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Frauen werden bei der Katastrophe in Nepal mehr leiden als Männer

[jpg] Nepal ist eine patriarchalische Gesellschaft. Das Erdbeben traf dieses Land zwar nicht ganz unvorbereitet, jedoch fehlen diesem Land die Mittel um die Bevölkerung frühzeitig zu warnen und zu evakuieren. Wenn jetzt die Leitmedien auf die Hauptstadt Kathmandu blicken, so wird vergessen, es sind die Landregionen die im Gebirge liegen, die durch dieses Erdbeben schwer geschädigt wurden und abgeschnitten sind. Bis heute können viele Städte und Dörfer nicht, oder nur mit Hubschrauber, erreicht werden. Wobei die Nepalesische Regierung nur eine handvoll Hubschrauber zur Verfügung stellt. Und die werden noch vorwiegend zur Rettung der Trekkingtouristen zum Basislager des Mont Everest geschickt. In 5.000 Meter Höhe ist die Luft so dünn, dass die Hubschrauber nur 50% zu laden können. In den Tälern, abgelegen von der Hauptstadt Kathmandu, wird jedoch weiter gehungert, gedurstet und was noch schlimmer ist, die Verletzten können nicht versorgt werden. 6.200 Tote meldete Kenneth Roth von Human Rights Watch am 1. Mai um 23:00 Uhr, am 3. Mai um 2:00 Uhr wurde die 7.000 Tote Marke überschritten.

4 Monate altes Baby konnte gerettet werden  Foto: (c) Screenshot

4 Monate altes Baby konnte gerettet werden Foto: (c) Screenshot kathmandutoday.com

Von den Obdachlosen und den Vermissten vermag im Moment niemand zu sprechen, weil die Lage zu unübersichtlich ist. Und trotzdem könnte noch ein Mensch unter den Trümmern lebend geborgen werden – aufgeben gilt nicht. So wie es z.B. bei dem sogenannten „Miracle Child“ der Fall war, das von Steinen und Staub befreit lebend geborgen werden konnte.

Viele europäische Touristen haben sich in die Reihe der einheimischen Helfer eingereiht und  sind nicht abgereist. Die Dramatik könnte sich noch erhöhen, denn der Monsun, also die teilweise sturzbachähnlichen Regenfälle scheinen dieses Jahr früher einzusetzen. Bedingt durch diese Regenfälle mischen sich vermehrt Schlangen unter die im freien kampierenden Menschen. Durch nicht behandelte Schlangenbisse, meisten an den Beinen, besteht die Gefahr einer Blutvergiftung (Sepsis), die unbehandelt einen tödlichen Verlauf nimmt.

Wie immer leiden Frauen mehr als Männer, denn sie sind es, die im Haus an die Kinder gebunden sind. Sie sind es die schwere und schwerste Verletzungen davon tragen, weil sie die Verantwortung für Haus und Kind zu tragen haben. Sie sind es die nach der Katastrophe von ihren Männern und der Gesellschaft alleine gelassen werden, weil ihre Kinder gestorben, weil sie nicht mehr gebärfähig sind oder weil die Verletzungen das Äußere schwer entstellt hat.

Wenn man die dramatischen Rettungsaktionen in der Hauptstadt Nepals sieht, hat man den Eindruck, alles  getan wird um den Nepalesen die Hilfe zuteil kommen zu lassen, die sie benötigen.

Keine Frage, die Bevölkerung braucht das Wasser welches durch die THW Deutschland nutzbar gemacht wird, auch die Rettungsteams mit ihren Hunden aus allen Ländern werden benötigt oder die angekommenen Nahrungsmittel. Nur es fehlt die Versorgung in der Fläche. Und was noch wichtiger ist, es fehlt die gesamte Bandbreite der medizinischen Versorgung. Vor Ort ist das Districtkrankenhaus in Gorkha beschädigt indem die stationäre Abteilung zerstört wurde und die Kapazitäten im Krankenhaus in Bharatpur im Süden von Ghorka sind erschöpft.

Dr, Susanne Grothey beim Telefongespräch mit Hein Stahl  Foto: (c) Linde Arndt

Dr, Susanne Grothey beim Telefongespräch mit Hein Stahl Foto: (c) Linde Arndt

Voll funktionsfähig ist dagegen das SKM-Hospital in Sankhu, etwa 30 Km nordöstlich von Kathmandu gelegen. Die Verletzten werden vor die Tür des Hospitals gelegt, so groß sind die Nöte der Bevölkerung. Hein Stahl hatte Frau Dr. Grothey bereits am 26.4.2015 auf die besondere Situation vor Ort hingewiesen. (Wir berichteten).Viele der Verletzten kampieren unter Plastikplanen im Freien vor dem Hospital. Ärzte und KrankenhelferInnen selektieren täglich die Verletzten nach Dringlichkeit anhand der ersten Diagnose. Das SKM-Hospital arbeitet zur Zeit personell und finanziell an seinen Grenzen. Da das SKM-Hospital voll mit Spenden aus Deutschland finanziert wurde, ist es jetzt dringend auf weitere Spenden angewiesen. Aber nicht nur Spenden werden benötigt, vielmehr werden die deutschen Ärztinnen und Ärzte eingestimmt, dass evtl. ihre persönliche Hilfe vor Ort oder hier in Deutschland benötigt wird.

Dr. Susanne Grothey erklärt die besondere prekäre Situation im  Krankenhaus  Foto: (c) Linde Arndt

Dr. Susanne Grothey erklärt die besondere prekäre Situation im SKM-Hospital in Sankhu Foto: (c) Linde Arndt

Hier kommt der EN-Kreis in den Fokus unseres Artikels. Frau Dr. Susanne Grothey, Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe in Gevelsberg hat sich seit langem  zu den  vielen anderen deutschen Ärztinnen und Ärzten eingereiht, die im SKM-Hospital in Sankhu  unentgeltlich arbeiten. Auch sie wurde von Hein Stahl, dem Geschäftsstellenleiter des SKM-Hospital in Deutschland, alarmiert. Der Aufruf der SKM-Hospital Leitung zur Spende ist an Dringlichkeit nicht zu überbieten. EN-Mosaik sprach mit Frau Dr. Grothey, die uns die Brisanz der Hilfe für das Hospital darlegte. Denn, zum Hospitalbetrieb gehören auch die mobilen medizinischen Versorgungen in den Gebirgsdörfern. Da es in Nepal keine Krankenkassen gibt, muss die medizinische Versorgung in bar entrichtet werden. Bei der Armut der Bevölkerung ist das jedoch nicht möglich, deshalb werden alle ärztliche Leistungen über die Spenden aus Deutschland bezahlt. Ärzte aus Deutschland arbeiten dabei ohne Bezahlung und haben die einheimischen Ärzte an die Verantwortung für das SKM-Hospital heran geführt.

 

Dr. Susanne Grothey im Gespräch mit dem Redakteur Jürgen Gerhardt von EB-Mosaik  Foto: (c) Linde Arndt

Dr. Susanne Grothey im Gespräch mit dem Redakteur Jürgen Gerhardt von EN-Mosaik Foto: (c) Linde Arndt

An Material wird gebraucht:

  • Decken

  • Medikamente

  • Zelte

  • Verbandsmaterial

 

 

Das SKM-Hospital  ist Gott sei Dank nicht zerstört. Das Haus ist im Vergleich zu vielen anderen Einrichtungen vergleichsweise erdbebensicher gebaut.  Schon jetzt sind die Auswirkungen nach dem Erdbeben deutlich  spürbar. Die Kapazitäten sind inzwischen erschöpft. In vielen Hospitälern kann nicht mehr gearbeitet werden. Aus diesem Grunde ist man umso mehr  auf  schnelle Spenden angewiesen, damit Behandlungen fortgesetzt werden können.
Bislang hatte das Krankenhaus  den Schwerpunkt auf den Bereich Gynäkologie und plastischer Chirurgie  gelegt. Dr. Bernhard Uhl, Chefarzt der Frauenklinik am Dinslakener St.-Vincenz-Hospital, hat in Sankhu ein Haus aufgebaut, das sich auf plastische und rekonstruktive Chirurgie spezialisiert. Das Haus wird von  dem gemeinnützigen Verein Interplast Deutschland betrieben. Damit  eine bessere Vernetzung erreicht werden konnte, wurde zudem die Deutsch-Nepalische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe gegründet.

Ärzte, Anästhesisten und Krankenschwestern sind vor Ort tätig. Bis Ende vergangenen Jahres haben die Teams aus Deutschland mehr als 3 000 Frauen betreut und mehr als 150 Operationen durchgeführt. Nun richtet sich der Fokus auf andere, vordringlichere Aktivitäten.

Hier die Adresse der deutschen Geschäftsstelle des Vereins der die Materialhilfe, aber auch sonstige Fragen gerne beantwortet:

Geschäftsstelle Deutschlands:

Interplast Germany e.V. –Sektion Nepalprojekt-

Ansprechpartner: Hein Stahl

Am Mühlengraben 1, D-53773 Hennef

Tel. 02242-80983 oder -874337

Fax 02242-874336

heinstahl@gmx.de

Der Verein bittet um Spenden, mit der man vor Ort Nahrungsmittel oder sauberes Wasser kaufen kann, dies nur als Beispiel. Wobei, schon 10,–Euro genügen um einen Menschen unterzubringen und 200,– Euro für ein 20 Personenzelt ausreichen.

Die Deutsch-Nepalische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DNGGG) hat ein Spendenkonto eingerichtet. Auf direktem Wege soll das Geld zur Unterstützung der Arbeit des Krankenhauses fließen.
– Stichwort Erdbeben; Bankverbindung: Volksbank Dinslaken;
IBAN: DE 68 35 261 248 0 100 70 20 10; BIC: GENODEDIDLK

 

 

Kein Platz mehr im Hospital  Foto: (c) Rosina

Kein Platz mehr im Hospital Foto: (c) Rosina

Situation vor dem SKM  Foto: (c) Rosana

Situation vor dem SKM Foto: (c) Rosina

 

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Gevelsberg

Erdbeben in Nepal – ein Augenzeuge berichtet

[la] Dr. Susanne Grothey, Frauenärztin in Gevelsberg,  unterstützt seit vielen Monaten die Entwicklungshilfearbeit von Interplast Germany e.V. durch tatkräftige Mitarbeit im Sushma Koirala Memorial Hospital in Nepal, in der Nähe von Katmandu. In Nepal gibt es einen sehr großen Bedarf für gynäkologische Behandlungen nach Gebärmuttersenkung. Viele Menschen sind jedoch zu arm, sich eine Behandlung leisten zu können. Hier hilft das ehrenamtliche Engagement und der medizinische Wissenstransfer der Ärztinnen und Ärzte aus Deutschland.

Brandaktuell erreichte Frau Dr. Grothey  am 26. April 2015 von Hein Stahl, dem Sektionsleiter des Interplast-Krankenhauses in der nepalesischen Hauptstadt Kathmandu aus dem Katastrophengebiet folgende Meldung.
 
Betreff: Erdbeben in Nepal

 

Liebe Susanne, als Anlage ein kurzer Bericht von heute Morgen. Langsam normalisiert sich die Lage etwas und wir haben aber noch 30 Frakturen herumliegen, die wir langsam wegoperieren müssen. Mir geht es gut, nur die ständigen Nachbeben zehren an den Nerven.
Danke für alles und lieb Grüße,
Dein Hein

 

Situationsbericht Erdbeben Nepal 25.04.2015

Gestern Nachmittag, 25.04.2015, Uhrzeit weiß ich nicht genau, hat uns ein schweres Erdbeben überrascht. Das Hospital, alle stationären Patienten, unser diensthabendes Personal und alle Gäste sind völlig unbeschadet geblieben. Das Hospital hat noch nicht mal Risse, während um uns herum, besonders in Sankhu, die meisten älteren Häuser in einer großen Staubwolke zusammen fielen. In kürzester Zeit wurden fast 70, meist schwerverletzte Bewohner aus den umliegenden Dörfern angeliefert. Es waren meist Pickups der Polizei, die uns die Leute einfach vor die Tür legten. Nun haben wir ca. 30 Frakturen rumliegen und operieren seit heute Morgen um sechs. Ich habe gestern allein 5 Tote nach dramatischen Wiederbelebungsversuchen aus dem Aufwachraum gefahren. Wir arbeiteten bis zur Erschöpfung und auch das Material drohte auszugehen.Als das Beben kam, war ich gerade in Kathmandu um neue Landkarten zu kaufen. Das Beben war ungeheuerlich, meine Beine versagten die ersten Sekunden ihren Dienst, alle schrieen, fielen vor mir mit Kindern auf dem Arm zu Boden, ich riss einige hoch und versuchte mich auf die Strasse zu retten. Dann holte ich den Jeep, wollte die gewohnte Strecke fahren, die aber durch umgestürzte Strommasten blockiert war. Gegen Vernunft und Instinkt fuhr ich in eine kleine Seitengasse als einzigen Ausweg, denn ich hatte nur einen Gedanken,- ich muss zurück ins 15 km entfernte Hospital, denn ich ahnte, dass unser Nachbarort Sankhu mit den vielen alten Häusern in Trümmern liegen würde. Ich fuhr auf brutalste Weise über Schuttberge und herunterhängende Stromleitungen und habe es wie durch ein Wunder geschafft heil aus Kathmandu heraus zu kommen.Im Hospital wurde bereits auf Hochtouren gearbeitet. Alle Frei- und Grünflächen waren mit jammernden Leuten belegt. Unser diensthabendes nepalesisches Personal leistete zusammen mit unseren Gastmedizinern Großartiges und ich war erfüllt von dem Bewusstsein solch ein großartiges Hospitalprojekt mit geschaffen zu haben. Ich bin auch etwas stolz, dass unser Gemäuer so gut gehalten hat, denn wir haben zur Erdbebensicherheit mindestens einen bautechnischen Mehraufwand von 200 Tausend Euro betrieben. Seit 15 Jahren habe ich über dieses Szenario nachgedacht und nun ist es leider eingetreten. In der ganzen Umgebung gibt es keinen Strom und unser großer Generator läuft Tag und Nacht und wir haben noch 8 Dieselfässer zum Nachtanken. Wir sind also voll funktionsfähig und wie eine Fluchtburg für ein Gebiet mit vielen tausend Menschen. Während ich diese Zeilen schreibe, wackelt es schon wieder und ich muss gestehen, dass ich jetzt erst beginne Angst zu bekommen.Wir bräuchten dringend Orthopäden, aber bis die hier sind, wird das Meiste weggeschafft sein. Wir verlegen jetzt auch einige Patienten ins Army-Hospital. Ich mag gar nicht durch die umliegenden Orte laufen. Man spricht von ca. 90 Toten allein in Sankhu. Ich hänge ein paar Bilder an diesen Bericht, die aber nicht entfernt die Situation wiedergeben, denn man hat in solch einem Moment Wichtigeres zu tun als zu fotografieren. Wieder wackelt es,- man kommt sich vor wie eine Ameise, die durch Urgewalten zerquetscht zu werden droht. Soviel zur momentanen Situation in einem kleinen Hospital in Nepal. Macht Euch keine Sorgen, wir werden alles schaffen.

Hein Stahl

 

Wir danken Frau Dr. Susanne Grothey und Hein Stahl für diese Information  Wir danken darüber hinaus auch den Helfern und vor allem ehrenamtlichen Helfern dort vor Ort für Ihr bis  an  Erschöpfung grenzendes Engagement.

 

Linde Arndt für EN-Mosaik