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Prometheus der Menschenfreund

Prometheus Aufführung der Ruhrtriennale 2012[jpg] Es geht um Wort, Tat, Raum und Zeit. Dieses sind die hervorstechendsten Inhalte des Prometheus nach Aischylos. Carl Orff erkannte offensichtlich die Zeitlosigkeit dieser Tragödie und schuf dieses eindrucksvolle Musiktheater. So ändern sich die Zeiten, in meiner Schulzeit hätte ich für dieses Aischylos Drama in der Übersetzung die größten Probleme bekommen. Damals kannten die Altphilologen unserer Schule keine Gnade, es musste übersetzt werden. Am 16. September war Premiere des Prometheus nach Aischylos von Carl Orff in der Duisburger Kraftzentrale Im Rahmen der Ruhrtriennale. Das ganze Stück in Altgriechisch und das mit meinen weniger als rudimentär zu nennenden Sprachkenntnissen. Es kam aber ganz anders, denn Peter Rundel (Musikalische Leitung) und Lemi Ponifasio ( Regie, Bühne und Kostüm ) brachten einen Prometheus zur Aufführung,  der die Inhalte erfahr- und erfühlbar machte. Musik als Sprachverstärkung,  die aber die Sprache nicht unterdrückt, vielmehr die inhaltliche Dramatik des Stückes verstärkt um der Erfahrbarkeit des Stückes wegen. Und das Stück hat es in sich und konnte in der Duisburger Kraftzentrale aus dem Vollen schöpfen. Die Halle, rund 170 meter lang, die noch vorhandenen Industrieaufbauten, die morbide erscheinenden Wände  mit dem verspiegelten und indirekt beleuchteten Bühnenbild, mit einer zerklüfteten Wand (Felswand)auf der rechten Seite, auf der das Orchester mit seinem Dirigenten spielte. Eine unendliche Fläche tat sich dem Betrachter auf. Dies alles ließ ein diffuses Gefühl der Hoffnungslosigkeit aufkommen.

Zum Inhalt und Hintergrund der Tragödie:

In der griechischen Mythologie herrschte Kronos über die Welt. Kronos der seinen eigenen Vater Uranus durch Kastration entmachtet hatte, fürchtete selber durch seine Kinder gewaltsam entmachtet zu werden. Um dem zu entgehen fraß er seine eigenen Kinder die er mit seiner Schwester Rhea hatte. Rhea versteckte das jüngste Kind Zeus und gab dafür Kronos einen in Windeln gewickelten Stein, den Kronos auch sogleich verschlang. Als Zeus groß wurde überwältigte er seinen Vater Kronos und verbrachte ihn für immer auf die „Insel der Seligen“. Einer der Helfer und Freunde von Zeus war unter anderem Prometheus. Als Zeus nun über die Welt herrschte kümmerte sich Prometheus  um die Menschen, er brachte ihnen das Feuer aber auch die Hoffnung. Nur für Zeus waren die Menschen wegen ihrer Sterblichkeit aber auch mangelhaften Einstellung zum Recht unvollkommen, er verbot jedem ihnen in irgendeiner Form zu helfen. Prometheus, höchst moralisch, stellte sich mit dieser Tat gegen Zeus,den Herrscher der Welt. Prometheus dachte allerdings auch, dass seine Freundschaft mit Zeus belastbarer wäre. Ein Irrtum! Zeus schickte Kratos (Macht) mit seiner Schwester Bia (Gewalt) und dem Schmied Hephaistos um Prometheus im fernen Kaukasus für immer an einen Felsen zu schmieden, denn töten konnte Zeus den unsterblichen Prometheus nicht. Um dem Ganzen einen weiteren dramatischen Aspekt zu geben, musste der Adler Ethon jeden Tag dem gefesselten Prometheus die Leber aus dem Leib zerren und verzehren. Prometheus hatte aber noch eine weitere Eigenschaft, er war ein „Seher“ oder Voraussehender und als solcher wusste er auch um das Ende der Herrschaft des Zeus. Zeus schickte Hermes um von Prometheus diese Information zu bekommen, dieser verweigerte sich dem Zeus. Soweit die Inhalte dieser Tragödie mit einigen Hintergrundinformationen des Stückes, um ein Verständnis für dieses  zu erreichen. Es ist ein hochdramatisches Stück welches gerade von dem amerikanischen Regisseur Ridley Scott adaptiert und umgeschrieben wurde. Die Ruhrtriennale 2012 brachte nun den Orffschen Prometheus in Duisburg zur Aufführung. Lemi Ponifasio und Peter Rundel ist es gelungen die Tragödie in Altgriechisch zu inszenieren ohne beim interessierten Besucher das Gefühl aufkommen zu lassen, man benötige die dafür notwendigen altgriechischen Sprachkenntnisse.

Kommen wir nun zur Duisburger Aufführung:

Wenn der Besucher seinen Platz eingenommen hat, sieht er links vorne Prometheus im Halbdunkel sitzen. Das Licht für die Besucher geht aus und die Bühne erscheint einem unendlich weit, in der „Ferne“ sieht man eine Gestalt sich vor einer Wand  bewegen. Je nach Inhalt wird die Bühne mittels Licht, Video oder Spiegelung erweitert. Von rechts oben erkennt man den Dirigenten, der die Verbindung zur Handlung und seinem Orchester aufrecht hält.

Kratos, Bia und Hephaistos kommen wie Schattenmenschen herein um über die Fesselung des Prometheus zu sprechen. Hephaistos zögert den Befehl von Zeus auszuführen, da er mit Prometheus verwandt ist – verständlich. Kratos und Bia sind als typische Befehlsempfänger angelegt, die über den Befehl hinaus Prometheus gequält sehen wollen. Hephaistos ist dabei nur ausführendes Individuum. Prometheus erkennt seine Not und ruft sie in die Welt. Prometheus ist nun physisch zweigeteilt indem er im hinteren Teil der Bühne auf einem „OP-Tisch“ oder „Opferstein“ liegt und vorne links rezitierend oder singend das Geschehen begleitet. Durch seine Anklage erscheinen die Okeanidentöchter die an dem Leid des Prometheus teilnehmen wollen. Die Töchter bieten ihre Hilfe an, erwarten aber eine andere Grundhaltung des Prometheus gegenüber Zeus. Der Frauenchor, ChorWerk Ruhr unter der Leitung von Florian Helgath, erscheint Libellen gleich und  die Okeanidentöchte rumringen  schützend die Gestalt des Prometheus .Stimmlich und sprachlich ein hervorragend besetzter Chor. Aus diesem Chor treten 3 Solistinnen hervor, die die Qualität dieses Chores besonders unter Beweis stellen.

Okeanos tritt auf um Prometheus zum Einlenken gegenüber Zeus zu bewegen. Auch er versucht Prometheus die Schuld an dieser Strafe zu zuweisen. Nun geht zum ersten mal auf allen Vieren im Hintergrund ein "Mensch" über die Bühne. Okeanos will vermitteln, will aber Zeus die Nachricht vom Nachgeben des Prometheus überbringen. Prometheus lehnt die Vermittlungsbemühungen jedoch ab.

Es tritt Io Inachis auf die Bühne. Io hatte eine Beziehung mit Zeus. Io ging diese Beziehung nur ein, weil in ihrem Umfeld ihr alle dazu rieten. Letztendlich wurde sie von ihrem Vater Inachis verstoßen, von Hera der Frau des Zeus bestraft und irrt als Kuh verbannt in der Welt herum. Io haderte mit ihrem Schicksal und hörte vom gleichgelagerten Schicksal des Prometheus. Trotz ihrer eigenen scheinbar unlösbaren und belastenden Probleme bot sie Prometheus ihre Hilfe an. Prometheus lehnt jedoch auch hier ab. Warum? Beiläufig erzählt Prometheus Io, dass er wisse wann die Zeit des Zeus gekommen wäre und auch er (Zeus) untergehen würde. Io versucht Gesprächsweise den Zeitpunkt des Untergangs von Zeus herauszubekommen. Prometheus schweigt hierzu jedoch. Io geht.

Hermes tritt auf und will von Prometheus wissen wann der Zeitpunkt und die Umstände des Sturzes von Zeus kommen würden. Prometheus will diese Information jedoch nur heraus geben wenn Zeus seine Fesselung an den Felsen rückgängig macht. Hermes kündigt Prometheus aufgrund dieser Weigerung den Untergang in den Tartaros an ( Das ist die Hölle (Hades) unter der Hölle, also eine Steigerung der Hölle.) Die Oceaniden bitten Prometheus dem Verlangen von Zeus zu entsprechen. Prometheus lehnt kategorisch ab; denn er weiß um seiner Unsterblichkeit und sein vorausschauendes Wissen. Prometheus will das sich die Oceaniden um ihrer selbst in Sicherheit bringen, sie bleiben jedoch.

Prometheus bezichtigt nun Zeus der Ungerechtigkeit aber auch der „Tyrannei „ Prometheus versinkt mit den Okeaniden und dem Felsen in den unendlichen Tartaros. Soweit den Ablauf der Handlung.

Versuch einer Interpretation der Aufführung

Als Carl Orff 1968 das Stück zur Aufführung brachte, wollte er es nicht psychologisiert sehen. Orff, ein Humanist, wollte der alten Sprache und den Inhalten der großen griechischen Dichter wieder zur neuen Geltung verhelfen. Nur er wusste damals sicher nicht wie die Psychologie sich entwickeln würde. Heute kennen wir auch massenpsychologische Zusammenhänge und deren Ursachen. Prometheus ( Wolfgang Newerla ) spielt seine Rolle unaufgeregt und souverän im Bewusstsein seiner eigenen Macht. Stimmlich  ein Heldenbariton, der weit über die für einen Heldenbariton notwendigen Oktaven verfügt, schauspielerisch ist dies (immerhin) 2 ½ Stunden ohne Pause von Wolfgang Newerla als herausragende Leistung anzusehen. Die Wechsel vom Gesang zu den Rezitationen und umgekehrt waren wie gewollt und ohne Brüche. Und dieser Wechsel ist notwendig um vom klagenden oder anklagenden Prometheus zum souverän agierenden Wissenden zu gelangen, der –  immerhin  noch – ein Faustpfand gegenüber Zeus in der Hinterhand hat. Die Macht des Wissens ist das Thema. Aber auch die Macht des Wortes. Auf der anderen Seite zieht er seine Stärke aus den der Menschen erbrachten Taten. Immerhin hat er die Menschwerdung nicht nur unterstützt sondern sie wesentlich vorangetrieben. Ponifasio lässt wie unbeabsichtigt einen Menschen auf allen Vieren ab und an über die Bühne laufen, Prometheus suchen und letztendlich auch finden. Ein rührendes Erlebnis, wie der auf allen Vieren gehende Mensch sich aufmacht auf „beiden Beinen“ zu stehen. Vor ihm stehen seine Spezies auf zwei Beinen und er steht langsam auf und geht in die Spezies Mensch über. Mag sein, er geht auch unter; denn alle verschwinden in einer Dunkelheit ( Der Geschichte?). Dies alles als Schattenspiel angelegt. Ein Traum, ein Wunschdenken? Zeus der immer das Stück bestimmt, ist klar in seiner Anlage ein Tyrann und hat nicht umsonst die Ängste seines Sturzes entwickelt. Io eine Frau die alles richtig gemacht hat und doch bestraft wird. Brigitte Pinter mit einer gewaltigen Stimme ausgestattet, bringt die widersprüchliche Persönlichkeit der Io über alle Maßen zur Geltung. Der Wechsel von hysterisch, jammernd zu neugierig oder erzählend gelingt Brigitte Pinter ohne Probleme. Sie will nicht mehr verbannt und als Kuh durch die Welten gehen, jeder Verbündete ist ihr da recht um an ihr Ziel zu gelangen. In soweit haben Prometheus und Io die gleichen Probleme, die sie zu Verbündeten machen müsste. Ponifasio legt zwar eine starke Io an, erkennt aber die Schwäche in dieser Frau, die nichts in der Hand hat.

Stichwort die Zeit.

Ponifasio lässt auf beiden Seiten der Bühne im Halbdunkel die Okeaniden als auch die Menschen in langsamem Takt die Seitenbühne abschreiten, ein nicht abreißender Strom. Als sich alles zuspitzt und das Schicksal Prometheus unausweichlich ist, sind auch Mensch und Okeaniden verschwunden – die Zeit ist um.

Stichwort Raum.

Ponifasio benutzte die gesamte Länge der Duisburger Kraftzentrale um die Tat, also Prometheus Fesselung im Hintergrund und das Wort, also die Klage und das Anklagen des Prometheus im Vordergrund darzustellen. Durch diese Anordnung tritt die Handlung der Fesselung durch Zeus in den Hintergrund. Das Mitleiden der Okeaniden und das schützen wollen ist eine Großtat auf der Handlungsebene. Und im Hintergrund geht Prometheus physisch auch unter, nicht jedoch das Wort als Ideal, dies verbleibt vorne bei dem Menschfreund. Mag der Körper auch vergehen, die Idee, ist sie einmal gesagt und getan, bleibt für immer.

Stichwort Politik.

Dieses Stück ist hoch politisch angelegt; zeigt es doch eindringlich die Bewegungs- und Rückständigkeit eines Tyrannen und damit des Systems. Zeus, der narzistisch nur seinem Ego verpflichtet ist. Prometheus ist hierbei der Erneuerer und Veränderer der die Blockaden des Systems überwinden will, indem er einer unterdrückten Spezies hilft sich überhaupt erst zu entwickeln. Er bringt erst das System nach vorne. Aus seiner Person ergeben sich die brennenden Fragen, die jedes Individuum in seiner Uranlage fragt. Seine Erkenntnis zieht er aus einem wie immer gearteten kategorischen Imperativ im Kant´schen Sinne. Und das Macht seine Stärke aus und ist die Schwäche seines Widersachers Zeus. Durch den  Untergang von Prometheus, den Zeus nun herbeigeführt hat, wird nur eines für Zeus gewonnen – Zeit – die er aber nicht hat. So hat Ponifasio Prometheus im Schlussbild mit ausgebreiteten Armen –  noch den Qualm des Untergangs bei sich  als Mahnmal –  in den Tartaros fahren lassen. Denn eines haftet Prometheus, dem Titanen an, die Unsterblichkeit. Ich denke Orff und Ponifasio wollten beide das gleiche, die Unsterblichkeit der Menschwerdung. Hier wird es nie einen Abschluss geben, es wird ein immerwährender Prozess sein. Im Nachhinein gibt es ein großes Lob und zwar ohne Einschränkung. Ja, man hätte ein Laufband installieren können und die Übersetzung von Heiner Müller ablaufen lassen können. Aber was hätte das gebracht? Eine handvoll Altphilologen hätten Übersetzungsfehler gefunden. Aber der große Rest des interessierten Publikums wäre durch diese Laufbänder abgelenkt worden. Und nein, man hätte es eben nicht in deutsch übersetzen sollen. Denn dadurch wäre das Zusammenspiel von Musik und Sprache gefährdet worden. Die altgriechische Sprache hat einen ganz anderen Rhythmus und nur darauf war die Musik abgestimmt. Und im übrigen –  zu jeder Aufführung gehört eine Vorbereitung und ein Programmheft. Viele hatten beides und haben einen Hochgenuss gehabt. Sie auch? Es war zu jeder Zeit eine spannende Aufführung, durch die Ponifasio, Rundel und Helgath dem Besucher das tragische der Prometheus Tragödie so nahe gebracht hatte, das Lust auf mehr entstand.

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Duisburg
[Fotos und Collage: © Linde Arndt]

 

    

Prometheus Aufführung der Ruhrtriennale 2012
Prometheus Untergang in den Tartarus ( Unter der Hölle)

 

 

 

………….Grundinformationen zur Tragödie ………………..

 

Prometheus nach Aischylos (Musiktheater)
Von: Carl Orff
Uraufführung: 24. März 1968 (Stuttgart, Staatstheater Stuttgart)

Zur Inszenierung der Ruhrtriennale2012:

Premiere: 16. September 2012 (Kraftzentrale, Duisburg)

Musikalische Leitung: Peter Rundel
Regie, Bühne, Kostüm, Video: Lemi Ponifasio / MAU
Licht: Helen Todd
Dramaturgie: Stephan Buchberger
Klangregie: Norbert Ommer
Einstudierung Chor: Florian Helgath

Besetzung:

Prometheus: Wolfgang Newerla, Ioanne Papalii (MAU Company)

Kratos: Thomas Moewes

Bia: Kasina Cambell (MAU Company)

Hephaistos: Eric Houzelot

Okeanos: Dale Duesing

Io Inachis : Brigitte Pinter, Helmi Prasetyo (MAU Company)

Hermes: David Bennent


Tänzer: MAU Company
Chor: ChorWerk Ruhr
Orchester: Ensemble musikFabrik, SPLASH, Studenten des Orchesterzentrum | NRW, und Statisterie der Ruhrtriennale

Deutsche Übertragung der Tragödie : Heiner Müller

Der ewige Kampf zwischen Kopf und Bauch

   
Pressekonferenz im Dampfgebläsehaus der Jahrhunderthalle, Bochum v.l. Michal Rovner / Professor Heiner Goebbels / Lemi Ponifasio
 

[jpg] Sie haben schon einmal eine Oper gesehen? Klar. Da gibt es die Ouvertüre mit einem Leitthema, drei Akte. Das wesentliche ist jedoch: Sowohl in der Komposition als auch im Libretto gibt es eine „Linie“ nach der das Stück aufgebaut wird und letztendlich zu seinem Ende kommt.Vergessen sollte man in diesem Jahr diese Regeln. Musik und Text müssen nicht einer Linie folgen. Oder doch?

Am 6. August 2012 war die Auftaktpressekonferenz der Ruhrtriennale 2012/2013/2014, es geht also wieder los.

Der amerikanische Komponist John Cage wäre in diesem Jahr ( 5. September ) 100 Jahre alt geworden. Aus diesem Grunde hat sich Professor Heiner Goebbels entschlossen für die Aufführung von Europeras 1+2 die Regie zu übernehmen. Am 17. August ist Premiere und sämtliche Vorstellungen sind restlos ausverkauft, übrigens, wird an diesem Tage Professor Heiner Goebbels 60 Jahre alt.

Warum Cage? Nur weil er 100 Jahre geworden wäre? Nein. Cage deshalb, weil er als Amerikaner mit dieser Oper den Europäern zeigen wollte, dass auch die USA eine eigene Identität haben sollten. Cage deshalb, weil er mit dieser Oper ein experimentelles Werk geschaffen hat. Cage deshalb, weil gerade die Ruhrtriennale bekannt ist für ihre außergewöhnlichen Produktionen. Kurz, es gibt viele gute Gründe Cage zur Aufführung zu bringen.

Zur Oper selber.
Es gibt auf der Bühne 64 aufgemalte Felder in der 100 Meter weiten Jahrhunderthalle in Bochum. Es gibt 10 herausragende SängerInnen, die von ~ 30 Instrumentalisten und von ~60 Assistenten unterstützt werden. Und dann gibt es noch den Zufallsgenerator. Dieser Zufallsgenerator ( I Ging ) wirft nach einer bestimmten Einstellung eine Feldnummer und meinetwegen eine Arie aus 128 bekannten europäischen zur Verfügung stehenden Opern aus. Zu den Opern gibt es 32 Bilder. Kostüme und Bühnenbilder ergeben sich. Europera 1 dauert 90 Minuten und Europera 2 dauert 45 Minuten. So ist der Regisseur vor der Vorstellung teilweise selber gespannt auf den sich ergebenden Verlauf.

Während der Aufführung entsteht somit eine neue Oper oder aber auch ein neues Gesamtwerk, welches aber so nicht wiederholbar ist. Es sind zwar alles alte Werke der letzten 200 Jahre aber durch die willkürliche Zusammensetzung entstehen neue Melodien, Szenen die zwar bekannt, aber in ihrer Zusammensetzung so noch nie gehört wurden. Problematisch wird es für Menschen die in ihrer Neugier schwach ausgeprägt sind. Man muss sich schon darauf einlassen können. Wie sagte der Intendant der Ruhrfestspiele Recklinghausen Dr. Frank Hoffmann so treffend: Seien Sie neugierig.

Außer  Cages Europera 1& 2 seien noch folgende interessante Vorstellungen erwähnt:

"Lecture on Nothing"

Robert Wilson liest John Cage
            22.  August 2012, 28. August 2012
            Jahrhunderthalle Bochum
 
Künstlergespräch Europeras 1&2

mit Heiner Goebbels und dem Produktionsteam der Inszenierung
19. August 2012, 31. August 2012, 2. September 2012
            Jahrhunderthalle Bochum

tumbletalks 1 – 8

Heiner Goebbels / Holger Noltze
            ab 17.  August 2012
            Museum Folkwang, Essen

 "Current"

Kommen wir zu der anwesenden Künstlerin Michal Rovner. Die israelische Künstlerin ist mit ihrer Arbeit „Current“, die am 18. August in der Mischanlage, Zeche Zollverein, Essen, präsentiert wird, vertreten.

„Datazone 1, cultur table #, 2003"
Parallel wird in den Räumen des  Museums Folkwang ein weiteres Werk „Datazone 1, cultur table #, 2003 zur Ausstellung gelangen.

Mit Tumbletalk 2 wird am nächsten Tag dem 19. August ein Gespräch mit Michal Rovner und Michael Morris stattfinden.

 
Michal Rovner

 Michal Rovner hat mit ihrem Werk „current“ Spuren und Zeiten der Mischanlage aufgenommen und diese in einer Videoarbeit umgesetzt. Die Mischanlage wurde für die Vermengung von verschiedenen Kohlequalitäten gebraucht. Über die Jahre entstanden Rückstände aus den vergangenen Produktionsprozessen. Nimmt man nun die Bauweise der Anlage, den Nutzungs- und Abnutzungsgrad als auch die verbliebenen Rückstände, ergeben sich drei Terminis die dem Kunstwerk zu Grunde liegen.

Rovner ist bekannt für Grenzüberschreitungen in ihrer Kunst, indem sie Grenzen überdehnt um letztendlich ihre Belastbarkeit zu erkunden. Es scheint ihr Spaß zu machen Räume zueinander in eine andere Beziehung zu setzen um sie damit einer Stresssituation auszusetzen. 

Als Israelin wurde sie einer ständigen wechselnden Realität ausgesetzt, deren Gefährdungsgrad sie immer in die Nähe eines mittleren Bebens brachte.
Zu Michal Rovner sei auch gesagt, dass sie eine international anerkannte zeitgenössische Künstlerin ist, die mit Professor Heiner Goebbels seit 2005 eine enge künstlerische Partnerschaft einging. Mit dem Werk „Fields of Fire“, einer großen Video- und Klanginstallation im Jeu de Paume/Paris, hat sie sich einen internationalen Namen gemacht.

„Prometheus“

Vorgestellt hatte sich nunmehr Lemi Ponifasio, gebürtig aus Samoa, als internationaler renommierter Regisseur  und Choreograf Neuseelands. Er wird in der Duisburger Kraftzentrale Carl Orffs ungekürztes Musiktheater „Prometheus“ nach Aischylos  am 16. September (Premiere) zur Aufführung bringen. Wobei nicht unerwähnt bleiben sollte, dass dies eine Neuinszenierung sein wird und darüber hinaus Ponifasios erste Musiktheaterarbeit darstellt. Ponifasio und Carl Orff, zwei Künstler die sich beide  auf die Ästhetik des Beginns (Archetypus) eines wie auch immer gearteten  menschlichen Dialogs zurückziehen. Wobei Prometheus, der Kulturbringer schlechthin, beiden den Stoff liefert, den sie für diese, ihre Arbeit,  gesucht haben. Pontifasio setzt Prometheus in unsere heutige Zeit in der der moderne Mensch sich in der beschleunigten Welt ausgesetzt fühlt. Prometheus und der moderne Mensch begehren in ihren Welten auf um eine andere Welt einzufordern. Regie führt Peter Rundel, Chor wird von dem stimmlich bewährten „Chorwerk Ruhr“ nunmehr unter der Leitung von Florian Helgath, gestellt. Die Tänzer der MAU Company werden die Aufführung verstärken und Prometheus wird von Wolfgang Newerla gesungen.

 
Lemi Ponifasio                


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  Es ist nicht alles beschrieben worden was in der Pipeline ist. Bis zum 17. August werden 900 Künstler angereist sein, die teilweise aus Übersee kommen. Es werden über 100 Veranstaltungen, 37 Produktionen auf 12 verschiedenen Spielstätten aufgeführt. 30 Vorstellungen sind schon ausverkauft, viele haben nur noch Restkarten zu bieten. Wenn es so weiter geht, wird die Ruhrtriennale 2012 eine Auslastung von über 85% haben. Es geht um die Metropole Ruhr und nur dafür ist die Ruhrtriennale geschaffen worden. Jedoch landete der Bereich Kultur in der Metropole Ruhr in einer Studie der Hamburger Berenberg Bank  im unteren Mittelfeld.  Lediglich die Stadt Essen konnte einigermaßen im Kulturranking punkten. Stuttgart, Dresden oder Berlin sind die Städte auf den vorderen Plätzen. 
Wenn man allerdings weiß wo man steht, so kann man seine Kräfte bündeln um nach vorne zu kommen.

Kultur ist und bleibt ein inzwischen harter Faktor bei der Standortfrage eines industriellen Betriebes. Warum? Kultur ist das „Schmiermittel“ der ersten Wahl in einer intakten Gesellschaft. Ein Trost, es wird noch weitere Studien geben. Die Metropole Ruhr wird sicher seine Chancen nutzen.
Bei 900 Künstlern sollte das oben genannte nicht alles sein, woran die Ruhrtriennale arbeitet um am 17. August die Spielzeit 2012/2013 zu beginnen.

Rafael-Lozano Hemmer
Am 17. August wird im Westpark hinter der Jahrhunderthalle Bochum eine interaktive Lichtinstallation, „Pulse Park“ von Rafael-Lozano Hemmer die Besucher überraschen. Der kanadisch-mexikanische Künstler Rafael-Lozano Hemmer  verwandelt mit Einbruch der Dunkelheit den Westpark in einen Lichtpark. Die gemessenen Herzschläge der Besucher steuern einen computergesteuerten Sensor, der übernimmt diese Schläge um sie sodann in Licht- und Tonsignale umzusetzen. Der gesamte Park wird dadurch zu einem einmaligen Begegnungsraum.

"Our CenturY"

Seit dem 16. Juli werden Folke Köbberling und Martin Kaltwasser mit einem Bauprojekt „Our CenturY“ rund um die Jahrhunderthalle Bochum bis zum 30. September mit über hundert Freiwilligen eine Alternative zum derzeitigen sozialen Zusammenleben sichtbar machen. Irgendwie erinnern die beiden an Alexander Mitscherlich mit seinem „Die Unwirtlichkeit unserer Städte. Anstiftung zum Unfrieden“. Unsere heutigen Städte stehen alle vor dem Kollaps, sind fast unbewohnbar, so dass die Menschen aus den Städten fliehen. Folke Köbberling und Martin Kaltwasser setzen unserer eindimensionalen realen Lebensumwelt einen kritischen Widerstand entgegen. Der Fortgang der Arbeiten kann jederzeit bei freiem  Eintritt besichtigt werden. Auch ein Mitmachen ist jederzeit möglich.

 
Folke Köbberling, dahinter v.l. Martin Kaltwasser und Professor Heiner Goebbels                

Ein weiterer Schwerpunkt der Professor Heiner Goebbels am Herzen liegt, sind Studierende aller Fachrichtungen. Während der Ruhrtriennale 2012 wird es einen „Internationalen Festivalcampus“ geben. Dozenten, Studierende und Künstler aus 12 unterschiedlichen Hochschulen des In- und Auslands werden in einen Diskurs mit dem Theater als eigenständige Realität treten. 150 Teilnehmer  werden mit dem Team der Ruhrtriennale eine sicherlich spannende und interessante aber auch strittige Begegnung haben. Des weiteren wird StudentInnen < 27 Jahre auf alle Vorstellungen ein 50% iger Rabatt eingeräumt – dies ist einmalig für die Ruhrtriennale. Auch sind weitere Vergünstigungen für StudentInnen <27 Jahre durch die Intendanz der Ruhrtriennale veröffentlicht worden. Erwähnt sei das „Last-Minute Ticket“ oder der Studentenpass, aber es wurden auch 50 Freikarten für StudentInnen verlost.


Professor Heiner Goebbels im Gespräch
  Selbstredend sind die Aktivitäten die Professor Heiner Goebbels bist jetzt entwickelt hat andere als die seiner Vorgänger.

Und bis jetzt war es immer ein herausragendes Erlebnis die verschiedenen Intendanten vom Gründungsintendant Gerard Mortier angefangen über Jürgen Flimm und Willy Decker mit ihren Arbeiten zu begleiten.

Heiner Goebbels wird mit seiner Persönlichkeit einen weiteren Pfeiler für die Geschichte der Ruhrtriennale darstellen.

Gefühlsmäßig, also mit dem Bauch, sollten wir in den Stücken Wege erkennen, neue Wege, der Kopf sollte diese Wege alsdann benennen können. Kampf entsteht nur dann wenn unsere Unsicherheit uns nicht verlässt.

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Bochum

[alle Fotos © Linde Arndt]