ihr Kleinkind anvertrauen, der ihrem Kleinkind zwar Alkoholika und Kneipenbesuche zu gesteht aber die notwendigen Windeln und Babynahrung außen vor lässt? Wohl kaum. Um diesen Menschen würden sie einen großen Bogen machen, denn dieser hat offensichtlich einen großen Wirklichkeitsverlust. Dies im Zusammenhang mit dem Alg 2 Gesetz.
Würden Sie mit einem Menschen in einem Hause wohnen wollen, der Ihre sämtlichen  Aktivitäten, wie Telefonate, Mobilphone-Gespräche, Internetaktivitäten aufzeichnet und diese Aufzeichnungen darüber hinaus ziemlich lasch mit anderen Aufzeichnungen fast jedem zugänglich macht? Wohl kaum. Dies um Zusammenhang mit dem Vorratsspeichergesetz.

Nun werden einige sagen wollen, man kommt nicht gegen den Staat an, er ist zu übermächtig. Falsch. In beiden Fällen haben sich rund 30.000 Menschen zusammen getan und haben geklagt. Vorher haben sie ihre Politiker in ihren Wahlkreisen genervt, mit immer wieder denselben Fragen. Das Bundesverfassungsgericht hat so gar eine von allen Politikern anerkannte Nörglerorganisation zu Rate gezogen, den Chaos Computer Club (CCC).
 Dieser Club gehört zu den Unberührbaren für jede politische Partei, außer der Piratenpartei.

Nun muss man Politiker als auch die Verwaltungen richtig einordnen.  Sie spielen nichts anderes als eine Rolle, die wir ihnen angeblich zugesprochen haben. Sie müssen über alles Bescheid wissen, über allem stehen, jederzeit alles erklären können, sollen unabhängig sein, nur durch uns legitimiert , uns eine glückliche Zukunft eröffnen und darüber hinaus sich um unsere Liebe bemühen. Bei diesem Anforderungskatalog ist sicher ein Scheitern vorprogrammiert. Fehler, die menschlich sind, können unsere Politiker nicht machen. Kurz, sie sind Übermenschen. Und dieses Rollenverständnis haben sie auch angenommen, ja transportieren es noch erweitert in das dumme Volk. Kritiker dieses Systems werden da schnell zu Nörglern, Motzern oder was weiß ich noch, denn die beschädigen ja dieses gelebte Bild. Diese Kritiker werden kurzerhand verbissen.

Dieses gilt nicht nur für den Bund oder das Land, nein, es gilt auch für die kommunale Ebene bei uns in Ennepetal. Nur auf der kommunalen Ebene gerät das leicht zu einem Schmierentheater. Denn hier sitzen uns ehrenamtliche Politiker mit teilweise eingeschränktem Hintergrundwissen, mäßigen Verwaltungsbeamten oder  -angestellten gegenüber. Das wäre ja alles nicht so schlimm, wenn nicht dieses zuvor beschriebene Rollenverständnis vorhanden wäre. Nun, es ist aber nun mal vorhanden. Der Frust in Ennepetal ist groß, sehr groß, gegenüber der Verwaltung als auch den Politikern. Und wie das nun mal bei einem immerwährenden Frust so ist, kommt im Laufe der Jahre beim Bürger Gleichgültigkeit auf. Lass´se doch machen, die machen ja sowieso was sie wollen, so höre ich immer wieder. Nein, wir sollten sie nicht machen lassen, wir sollten ihnen auf die Füße treten. Denn nur so werden diese "Schönredner" erwachen und für die Stadt arbeiten, für unsere Stadt. Und umso heftiger dieser Tritt auf die Füße ist, desto früher werden diese sicherlich netten Menschen aufwachen.

Das Bundesverfassungsgericht hat der Berliner Politprominenz  in den Allerwertesten getreten, machen sie es sinngemäss auf der Ennepetaler Ebene nach.  Besorgen sie sich den Namen ihres Politikers in ihrem Bezirk, fordern sie ihn. Machen Sie einen Bürgerantrag und schicken ihn an den Bürgermeister. Organisieren Sie sich und machen ein Bürgerbegehren um Ihre Ziele durchzusetzen. In anderen Städten hat das alles geklappt.

So haben wir am Samstag, dem 27.02.2010 und am Dienstag, dem 02.03.2010 dem Haupt- und Finanzausschuss beiwohnen dürfen. Thema: Haushalt 2010  Unterthema: Sparen, sparen, sparen.

Uns wurden rund 648 Seiten Zahlenwerk, einschl. Ergänzungen, vorgelegt, die es in sich hatten.

Um es vorweg zu nehmen, der Haushalt verdient nicht den Namen Sparhaushalt. Einnahmen und Ausgaben konnten nur durch eine Inanspruchnahme von direkten und indirekten Krediten ausgeglichen werden. Will heißen, wir verschulden uns noch mehr. Er ist unserer Meinung nach unsolide und hat nur ein Ziel die Defizite einer kurzfristigen Deckung zu zuführen, damit konterkariert er die notwendigen Bemühungen langfristig einen schuldenfreien und ausgeglichenen Haushalt zu erstellen. Auf der Einnahmenseite wurden, im Gegensatz zu den Nachbarstädten, eine Gewerbesteuererhöhung nicht ernsthaft angedacht. Ansatzweise sind noch nicht einmal Anstrengungen zu vermerken, die man als Sparen einordnen kann. Im Grunde verlagert er die Probleme auf die zukünftigen Jahre und darüber hinaus entzieht er weite Teile der Entscheidungen dem Rat der Stadt indem er eine AöR gründen wird. Auch fehlt der Gestaltungswillen der Verwaltung und eine weiterreichende Prioritätenliste die erkennbare Zielsetzungen hinsichtlich Ausgabenkürzungen erkennen lässt. Er ist eine Fortschreibung des bestehenden ohne erkennbare Strategie. Der Rat der Stadt scheint fach- und sachlich nicht in der Lage zu sein, diesen Haushalt dementsprechend zu würdigen, hier fehlt es an erheblichem Hintergrundwissen wie wir an den Einzelmeldungen der Ratsmitglieder während der Sitzungen erfahren durften.

Aus diesem Grunde lehnen wir, mit unserem betriebswirtschaftlichen Hintergrundwissen, diesen Haushalt als unausgewogen und unsolide ab und meinen der Rat der Stadt sollte diesen Haushalt auch ablehnen.

Da aber der Rat der Stadt in seiner Mehrheit nicht das Format hat die Tragweite dieses Haushaltes für die Zukunft richtig zu würdigen, wird dieser Haushalt sicher aus Bequemlichkeit angenommen. Sichtbar werden die, dann allerdings großen Einschränkungen erst in 2 bis 3 Jahren. Dann müssen sich die Ratsmitglieder allerdings die Frage gefallen lassen, warum sie in 2010 diesem Haushalt zugestimmt haben.
                                           
                          

Begründungen nur beispielhaft:

Personal:

Im Vergleich zu anderen Städten hat Ennepetal einen zu hohen Personalstand. Nach unseren Berechnungen könnten 50 bis 100 Stellen gestrichen werden. Dies setzt eine straffere Organisation voraus, gerade auch im Hinblick darauf, dass die Einwohnerzahl der Stadt demnächst die 30.000 Einwohnermarke unterschreiten wird.

Der derzeitige Personalstand entspricht einer Einwohnerzahl von rund 50.000. Mit steigenden Einwohnerzahlen, nur das wollen wir nicht, nehmen auch logischerweise die Leistungen zu, die eine Kommune zu erbringen hat. In diesem Bereich ist ein Einsparpotenzial von rund 4 Mio, welches nicht genutzt wird.

Mut einen Personaleinstellungsstopp zu verhängen, den sucht man bei der Stadt vergeblich.

Städte dieser Größenordnung haben den ersten Beigeordneten auf Grund der Haushaltssituation abgeschafft, Ennepetal leistet sich den Luxus eines ersten Beigeordneten mit der dementsprechenden Gehaltsteigerung von rund 10% ( Rund 500,–Euro ) neu zu wählen. Auf eine dementsprechende öffentliche Ausschreibung, die nicht zwingend vorgesehen ist, wird per Ratsbeschluss verzichtet. Auf die Widersprüchlichkeit bei solch einer Gehaltssteigerung, wo der öffentliche Dienst mit rund 1,2% per anno abgeschlossen hat, möchte ich nicht näher eingehen.

Bezeichnend ist auch die Haltung keine Auszubildenden einzustellen. Ausbildung bedeutet immer auch eine personelle Investition in die Zukunft zu tätigen. Hier kann man festmachen, welche Perspektiven die Stadt in der Zukunft sieht, nämlich keine.

Kennzahlen im Zusammenhang mit der Personalstärke wurden nicht erarbeiten und berichtet.

Wirtschaft:

Nun ist nicht jede Kommune im Wirtschaften unbedingt eine Niete. Ennepetal ist allerdings nicht gerade ein Ass in seinen wirtschaftlichen Bemühungen.

So wird das Platsch, Haus Ennepetal, Kluterhöhle oder auch das ZET seit Jahren hoch subventioniert. Die über die Jahre aufgelaufenen Zuschüsse könnte man gut und gerne verwenden um ganze Innenstädte zu sanieren oder zu erneuern. Auch hier wird weiter gewurschtelt und nicht gespart. Wahnwitzig ist, wenn man 460.000 im Haushalt für ein Blockheizkraftwerk für das Platsch sieht. Ein Blockheizkraftwerk nutzt die Energie zwar effizienter, kann aber doch nicht die Verluste beseitigen.

Ein auf Erfolg ausgerichtetes Management gibt es nicht, automatisch werden die Deckungslücken durch den Steuerzahler ausgeglichen. Hier könnten Millionen eingespart werden, denn die Stadtverwaltung konnte bisher keine Konzepte erarbeiten, damit sich diese Gebäude selber tragen, geschweige denn Gewinne abwerfen. Möglich wäre es schon, nur dann müsste man langfristiger denken und nicht alles schleifen lassen. Mittelfristig werden im Haus Ennepetal Sanierungskosten in ungeahnter Höhe notwendig, auch ist hier die Haustechnik als veraltet zu bezeichnen.

Auslastungskennziffern, als Maßstab der Erfolgskontrolle, sucht man hier vergeblich.
Das Citymanagement ist schlicht und ergreifend nach unserer Meinung gescheitert. Warum streicht man die restlichen 100 Tsd. nicht und bekennt sich zu dem Scheitern des Projektes? Abgesehen von den Personalkosten die ja auch noch zu Buche schlagen. Einen Plan B gibt es in diesem Zusammenhang ja wohl nicht. Also ersatzlos streichen. In diesem Zusammenhang ist der Beschluss Die Läden in Milspe, und nur in Milspe, am Sonntag an einigen Tagen offen zu lassen, mehr als fragwürdig. Voerde, Büttenberg und andere Stadtteile dürfen nach diesem Beschluss ihre Läden nicht offen lassen.

Dann die neue Baustelle, der Bahnhof. Kein Konzept, keine Idee, noch nicht einmal im Ansatz, nur das ganze in den Fokus der Öffentlichkeit stellen, damit die anderen Baustellen nicht mehr sichtbar sind. Hier droht eine Ausgabe, die durch das Faktische erzeugt wird. Die Finanzierung wird auf einen Bürgerverein abgestellt. Was aber ist wenn dieser Bürgerverein die Investitionssumme nicht zusammen bekommt? Haben wir dann weiterhin diesen maroden Bahnhof auf Jahre hinaus stehen? Muss die Stadt dann in die Finanzierung eintreten?

Stadtportal Milspe, auch hier eine Idee ohne Erfolgsaussichten. Man kann nur hoffen der Antrag wird nicht bewilligt. Die Struktur der Milsper Innenstadt ist investitionsfeindlich, wofür ein Stadtportal? Auch hier wäre es vielleicht gut, die Haushaltsansätze zu streichen.

Oelkinghausen, hier wurden und werden Millionen in Infrastrukturmaßnahmen, wie Erschließungskosten, reingestellt. Ob diese Aufwendungen durch dementsprechende Einnahmen sich rechnen wird nicht übermittelt.

Hat hier jemand mal festgehalten, ob die investierten Beträge auch einen Return hatten? Bedarfs- und zeitgerechte Investitionen sollte hier ein Stichwort sein.

Finanzen:

Durch die Schuldenmacherei kommen auf uns und unsere Kinder Zinsbelastungen in Millionenhöhe in die zukünftigen Haushalte. Dadurch wird, übrigens wie in anderen Kommunen auch, die Manövriermasse im investiven aber auch konsumtiven Bereichen sehr viel geringer. Die Bürger sollten sich schon einmal vorbereiten, dass sie die öffentlichen Grünflächen selber pflegen sollten, weil ja die Zinsen getilgt werden müssen.

Sport, Jugend und Soziales:

Obwohl die gesundheitlichen Risiken enorm sind, wurden und werden alle Sportplätze mit Kunstrasen ausgestattet.  So meinte der Mannschaftsarzt des FC Bayern 2006 Dr. Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt. "Die Muskulatur auf Kunstrasen ist immer stärker belastet, genauso die Gelenke und Lendenwirbel. Der Muskel nimmt eine andere Spannung an. Dadurch kann es zu Rissen und Zerrungen kommen." Aber nicht nur der, sondern der Sprecher der Spieler-Gewerkschaft Österreichs, Gernot Zirngast äußerte sich 2008 genauso.
Das sind mal eben Summen in sechstelliger Höhe. Eine Refinanzierung findet übrigens nicht statt.

Auf der anderen Seite wird für die Kinder und Jugendlichen auf der Strasse die langfristige Finanzierung der aufsuchenden Sozialarbeit verweigert und auf andere Träger umgelegt. Diesen Kosten im fünfstelligen Bereich stehen die fragwürdigen  Kosten im sechsstelligen Bereich gegenüber. Der Kunstrasen hätte sicherlich eingespart werden können. Und nur deshalb, weil sich Eltern beschwert haben, dass ihre Kinder auf Naturrasen so schmutzig nach Hause kommen? Sehr, sehr fragwürdig. Warum klärt die Eltern keiner auf?

Kultur:

Dieser Bereich ist wie der Jugend- und Sozialbereich der Bereich der immer stiefmütterlich behandelt wird.

Das Projekt Kulturhauptstadt 2010 hat offensichtliche Mängel in der Vernetzung mit den anderen Städten gezeigt.

Die Prioritäten liegen hier bei der Pflege der bestehenden heimischen Vereine und Veranstaltungen, eine Weiterentwicklung findet nicht statt. Dabei haben gerade die Gespräche mit den Teilnehmern des 2010 Projektes gezeigt, welches ungeheueres Einsparpotential in einer Vernetzung mit anderen Städten besteht. Das Sponsoring in anderen Städten ist sehr viel weiter fortgeschritten als in Ennepetal. 

Das Bewusstsein für Kultur ist in Ennepetal nur rudimentär ausgeprägt. Den Entscheidern ist die Rolle der Kultur in einer von der Wirtschaft geprägten Gesellschaft überhaupt nicht klar.

Auf Grund dieser Situation kann man der Stadt mit diesem Haushalt 2010 nicht bescheinigen, dass sie sparen wollten, eher umgekehrt, es werden mehr Schulden gemacht.

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Ennepetal