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„Bitte schaut nicht weg!“


„Bitte schaut nicht weg!“
Hagener Kundgebung gegen Kindesmissbrauch stellt auch klare Forderungen an die Politik

(Radio58 / HL.) Zuspruch aus dem ganzen Land fand an diesem Samstag die mittlerweile zweite Kundgebung gegen den sexuellen Missbrauch von Kindern auf dem Hagener Friedrich-Ebert-Platz.

Selbst aus Nürnberg, dem Saarland und der Pfalz waren Menschen angereist um die Aktion des Hageners Bodie Henryk Ambrusch zu unterstützen, um sich selbst für ihre Meinung und Erfahrungen zu öffnen und dazu aufzurufen, hinsichtlich des täglich stattfindenden sexuellen Missbrauchs das Schweigen zu brechen.

„Das Schweigen brechen“, war auch das Motto der diesjährigen Kundgebung die im Vorfeld mit einigen Schwierigkeiten der Realisierung zu kämpfen hatte, letztlich aber ihren guten Verlauf fand. Initiator Bodie Henryk Ambrusch finanziert diese Veranstaltungen aus eigener Tasche, obwohl er selbst, nach eigenen Worten, als Frührentner von der Grundsicherung lebt.

Bis zum Freitagabend hatte sich noch kein Sponsor für die Bühnentechnik gefunden.

 
„Bitte schaut nicht weg!“
     Foto: Radio58   H.L.

„Das ist mir egal, ich stelle mich auch auf Paletten, um den Menschen die Augen zu öffnen“, hatte Ambrusch im Vorfeld angekündigt und damit unterstrichen, wie wichtig ihm – als selbst Missbrauchsopfer – diese Kundgebung ist.

Glück kurz vor Toresschluss: Aufgrund der vielfältigen Aufrufe fand sich am Freitagabend noch ein Sponsor, der finanzielle Mittel für eine Bühne bereit stellte. Zwar reichte der Betrag nicht für eine, wie geplant, große Bühne, dennoch konnte die Veranstaltung damit in einem vernünftigen Rahmen stattfinden, wenn auch die angekündigte Band aufgrund der geringen Bühnengröße nicht auftreten konnte. Das was Ambrusch am Herzen lag, konnte er trotzdem realisieren: Die Augen zu öffnen und über den noch all zu oft als Tabuthema abgetanen sexuellen Missbrauch zu informieren. Gemeinsam mit vielen Menschen zeigte man nicht nur thematisch Stärke. Am Samstagmittag wurde die Bühne leider an einer Stelle aufgebaut, die keine Möglichkeit der Stromversorgung bot. Unter Zeitdruck wurde dann mit vereinter Muskelkraft die gesamte, aufgebaute Bühne quer über den Friedrich-Ebert-Platz zu ihrem neuen Standort getragen.

Nach einer ergreifenden Begrüßung durch Bodie Henryk Ambrusch startete die Kundgebung mit einer Schweigeminute für alle Opfer des sexuellen Kindesmissbrauchs. Es ist sicherlich nicht leicht für die Opfer, über das zu sprechen, was ihnen widerfahren ist. Erst recht nicht in der Öffentlichkeit, auf einem großen und belebten Platz und vor hunderten von Menschen. Dennoch erreichte Ambrusch sein Ziel, zu dem er immer wieder in verschiedenen Internet-Communities aufruft: nicht über das, was geschehen ist zu schweigen. So fanden doch einige Betroffene auf die Bühne. Sie fanden unter dem Respekt des Publikums die Kraft und die Haltung, über sich zu sprechen und ihre Forderungen zu stellen aber auch Bodie Henryk Ambrusch zu danken, der vielen Opfern Mut macht.

Mit dabei am Samstag auch Vertreter einiger Vereine, die sich nicht nur für Opfer des sexuellen Missbrauchs einsetzen, sondern auch mit ihren klaren Forderungen auf die Politik und die derzeitige Rechtssituation einwirken wollen. Immer wieder die Forderung an die Gesellschaft, nicht weg zu schauen und dort einzuschreiten, wo in dieser Hinsicht dringend Hilfe geboten ist. Klare Forderungen aber auch an die Politik, den Gesetzeshütern bessere und erweiterte Kompetenzen einzuräumen, für verschärfte Strafmaße gegenüber den Tätern zu sorgen und den Schutz für die Kinder zu verbessern.

Originaltöne von der Bühne hier hören (klick)

Auch aus verschiedenen Regionen angereist: Mitglieder (in Biker-Sprache „Member“) des B.A.C.A.A. e.V.. Einer Vereinigung von Bikern in der gesamten Bundesrepublik, die sich aktiv in vielfältiger Hinsicht für Opfer sexuellen Missbrauchs einsetzt, aber auch aktiv Prävention betreibt. Die Mitglieder müssen vor ihrer Aufnahme ein lupenreines erweitertes Polizeiliches Führungszeugnis vorlegen und sich dazu verpflichten, jährlich eine Schulung über die Betreuung von Missbrauchsopfern zu durchlaufen. Auch finanziell setzt sich der Verein für bedürftige Opfer und Hilfsinstitutionen ein.

Th. Brauckmann, Pressesprecher des B.A.C.A.A. e.V., dazu im Radio58-Gespräch hier hören (klick)

Aus der Pfalz angereist: Der Künstler Dieter Jonas mit der gesamten Familie. Jonas wollte es sich nicht nehmen lassen, seine Bilder selbst an die Volme zu bringen, die er der aktuellen Aktion unter der Schirmherrschaft von Oberbürgermeister Jörg Dehm zur Verfügung stellt. Die Ausstellung im Rathaus an der Volme läuft noch bis zum 4. Juni und besteht aus vielen interessanten und aufwändigen Werken von verschiedenen Künstlern aus ganz Deutschland. Die Bilder können im Rathaus an der Volme gekauft werden; die Gelder kommen zu 100 % dem Frauenhaus in Hagen-Hohenlimburg zugute. Aber auch Dieter Jonas war nicht nur zum Überbringen seiner Werke nach Hagen gereist. Auch er wollte der Kundgebung seine Stimme geben. Zudem gab er spontane musikalische Einlagen.

Dieter Jonas im Radio58-Gespräch hier hören (klick)

Aus Nürnberg angereist: Der Künstler Axel Flitsch, der bereits am vergangenen Montag mit seinen Werken die Ausstellung im Hagener Rathaus an der Volme eröffnete. Auch Flitsch ließ es sich nicht nehmen, seine Meinungen und Forderungen zu diesem brisanten Themen öffentlich zu bekunden.

Schafften es nach Auskunft von Bodie Henryk Ambrusch bei der ersten Kundgebung im vergangenen Jahr gerade einmal 50 Menschen vor die Bühne, konnte er sich an diesem Samstag mindestens um eine Steigerung von 100 % freuen. Wohlgemerkt nur im direkten Bühnenbereich. Nicht mitgerechnet die vielen Menschen die während des Samstageinkaufs immer wieder einige Zeit verweilten und die vielen Menschen vor dem Café auf dem Friedrich-Ebert-Platz. Insgesamt eine durchaus friedlich aber ausdrucksvolle Kundgebung, die in so manchen Menschen einiges bewegt haben dürfte.

Bodie Henryk Ambrusch und eine Teilnehmerin aus dem Saarland zur Kundgebung im Radio58-Gespräch hier hören (klick).

Bilder finden Sie hier (klick)