Offener Brief aus Schwelm
sehr geehrte Damen und Herren, der im Rat vertretenen Parteien,
sehr geehrte Damen und Herren der Presse,
die gestrige Finanzausschusssitzung möchte ich zum Anlass nehmen ihnen einige meiner Gedanken zum Thema Zentralisierung der Verwaltung mitzuteilen, weil ich den Eindruck habe, dass sowohl von großen Teilen der Politik als auch der Verwaltung, nur einseitig, der Haushaltslage und dem Kostendiktat geschuldet, diese Aufgabe angegangen wird und nicht fachbereichsübergreifend und zukunftsweisend zu Ende gedacht wird.
Wie komme ich zu diesem Eindruck ?
Nun, die Politik hat es nun nachweislich geschafft die Innenstadtentwicklung in den letzten Jahren bei einem großen, zukunftsweisenden Projekt zu verzögern, soweit so schlecht.
Jetzt wo die Chance besteht, einen über Jahrzehnte wirksamen und nachhaltigen Beitrag zu leisten, die Innenstadt mit einem zentralen Verwaltungsstandort zusätzlich aufzuwerten, wird das Projekt auf einen Standort fokussiert, der bei seriöser Betrachtungsweise sicherlich einen Kostenvorteil bei der Baurealisierung hat, aber auch viele Nachteile.
Alle Entscheidungsträger sollten einmal darüber nachdenken, dass die Realisierung solcher Projekte eine Symbolkraft hat, die nicht zu unterschätzen ist. Ich stelle mir eine Verwaltung, Musikschule und VHS im Innenstadtbereich vor und sehe Menschen, die dann die Stadt beleben und nicht abends im Dunkeln durch ein Wohngebiet huschen, Eltern, die ihre Kinder dort abholen und anschließend in der Fußgängerzone noch einkaufen oder ein Eis essen.
Der Einzelhandel, der seine Resignationsphase dankenswerter Weise, aufgrund des Engagements vieler Personen überwunden hat, würde es ihnen danken.
Ein Innenstadtstandort würde die Verwaltung und dann auch die Politik für jeden sichtbar näher am Bürger belassen und man hätte mit dieser symbolischen Bürgernähe viel eher die Chance der sich ausbreitenden Politikverdrossenheit und Voreingenommenheiten entgegenzuwirken, denn Wahlbeteiligungen von 42 %, wie zuletzt sind nicht akzeptabel.
Aber das, in diesem Zusammenhang, nur am Rande.
Es geht hier wahrlich auch nicht darum einen Palast für die Verwaltung zu errichten, sondern in der Bauausführung penibel dafür Sorge zu tragen, dass wir nicht im Kostenmanagement ein ähnliches Fiasko erleben, wie bei vielen anderen öffentlichen Bauvorhaben ( BER etc.).Ich bin davon überzeugt, dass dies am Innenstadtstandort möglich wäre.
Ich vermisse in ihrer Diskussion und Berichterstattung auch das Bemühen einmal über Finanzierungskonzepte nachzudenken, die etwas kreativer sind, als der Weg zur Bank/Sparkasse. Dieser Denkansatz bietet auch Einsparpotentiale. Es ist richtig, wie von Herrn Schwunk ausgeführt, dass ein Verkauf der Innenstadtliegenschaften sicherlich näher an den Buchwerten liegen würde, bzw. selbstredend einen höheren Erlös erzielen würde als der Standort Holthausstraße.
Es ist auch richtig, wie von Herrn Kranz ausgeführt, dass der Gang zur Verwaltung nicht mehr so oft nötig sein wird, weil viel mehr online erledigt wird, genau wie bei den Bankgeschäften.
Aber genau hier sehe ich das Problem.
Auf diesem Weg wird eine Verwaltung anonymisiert, die Distanz des Bürgers zu den in der Verwaltung handelnden Personen wird größer.
Wir leben in einer Kleinstadt, nicht in einer Metropole.
Wir erledigen unsere Angelegenheiten nicht bei einer Behörde, sondern bei Herrn oder Frau „SoundSo“.
Wir schließen ja auch nicht den Einzelhandel und verlegen ihn an den Stadtrand, weil die nachfolgenden Generationen nur noch online bei Zalando kaufen.
Das ist polemisch, ja, aber Dienstleistung sollte nah und an einem attraktiven Standort bei den Menschen sein. Und insbesondere Verwaltung und Politik sollte für alle sichtbar sein, um dafür zu sorgen, dass das Gefühl bei den Bürgern schwindet, dass über ihren Kopf hinweg entschieden wird. Den Einwohnern muss man das Bewusstsein geben das sie dabei sind und mitgenommen werden.
An dieser Stelle ein Satz zur Bürgerbeteiligung.
Herr Schwunk warnte davor, dass bei einer Bürgerbeteiligung die Gefahr besteht nur darüber zu reden wie hoch die Bordsteine sein sollen und wie Türklinken auszusehen hätten. O-Ton: wenn man jemandem einen Lamborghini oder Golf zur Wahl stellt, nimmt er den Lamborghini.
Mit Verlaub Herr Schwunk, das sollten sie öffentlich nicht so äußern, sie hätten den Zuschauern auch gleich sagen können, ihr seid zu blöd.
Der Rahmen in dem Bürgerbeteiligung stattfindet gibt die Politik vor und wenn die nicht in der Lage ist das vernünftig auszuformulieren, dann hat sie versagt.
Den Rahmen, den sie Frau Bürgermeisterin Grollmann vorgesehen haben, halte ich für zu eng bemessen und die Art und Weise, wie sie das kommuniziert haben in der Rhetorik für unangemessen. Trotz der 100 Tage Schonfrist, die Herr Flüshöh für sie zu Recht eingefordert hat, hätte ich von ihnen, als erfahrene Verwaltungsfachkraft mehr Fingerspitzengefühl erwartet.
Noch ein paar Worte zum Standort Holthausstraße und der Frage welche Konsequenz die Vernichtung von Räumlichkeiten bedeutet, die zur Beschulung geeignet sind.
Richtig ist, dass der Rat beschlossen hat den Standort zum Sommer 2016 zu schließen. Damals konnte man nicht absehen, das wir einen unglaublich hohen Bevölkerungszuwachs durch die Flüchtlingssituation erfahren würden.
Es ist aber nun abzusehen, dass nach Schließung der Hauptschule Platzbedarf entstehen wird. Die Grundschulen, die Realschule und auch das Gymnasium platzen mittlerweile aus allen Nähten. Die Konsequenz wird sein, dass Schwelmer Kinder in anderen Städten nach Unterrichtungsmöglichkeiten suchen müssen. Sollten sie sie finden kostet das meines Wissens die Stadt einen Ausgleichsbetrag pro Schüler in nicht unerheblicher Höhe.
Die Situation wird aber dahin eskalieren, dass in den anderen Städten auch nicht genug Kapazität vorhanden sein wird, weil auch diese einen enormen Zustrom an Menschen verkraften müssen.
Antizipativ wäre es in dieser Situation richtig die Schule West zu erhalten. Die Konsequenz der Schulraumvernichtung wären noch größere Klassen oder Schulunterricht im Container.
Hier an dieser Stelle die Frage, ob es nicht hinnehmbarer wäre einen Teil der Verwaltung vorübergehend während der Bauphase in Containern arbeiten zu lassen, als auf Schulhöfen Container aufzustellen, um dort Kinder zu unterrichten.
Bildung ist der Schlüssel im 21. Jahrhundert, aber wir lassen unsere Kinder jeden Morgen durch eine Tür wieder zurück in die 50er Jahre des 20. Jahrhunderts gehen.
Sind sie sich ihrer Verantwortung dahingehend bewusst, nicht nur was sie unseren Kindern in Zukunft zumuten, sondern auch dem Lehrpersonal, das jetzt schon mit zu großen Klassen kämpfen muss, Inklusion realisieren muss und hierfür personell nicht ausreichend ausgestattet ist ?
Es wird in der Stadt ein unglaublicher sozialer Unfrieden entstehen, wenn die Elternschaft bemerkt, dass das nicht ausreichend vorhandene Lehrpersonal zunehmend an Grenzen stößt und die Qualität des Unterrichts zwangsläufig leidet. Es werden sich Initiativen gründen, wenn es zu spät ist, und sie die Politik daran erinnern, dass sie das doch hätten voraussehen müssen.
Den Ressentiments werden Tür und Tor geöffnet.Lassen sie mich abschließend noch auf einen Punkt hinweisen.
Marktwirtschaftlich ist es ja nun mal so, dass jemand der eine Liegenschaft verkaufen muss, weil er finanziell unter Druck ist, in der Regel einen schlechteren Preis erzielt als jemand, der aus einer Position der Stärke verhandelt.
Hier in Schwelm gibt es einige vermögende Menschen, die von diesem Umstand in der Vergangenheit profitiert haben, weil die Stadt ihr Tafelsilber/Immobilien der Haushaltslage geschuldet verkaufen musste.
Um Missverständnissen vorzubeugen, in der Aussage liegt kein Vorwurf an die Käufer. Es ist ja sogar begrüßenswert, dass sich Schwelmer in Schwelm engagieren.
Warum entwickelt die Stadt nicht selbst eine Immobilie, also schafft Wohnraum und vermarktet?
Jaja, ich hör es schon, sind wir personell nicht für ausgestattet, und so weiter und so fort………….
Aber auch hier die Bitte, nicht die Diskussion darüber gleich im Keim ersticken, Brainstorming an der richtigen Stelle mit den richtigen Leuten könnte vielleicht weiterhelfen
Auch eine Form der Bürgerbeteiligung.
Ich würde mir wünschen, dass eine große Lösung, Rathaus im Innenstadtbereich, realisiert wird und das Politik und Verwaltung darum kämpfen dies zu verwirklichen. Denn, wenn sie es ehrlich gemeint haben Frau Grollmann, ist das ja auch ihr Wunsch. Nur Kampfgeist haben sie noch nicht gezeigt.
Schwelm, den 06. November 2015
Mit freundlichen Grüßen
Norbert Meese
Präsidentenstr. 10
58332 Schwelm
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