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Wir wollen die Wirklichkeit mitspielen lassen

J. Simons  Foto: © Linde Arndt

J. Simons Foto: © Linde Arndt

[jpg] Es ist ein ungemütlicher Tag in Duisburg auf dem Weg zur Gebläsehalle. Es nieselt und ist nasskalt als wir den Landschaftspark mit der eindrucksvollen Industriekulisse betreten. Heute soll offiziell der neue Intendant für 2015-2017 vorgestellt werden. Seit Mai war diese Personalie schon bekannt. Es soll der derzeitige Leiter der Münchner Kammerspiele werden, eines der bedeutendsten deutschen Sprechtheater, welches sich immer wieder mit der Gegenwart auseinander setzt – und das seit 100 Jahren. Sie ahnen es, es ist der Niederländer Johan Simons, dem das Ruhrgebiet nach eigenen Angaben ein besonderes Anliegen ist.

Es ist der „Pott“, Kommissionspräsident Barroso nannte das Ruhrgebiet den „melting pot“, der alles hervorbringt aber auch alles einsaugt. Er reagiert und reflektiert, er ist Armenhaus, birgt aber auch  einen Reichtum, den sich manche Region wünscht. Hochkultur und Straßenkultur gehen friedlich ineinander über. Nirgends gibt es mehr Spielstätten mit alten stillgelegten Fabrikbauten der schon längst vergangenen Industriewirtschaft.

Johan Simons liebt diese Gegend, sind es doch die außergewöhnlichen Orte die Johan Simons und Paul Koek als Innovations-Theater, Theater Hollandia, berühmt gemacht hatten. Das Theater Hollandia spielte damals in Ställen, auf Schrottplätzen oder unter Brücken. Unabhängigkeit und Autonomie sollten die Kunst befördern aber auch die Freiheit der Kunst sichtbar machen. Nicht die große Masse, der Mainstream, sollte bestimmen, der freie Geist sollte der Kunst die Wege weisen.

 

Am Panel v.l.:

v.l.:Stephanie Paeleke-Kuhlmann (Pressesprecherin der Ministerin) / NRW Ministerin Ute Schäfer (Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport) / Karola Geiß-Netthöfel ( Regionaldirektorin RVR) / Prof. Heiner Goebbels (amtierende Intendant der Ruhrtriennale) / Johan Simons (zukünftiger Intendant Ruhrtriennale 2015-2017) / Foto: © Linde Arndt

Es war ein lockerer Pressetermin der von der Ministerin für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen, Ute Schäfer, als Aufsichtsratsvorsitzende der Ruhrtriennale organisiert worden war. Ihre charmante Pressesprecherin Stephanie Paeleke-Kuhlmann moderierte souverän das Treffen. Der amtierende Intendant der Ruhrtriennale, Prof. Heiner Goebbels und die Regionaldirektorin des Regionalverbandes Ruhr (RVR) Karola Geiß-Netthöfel wussten aus ihrer Sicht den Wechsel 2015 positiv zu kommentieren.

So ist dies ein normaler wiederholter Wechsel in der Intendanz, der seit Gründung 2002 durch Gerard Mortier nach jedem 3 jährigen Zyklus stattfindet. War der rote Faden bei Professor Willy Decker die Religion, so gestaltete und gestaltet Professor Heiner Goebbels seine Intendanzzeit ohne thematischen Faden. Schwerpunkte waren bis jetzt die Vorstellung von außergewöhnlichen Komponisten wie John Cage oder Harry Partch, beide Avantgardisten der Musiktheorie.

Und jetzt Johan Simons wieder mit einem rotem Faden, er wird die Beziehungen oder Abhängigkeiten zwischen Mensch, Gesellschaft, Staat und den Institutionen in den Vordergrund stellen – also das Soziale. Betrachtungsmaterial findet er im Ruhrgebiet en masse. So versteht er seine Intendanz spartenübergreifend, in welcher Oper, Sprechtheater und Ballett gleichberechtigt nebeneinander stehen. Konkrete Angaben wollte Johan Simons jedoch noch nicht preisgeben. Aus seinen Arbeiten für die Ruhrtriennale konnte man aber schon erkennen, welchen Weg er ab 2015 einschlagen wird. Abgesehen davon, dass seine Äußerungen eine eindeutige Richtung erkennen lassen. So ist besonders das 2002 inszenierte Stück „Fall der Götter“ nach Luchino Visconti mit der Theatergruppe ZT Hollandia als herausragend hervorzuheben und richtungsweisend.

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Bitter stießen bei der Regionaldirektorin des Regionalverbandes Ruhr (RVR) Karola Geiß-Netthöfel die in letzter Zeit aufkommenden Kommentare zum Ruhrgebiet auf, in denen das Ruhrgebiet als Armenhaus dargestellt wurde. Sie verwies auf den ungeheuren Wandel des Ruhrgebietes, weg von Kohle und Stahl und hin zu mehr Dienstleistungen und eines international anerkannten Kunstbetriebes mit anerkannten Einrichtungen wie der Ruhrtriennale. Man müsse mal auf die Parkplätze gehen, wo Autokennzeichen aus der gesamten europäischen Union zu den Aufführungen zu sehen sind. Recht hat sie.

 

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Duisburg (18.11.2013)

1. Kulturkonferenz mit Focus auf 2020

 

 
Teilnehmer der 1. Kulturkonferenz in Essen                                                                                                                          Foto: © Linde Arndt
 

[la] Es ist zwar schon einige Zeit her, dass in Essen die 1. Kulturkonferenz RUHR stattgefunden hat, wir möchten aber dieses Ereignis vor Abschluss des Jahres 2012 gerne noch dokumentieren.

Nachdem wir das Kulturhauptstadtjahr RUHR2010 von Anfang bis Ende gelebt haben, unser Bildarchiv mit tausenden von aufregenden Zeitdokumenten gefüllt und viele Artikel und Kommentare dazu verfasst haben, begleiten wir auch jetzt die Bemühungen, den Geist der Metropole Ruhr weiter leben zu lassen.

So fand also am 15. September 2012 die erste Konferenz statt, in der über Projekte, Netzwerke und Synergien aus dem Kulturhauptstadtjahr RUHR.2010 gesprochen wurde und wie diese nachhaltig zu nutzen seien. Eingeladen hatten das nordrhein-westfälische Kulturministerium und der Regionalverband Ruhr (RVR). Auf dem Welterbe Zollverein fanden sich mehr als 450 Teilnehmer ein und  diskutierten, aufgeteilt in mehrere Foren, am Nachmittag über die Zukunft der regionalen Kultur nach RUHR.2010 und  die Themen:

  • Forum „Urbane Künste Ruhr – Experimente,
    Möglichkeitsräume und regionale Allianzen“
    Impuls und Leitung: Katja Aßmann, Künstlerische Leitung Urbane Künste Ruhr und
                                    Lukas Crepaz, Geschäftsführer Kultur Ruhr GmbH
    (s. hierzu auch die PDF-Dokumentation der Metropoleruhr)
  • Forum „Kultur- und Kreativwirtschaft:  Zukunft durch Innovation“
    Impuls und Leitung: Prof. Dieter Gorny, Geschäftsführer der european centre for
                                    creative economy GmbH (ecce) Thomas Westphal, Geschäftsführer                  
                                    der Wirtschaftsförderung metropoleruhr GmbH (wmr)
    (s. hierzu auch die PDF-Dokumentation der Metropoleruhr)
 
Katja Aßmann       Foto: © Linde Arndt
   
Axel Biermann                Foto: © Linde Arndt
   
Prof. Dieter Gorny      Foto: © Linde Arndt

Der Vormittag begann mit einem Beitrag  des RVR, der erstmals öffentlich das Konzept des Großprojektes "Metropole Ruhr 2020" vorstellte, welches gemeinsam von Städten, Wirtschaft, Wissenschaft und regionaler Kultur getragen wird. Das erste Programm mit dem Thema "StadtKlima" soll bereits im Jahre 2014 starten. Die Teilnehmer der Konferenz stimmten diesem Vorschlag zu.

(Über die  Kultur-Kooperationen in der Metropole Ruhr gibt es bereits von der RUHR REVUE eine Übersichtskarte die wir Ihnen hier als pdf zur Verfügung stellen.)


Pius Knüsel             Foto: © Linde Arndt
   Pius Knüsel, Direktor der Kulturstiftung Pro Helvetia und Autor der umstrittenen Thesen zum „Kulturinfarkt“, hielt einen Impulsvortrag über
   "Kulturinfarkt" versus "Fähigkeit zur kulturellen Innovation"
wobei er thematisch die Herausforderungen künftiger staatlicher Kulturförderung besonders hervor hob aber auch in Frage stellte.

Ihm entgegnete Prof. Heiner Goebbels, der Intendant der Ruhrtriennale, zu den Fragen nach der Mittelverteilung zwischen etablierter und freier Kultur, indem er die Meinung vertrat, dass eine Förderung sich nicht an der Größe der Häuser, sondern an der künstlerischen Qualität und kulturellen Innovation ausrichten sollte.

(Die Rede von Pius Knüsel finden Sie als pdf in unserem Download-Bereich.)

Als nächstes befasste sich ein Podium, bestehend aus Kulturministerin Ute Schäfer und Kulturdezernenten der Städte Oberhausen (Apostolos Tsalastras), Essen (Andreas Bomheuer), Dortmund (Jörg Stüdemann), Bochum (Michael Townsend) ,  sowie des Kreises Unna (Rainer Stratmann), mit den Erwartungen der Kommunen und des Landes an die regionale Kultur.

Oliver Scheytt, ehemaliger Geschäftsführer der RUHR 2010 GmbH, führte die Moderation.

 
Ministerin Ute Schäfer und Prof. Dr.  Oliver Scheytt              Foto: © Linde Arndt

Es wurden aber auch Stimmen laut, die meinten, dass nur über die neue Säule "Urbane Räume" diskutiert wurde und dass  die im Jahr 2010  im Kulturhauptstadtjahr hervorgetretenen "Starke Orte" irgendwie vernachlässigt würden. Den Vorwurf wies Markus Ambach (MAP) zurück indem er fand, dass sich die "Starken Orte" erst einmal organisieren sollten. Indirekt zweifelte er die Ernsthaftigkeit des Auftretens der Vertreter der "Starken Orte" an. 

Über allem aber steht, was Oliver Scheytt anlässlich der 1. Kulturkonferenz betonte, dass es wichtig ist, den Geist der Kulturhauptstadt weiter in die Zukunft zu tragen.

Linde Arndt für EN-Mosaik aus Essen

[Weitere Fotos der Veranstaltung finden Sie in der Fotogallery Linde Arndt]

 

Ein angesehener internationaler NRW Kulturbotschafter

 


Tony Cragg
  [jpg] Ehre, was ist Ehre? Es sind besondere Persönlichkeiten die diesen Wert Ehre noch leben. Professor Berthold Beitz oder der jetzt nach Dresden gegangene Dr. Hartwig Fischer gehören zu solchen Persönlichkeiten. Man zieht den Hut vor ihnen oder verbeugt sich vor ihnen. Leider gibt es nur noch homöopathisch viele Personen mit diesem Wert  in Deutschland. Nichtsdestotrotz konnten wir heute bei der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes 1. Klasse durch Kultusministerin Ute Schäfer in ihrem Ministerium zugegen sein.

Tony Cragg wurde mit diesem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse im Beisein von Familie und vielen Freunden ausgezeichnet. Selbst der ehemalige  Kulturstaatssekretär Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff (CDU) lies es sich nicht nehmen an der Zeremonie teilzunehmen.   Nun ist es nicht so, dass Herr Cragg nicht schon gewürdigt wurde. 2007 erhielt Cragg den „Praemium Imperiale“ des japanischen Kaiserhauses, der immerhin mit 151.000 Euro (15 Millionen Yen) ausgestattet ist. „Praemium Imperiale“ ist der Nobelpreis der Künste und opponiert mit dem Literaturnobelpreis für alle anderen Kunstsparten.

 

Ministerin Schäfer sprach in ihrer Lobrede Cragg als Impulsgeber für das Land NRW, wo er Künstler, Lehrer und seit 2009 Rektor der Kunstakademie Düsseldorf ist. Vielfalt und Schönheit seiner Werke stehen als Gegenpol zu einer Nutzerorientiertheit in unserer Gesellschaft. Wobei das nicht sichtbare der Dinge für Cragg Aufforderung ist diese sichtbar zu machen.


Ministerin Ute Schäfer steckt Antony Cragg persönlich das Bundesverdienstkreuzes 1. Klasse an.
        
Tony Cragg und Gattin nach der Verleihung

1977 zog Cragg von Liverpool nach Wuppertal und zwar genau an die Grenze von Barmen und Elberfeld am Hesselnberg/Bendahl. Anfangs sammelte er Alltagsgegenstände und machte damit seine ersten Exponate im plastischen Bereich. Kurz zuvor hatte er sich von der Malerei fast gänzlich abgewandt. Cragg lebte jahrelang zurück gezogen um sich 1979 dann wieder zurück zu melden. Von da an ging es Schlag auf Schlag aufwärts, es war als wenn sich ein Knoten  gelöst hätte. Seine Formensprache ist von einer fließenden und mehrschichtigen Schönheit die mehrdeutige Assoziationen zu lassen. Ausstellungen im In- und Ausland folgten unter anderem im Louvre (Paris), im  The Brooklyn Museum ( New York) und vielen, vielen internationalen erstklassigen Häusern. Die documenta 7 und 8 verortete ihn als Avantgarde der deutschen Gegenwartskunst in Deutschland obwohl er Brite aus Liverpool war.

         

Cragg hat von der Familie Herberts ein 15 ha großes verwildertes Waldstück mit einer denkmalgeschützten Villa Waldfrieden erworben. Dieses Waldstück wurde zu einem Skulpturenpark ausgebaut und um ein Ausstellungshaus erweitert. Neben diesem Ausstellungshaus welches mit Wechselausstellungen betrieben wird, werden auch auf dem Gelände Dokumentarfilme vorgeführt. Mit „Klangart“ wurde auf dem Grundstück ein Musikfestival organisiert. Nächste Termine 14.+15. Juli mit portugiesischer Fado- und Folkmusik. Cragg trägt den Ehrenring der Stadt Wuppertal und stellt nicht nur für NRW, sondern auch für Wuppertal eine ungeheure Bereicherung dar.

Tony Cragg ist uns kein Unbekannter, am 9. März berichteten wir erstmalig  über ihn.

           

Die Redaktion freut sich außerordentlich über diese Verleihung – Tony Cragg hat es auf Grund seiner künstlerischer Arbeiten und seines Verhaltens verdient. Und, er ist ein wahrhafter Botschafter mit Ehre.

 

 

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Düsseldorf

[Alle Fotos: © Linde Arndt

 

Ministerin Schäfer: 1,6 Millionen Euro zusätzlich für die freie Theaterszene in Nordrhein-Westfalen

Das Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport teilt mit:

1,6 Millionen Euro zusätzlich hat Kulturministerin Ute Schäfer in Düsseldorf für die freie Theaterszene in Nordrhein-Westfalen ange­kündigt. "In den vergangenen Wochen und Monaten wurde in der von uns initiierten Theaterkonferenz viel über die Situation der kommunalen Theater und Orchester diskutiert. Dabei darf man allerdings nicht ver­gessen, dass Nordrhein-Westfalen ebenso über eine vielfältige freie Kulturszene verfügt, die wichtige künstlerische und gesellschafts­politische Impulse setzt. Ihren kritischen Blick auf die Welt zu fördern, ist genauso unsere Aufgabe, wie die Unterstützung der großen Häuser. Deshalb haben wir ein neues Konzept zur Förderung der freien Theaterszene entwickelt, das wir mit zusätzlichen Mitteln ausstatten wollen", erklärte Schäfer.

   

Mit dem neuen Förderkonzept werde die künstlerische Arbeit der freien Szene, ihrer Ensembles und Produktionshäuser gestärkt. Bereits bestehende Förderbereiche sollten dabei sinnvoll ergänzt und neue Synergien der Einzelförderbereiche geschaffen werden. "Ein besonderer Fokus wird auf den Bereichen Produktion und Recherche, Gastspiel­austausch und Vernetzung liegen", sagte Schäfer.

Das Land stellt bislang jährlich rund 4,8 Millionen Euro für die freien Theater, Tanz, Figurentheater, Performance, Festivals, Strukturmaß­nahmen, Einzelkünstler- und Ensembleförderung zur Verfügung. Mit den zusätzlichen 1,6 Millionen Euro werden die Mittel jetzt auf rund 6,4 Mil­lionen Euro jährlich aufgestockt. Damit nimmt Nordrhein-Westfalen neben Berlin die Spitzenposition unter den Bundesländer bei der Förderung der freien darstellenden Kunst ein.

Die Förderbereiche im Einzelnen:

1.Produktion
Mit insgesamt 660.000 Euro werden neun herausragende Produktions­stätten im Jugend- und Erwachsenenbereich gestärkt. Fünf große regional und international relevante Produktionszentren in NRW – in den Regionen Rheinland / Ruhrgebiet / Westfalen – werden mit einem Budget von jeweils 100.000 Euro aufgestockt:

  •     Forum Freies Theater, Düsseldorf
  •     Ringlokschuppen, Mülheim an der Ruhr
  •     Theater im Pumpenhaus, Münster
  •     PACT Zollverein, Essen
  •     Tanzhaus NRW, Düsseldorf

Vier Produktionszentren mit Schwerpunkt Kinder- und Jugendtheater werden mit jeweils zusätzlich 40.000 Euro ausgestattet:

  •       Comedia Theater, Köln
  •       Helios Theater, Hamm
  •      Consol Theater, Gelsenkirchen (bereits 2010 aufgestockt)
  •       Theaterlabor, Bielefeld

2.Kooperation zwischen Stadttheatern und Soziokulturellen Zentren

Mit 100.000 Euro sollen Kooperationen zwischen Stadttheatern und Soziokulturellen Zentren mit innovativen Theaterprojekten gefördert werden.

3.Spitzenförderung

Ab 2012 werden vier Ensembles im Bereich Theater in eine Spitzen­förderung aufgenommen. Die Förderung wird verbindlich für drei Jahre mit jeweils maximal 65.000 Euro bewilligt.

4.Abspielförderung

60.000 Euro werden für die Abspielförderung von hochkarätigen Produktionen für Kinder, Jugendliche und Erwachsene im Tanz und im Theater bereitgestellt, um insbesondere auch in den ländlichen Regionen ein gutes Kulturangebot zu präsentieren.

5.Nachwuchsförderung

Die Mobile Akademie NRW, Stipendien Next Generation und "Nist­plätze" für junge Theatermacher werden mit 100.000 Euro gefördert.

6.Künstlerische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen

Für die künstlerische Arbeit herausragender freier Theater mit Kindern und Jugendlichen sollen  zusätzlich 100.000 Euro bereit gestellt werden.

7.Allgemeine Projektförderung

Die allgemeine Projektförderung wird um 50.000 Euro aufgestockt, damit Förderempfehlungen für Gagen und Mindesthonorare sukzessive umgesetzt werden können.

Es ist vorbei und beginnt jedoch ganz neu

[jpg] Drei Jahre dauert die Intendanz bei der Ruhrtriennale, dann wird der Stuhl des Intendanten wieder neu besetzt. Der neue Intendant findet alle Bühnen und Hallen leer vor; selbst der Vorhang wurde entfernt. Bereit für neue Ideen, bereit die verwaisten Hallen mit Leben zu füllen. Und so sind die Spielstätten in Bochum, Essen, Duisburg und Gladbeck nunmehr einer gewissen Tristesse ausgesetzt, zumal denn aber auch weil nunmehr die dunklen, feuchten und kalten Tage bis zum Beginn der neuen Intendanz vorherrschen werden.

Ruhe kehrt also in die Hallen ein, bis zum wahrscheinlich 16. August 2012. Dann wird unter der neuen Intendanz von Professor Heiner Goebbels aus Gießen sich zum ersten mal der Vorhang  für die Ruhrtriennale 2012 – 2014 öffnen. „Surrogate Cities“ heißt eines seiner herausragenden Werke in welchem die heutige Großstadt in ihrer Urbanität, also in ihrer Geschwindigkeit, Unbeständigkeit oder ihrem Wechsel, Rhythmus und ihrer Konfrontation mit jedem Einzelnen, beschrieben wird. Diese künstlerische Auseinandersetzung mit der modernen Großstadt passt punktgenau zu einer vielleicht werdenden Metropole Ruhr. So wird Professor Goebbels sicherlich einmal ganz andere Akzente in seiner Intendanz setzen, eben passend zu diesem schon lange andauernden Wandel der Metropole Ruhr.

Aber wenn ich diesen Artikel schreibe, schreibe ich diesen unter dem Eindruck der Verabschiedung von Professor Willy Decker mit einem 5 x 5 Meter großen Mandala in der Jahrhunderthalle Bochum.

Kulturministerin Ute Schäfer beschrieb eine gewisse Wehmut als sie den Weg zur Jahrhunderthalle anlässlich der Pressekonferenz zur Jahrhunderthalle herauf fuhr.

Vier Mönche aus Bhutan saßen und knieten vor und auf einem altarähnlichen Podest. Stille, nichts als Stille unterbrochen vom Klicken der Kameraverschlüsse. Bunter Sand wurde zwischen den Fingern der Mönche auf die vorgezeichneten große Fläche gestreut.Ein Mandala ist wie ein Palast in dem alle guten Gedanken aber auch der Atem sich treffen. Dieser Palast wird wie von oben gezeichnet mit dem extra angefertigten Sand „aufgestreut“. Es liegt ein 3D Gebilde (Palast) zugrunde, das sodann in 2D „gestreut“ wird.

   

 In einer früheren Unterweisung habe ich erfahren, dass es mehrere Buddhas gab. Die Vorstufe eines Buddhas ist ein Bodhisattva im Mahayana-Buddhismus. Und in diesem gestreuten Mandala treffen sich alle Buddhas und Bodhisattvas die für die Meditierenden sichtbar sind. Sie erfahren von allen Wünschen, Gebeten, Gedanken der sie umgebenen Personen. „Karuna“ heißt das Stichwort was im Buddhismus eine zentrale Rolle spielt. Und „Karuna“, was soviel wie mitfühlen oder auch mitleiden ( nicht i.S. von einem herablassenden Mitleid) bedeutet, nimmt alle diese in der meditativen Anfertigung des Mandalas erfahrenen feinstofflich anhaftenden Gedanken auf.

Dieser Palast Ruhrtriennale hatte viele gute Taten während der Intendanz von Professor Decker. Denken wir an die Premiere am 22. August 2009. Es war „Moses und Aron“ von Arnold Schönberg womit Professor Decker die Metropole Ruhr in der Jahrhunderthalle Bochum bekannt machte. Moses dem das Wort fehlte um es zu verkünden und Aron der es zwar kannte jedoch nicht anwenden konnte. 2010 starb im August Christoph Schlingensief der für dieses Jahr fest eingeplant war. Er sollte mit dem „Projekt S.M.A.S.H“ die Kunst der Gesellschaft neu auflegen: Die Kunst als Überlebenskämpferin der Menschheit. Das Henze Projekt mit „Gisela und dann 2011 mit „Tristan und Isolde“ ein Finale das alle in seinem Bann zog und erzittern lies. Decker brachte uns die Spiritualität näher: Der offene Geist der alles zu bewegen im Stande ist.

Das Scheitern des Einzelnen welches einen Neubeginn mit einer ungeahnten Kraft erbringt.

Was mich begeisterte: Es waren immer wieder viele junge Menschen bei den Aufführungen zu sehen. Es waren auch ganz einfache Zuschauer in den Hallen, die begeistert und nachdenklich den Aufführungen folgten.

Als ich mich mit Professor Decker über seine Wünsche unterhielt, so wusste er mir nichts geringeres als den weltlichen Frieden anzubieten. Geht es nicht kleiner, so meine Frage? Es ist schon klein genug, so Decker.

Und dann kam am Sonntag, dem 9. Oktober der Tag an dem das Mandala zerstört werden sollte.

 

Die Zerstörung des Mandala sollte vor einem großen Publikum [800 Gäste] in einem feierlichen Akt vorgenommen werden. Und es kamen auch Ministerin Ute Schäfer, Bundestagspräsident Norbert Lammert, Staatsekretär Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff um nur einige zu nennen, die wir sehen konnten.

   

Das Vokalensemble Chor Werk Ruhr stimmte uns mit einer mittelalterlichen Sequenz für Frauenstimmen von Hildegard von Bingen „De sancto Ruperto“ ein. Der Frauenchor sang in der Halle aus dem Hintergrund. Dann das „Lux aeterna“ ( Ewiges Licht ) von György Ligeti und dann „A Rose Is a Rose Is a Round“ von James Tenney. Jetzt stand der 16 stimmige Chor vorne gegenüber den Mönchen aus Bhutan. Die Leitung hatte Rupert Huber. Bis hier war es ein sehr, sehr feierlicher und gefasster Akt europäischer Prägung.

   

Als der Chor unter Applaus nach hinten abging, setzte nunmehr der Mönch Lopen Ugyen Dorji mit seinem rituellen Gesang ein. Es sind die Worte der Vorbereitung die notwendig sind um den eigentlichen Akt, die Zerstörung des Mandala, auszuführen. Von vier Seiten ging Dorji das Mandala an um mit einem Diamanten das Mandala zu zerstören. Wobei Zerstörung ist ein zu hartes Wort für diese Handlung. Denn wir sind es ja selber die in diesem Mandala sind, zwar nur unsere Gedanken, aber immerhin. Es ist mehr ein mitfühlendes öffnen der Zeichnung ( Palast ! ). Denn immerhin haben sich in diesem Mandala alle Buddhas und Bodhisattvas für einen kurzen Augenblick versammelt, und das sind nach den bekannten Aufzeichnungen nicht wenige. Auch das Zusammenfegen des Sandes ging mit der höchsten Achtsamkeit vor sich. Drei Gefäße wurden mit Sand gefüllt. Ein Gefäß wurde mit einer feierlichen Prozession dem an der Jahrhunderthalle gelegenen Gewässer übergeben. Das war es? Ja, mit dieser Handlung sind alle Inhalte der Intendanz von Professor Willy Decker dem Gewässer über geben worden.

   

Das schöne an dieser Geschichte ist, Deckers Jahre sind nicht weg, sie wurden dem unendlichen Universum gegeben. Jetzt ist der Platz geschaffen worden, das Neue kann kommen. Und wenn jemand irgendwo auf der Welt das Gefühl hat, genau das habe ich schon mal gesehen, gespürt, gefühlt,  es ist dann der nicht mehr anhaftende Geist der Ruhrtriennale 2009 – 2011 der in diesem Moment anwesend war.

Ich könnte jetzt noch Zahlen ohne Ende aufschreiben um ihnen zu sagen, was die Intendanz eines Professor Decker doch für ein Erfolg war. Aber was ist die Essenz dieser Intendanz? Nun, ich denke unter dem Eindruck der Zerstörung des Mandalas würde sehr gut ein sehr bekanntes Haiku passen:

 

Diese Tautropfen-Welt

Mag ein Tautropfen sein,

Und doch…

(Kobayashi Issa)

Kobayashi Issa schrieb dieses Haiku unter dem Eindruck des Verlustes seines Lieblingssohnes.

Übrigens fiel mir das Ende dieses Artikels ein als ich eine Besucherin mit einem Band von Haikus sah. Sie hatte so etwas heiteres an sich als ich mit ihr ins Gespräch kam. Vielleicht hatte sie die Gedanken in sich die das Sandkorn eines anderen Mandalas in ihr geweckt hatte. Wer weiß.

Von unserer Seite wünschen wir Herrn Professor Willy Decker alles Gutes auf seinem weiteren Weg und die heitere Gelassenheit die notwendig ist um ein Vorwärtskommen auf dem Weg, seinem Weg,  zu erreichen.

 

 

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Bochum

 

[alle Fotos © Linde Arndt]