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Die Privaten erzielen mehr als nur ein Achtungserfolg bei den Grimme Awards

Grimme Award im Grimme-Institut Marl Foto: (c) Linde Arndt

Grimme Award im Grimme-Institut Marl Foto: (c) Linde Arndt

[jpg] Es ist immer spannend wenn das Grimme Institut die Preisträger bekannt gibt und ehrt. Diesmal war es der 52. Grimme Award der vergeben wurde.
Immer wieder wird mit diesem Preis auch der Zustand des deutschen Fernsehens sichtbar. In den letzten Jahren zeichnete sich ein Wettbewerb zwischen den öffentlich rechtlichen Anstalten, ARD und ZDF und den Privaten, SAT1, RTL oder PRO Sieben, ab. Dieses Jahr machten die Privaten gegenüber ARD und ZDF das Rennen.
Großes Aufsehen (Nicht wirklich) machte der Preis für Jan Böhmermann für seine Sendung „Neo Magazin Royale“ – eine satirische Late-Night -Show. Wie allseits bekannt bliebt Jan Böhmermann den Feierlichkeiten zur Grimme-Preis Verleihung fern. Wir wollen uns aber jetzt nicht an dem Medienrummel um Jan Böhmermann beteiligen – es ist eine Satire und gut ist.

Es gab dieses Jahr einen qualitativen Schub nach oben, wobei besonders die Serien eine Renaissance feierten.

Unsere Redaktion will ihnen einige der Preis die uns inspirierten näherbringen.

Patong Girl (ZDF)

Erstausstrahlung: Dienstag, 28.12.2015, 0:05 Uhr, ZDF

Grimme-Award für Pantong Girl v.l. Max Mauff und Aisawanya Areyawarrana Foto:(c) Linde Arndt

Grimme-Award für Pantong Girl v.l. Max Mauff und Aisawanya Areyawarrana Foto:(c) Linde Arndt

Es geht um den Sohn einer recht bürgerlich spießigen deutschen Familie. Die Familie macht in Thailand zu Weihnachten Urlaub. Es läuft nicht alles ganz rund mit dem Urlaub, die Unterbringung ist in der Nähe eines Vergnügungsviertels und auch sonst hatte sich die Familie den Urlaub ganz anders vorgestellt. Der jüngere Sohn von den beiden Söhnen vergnügt sich in dem Urlaubsdomizil und verliebt sich in die Thailänderin Fai (Aisawanya Areyawattana). Diese Liebe wird von Fai auch erwidert.
Als die Familie zurück fahren will, eröffnet Felix seiner Mutter, dass er mit Fai in Thailand zusammen bleiben will. Die Mutter ist entsetzt, vermutet sie doch in Fai eine Prostituierte. Felix hält seiner Mutter den Spruch „Man sieht nur mit dem Herzen gut“, von Antoine de Saint-Exupéry vor, den sie ihm in der Kindheit beigebracht hatte und legt auf. Auf der Fahrt zu Fais Eltern eröffnet Fai Felix, dass sie ein „Lady Boy“ ist. Felix ist verblüfft, steht aber zu seiner Liebe mit Fai.

Was den Film so sehenswert macht, er kommt so unaufgeregt daher. Die Story gäbe doch einen Moral- oder sogar einen Pornostreifen her. Nichts dergleichen. Es ist eine Liebesgeschichte die zwei junge Menschen tagtäglich erleben. Ja, es gibt sogar ein Happy End. Aisawanya Areyawattana ist ein „Lady Boy“, nur haben diese „Lady Boys“ in Thailand eine viel höhere Akzeptanz als in Deutschland. Denn der Buddhismus spricht von einer Seelenwanderung, die in diesem Falle nicht unbedingt mit den beiden Geschlechtern auskommt. Wie praktisch.
Wenn die Liebesgeschichte da nicht wäre, wäre dieser Film eine wunderbare Dokumentation über sexuelle Toleranz und Möglichkeiten des Zusammenlebens von zwei Menschen die bei uns sicher ihre gesellschaftlichen Probleme hätten. Vorurteile, Klischees oder Ängste gibt es in diesem Film nicht, es geht um die ganz normale Annäherung zweier Menschen die die Liebe halt ausgesucht hat. Felix und Fai könnten in Deutschland aber auch in anderen Ländern Brückenbauer sein, aber die Liebe der Beiden hat die Gräben ja schon zugeschüttet. Susanna Salonen hat mit ihrer Regie einen wunderbaren Film gemacht, der ein abgleiten in populistische Sphären unmöglich macht und das menschlich alltägliche ganz in den Vordergrund stellt.

Marhaba – Ankommen in Deutschland (n-tv)

Erstausstrahlung: ab Freitag, 25.09.2015, n-tv

Constantin Schreiber (Spezial für Reaktion und Moderation) Marhaba - Ankommen in Deutschland Foto: (c) Linde Arndt

Constantin Schreiber (Spezial für Reaktion und Moderation) Marhaba – Ankommen in Deutschland Foto: (c) Linde Arndt

So sollte Integration sein wie Constantin Schreiber seine Sendung aufgebaut hat. Immer sind es einige Minuten in denen uns Constantin Schreiber in die Welt des Zusammenlebens und „Von-einander-lernens“ führt. Constantin Schreiber hat eine ganze Zeit in den arabischen Ländern gelebt und spricht fließend arabisch. Der Sender N-TV, der zur RTL-Mediengruppe gehört, hat sich  mit Marhaba ein Format geschaffen, welches für diesen Sender außergewöhnlich ist.
Constantin Schreiber sucht sich einen syrischen Koch aus, geht mit ihm in eine deutsche Küche, um mit ihm die Unterschiede die zwischen den beiden Küchen besteht herauszuarbeiten. Nebenbei: Es gibt keine wesentlichen Unterschiede. In einem Nebensatz, in Syrien isst man sehr gerne und viel süße Speisen, die mit Honig gesüßt werden. Das sind aber keine Besonderheiten, sondern mehr Geschmacksrichtungen die wir in Deutschland im Nord/Süd Dialog auch haben.
Es ist eine Sendung die im Internetfernsehen gezeigt wird, wenn arabisch gesprochen wird, wird deutsch im Zeilenformat eingeblendet, wenn deutsch gesprochen wird, wird arabisch eingeblendet. So steht der syrische Koch dem deutschen Koch gegenüber und sie stellen fest, wir könnten zusammen arbeiten, nur dürfen wir nicht.
Warum? Der Gesetzgeber will das nicht.
Die Sendung kommt nicht moralisierend, mitleidseregend oder besserwisserisch, sondern zeigt die kulturellen und alltäglichen Unterschiede denen ein Kriegsflüchtling in Deutschland ausgesetzt ist. Schreiber bleibt aber hier nicht stehen, sondern zeigt auch Wege wie man die Unterschiede meistern kann, ohne sich selber zu verlieren. Gelungen ist aber auch der Verbreitungsweg indem die Sendung über das Internet gesendet wird. Denn der erste Kontakt mit der medialen Außenwelt findet in der Regel über die mobilen Smartphones statt. Es ist die gute alte Aufklärung die Schreiber hier betreibt. Nebenbei erfährt der deutsche „Ureinwohner“ von seinem Land etwas, was ihm (dem Ureinwohner) nicht mehr erinnerlich war.

Club der roten Bänder (VOX)

Erstausstrahlung: ab Montag, 09.11.2015, 20:15 Uhr, VOX

Grimme Award für "Club der roten Bänder" v.l. Tim Oliver Schultz, Luise Befort, Timur Bartels und Ivo Kortlang Foto: (c) Linde Arndt

Grimme Award für „Club der roten Bänder“ v.l. Tim Oliver Schultz, Luise Befort, Timur Bartels und Ivo Kortlang Foto: (c) Linde Arndt

In einem Krankenhaus auf einer Station verbringen mehrere Jugendliche die an Krebs erkrankt sind und den Alltag im Krankenhaus zwischen Operationen und Streiche spielen verbringen. Die Jugendlichen haben sich zusammen gefunden und die roten Operationsbänder weist sie als „Banden“ Mitglieder aus. Jonas (Damian Hardung) soll der Unterschenkel amputiert werden. Am Vorabend beschließen die Jugendlichen eine Abschiedsparty für den Unterschenkel von Jonas zu geben. Leo (Tim Oliver Schultz ) der Zimmernachbar von Jonas, will ein Mädchen zu dieser Feier einladen. Hier kommt Emma (Luise Befort) die an einer Essstörung leidet ins Spiel.
Die Jugendliche bauen sich in diesem Krankenhaus ihren eigenen Kosmos mit eigenen Regeln. Ihr Verständnis als Gruppe führt sie zwanglos in eine Welt voller Lebensfreude, obwohl die Krankheiten dies nicht zulassen würden. Es sind 10 Folgen in der ersten Staffel. Wie die Planung aussieht, soll es eine zweite Staffel geben.

Es ist ein Drama erster Güte. Gleichzeitig kommen diese Jugendlichen nicht mit der Mitleidsschiene daher, ihr Credo, wir wollen Leben auch in diesem von uns gezimmerten Kosmos. Das zuweilen der Wechsel von Tragik zur Komik zu schnell für den Zuschauer daher kommt macht einen gewissen Reiz. Die Erwachsenenwelt wird, so möglich, vollkommen ausgeblendet. Durch die Krankheit haben die Jugendlichen Narrenfreiheiten, die sie den Zwängen der Erwachsenenwelt entziehen. Irgendwie erinnert die Sendung an den französischen Film „Ziemlich beste Freunde“ mit François Cluzet und Omar Sy, auch hier geht François Cluzet mit seiner Krankheit um als wolle er ein Leben in der fast Regungslosigkeit in vollen Zügen genießen, dies wurde ihm aber nur durch Omar Sy als Driss ermöglicht der ihm eine andere Sicht auf sein Leben eröffnete.
Es werden Grenzen überschritten, die man Angesicht der dramatischen Lebensumstände normalerweise nicht überschreitet.

Unsere Redaktion hat diese prämierten Werke deshalb ausgesucht, nicht weil sie besser sind als die anderen, vielmehr machen diese Geehrten einen Tabubruch. Über Sexualität spricht man nicht und schon gar nicht wenn auch noch irgendwie die Homosexualität oder Transsexualität ein Thema ist.
Oder man spricht zwar über die Integration der Kriegsflüchtlinge, kann aber keine pragmatischen Konzepte vorweisen. Und Krebs, überhaupt Krankheiten, werden am besten in die Banlieue einer Stadt verband.

So sind unserer Meinung nach alle drei Werke gute Beispiele die Rührseligkeiten die manchen Filme anhängen vergessen zu machen.

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Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Marl
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Es geht um die Qualität des deutschen Fernsehens

v.l.: Kamman, Spies Foto: © Linde Arndt

v.l.: Uwe Kammann und Uli Spies, Foto: © Linde Arndt



[jpg] Der Grimme Preis ist 50 Jahre geworden. Herzlichen Glückwunsch.
Viele Deutsche haben den Eindruck, Fernsehen zeigt nur Mittelmaß. Zu viele US-amerikanische Serien, viele zugekaufte Filme und wenig eigene Produktionen. Jetzt gerade wurde eine Studie durchleuchtet, nach der die Deutschen durchschnittlich 3 – 4 Stunden am Tag Fernsehen sehen. Das die Studie sich der „Alten“ bedienten die den Fernseher den ganzen Tag über laufen ließen, wirft ein denkbar schlechtes Licht auf diese Studie, die vom deutschen Fernsehen in Auftrag gegeben wurde.

Das die Jungen sich des Internets bedienen und sich vom Programmfernsehen abwenden wird verschwiegen. Technisch kann man über Smartphone seine Unterhaltung organisieren. Alles wächst halt zusammen. Deshalb auch die Finanzierung des deutschen Fernsehens über Haushalte. Für andere Zuschauer sind viele Programme Spitze, kommen jedoch zu einer viel zu späten Sendezeit. Zu viel wird auf die Quote geachtet, zu wenig wird dem Zuschauer zugemutet. Auch hier sieht man „The German Angst“, die es nicht erlaubt mutig etwas Neues zu wagen. Ein deutscher Einheitsbrei wird einem anscheinend vorgesetzt, nach dem die Filmschaffenden bestimmte unsichtbare Grenzen nicht überschreiten. Man möchte die Förderung nicht verlieren.
In diesem Umfeld sucht die Jury des Grimme Instituts unter (z.Zeit noch) Uwe Kammann und Grimme-Preis-Referent Uli Spies, Jahr für Jahr, und das seit 50 Jahren, preiswürdige Produktionen heraus.

Lassen wir uns einige Produktionen anschauen.

Unter der Rubrik Fiktion/Spezial finden wir den Film „Eine mörderische Entscheidung“
Hannah Ley, Raymond Ley (Buch) und Reymond Ley (Regie),
Matthias Brandt spielt den damaligen Oberst Klein.
ARD (NDR/ARTE)

v.l.: Brandt, Ley, Ley  Foto: © Linde Arndt

v.l.:Matthias Brandt, Raymond Ley, Hannah Ley Foto: © Linde Arndt

Der Film zeigt eindrucksvoll wie die militärischen Akteure des Krieges sich gegenseitig motivieren ihr blutiges Handwerk in die Realität umzusetzen. Hautnah ist man auf verschiedenen Ebenen der Handlung verbunden. Da sind die Akteure im Feldlager Kunduz, Bundesnachrichtendienst,verschiedene Waffengattungen der Bundeswehr oder Verbindungseinheiten. Immer wieder werden zwei festgefahrene Tanklastzüge in ihrer Gefahr für das Feldlager bewertet. Informationen aus unterschiedlichen Quellen werden gesichtet. Die Informationslage führt letztendlich zu der Aussage, es besteht für das Feldlager eine hohe Gefahr, dass die Tanklaster als fahrende Bomben auf das Feldlager eingesetzt werden. Die Abwehr dieser Gefahr soll mittels Bombenabwurf von 500 Kilo Bomben beseitigt werden. Letztendlich geht es noch um die Zivilisten die sich evtl. um die Tanklaster herum aufhalten. Als die Abwesenheit von Zivilisten bestätigt wird, werden 2 Bomben geworfen. Durch diesen Bombenwurf werden 142 Zivilisten ermordet. Es wurde damit ein völkerrechtswidriger militärischer Akt nach der Genfer Konvention ausgeführt. Damit war, zwar zweifelhaft, das Geschehen als Kriegsverbrechen einzuordnen.
Der Film betrachtet jedoch nur den Bereich der Umstände die mehr oder weniger durch den vorhandenen Gruppenzwang zu diesem Sachverhalt führen. Die Entscheidung wurde als „alternativlos“ dargestellt. Es gab nur zwei Optionen, bombardieren ja oder nein.
Oberst Klein, der Entscheider, wurde in seiner menschlichen Dimension heraus gearbeitet, sodass man nur Mitleid mit seiner Person haben konnte und damit das Geschehen entschuldigen musste.
So wurde die staatlich offizielle Geschichte (Sprachregelung) erzählt!
Buch und Regie waren frei die Geschichte auch anders zu erzählen. Einen Obersten der dieser Situation nicht gewachsen war und durch einen erfahrenen Befehlshaber abgelöst wurde. Oder Oberst Klein, der zu einem späteren Zeitpunkt vom internationalen Gerichtshof angeklagt wurde.

Stattdessen wurde wieder wie schon einmal in der Geschichte der Befehlsnotstand herbei geschrieben.
Ich denke der Film hat seinen Preis nur deshalb verdient, weil er eindrucksvoll die wahnhaften Gruppenzwänge
in diesem „Männerclub“ aufzeigt, da wo man kein Weichei oder Feigling sein darf. Man funktioniert nach festen Regeln, wobei ein gewisses Maß an Menschlichkeit als Farbtupfer erlaubt ist. Aber so war der Film nicht angelegt. Es fehlte der Mut den Weg der schon vorgezeigten Geschichte zu verlassen und mit diesem Film eine Anklage zu verfassen, eine Anklage gegen den Krieg.

 

Zweites Beispiel: „Restrisiko – Ein Film über Menschen im Maßregelvollzug“
ARD Bayrischer Rundfunk
Katrin Bühlig (Buch/Regie) und Dagmar Biller (Produktion)

v.l.: Kathrin Bühlig und Dagmar Biller  Foto: © Linde Arndt

v.l.: Kathrin Bühlig und Dagmar Biller Foto: © Linde Arndt

Es geht um Menschen, die nie mehr wieder den Strafvollzug verlassen dürfen, weil deren Taten so schwer waren und eine Resozilialisierung nicht möglich ist. Es sind Sexualstraftäter, Mörder oder aber Täter, die sich des sexuellen Missbrauchs von Kindern schuldig gemacht haben. Bei all diesen Tätern stand immer das Entsetzen, die Wut und die Ohnmacht der Gesellschaft Pate.
Katrin Bühlig hatte die Möglichkeit im LWL (Landschaftsverband Westfalen-Lippe) Zentrum für Forensische Psychiatrie in Lippstadt einen Film über diese Menschen zu machen die im Maßregelvollzug leben.
Der Film will nur dokumentieren, einordnen, ist kühl und mehr kopfgesteuert, ein paar Einstellungen mehr und er könnte als wissenschaftlicher Film durch gehen.

Alltag in einer Anstalt in der der Begriff Alltag eine ganz andere besondere Bedeutung bekommt. Die einsitzenden Täter bauen sich Schritt für Schritt mit ihren Therapeuten ihre eigene Welt in der sie bestehen können, die sie aber auch  selber in die durch die anderen auferlegte Strafe führt. Strafe, nein, es ist eine Therapie ohne Heilungsaussicht, heute zumindest. Es gibt keine Welt da draußen und da drinnen mehr, es gibt nur noch diese eine Welt. Teilweise ist diese Welt so gemütlich, dass die Insassen sich wie in einer WG fühlen. Wenn da nicht die Umstände der im Hintergrund mitschwingenden Tat wären.
88 Minuten von 57 Stunden Dreharbeiten werden dem Zuschauer gezeigt. Humanistisches Gedankengut wird in dieser Anstalt umgesetzt, Perspektiven gibt es nicht, kann es nicht geben und darf es nicht geben.

Hätte es doch etwas mehr Mut über die 88 Minuten hinaus sein dürfen, so denkt man sich. Wenn man den Fall des Jürgen Bartsch, der durch den amerikanischen Journalisten Charles Paul Moor aufgearbeitet wurde, als Sekundärfall hinzuzieht, so bleiben viele Fragen für diesen Film. Aufgearbeitet in dem Sinn, dass die Vita solch eines „Monsters“ wie Jürgen Bartsch keineswegs aus dem Nichts begründet werden konnte. Bartsch war immer auch Opfer, indem er z.B.von seiner Adoptivmutter mit 19 Jahren noch gebadet wurde. Es waren so viele Indizien die zur Entschuldung eines Jürgen Bartsch sprachen. Der Wuppertaler Richter der Jugendstrafkammer Walter Wülfing geißelte Jürgen Bartsch und hätte ihm gerne eine andere Strafe zu gewiesen, verurteilte ihn nach dem Erwachsenenstrafrecht, weil ein paar oberflächliche Gutachten Bartsch als Täter sahen. Erst der BGH erkannte die unzureichende mehr oberflächliche Aufarbeitung des Falles in Wuppertal und verwies den Fall zurück an die Kammer.

Gerne hätte man damals Bartsch vor dem Landgericht aufgehängt oder erschlagen. Diese dumpfe Angst, die damals in Wuppertal, Langenberg-Velbert und Umgebung herrschte, war eine ganze Zeitlang noch spürbar.

Und heute? Es hat sich nicht viel verändert, es fehlt die Aufklärung – man spricht nicht mehr darüber. Noch immer gibt es die unendlichen abstrakten „Opfer, Täter“ Diskussionen die zu nichts führen. Noch immer sieht eine so schnelllebige Gesellschaft wie die unsrige keine Möglichkeit solche Kinder/Menschen zu integrieren. Die Konsequenz –  unsere Gesellschaft produziert seine Täter zumindest teilweise selber. Charles Paul Moor wird später in einem Gespräch berichten, dass er sich in dem Prozess gegen Bartsch sehr einsam gefühlt hat, denn seine Einstellung zum Prozess und der Tat standen konträr zu den Einstellungen der Richter und des Prozessumfeldes.
So hat NRW heute noch große Probleme Standorte für forensische Anstalten zu planen. Niemand will diesen Personenkreis in seinem Umfeld.

Es gibt neue Personenkreise, wie die jungen Brandstifter von Solingen aus dem Jahre 1993, die mal so eben 5 „Ausländer“ verbrannt hatten oder die NSU, die im vorbeigehen 10 Menschen (auch „Ausländer“) erschossen. Die Taten werden nicht dadurch erklärbar, wenn man ihnen ein politisches oder rassistisches Motiv zuordnet. Es sind immer Taten die mit den gesellschaftlichen Verhältnissen korrespondieren. Und weil es diese Korrespondenz gibt, sollte in einer Betrachtung die Gesellschaft befragt werden dürfen. Stellt denn die Gesellschaft nicht auch ein Restrisiko dar? Denn es geht nur um eines, wie kann ich die Opferzahlen senken wenn nicht gar vermeiden. Nur das erfordert Mut, Mut nicht die 90 Minuten im Blick zu haben, Mut die Gesellschaft in ihrer „Hängematte“ abzuholen, Mut zu provozieren. Wie sagte der Journalist Charles Paul Moor nach dem Bartsch Prozess: Ich fühlte mich während des Prozesses so einsam, weil ich nicht die gleiche Einstellung wie die anderen Prozessbeteiligten hatte. Lassen wir also unsere alte Denke wieder zu, die uns durch eine übergeordnete Instanz verboten wurde?

Tatort: „Angezählt“ (ORF/rbb)
Martin Ambrosch (Buch) Sabine Deflinger (Regie)
Adele Neuhauser und Harald Krassnitzer (DarstellerIn)

v.l.: Sabine Deflinger, Harald Krasznitzer, Neubauer

v.l.: Sabine Deflinger, Harald Krassnitzer, Adele Neuhauser Foto: © Linde Arndt

 

44 Jahre ist der Tatort alt geworden. Er ist in die Jahre gekommen und das Format wurde kaum oder nie verändert.
Die Tatorte leben von den Personen bzw. DarstellerInnen, die die Kommissare mehr oder weniger mit Leben an den Zuschauer bringen.
So ist das Ermittlerteam aus Wien eine der „guten“ Sendungen. Bibi Fellner (Adele Neuhauser) ist das emotional aufgeladene Pendant zu dem mehr oder weniger kauzigen Kollegen Moritz Eisner (Harald Krasnitzer). Es sind aber auch die Drehbücher, die die ORF den beiden Darstellern an die Hand gibt, die spannende Handlungen versprechen.

Angezählt behandelt das Thema Prostitution im bulgarisch-türkischen Milieu der Hauptstadt Wien. Mädchen müssen sich in einer türkischen Teestube für 30,–Euro anbieten, wobei ihre Dienste im Hinterzimmer ausgeführt werden.
Es gibt ein unerschöpfliche Reservoire an jungen Sexarbeiterinnen aus Bulgarien, Rumänien und dem Balkan. In der Regel werden die jungen Frauen mit Gewalt nach Wien oder anderen europäischen Städten gebracht und dort zur Prostitution gezwungen.
Bibi bringt eine der Prostituierten dazu gegen ihren Zuhälter auszusagen der letztendlich auch verurteilt wird. Kaum ist dieser aus dem Gefängnis raus übt er grausame Rache an der Prostituierten. Er lässt die Prostituierte von einem Roma Kind mit Benzin anzünden.
Es ist ein spannender Krimi, der dazu auch noch in seinem Dramenaufbau und seiner Erzählung zu den Meisterwerken gehört.
Dieser Krimi „Angezählt“ hat sicher zurecht einen Preis bekommen. Nur, war es nicht der Tatort der den Grimme Preis bekommen hat? Und bekam nicht der Film „Angezählt“ den Preis stellvertretend  für den gesamten Tatort?
Es ist nicht der erste Tatort der im Rotlichtmilieu spielt. Aber es sind immer wieder die gleichen Wissensstände. Tatsächlich hat sich das mafiöse Milieu verändert. Menschenhandel bedeutet nicht mehr nur Sexualarbeiterinnen in die Städte zu verbringen. Nein, seit Jahren gibt es auch Kinder zum Betteln oder zum Sex, Waffen, Drogen alles aus einer Hand. Ein Anruf genügt. Da muten die Bilder, die da vermittelt werden, doch ziemlich naiv an. Nur andeutungsweise erfährt man in diesem Film von einer weltweit agierenden organisierten Kriminalität. Ein Krieg der schon längst von der Gesellschaft aufgegeben wurde.

Die gesamten Tatorte sind in die Jahre gekommen. Da nützt es nichts wenn mal ein guter Krimi dazwischen ist. Es geht grundsätzlich um das Format „Tatort“. Die ewigen langwierigen Einstellungen, die Erzählabläufe kommen immer mit dem gleichen klassischen Schema (Kleist lässt grüßen). Kameraführungen, Schnitte, Lichteffekte werden konservativ eingesetzt. Da bereiten die Skandinavischen Filme alleine durch die Kameraführung schon eine viel größere Spannungskurve. Die Protagonisten sind anders ausgesucht worden. Schnitte vermitteln dort eine Dynamik die das Verbrechen ja auch hat. Oder die englischen Serien, auch hier ganz andere Techniken.

Nicht in deutschen Tatorten, da läuft alles in der Regel gemütlich ab, der Täter wartet auf die richtige, alles befreiende Frage, die ihn zum Schuldigen macht. Spannung kaum, eher Befreiung, die einem endlich den befreienden Gang zur Toilette erlaubt. Warum ist man nicht früher gegangen? Die Filme hätten sich ja noch berappeln können und zu einem guten Krimi werden können.

Ob es den Programmverantwortlichen bewusst ist das jedes Produkt, und wir reden im Fernsehen von Produkten, einen bestimmten Zyklus hat? Und wenn der Zyklus abgelaufen ist, geht es bergab mit dem Zuspruch. Aufhalten kann der Produzent das nur, wenn er ein Upgrade oder ein Relaunch seines Produktes macht und zwar in Allem. Man kann den Deutschen wirklich keinen Mut bescheinigen, vielmehr muss man ihnen absolute Reformunwilligkeit attestieren. Was spricht dagegen wenn der Tatort total verjüngt würde? Nichts. Es würden sich neue Zuschauer erschließen. Wäre das so schlimm?

Nehmen wir ein zweites Format „Wetten,das…?“. Von ehedem 20 Millionen Zuschauer auf 6 Millionen Quote in 2014 gekommen. Warum? Auch hier, kein Relaunch und kein Upgrade. Man hat die Sendung einfach ins Nichts laufen lassen. Der Letzte, Markus Lanz, muss Ende des Jahres das Licht ausmachen.
Immer wieder sieht man bei den politischen Sendungen, entweder 30 Minuten oder 90 Minuten Formate. Da werden manchmal heiße Diskussionen geführt, die abgebrochen werden müssen, weil die Zeit um ist. Unmöglich. Der alte Kuhlenkampf hatte öfter seine Sendung bis zu 45 Minuten verlängert um dann mit einem treuherzigen Blick sich zu entschuldigen.

Zu guter Letzt muss man mal eine Lanze für die Fantasie und die Kreativität brechen, die ach so oft in dem Einheitsbrei der Fernsehanstalten verloren geht. Ob das nun die DarstellerInnen oder die Kamera, die Requisite, Kostüme, Musik, Drehbuch und, und, und alles sind Menschen die ausgewiesene KünstlerInnen sind. Und die ZuschauerInnen warten auf diese Leistungen, die einmal freigegeben, zu Verzückungen oder auch Nachdenklichkeiten führen. Beide haben es verdient zueinander zu finden. Die Intendanz muss sie nur einmal lassen und die Rahmenbedingungen schaffen, dann kann man auch die Flucht der Zuschauer vermeiden oder aufhalten.

Und was hat das mit dem Grimme Institut zu tun? Das Grimme Institut sollte den Mut haben, einmal keinen Preis zu vergeben. Ich denke es wäre ein Weckruf für die Sender und diejenigen die sich mit Kultur befassen.

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Marl

Davon würde ich viel mehr haben wollen

 [jpg] Der Grimme Preis als deutscher Qualitätsmaßstab des Jahres. Die Grimme Preise von 2013 waren im Vorfeld durch die Nominierung von Dschungelcamp (RTL) in eine Diskussion über die Qualität der Preise gekommen. Am 27. März 2013 wurden in Düsseldorf die Preisträger benannt, die am 12. April 2013 durch das Grimme Institut im Theater der Stadt Marl den begehrten Preis erhalten werden. Die Pressekonferenz fand in Düsseldorf in den Räumlichkeiten des lfm-Institutes [ Landesanstalt für Medien ] statt.

Moderiert wird die Preisgala wie im vorigen Jahr von Michael Steinbrecher. Es kam die Nominierung des Dschungelcamp zur Rede, die auf dieser Pressekonferenz nicht erklärbar war.

Dschungelcamp wäre zwar handwerklich eine gute Sendung, jedoch reiche nur handwerklich nicht für einen Preis aus. Dschungelcamp ist ein „Agenda 2010“ Format, welches zeigt, wozu sich Menschen heute hergeben müssen – „Jeder Job ist zumutbar“

 Es ist im Neuhochdeutsch ein sogenanntes Trashformat, wie so vieles in den Sendern und ziele auf den schlechten Geschmack der Menschen ab.

 
Michael Steinbrecher
 
v.l.: Die Sieger – Claudia Michelsen, Bettina Braun, Max Giermann und Michael Steinbrecher (Moderator)
 

Wir wollen uns jedoch nicht von den Randergebnissen beeinflussen lassen und uns den Preisträgern 2013 zuwenden. Insgesamt wurde durch das Institut eine Steigerung der Qualität deutscher Fernsehproduktionen festgestellt. Diese zeigen eine sehr große Nähe zum Menschen und fielen durch ihre Sorgfältigkeit auf. Uwe Kammann, Direktor des Grimme Instituts fielen auch die starken zeitgeschichtlichen Bezüge auf, die bis in die Unterhaltung gingen.  

Die Entscheidungen für den 49. Grimme – Preis 2013 im einzelnen ( Rezensionen nach Aufzählung der Preisträger ):  

Wettbewerb Fiktion / Spezial
Grimme-Preis
an
Dorothee Schön (Buch)
Johannes Fabrick (Regie)
Wotan Wilke Möhring (stellv. für das Ensemble)
für
Der letzte schöne Tag (WDR)
Produktion: hager moss film

Grimme-Preis
an
Magnus Vattrodt (Buch)
Matti Geschonneck (Regie)
Ina Weisse, Barbara Auer (Darstellung)
für
Das Ende einer Nacht (ZDF)
Produktion: Network Movie

Grimme-Preis
an
Jochen Bitzer (Buch)
Stephan Wagner (Regie)
Robert Atzorn (stellv. für das Ensemble)
für
Der Fall Jakob von Metzler (ZDF)
Produktion: teamWorx 

Grimme-Preis
an
Thomas Kirchner (Buch)
Christian Schwochow (Regie)
Lars Lange (Ausstattung)
Jan Josef Liefers, Claudia Michelsen, Sebastian Urzendowsky (stellv. für das Ensemble)
für
Der Turm (MDR/Degeto/BR/NDR/WDR/SWR/rbb)
Produktion: teamWorx

Grimme-Preis „Spezial“
an
Anke Greifeneder (Redaktion/Produktion)
Quirin Berg (Produktion)
Tobi Baumann (Regie)
Sebastian Wehlings (Buch)
Christian Lyra (Buch)
für die Idee und Konzeption des Formats
„Add a friend“ (TNT Serie)
Produktion: Wiedemann & Berg Film           


   
Vom Grimme-Institut v. lks: Henning Severin (Pressesprecher) , Direktor Uwe Kammann, Dr. Ulrich Spies
 

Wettbewerb Information und Kultur / Spezial
Grimme-Preis
an
Thomas Riedelsheimer (Buch/Regie/Kamera/Schnitt)
für
Seelenvögel (WDR)
Produktion: Filmpunkt

Grimme-Preis
an
Eric Friedler (Buch/Regie)
für
Ein deutscher Boxer (NDR/SWR)
Produktion: NDR

Grimme-Preis
an
Annekatrin Hendel (Buch/Regie)
für
Vaterlandsverräter (ZDF/ARTE)
Produktion: It Works! Medien

Grimme-Preis
an
Andreï Nekrasov, György Dalos (Buch)
Christian Beetz (Produktion)
Georg Tschurtschenthaler (Produktion)
für
Lebt wohl, Genossen! (ZDF/ARTE/rbb)
Produktion: Gebrueder Beetz Filmproduktion, Artline Films 

Grimme-Preis „Spezial“
an
Bettina Braun (Buch/Regie/Kamera/Schnitt/Produktion)
für
die filmische Langzeitbeobachtung in der Dokumentar-Trilogie
„Was lebst du? – Was du willst – Wo stehst du?“ (ZDF)
Produktion: B’Braun Filmproduktion, ICON Film 


 

Wettbewerb Unterhaltung / Spezial
Grimme-Preis
an
Mizzi Meyer (Buch)
Arne Feldhusen (Regie)
Bjarne Mädel (Darsteller)
für
Der Tatortreiniger – Schottys Kampf (NDR)
Produktion: Nordfilm

Grimme-Preis
an
Martin Brindöpke, Markus Hennig (Buch)
Dirk Nabersberg (Regie)
Sarah Wirtz (Maske)
Max Giermann (stellv. für das Ensemble)
für
Switch Reloaded – ‚Wetten dass..?’ -Spezial (ProSieben)
Produktion: Eyeworks Germany  

Die Besondere Ehrung des Deutschen Volkshochschul-Verbandes
für Verdienste um die Entwicklung des Fernsehens

wird vergeben
an
Matti Geschonneck


 

 


   


Die Juroren: Anette Borkel, Gerd Hallenberger und Fritz Wolf

 


Der Sonderpreis Kultur des Landes NRW

wird vergeben
an
Shaheen Dill-Riaz (Buch/Regie)
für
Fremde Kinder: Der Vorführer (ZDF/3sat)
Produktion: Mayalok Filmproduktion

 


Der Publikumspreis der Marler Gruppe
wird vergeben
an
Beate Langmaack (Buch)
Rainer Kaufmann (Regie)
Devid Striesow, Stipe Erceg (Darstellung)
für
Blaubeerblau (BR/MDR/Degeto)
Produktion: Polyphon Film & Fernsehgesellschaft, Moviepool

 


 

Das Eberhard-Fechner-Förderstipendium der VG Bild-Kunst
wird vergeben
an
Jan Schomburg (Buch/Regie)
für
Über uns das All (WDR)
Produktion: PANDORA Film   


 


Claudia Michelsen
  Anwesend waren Claudia Michelsen für das Ensemble „Der Turm“ (MDR/Degeto/BR/NDR/WDR/SWR/rbb), Max Giermann für das Ensemble „Switch Reloaded – ‚Wetten dass..?’ -Spezial“ (Pro Sieben) sowie Bettina Braun für „Was lebst du? – Was du willst – Wo stehst du?“ (ZDF).   

Stellvertretend für alle Preisträger wollen wir die drei Produktionen besprechen die durch ein Mitglied aus dem Ensemble auf der Pressekonferenz vertreten waren. Alle drei Künstler sind mehrfach ausgezeichnet und gehören zu dem Besten was Deutschland zu bieten hat. 

So spielte Claudia Michelsen in dem Zweiteiler „Der Turm“ die Mutter Anne Hoffmann. Diese eindrucksvolle Literaturverfilmung ist ein gutes Beispiel für eine gelungene Umsetzung der 1000 seitigen Vorlage des gleichnamigen Romans von Uwe Tellkamp. Im Dresden des Jahres 1982 leben in einem Bildungsbürgertum, welches es nicht in einem Arbeiter- und Bauerstaat geben kann, Anne ( Claudia Michelsen ) und Richard Hoffmann ( Jan Josef Liefers ). Er, leitender Chirurg, hat mit seiner Sekretärin zwei Kinder, zu denen er sich jedoch nicht bekennt, weil dies seiner Karriere nicht förderlich ist. Mit seiner Frau Anne hat er ein Kind – Christian, welcher mal in seine Fußstapfen treten soll. Es ist das Thema von Anpassung, Kampf der Generationen, Aufbegehren aber auch subtiler Kampf gegen ein Regime, welches seine Mitglieder mittels einer Unterdrückungsmaschinerie gefügig hält. Es ist aber auch in der dargestellten Zeit ein sterbender Staat, welcher unfähig ist sich zu reformieren. Gefangen in diesem Regime spielt die Familie ein Spiel zwischen Familienglück und dem Kampf um die Positionen in dieser Gesellschaft. Das Regime dient allen als Korsett, welches allen irgendwie einen Halt gibt. Dieser Halt stellt sich jedoch als Widerspruch heraus, der in auftretenden Krisen nicht belastbar ist. Das Regime zerbricht an diesem Widerspruch und damit zerbrechen auch die Familienbande. Am Schluß des Filmes nimmt der Sohn der Hoffmanns, Christian ( Sebastian Urzendowsky ) , sein Leben in die eigene Hände. Die Zwänge sind durchbrochen weil die immer wieder aufgezeigten Gemeinsamkeiten nie bestanden hatten. 
Frau Michelsen, selber gebürtige Dresdnerin, fand im Interview den Film in seiner Fiktion als gelungen. Die städtebaulichen Aspekte seien allerdings etwas anders aufgebaut und heute so gar nicht mehr wieder zu erkennen. 

Seit Jahren gibt es die Parodie „Switch Reloaded“ (ProSieben) mit großem Erfolg. Ist diese Sendung doch ein intelligenter aber auch hintergründiger Anschlag auf unsere Möglichkeit Humor zu erkennen und darüber zu lachen. Mit „Switch Reloaded -,Wetten, dass..? – Spezial“ ist dem Ensemble eine Steigerung ihrer liebenswerten Boshaftigkeiten gelungen. Max Gierman als Markus Lanz und Bernhard Hoëcker als Thomas Gottschalk tun das wozu die Originale in ihrer Sendung Wetten, dass..? nicht mehr in der Lage sind, dass Publikum zu unterhalten.  
Max Giermann

Es ist aber auch eine schonungslose Kritik, die die Schwächen des Unterhaltungssektors des etablierten „Staatsfernsehens“ aufdeckt. Wo Unterhaltung drauf steht, ist nicht immer Unterhaltung drin, so könnte man die Originale bezeichnen. So nehmen Max Giermann und Bernhard Hoëcker gnadenlos die „Premiere“ der Sendung „Wetten,dass..?“ mit Markus Lanz aufs Korn, aber nicht ohne eine Hintertür, die auf eine bessere Sendung jenseits einer Katzenmütze für Tom Hanks setzt. Es ist die Möglichkeit der Glaubwürdigkeit, der man sich in dieser Sendung immer wieder ausgesetzt fühlt und dies hält einen an dieser Sendung – die Fernbedienung bleibt liegen. Die Sendung ist aber auch nicht eine Kritik gegen das Fernsehen, vielmehr ist es eine Aufforderung zu einem besserem Fernsehen jenseits von eingeübten immer wiederkehrender Mechanismen. 


Bettina Braun
  „Was lebst du? – Was du willst – Wo stehst du?“ (ZDF)von Bettina Braun stellt eine gelungene dreiteilige filmische Dokumentation von Menschen mit Migrationshintergrund dar.

Bettina Braun begleitet drei junge Männer, Ali,Kais und Alban, mit ihrem sozialen Umfeld in Köln ab dem Jahre 2004 bis zum Jahre 2012.

Kulturell haben alle drei ihre Wurzeln in der muslimischen Kultur, suchen aber ihren Platz in der deutschen Kultur. Bettina Braun geht hier sehr sensibel mit den Jugendlichen um, sie registriert und geht mit dem Registrierten auf eine allgemein verständliche Ebene.

Braun bedient dabei nicht irgendein übliches Klischee, vielmehr begleitet sie die jungen Menschen auf ihrem Weg in die Erwachsenenwelt.
Tatsächlich könnten diese Drei auch Deutsche sein, es würde jedoch das Ganze zu sehr vereinfachen. Alle drei versuchen sich in den beiden Welten zu arrangieren und die in sie gesetzten Erwartungen zu erfüllen. Da sind die Träume der drei, die –  für Jugendliche normal –  nicht schnell genug umgesetzt werden können. Braun überschreitet die Grenzen des Beobachters und wird durch ihre Teilhabe selber Teil der Szene. Als sie schwanger ist nehmen die drei Jugendlichen liebevoll an der Schwangerschaft teil. Und als das Kind auf der Welt ist, hat das Kind auf einmal drei Väter oder Brüder, die es in ihren  Kreis aufnehmen. So wird die gegenseitige Fremdheit von Kamera und Objekt aufgehoben und scheint im Schlußteil (Wo stehst du?) fast zu einem Familentreffen. Braun verlässt jedoch nie die Thematik, wie Jugendarbeitslosigkeit oder Multikulturalität, sensitiv führt sie den Betrachter in eine zukünftige Welt, die er jenseits der Zerrissenheit unserer heutigen Zeit neu erschließen könnte. Es ist das Persönliche und Emotionale welches dieser anderen Welt anhaftet.   

Es gibt aber noch etwas, was unbedingt erwähnt werden sollte. So wird das Grimme Institut zum dritten male im Rahmen der Preisverleihung eine Versteigerung zu Gunsten des Kinderhospizdienstes Recklinghausen durch führen. Zwei Eintrittskarten für die Galaverleihung im Theater Marl sowie ein Meet & Greet für den guten Zweck wird es mit dem Grimme Preisträger Devid Striesow („Blaubeerblau“) geben. Die Auktion wird von United Charity unterstützt. Internetnutzer können auf der Webseite www.unitescharity.de bis zum 9. April 2013 bis 17:30 Uhr, mitbieten. Wir wollen schnell und unbürokratisch Gutes tun, so Grimme Direktor Uwe Kammann. Sterben und Tod von Kindern soll mit der Unterstützung prominenter und renommierter Menschen und Institutionen enttabuisiert werden. 

Aus dem sehr großen Angebot fiel diesmal die Enttabuisierung mit dem Thema: Tod und Sterben auf. Hier sei auf die ARD verwiesen die mit diesem Thema in einer Sterbewoche das erste Eis brach und mit Dokumentarischem dem Zuschauer die Sichtweise öffnete. Im Bereich Fernsehjournalismus konnte nichts herausragendes und preiswürdiges erkannt werden.
EN-Mosaik findet in Zeiten wo wir uns als Europäer begreifen, das französische Format 28‘ auf Arte, französisch mit deutschen Untertiteln, als ein preiswürdiges Format. Von Montag bis Freitag setzt sich Elisabeth Quin, gemeinsam mit den Journalisten Renaud Dély und Nadia Daam, mit tagesaktuellen Ereignissen auseinander: für „28 Minuten heute“ empfangen Elisabeth Quin mit ihren Kollegen einen, und für das „Thema des Tages“ zwei bzw. drei Studiogäste. Diese informelle Sendung könnte unseren deutschen Dampfplauderen von Anne Will bis Frank Plasberg als Blaupause dienen.

Claudia Michelsen meinte dann auch im Gespräch, das Publikum wird permanent und konstant falsch behandelt und unterschätzt. So sind die Sendungen und Formate die sehenswert sind in der Regel zu später Stunde jenseits von 23:00 Uhr zu sehen. Daraus entsteht der Wunsch in der Hauptzeit (Primetime) mehr relevantes sehen zu wollen. Grimmepreisträger sind keine Exoten, vielmehr sind sie die gute Normalität schlechthin, die den Zuschauer anspricht und ihn das gibt was er will, nicht was die Quote will (Was auch immer das sein wird). 

 

Jürgen Gerhardt für EN-Mosaik aus Düsseldorf     

[Alle Fotos: © Linde Arndt]