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Mitten in der Gesellschaft und nicht am Rande

Das ehemalige Opel-Autohaus van Eupen wird für die Flüchtlinge hergerichtet. Foto: ( c) Linde Arndt

Das ehemalige Opel-Autohaus van Eupen wird für die Flüchtlinge hergerichtet. Foto: ( c) Linde Arndt

[jpg] Es ist schwer in Deutschland in diesen Tagen. Einmal am Tage muss man europäischen Bekannten und Freunden erklären, dass die deutschen Politiker nicht von einer schweren Krankheit befallen sind. Jeden Tag werden irgendwelche Botschaften unwidersprochen von irgendwelchen Politikern in die Welt gesetzt. Das letzte Bubenstück: CDU und CSU haben sich auf eine Transitzone entlang der deutschen Grenze geeinigt. Eine europäische Entsprechung sind die „Hotspots“ in den Mittelmeerländern. Beides sind Lager in denen nach guten und schlechten Flüchtlingen selektiert werden soll. Mit hohen Zäunen versehen, die die Bewegungsfreiheit der Flüchtlinge eingrenzen. Die Lager Saatari, Qaraoun oder Öncüpinar sind nur 3 von mehreren Dutzenden Lagern für syrische Kriegsflüchtlinge, haben aber nicht den Gefangenencharakter wie die Hotspots oder die Transitlager.


[Beispiel eines Hotspots]

Denkt man diese Vorschläge, bezüglich der Transitlager, zuende, so müsste z.Bsp. Deutschland kurzfristig ein riesengroßes Terrain mit Containern, Zelten oder Baracken aufbauen um dort 1 Millionen Menschen unterzubringen, inklusiv einer Infrastruktur, wie Polizei, Gerichte, Gefängnisse, Küchen, Schulen, Lager und sonstige Einrichtungen. Das wäre ein Terrain von der Ausdehnung einer Großstadt wie Köln ( ~400km² ). Denn 2016 werden nicht weniger Flüchtlinge kommen, sondern es werden wieder 1 Millionen Flüchtlinge kommen.

Und was machen unsere Politiker, sie haben Angst und versuchen die Angst an die Bevölkerung weiter zu geben. Da geht der Bundesinnenminister her und macht die Flüchtlinge zu potenziellen Schlägern. Bayern will mit seinem Ministerpräsidenten Seehofer und seinem Adlatus Scheuer die Flüchtlinge nach Österreich zurück schicken, die Grenzen dicht machen oder vor dem Bundesverfassungsgericht (BVG) klagen. Ach ja, die Krönung ist, wenn behauptet wird, die Flüchtlinge wären durchsetzt mit Terroristen des IS. Es wird Stimmung gegen die Flüchtlinge gemacht. Das Boot ist voll, reicht einzelnen Politikern nicht mehr.

Parallel kann man beobachten wie Neonazis Aufwind bekommen und „Freude“ an der Brandstiftung entwickeln. Wenn man diese Entwicklung beobachtet, kann man unschwer Wiederholungen ausmachen. Im Ansatz wurden damals die Juden genauso behandelt, die allerdings aus Deutschland fliehen wollten.

Tatsächlich müsste aber jetzt an der Erstellung von Konzepten für die Integration gearbeitet werden und die konsequente Umsetzung daraus. Sprachkompetenz, Sprachkompetenz und nochmals Sprachkompetenz ist der Schlüssel für den Einstieg in eine gelungene Integration.

Es machte Hoffnung, als Bürgermeister Claus Jacobi während des Neujahrsempfangs 2015 die Weichen für ein weitergehendes Integrationskonzept stellte.

War dieses Konzept zu ambitioniert? Personell und finanziell war das Konzept auf ein Sponsoring angewiesen, was auf lange Sicht nicht ohne Risiko sein konnte. In der Stadtverwaltung mussten/müssen sich zwei Kräfte mit dieser Problematik befassen. Gevelsberg war mit diesem Konzept am Anfang, diese damalige Aufbruchstimmung hätte zu einer Blaupause für andere Kommunen dienen können. Denn, nach der organisierten Sprachschulung, die ja letztendlich zu einer Sprachkompetenz geführt hätte, hätte Gevelsberg weitere Module für die, sicherlich anspruchsvolle, integrative Einbindung der Flüchtlinge erarbeiten müssen. Kulturelle Unterschiede hätten begleitet werden müssen und verständlich gemacht werden. Ein großes Thema, die Religion, war noch nicht einmal angedacht worden. Hier bestimmen immer noch die Scharfmacher den Diskurs. Dabei wird der interreligiöse Dialog der abrahamischen oder Abrahams Religionen seit Jahren konstruktiv geführt.

Planung am Projekt van Eupen Foto: (c) Linde Arndt

Planung am Projekt van Eupen Foto: (c) Linde Arndt

Dann aber kam das Amtshilfeersuchen der Bezirksregierung Arnsberg an den Ennepe-Ruhr-Kreis, der Kreis möge doch bitte seine Unterbringungsmöglichkeiten für Flüchtlinge überprüfen. Die Kosten für die Unterbringung würden zu 100% (Die durch Quote zugewiesenen Flüchtlinge werden nur zu 20% getragen) durch das Land NRW getragen. Ennepetal, Sprockhövel und Witten meldeten 350 Plätze, die heute, nach anfänglichen organisatorischen Schwierigkeiten, belegt sind.

Rund 4 Wochen später zog Gevelsberg nach und meldete die angemietete Immobilie Am Sinnerhoop 17, ein ehemaliges Autohaus, die durch die Stadt zum 1.Oktober angemietet wurde.

In einem mit dem Ennepe-Ruhr-Kreis geführten Pressegespräch, erläuterten Bürgermeister Claus Jacobi und Michael Schäfer, Fachbereich III „Ordnung und Straßenverkehr“ des Ennepe-Ruhr-Kreises die zukünftige Nutzung und Organisation der angemieteten Immobilie.

Halle für Flüchtlingsversorgung durch den Kreis Foto: (c) Linde Arndt

Halle für Flüchtlingsversorgung durch den Kreis Foto: (c) Linde Arndt

147 Flüchtlinge werden für die Erstaufnahme das Haus belegen, 64 Flüchtlinge werden Schlafplätze als dauerhafte Notunterkunft bekommen. Daneben werden alle notwendigen Voraussetzungen der Erstaufnahme für eine zentralen stationären Einrichtung vorhanden sein. Dies geht von der medizinischen Erstuntersuchung bis zur ersten Erfassung und Registrierung der persönlichen Daten. Es soll letztendlich ein Drehkreuz (ein schreckliches Wort) für neu angekommene Flüchtlinge werden. 5-6 Wochen wird die Stadt Gevelsberg keine Zuweisungen von Flüchtlingen aus dem Quotensystem des Landes NRW bekommen. Die auf die im Kreis befindlichen Flüchtlings-Einrichtungen zukommenden gesetzlichen Änderungen, die sich schon in der Abstimmungsphase befinden, wurden organisatorisch noch nicht berücksichtigt. Es fehlt nur noch die Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt. Allerdings befindet die Gesundheitskarte, die auf der Ministerpräsidentenkonferenz im Kanzleramt beschlossen wurde, sich schon als Vorlage im Rat der Stadt Gevelsberg wieder. Die Gesundheitskarte ist eine freiwillige Leistung, wobei die Kommune medizinische Kosten, als Pflichtaufgabe ausgleichen muss. Es gibt aber starke Einschränkungen der medizinischen Leistungen durch die Kommunen.

Für die Immobilie wird nach Bezug durch die Flüchtlinge ein Sicherheitsdienst im 24/7 Schichtbetrieb beauftragt. Die Flüchtlinge werden nur kurzfristig, so der Gedanke, in der Immobilie verbleiben um sodann auf die Kommunen in NRW verteilt zu werden. Die bis Mitte November geplanten Gesetzesänderungen, wonach den Einrichtungen die Flüchtlinge 6 Monate erhalten bleiben und das hier die Registrierung für das BAMF erfolgen soll, wurden noch nicht berücksichtigt.

In den Erstaufnahmeeinrichtungen könnte auch die angestrebte Selektion erfolgen, wonach nur die Flüchtlinge mit einer 75%igen Aufnahme-Wahrscheinlichkeit im Lager verbleiben dürfen. Es ist fürchterlich hier organisatorisch weiter zu denken.

Für den Kreis soll diese Immobilie die zentrale Anlauf- und Schaltstelle sein. Die ankommenden Flüchtlinge die durch Arnsberg dem EN-Kreis zugewiesen werden, sollen „ Am Sinnerhoop 17“ die Erstaufnahme durchlaufen um dann den Städten des EN-Kreises zugewiesen zu werden.

Der Druck durch den Bund auf die Länder und Kommunen für die Unterbringung der Flüchtlinge wird kurzfristig nicht geringer. In Brüssel konnte man am Donnerstag dem 15. Oktober keine Einigung über eine permanente Verteilung der Flüchtlinge auf die 28 EU Staaten erreichen. Das Rats Consilium brach seine Sitzung schon nach einem Tag ab. Es bleibt also bei den einmalig 160.000 Flüchtlingen die verteilt werden sollen. Geeinigt hat man sich aber hinsichtlich der Hotspots in Griechenland und Italien und mit der Aufnahme von Verhandlungen mit der Türkei.

Zurück zu Gevelsberg. Was fehlt ist eine Vorzeigestadt die den Flüchtlingen aber auch der Gastkommune einen weitergehenden und begehbaren Weg der Integration zeigt. Man sollte weg von diesem, meiner Meinung nach, hysterischen Aktionismus kommen und die Wege der Integration ruhig und geordnet gehen. Man sollte nicht bei jeden Aufschrei zusammenzucken und sich dann wegducken. Und man sollte sich nicht in seinen personellen und finanziellen Möglichkeiten verzetteln. Der Bund hat mit den Ländern die finanziellen Eckdaten für die Flüchtlingshilfe verabschiedet. Da die Finanzhilfen des Bundes über die Länder an die Kommunen verteilt werden, muss man nun warten wie viel in Gevelsberg ankommt.

Nicht vergessen sollten wir, „ Am Sinnerhoop 17“ in Gevelsberg liegt in einem Gewerbegebiet. Hier fehlt die komplette Infrastruktur um am kulturellen und wirtschaftlichen Leben der Gastgeber teilzunehmen. Die Flüchtlinge sind hier „abgeschoben“, Besuch können und dürfen und sollen die Flüchtlinge, außer den registrierten ehrenamtlichen Helfern, nicht empfangen.

 

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik