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Die Zukunftschance des Lokaljournalismus – Perspektiven

v.l.: Moderatorin Andrea Hansen, Alexander Völkel, Holger Jahnke, Anna Mayr, Hans-Josef Vogel   Foto: © Linde Arndt

[jpg] Pünktlich zu den neuen Zahlen der Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern e. V. (IVW) diskutierte die LfM-Stiftung „Vor Ort NRW“ im Dortmunder Lensing-Carrée der Ruhrnachrichten mit rund 100 Medienmachern unterschiedlicher Richtungen.

Print-, e- und Onlinemedien an einem Tisch, wenn das mal gut geht. Vorab gab es einen Workshop von Karsten Lohmeyer und Stephan Goldmann, Inhalt: Wie gehe ich mit dem Internet als Lokaljournalist um. Es war ein mehr technisch gehaltener Vortrag der von einzelnen Fragen unterbrochen wurde. Der Tenor dieses Workshops, Lokaljournalisten müssen mehr Geld bekommen um ihrem Anspruch, welchen auch immer, gerecht zu werden. Die grundsätzliche Frage, hat der lokale Journalismus eine Zukunft, wurde noch nicht einmal im Ansatz gestellt. Wie denn auch?

v.l.: Stephan Goldmann und Karsten Lohmeyer während des Workshops Foto: © Linde Arndt

War man doch nicht einmal bereit eine Definition des Lokaljournalisten zu erstellen. Da mutet die Forderung nach mehr Geld etwas seltsam in unserem Marktwirtschaftssystem an. Es war schon irritierend wie erwachsene Menschen, die ihr lokales Biotop erklären sollten, da saßen und nicht wussten für wen sie arbeiten sollten. Und weil sie das nicht wussten, machten sie einfach das was sie konnten und schrieben schöne Artikel, wie man Artikel so halt schreibt.

 

Nach 5 Stunden fand eine Podiumsdiskussion mit der Moderatorin Andrea Hansen statt. Teilnehmer waren:

 

  • Hans-Josef  Vogel, Bürgermeister von Arnsberg
  • Anna Mayr, Journalistin Ruhrbarone u. a.
  • Holger Jahnke, Chefredakteur Radio Märkischer Kreis
  • Alexander Völkel, Journalist Nordstadtblogger

 

Und ein leerer Stuhl der zwei oder dreimal  für Statements belegt wurde.

v.l.: Moderatorin Andrea Hansen mit Simone Jost-Westendorf und Dr. Tobias Schmid Foto: © Linde Arndt

Vorher wurden Dr. Tobias Schmid (Direktor der LfM) und Simone Jost-Westendorf („Vor Ort NRW – LfM-Stiftung für Lokaljournalismus“ ehemals Stiftung Vielfalt und Partizipation) von Andrea Hansen interviewt. Auch hier eine unscharfe Einstellung was Lokaljournalismus ist oder sein kann, Wunschdenken war angesagt.

 

Podiumsdiskussion

Andrea Hansen stellte nette Fragen und erwartete auch nette Antworten – harmonisch sollte es sein. Auch hier der Tenor, man muss dem Lokaljournalisten nur mehr Geld geben. Und dann passiert was? Der Arnsberger Bürgermeister meinte sogar, man könne doch ehrenamtliche Journalisten, z.Bsp. die Bekanntmachungen von Veranstaltungen in einem Blog machen lassen. Verhaltene Proteste flammten auf. Was die Teilnehmer alle gemein hatten, sie versuchten die Printmedien auf die Online Medien Eins zu Eins zu übertragen. Keine Frage nach qualitativen Veränderungen, im Gegenteil, es herrschte eine gemeinsame Sehnsucht die letzten Bäume im finnischen Karelien zu Papier zu verarbeiten. Etwas verhalten Anna Mayr, die mal für die Ruhrbarone geschrieben hatte und mit dem Artikel „Warum mich der Lokaljournalismus anekelt“ so was wie einen Weckruf erstellt hat, sie wagte die papierlose Ausgabe eines Artikels in die Gesprächsrunde einzuführen. Da ging man jedoch nicht weiter darauf ein.

Ach ja, und da war ja noch der Nordstadtblogger Alexander Völkel dem seine Bloggerei doch nicht so geheuer ist und er deshalb etwas gedrucktes haben wollte. Deshalb gibt es ab sofort, ein richtig gedrucktes Nordstadtmagazin, eben wie früher, als alles noch besser war, als es noch richtiges Geld gab und der Lokaljournalist etwas war in seinem Kiez.

 

Zahlen, Zahlen, Zahlen

5,8% hat alleine die Funke Medien Gruppe (WR,NRZ,WP,WAZ) einer der Medienmonopole nur im letzten Quartal 2016 verloren. Absolut sind das von 534.346 Kunden 33.130 Kunden die sich leise verabschiedet haben.

Im Gebiet unserer Redaktion (168 WR/WP) hat die Gruppe von 04/2009 bis 04/2015 rund 30% an Kunden verloren. Aber und das muss man dazu sagen, auch die anderen Erzeugnisse in den Regionen haben nach den neusten Zahlen teilweise zweistellig verloren.

Diejenigen die dazu gewannen konnten den Verlust im Printbereich durch E-Abo wieder ausgleichen, wie zum Beispiel der Tagesspiegel.

Und die Paywall (Paid Content) scheint auch nicht das neue Geschäftsmodell schlecht hin zu sein. Denn sie geht immer einher mit dem Rückgang von Lesern/Usern.

Und noch ein paar Zahlen: Der Spiegel -2,3%, die Zeit -1,5% und die FAS -6,3%. Und das, Quartal für Quartal, es gibt nur eine Richtung, nach unten. Da mutet es doch wieder anders an, wenn der Freitag (+12,1%) und die Junge Freiheit (+9,7%) jedesmal an Zuwächsen melden kann.

Schaut man etwas genauer hin, sieht man bei beiden Medien diese kritische Distanz zur Mainstreammeinung und die kritische Distanz zum politischen Alltag. Beide Medien haben eine andere Qualität, sie bereiten den Hintergrund mehr auf, um die eigentliche Information verständlicher zu machen. Kann es sein, dass die dramatischen Rückgänge der Printmedien etwas mit der journalistischen Sorgfalt und Qualität zu tun hat?

 

Ausblicke

Wagen wir doch einmal einen Blick in die Glaskugel.

Zur Zeit befinden sich die etablierten Print-Medien (lokal, regional oder überregional) in ihren virtuellen Schützengräben um mit ihren alten Waffen das Internet nach ihren Vorstellungen zu formen und geraten dazu immer mehr in Nöte, denn das Internet funktioniert nicht so, wie ehedem die etablierten Medien (Print- und E-Medien) funktionierten. Quartal für Quartal laufen ihnen dabei die Konsumenten weg.

Durch die etablierten Medien werden Kampagnen gegen das Internet gefahren, die doch recht nachdenklich machen. Da wird der Eindruck erweckt als wenn das Internet voller Kinderschänder, Mafiosis oder Hacker und Fake-Newsschreiber ist, es wird von rechtsfreien Räumen gesprochen.

Das führt dazu, dass Europa und damit Deutschland medial immer mehr ins Hintertreffen gerät. Schaut man sich Twitter, Facebook, Amazon, Ebay und Google an, fragt man sich, warum sind solche Geschäftsmodelle in Europa nicht möglich? Ganz einfach, fragt man als 30 jähriger eine Bank nach einem Kredit über 1 Million, würde man sicher sofort vor die Tür gewiesen. Anders in den USA wo so was möglich ist. Wir Europäer lieben das Risiko nicht und damit bremsen wir unsere Entwicklung in der Geschwindigkeit aus.

Und so ist auch das Verhalten der Mainstreammedien zu erklären, anstatt inhaltlich die medialen Erscheinungen auf den Prüfstand zu legen und neu zu denken, wartet man ab, bis alles wieder so wird wie es früher war.

 

Wir können heute mit 100%iger Sicherheit sagen, das Internet wird es weiter geben, es wird vielleicht seine Erscheinung ändern, mehr aber nicht.

Und so wird der Lokaljournalist, er ist ja der letzte in der Nahrungskette, finanziell und personell immer weiter wie eine Zitrone ausgepresst. Hat der Lokaljournalist denn eine Zukunft als „Litfaßsäule“, an der man Veranstaltungen, Angebote oder Ankündigungen erfahren kann? Nein, über kurz oder lang braucht man die Form nicht mehr. Denn durch eine App oder push-mail könnte man heute schon die vorgenannten Bereiche abbilden, die Anbieter hätten über Wlan/Wifi einen direkten Zugriff auf die App um ihre Angebote aktuell in die App einzupflegen. Mehr noch, der Konsument könnte in Interaktion mit dem Anbieter gehen um inhaltlich seine Häppchen serviert zu bekommen. Das Smartphone wäre die erste Wahl für den Konsumenten von heute. Hinderlich ist zur Zeit in Deutschland das fehlende flächendeckende Breitbandnetz, was andere Staaten ihrer Bevölkerung schon lange vorhalten.

Der Nordstadtblogger Alexander Völkel stellt die neue Printausgabe vor Foto: © Linde Arndt

Was leistet der Lokaljournalist überhaupt?

Er besucht den Kaninchenzüchterverein, die Oma die gerade 95 geworden ist und das Ehepaar welches eine goldene Hochzeit erlebt. Aber welche Zielgruppe fragt solche Informationen noch ab? Wie groß ist sie und wie viel ist sie bereit zu bezahlen. Muss der Lokaljournalist evtl. einen Mehrwert anbieten? Wird der Konsument zeitlebens einen Obolus entrichten um dann mit 95 garantiert eine Veröffentlichung seines hohen Lebensalter in seiner tausend Jahre alten Lokalzeitung zu erwarten? Wohl kaum.

Aber da ist ja noch die Politik. Er besucht die Ratssitzungen und nimmt das Gesagte gottgegeben hin, auch wenn es nicht plausibel ist. Haushaltsrecht, Baurecht oder die Sozialgesetzgebung, dies alles sind für den Lokaljournalisten Bücher mit sieben Siegeln. Der Bürgermeister ist in der Regel ein Fürst in seinen lokalen Gefilden und das von ihm Gesagte ist für den Lokaljournalisten ein Evangelium. Mit der Wirtschaft ist es nicht anders, auch hier schreibt er nur das, was ihm vorgegeben wird. Es wird eine heile lokale Welt gezeichnet die der Lokaljournalist auch noch verstärkt. Manchmal zeichnet er das sogar bis an den Rand einer Karikatur. Man kennt sich und weiß welche Meinung angesagt ist, falls Meinung erwünscht.

Kritische Distanz? Nein. Der Anzeigenkuchen hat eine bestimmte Größe und die will verteilt werden, wie passt da das Internet rein. Verteilungskämpfe in der heilen Welt tun sich auf, zum Schaden der Kommune.

Warum das alles? In der Regel ist der lokale Journalist nicht auf die Facetten die eine Kommune zu bieten hat vorbereitet. Auch die Hintergründe die zu einer politischen Entscheidung führen, kann er nur erahnen. Eine gute Ausbildung wäre jetzt von Nöten, die aber kostet, die der Verlag nicht bereit ist zu tragen. So macht der Lokaljournalist seinen Job, mehr nicht.

Und dafür will er mehr Geld haben? Wo ist der Mehrwert den er bereit ist zu geben?

Um noch einmal die Glaskugel zu bemühen, in ihr steht, in 10 Jahren wird es keinen Lokaljournalisten oder eine -redaktion mehr geben. Die kleinen Städte bis 50.000 Einwohner werden von den Oberzentren journalistisch versorgt werden. Der Kanichenzüchterverein, die 95 jährige Oma aber auch der Stadtrat wird in den Newspapern nicht mehr vorkommen. Die Kleinstadt muss dann zahlen, wenn ein Journalist über sie berichten muss. Es sei denn, jemand fackelt das Rathaus ab; denn das ist eine wirkliche Breaking News.

Hört das jammern auf, packt Euer Schreibzeug ein und versucht als Öffentlichkeitsarbeiter in den großen Firmen unterzukommen. Oder ja,  wenn dieser Journalist etwas mehr Selbstbewusstsein hat, sollte er einen Blog aufmachen und sich mit anderen Bloggern zum Informationsaustausch zusammenschließen. Oder vielleicht selber eine App zu konstruieren?

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Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Dortmund

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