Ist der Rat der Stadt am Nasenring der Stadtverwaltung?
[jpg] Im Verkauf eines Industrieunternehmens kann man nie ohne eine ausgeklügelte Verkaufsstrategie vernünftige Umsätze machen. Dabei kommt es in der Regel nicht darauf an was der Kunde braucht, vielmehr was der Kunde haben sollte. Man ist von seinen Produkten oder Dienstleistungen überzeugt, also sollte der Kunde diese auch bekommen.
Wie funktioniert das eigentlich? Zuerst muss man herausbekommen, wer das sagen in einer Firma hat, das sind bei KMU Unternehmen (Klein- und mittlere Unternehmen) in der Regel nicht mehr als zwei bis drei. Wir sprechen über Aufträge die sechsstellig sind. Dazu kommen noch die betroffenen Abteilungsleiter oder aber auch Sachbearbeiter. Es finden nun Vorgespräche statt. Hier gilt es alles über die Personen herauszubekommen, sei es privat oder auch dienstlich. Diese Informationen werden alle in Berichten gespeichert. Die Kunden, eben die vorgenannten, schildern was sie sich so an Produkten vorstellten und welche Probleme sie damit lösen wollen. Es wird nur ein in etwa Preis genannt. Ich spreche von der IT Branche, der ich eine ganze Zeit lang angehörte.
Nach diesen Gesprächen wird eine Präsentation angefertigt, in die alle bisher erlangten Informationen einfließen. Da gibt es ein Standardpaket, Hardware und Software, plus Schulung. Nun wird ein Termin abgemacht, wozu alle Beteiligten eingeladen werden. Nicht nur die zwei oder drei Entscheider, vielmehr werden alle, die von dieser Investition betroffen sein werden, mit eingeladen. Wir kommen nun auch mit 3 Leuten je nach Auftragsgröße. Die Präsentation läuft dann so ab, indem gesprächsweise die erlangten Informationen einfließen die man erlangt hat. Es entsteht der Eindruck als wenn nur für diese Firma etwas zusammengestellt wurde. Die Personen und deren Abteilungen fließen mit ein aber auch die Geschäftsleitung findet sich in dieser Präsentation wieder. Wir selber sind in dunkelblauen gestreiften Anzügen anwesend, während in der Regel der Betrieb etwas salopper angezogen ist.
Das schafft Überlegenheit und Kompetenz.
Nachdem die Präsentation zu Ende ist werden die einzelnen Personen angesprochen und darauf hingewiesen, wie gut sie uns auf den Weg gebracht haben und wie wir das so auch umgesetzt haben.
In der Präsentation werden mehrere Module und Objekte, die das Arbeitsleben erleichtern, vorgestellt und zwar besonders positiv erwähnt. Nicht unerwähnt bleibt, dass der Mitbewerber logischerweise mehrere Module geordert hatte.
Zum Schluß wird zu einem Meinungsaustausch aufgefordert wobei wir froh wären, jetzt weitere Anregungen aus dieser Firma zu bekommen. Danach ist es so, dass in der Runde fast alle Module als ein "must" eingeordnet werden. Die Gruppe ist kaum mehr zu bremsen. Die Entscheider wollen nun nicht als kleinkariert dastehen und stimmen den Forderungen auch zu. Weitere Fragen werden auch nicht mehr gestellt, es ist von uns ja auch alles gesagt worden. Durch die Vorbereitung und die Art des Vortrages geschieht es sehr oft, dass der anvisierte Auftrag um bis das Dreifache ausfällt.
Fakt ist jedoch bei der Strategie, niemals die Führung aus der Hand zu geben aber den Eindruck erwecken der Andere wäre Herr der Situation und der Kunde wäre was besonderes.
In der Regel sitzen uns Menschen gegenüber die uns fachlich in jeder Hinsicht total unterlegen sind, wagen das aber nie zu zu geben. Wir behandeln sie aber so als wenn sie diese erheblichen Wissensdefizite nicht hätten. Wer traut sich schon zu zugeben, er wisse nicht Bescheid, wenn man ihm ja gesprächweise die Kompetenz zugesprochen hat? Schon mal gar nicht in einer Gruppe (Gruppenzwang). Jeder tut so als wenn er Ahnung hätte – hat er nicht.
Kurz es wird der Auftrag geschrieben und sodann auch unterschrieben, der Termin gesetzt und gut ist.
Hatte der Kunde eine Chance? Nein. Der Kunde wurde glatt am Nasenring geführt. Später sagte man, die wollen es ja nicht anders. Man muss halt die Kunden zu ihrem Glück ein bisschen zwingen.
Als ich nun die beiden Ausschüsse der Stadt besuchte und mir den Ablauf der Sitzungen zu Gemüte führte, erinnerte ich mich an die damaligen Abläufe.
Da waren erst einmal die vielen Informationen die den Mitglieder vorher aus den Fachabteilungen zugeschickt wurden, die teilweise ein fundiertes Wissen erforderten, die aber nicht vorhanden sein konnten. Dann der Gruppenzwang der den Einzelnen nicht in die Lage brachte Fragen zu stellen. Wer will schon als dumm dastehen?
Die Fachbereichsleiter aber auch die Referenten waren allesamt so gekleidet, dass sie den Ausschussmitgliedern Respekt abverlangten. Dann der Vortrag des TOP durch den Vorsitzenden.
Der Vorsitzende gab dann an den Fachbereich ab, der nun seinerseits vortrug. Dann übernahm wieder der Vorsitzende des Ausschusse, der nunmehr evtl. an einen Referenten (Outsourcing) weitergab. Der Referent gab wieder zurück an den Vorsitzenden des Ausschusses. Die "Bälle" wurden so gespielt, dass keine Zwischenfrage gestellt werden konnten, die Themen waren sehr exklusiv und erforderten ein fundiertes Fachwissen. Und da keine Frage? Wenn man nun bedenkt, dass die beteiligten Ausschussmitglieder in der Regel zwar mit einer gewissen Bildung ausgestattet sind, aber auch durch ihre berufliche Ausbildung vorbelastet sind, so mutet es doch irgendwie verdächtig an, wenn bei solchen Themen a la European Energie Award keine Wissensfragen oder Grundsatzfragen gestellt wurden. Es gab nur eine Erklärung, dass einzelne Ausschussmitglied wollte nicht als Dummkopf dastehen. Denn jeder war darauf bedacht, vor dem Anderen als im Bilde dazustehen.
Auf Nachfrage ob denn vorher eine Einführung des Themas stattgefunden hatte, wurde dies verneint. Auf den von mir gemachten Vorwurf, es sollte doch nichts entschieden werden, worüber man nicht Bescheid wisse, wurde nur entgegnet, man sei ja "Hobbypolitiker" und könne nicht über alles Bescheid wissen. Aber wo ist denn das Bewusstsein, dass es auch Entscheidungen gibt die letztendlich zu einer Katastrophe führen können?
Eindrucksvoll wird uns solch eine unselige Gemengelage von Nichtwissen und eingefahrenen Regeln innerhalb eines Stadtrates in Köln vorgeführt, die letztendlich zu einer Katastrophe führte.
Bei der 4 Kilometer langen Nord-Süd- Trasse der Kölner U-Bahn wurden sechs von 12 Baulose an einen Prüfingenieur aus München vergeben, der zwar weitaus der billigste war, jedoch im Nachhinein nicht fachlich in der Lage war, solch ein Gutachten zu erstellen, so das RWTH Aachen. Die Vergaberichtlinien sehen aber nicht ausdrücklich vor, den billigsten Anbieter zu nehmen. Sie sehen auch vor einen anderen Anbieter zu nehmen, wenn der begründete Verdacht besteht, dass der Anbieter nicht den Nachweis erbringen kann, solche Arbeiten schon einmal ausgeführt zu haben.
Diese Vergabe wurde jedoch im Ablauf in nicht öffentlicher Sitzung, so wie vor beschrieben durchgewunken, mit fatalen Folgen. Das Kölner Stadtarchiv und andere angrenzende Häuser stürzten ein und zwei Tote waren zu beklagen. Fragen die die Politiker hätten stellen müssen, wurden in keinem der Gremien gestellt. Es war ja so toll, einen Anbieter gefunden zu haben der es für rund 500 tsd.machte, da stellte niemand die Frage warum die anderen Anbieter bis zu 1,5 mio verlangten.
Das Hickhack was sich jetzt zwischen der KVB und der Stadt Köln darstellt, stellt hierbei nur den Verschiebebahnhof der Verantwortlichkeiten dar.
Nun, was für eine Konsequenz können wir für Ennepetal ziehen?
Für die "immer-weiter-so" Fraktion gibt es nur eine Konsequenz, und zwar, wir haben keine U-Bahn und werden auch nie eine bekommen – Ende. Oder es ist ja noch nie was schiefgegangen.
Für die Nachdenklichen, ich hoffe es gibt noch welche, sollte das ganze System der Ausschüsse und deren Lenkung überdacht werden. Dabei sollte die fachliche Kompetenz der Ausschussmitglieder zu vielen Themen in Frage gestellt werden. Der organisatorische Ablauf ist durch die überbordenden Informationen ( Nürnberger Trichter ) aus den Fachabteilungen nicht angemessen. Der Zeitrahmen indem selbst schwierige Themen abgebildet werden ist unangemessen.
Auf der anderen Seite beobachtete ich den Grundkonflikt zwischen der Verwaltung und dem Rat der Stadt. Die Verwaltung möchte in einem leistungsbedingten Zeitrahmen die Arbeit erledigt haben, dem steht aber der Aufklärungsbedarf und das Wissensdefizit der Ratsmitglieder konträr entgegen.
Wenn man den Rat der Kommune einmal definiert, so ist er kein Parlament, also Legislative, sondern er ist Teil der Stadtverwaltung, also Exekutive. Der Rat ist also ausführendes Organ, kurz sie bilden eine Organschaft Und auf Grund dieser Stellung kann und sollte er sich auch anders organisieren können, die GO NRW hat jedenfalls nichts dagegen. In den Parlamenten gibt es einen Ältestenrat, er evtl. korrigierend in die Abläufe eingreift. Soweit ich informiert bin ist es auf kommunaler Ebene die interfraktionelle Zusammenkunft.
Was bleibt ist die Frage wurde der Nasenring bewusst oder unbewusst aufgezogen und von wem wurde er aufgezogen und geschah das auf freiwilliger Basis?
Jürgen Gerhardt