Ein Schmetterling schwebte . . .
[jpg]. . . und suchte einen Weg. Kein Luftzug war im Raum um ihm eine Richtung anzuzeigen.
So schwebte er unablässig über unseren Köpfen, von kurzen Pausen der Stärkung wegen unterbrochen.
Die Köpfe der Journalisten, der Künstler und Organisatoren drehten sich ab und an um dem Schmetterling mit den Augen zu folgen. Manch einer dachte sicher: He, flieg zur Tür und du bist frei. Und dann war er weg – spurlos. Es war während des Pressegespräches vor der Eröffnung der Ruhrtriennale 2013.
Mit einer Europapremiere wird die diesjährige Ruhrtriennale am 23. August eröffnen. „Delusion of the Fury“ von Harry Partch in der Jahrhunderthalle Bochum steht auf dem Programm – Uraufführung war 1969 an der Kalifornischen Universität Los Angeles. Unter der Regie von Prof.Heiner Goebbels kommt ein Stück zur Aufführung was gut und gerne als revolutionär bezeichnet werden kann. |
Revolutionär, weil der Komponist Harry Partch für sein 90 minütiges Musiktheater sämtliche Musikinstrumente neu entworfen und gebaut hatte. Warum? Weil er mit den Möglichkeiten der ihm zur Verfügung stehenden Instrumente nicht zufrieden war. Alle Musikinstrumente wurden von der musikFabrik neu und teilweise verbessert gebaut. So wurden ein Chromelodeon, Crychord, Diamant Marimba oder Eucal Blossom gebaut. Nebenbei bemerkt, die Schreibweise der Musikinstrumente entspricht in etwa dem Klang der Instrumente. Durch den Bau der Instrumente wurden auch die Möglichkeiten des Spielens mit diesen Instrumenten erlernt. Damit entstand ein einzigartiges „Ensemble MusikFabrik“.
Hier haben wir für Sie noch ein ausführliches Video über die aussergewöhnlichen Instrumente eingefügt:
Die chromatische 12 Ton Tonleiter wurde in viele kleinere Töne unterteilt. Das Revolutionäre zeigt sich immer dann wenn man bestehendes über Bord wirft um etwas Neues zu erschaffen. So kann man Partch auch als Erfinder und Visionär sehen dessen Kompositionen eine betörende Schönheit hervorbringen. Durch die feinsten Abstufungen, die Partch mit seinen neuen Instrumenten schaffte, entsteht eine wunderschöne „körperliche Musik“. Aber auch die Art wie er ein Musiktheater aufbaut entspricht nicht den Theatertheorien wie wir es bis dato gewohnt waren. Da werden die Musiker als Chor eingesetzt, Darsteller sollen pantomimisch, tänzerisch und darüber hinaus sängerisch eingesetzt werden. Pausen mochte Partch überhaupt nicht, weil der Erzählfluss unterbunden wird. Zwei Akte gibt es und ein „Exordium“. Der erste Akt, also nach dem Exordium, ist dem japanischen Noh Theater nachempfunden, hält sich aber nicht daran. Der zweite Akt ist eine Art afrikanisches Märchen. Das Exordium ist eine musikalische Einstimmung auf die Musik und die beiden folgenden Akte. Der Gesang wird von einem Tenor-Bariton, Sopran, Bass und einem Chor ( Musiker ) vorgetragen. Dazu gelangen noch zahlreiche Tänzer und Komparsen. Das Bühnenbild wird durch die alles überragenden Musikinstrumente dominiert die eine wunderbare Landschaft darstellen.
Inhaltlich geht es um die Versöhnung der Lebenden mit den Toten. Typisch für asiatische Kulturen spielen die Toten eine starke Rolle im Leben der Menschen, das Obon-Fest oder das hinduistische Dīvalī-Fest, wo einmal im Jahr die Verstorbenen Ahnen gewürdigt werden. Es gibt Tänze und am Ende werden mit schwimmenden Laternen den Verstorbenen der Weg gezeigt.
Und so trifft sich im ersten Akt der Lebende unbeabsichtigt mit dem Toten, der Lebende dringt quasi in das Reich des Toten ein. Die Wut (Fury) des Toten gegenüber dem Lebenden wird in einem wild einsetzenden Tanz gezeigt der mit einer Einsicht endet. Das Festhalten an dem Gefühl von Wut macht keinen Sinn; sie (die Wut) erzeugt einen unruhigen Geist der die eigene Mitte verlässt. So kann nur der Schluss des Toten mit der Aufforderung enden: Betet für mich!
Der zweite Akt ist geprägt von einer Verwechselung die sich durch die gesamte Szenerie zieht.
Ein gehörloser Hobo (Landstreicher) sitzt und macht sich etwas zu essen, als eine Frau kommt und ihn nach ihrem entlaufenen Kind fragt. Da der Hobo (Landstreicher) nichts hören kann macht er der Frau mit Handbewegungen deutlich sie solle verschwinden. Die Handbewegungen versteht die Frau als Richtungsanzeige wo sie ihr Kind finden kann. Die Frau findet das Kind in der angegebenen Richtung. Als sie sich bei dem gehörlosen Hobo (Landstreicher) bedanken will, kriegt der es mit der Angst zu tun. Er meint die Frau will ihn wegen Kindesdiebstahls belangen. Ein Friedensrichter muss her um alles wieder ins Lot zu bringen. Der Richter ist aber kurzsichtig und meint die Frau und der Hobo wollen ihn auf den Arm nehmen. So verurteilt er den Hobo die Frau mit dem süßen Kind zu nehmen und sein Gericht nie wieder zu betreten. Alle sind es zufrieden und finden das Urteil gerecht. Ein Freudentanz wird von einem Unwetter unterbrochen welches die Akteure in die Realität zurück ruft. Als der Sturm vorbei ist, ertönt aus dem Hintergrund: Betet für mich. Es folgen die letzten Themen des „Exordium“ , Tänze, was letztendlich zum Abschluss des Musiktheaters führt.
Es ist eine schöne aber auch schrille und versöhnliche Wahnwelt (Delusion) auch im afrikanischen II. Akt, der ja die Handlung in das Metasphysische überleiten lässt. Jedoch wird man durch Instrumente voll überzeugt, die erahnen lassen um was für Inhalte es geht. Manchmal meint man in den Instrumenten leben Geister die mit dem Publikum verkehren. Aber keine Sorgen es sind friedfertige Geister.
Am 23. August wird es um und in der Jahrhunderthalle Bochum im Westpark die Lichtinstallation Agora/Arena von Mischa Kuball geben. Im Foyer der Jahrhunderthalle Bochum werden wir auf Dan Perjovschis mit www 2013 und seine Zeichnungen treffen. Bereits ab 13:00 Uhr werden 20 Personen im Situation Room die erste Runde eröffnen, hier darf man gespannt auf die neue Arbeit des Theaterkollektivs „Rimini Protokoll“ sein. Für weitere jeweils 20 Personen sind hier noch Karten frei.
Über 150 Veranstaltungen, 43 Produktionen, darunter 30 Urauafführungen, Neuproduktionen, Europäische Erstaufführungen und Deutschlandpremieren werden an 14 Spielstätten die Ruhrtriennale 2013 ausmachen, sowie 800 Künstlerinnen und Künstler aus ca. 25 Länder, darunter 400 Künstler aus NRW.
70% der 43.000 Karten sind inzwischen verkauft, 50% Ermäßigung auf alle Karten gibt es für Schüler/Studenten (unter 27 Jahren) auf alle verfügbaren Karten.
Weiteres über Tickets und Vertrieb im Netz – www.ruhrtriennale.de
Das beste zu Letzt:
No Education
Hier soll durch renommierte Künstler den Kindern eine zwangloser Erfahrung mit der Kunst ermöglicht werden. Es sind nicht Kenner gefragt, es werden Heranwachsende gesucht die Mut haben in die Welt der Kunst einzutauchen. Grenzen sollen fallen, etwa zwischen den Generationen, Sprachen oder Kulturen. Profis und Amateure, Wissen und Nicht-Wissen ergänzen und inspirieren sich.
No Education ist ein Laborversuch der ästhetischen Erfahrung, der in eingefahrene Verhältnisse neue Bewegung bringt.
No Education 2013 sind: Die Stockholmer Gruppe Hidden Mother, der rumänische Zeichner Dan Persovschi, der Kanadier Darren O´Donnel, die von ihm mitgegründete Gruppe Mammalian Diving
Reflex mit den Children´s Choice Awards.
Dramaturgie wird bei Frau Marietta Piekenbrock liegen und die Produktionsleitung macht Frau Cathrin Rose
Über allem steht der Schirmherr – Dr. Gerad Motier Gründungsintendant der Ruhrtriennale.
Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Bochum